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In sozialen Netzwerken wird bei der Beschreibung der eigenen Person geschönt, gefaked und gelogen – so ein gängiges Vorurteil. Dass sich dieses Vorurteil wacker hält, obwohl es durch verschiedene Studien und Erfahrungen schon oft relativiert wurde, liegt vermutlich in den Erfahrungen, die man früher gemacht hat, als der persönliche Online-Auftritt noch nicht in übergreifende Social Network Strukturen eingebettet war.
Waren “Surfer” in den 90ern noch unter Pseudonym unterwegs, melden sie sich heute meist mit realem Namen bei sozialen Netzwerken an. Denn während Webnutzer sich damals in einer anonymen digitalen Parallelgesellschaft bewegten, sind ihre Online-Aktivitäten heute eingebettet in ein Netzwerk “realer” Kontakte, Freunde, Familie, Arbeits- und Berufskollegen. Die Selbstdarstellung ist so automatisch sehr viel ehrlicher, weil es peinlich werden könnte, sich als jemand auszugeben, der man in der Realität nicht ist.
Es ist sehr erfreulich, dass dies nun immer mehr wissenschaftliche Studien belegen, dass Profile in sozialen Netzwerken wie Facebook und StudiVZ sehr viel weniger selbstdarstellerisch sind, als allgemein hin angenommen wird. Besonders intensiv beschäftigt sich ein Team der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz mit dem Thema. Anlässlich einer Studie antwortete Prof. Dr. Mitja Black letztes Jahr Cluetrain PR auf die Frage, warum Online-Profile so wenig zur Selbstidealisierung genutzt werden:
Zum einen, weil sie wahrscheinlich kein starkes Bedürfnis dazu haben, sich zu verstellen oder zumindest ein stärkeres Bedürfnis, sich so zu zeigen, wie sie sind und ihrem wahrem Selbst Ausdruck verleihen zu können.
Zum anderen ist es sehr schwierig, sich auf Online-Profilen zu verstellen. Viele Informationen auf dem eigenen Profil kommen von anderen Personen des sozialen Netzwerks (z.B. Pinnwandbeiträge) und diese Sozialpartner geben Feedback zur eigenen Selbstdarstellung. Man kann nicht einfach hunderte neue Bekannte oder zahlreiche Fotoalben von Partys erfinden, um sich möglichst extrovertiert darzustellen – diese sind entweder vorhanden (weil man extrovertiert ist) oder nicht (weil man es nicht ist).
Bei der Neuauflage der Fragestellung kommt das Team auch im Mai 2010 zu dem gleichen Schluss:
Our results were consistent with the extended real-life hypothesis and contrary to the idealized virtual-identity hypothesis. Observer accuracy was found, but there was no evidence of self-idealization (see Table 1), and ideal-self ratings did not predict observer impressions above and beyond actual personality.
Lügen haben kurze Beine. Dieser weise Spruch bewahrheitet sich auch in sozialen Netzwerken. Im Hinblick auf die soziale Kontrolle, die das eigene Netzwerk ausübt, fragte ein Panel des SMCHH im November 2009: “Werden wir online alle zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens?” Die Antwort lautet: Ja, und wir haben gelernt, uns auch so zu verhalten, denn Lügen schaden dem Image immer mehr als unschöne Wahrheiten.
“Lokalisten ist für mich wichtig, weil da viele Freunde sind. Lokalisten ist so, wie Werbung für mich.” (Junge, 13 Jahre)
Dieser Junge hat verstanden, was viele Unternehmen noch lernen müssen. Eine authentische Selbstdarstellung ist gute Werbung! Denn Authentizität bedeutet nicht, dass man sich auch von seiner schlimmsten Seite zeigen müsste.
Was allerdings nochmal eine eigene Studie wert wäre, ist die “Ehrlichkeit” der Profilbilder. Der optische Eindruck ist schließlich der, den wir selbst am wenigsten unter Kontrolle haben. Dementsprechend viel wird hier nachgeholfen oder versteckt, was der folgende Samsung-Spot großartig aufgreift:
Sollte es dazu Untersuchungen geben: Bitte in den Kommentaren posten!
Und wer sich mit dem Thema der Online-Selbstdarstellung noch weiter beschäftigen möchte, dem seien folgende Artikel ans Herz gelegt:
Wir Facebook-Schauspieler auf stern.de
Das Ego geht online auf sueddeutsche.de
Auch ein Blick in diese Studie ist seine Zeit wert:
Web 2.0 als Rahmen zur Selbstdarstellung und Vernetzung Jugendlicher – Erster Teil der Studie “Das Internet als Rezeptions- und Präsentationsplattform für Jugendliche” im Auftrag der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM)
Pic: August von Wille (gemeinfrei)