In diesem Artikel:
Dass Personalmarketing über die klassische Stellenanzeige weit hinausgeht, zeigen diese innovativen und aufsehenerregenden Beispiele für gelungene Guerilla Recruiting Kampagnen.
Unsere Hall of Fame des Guerilla Recruiting:
Was macht gutes Guerilla Recruiting aus? Erstens: Es erregt Aufmerksamkeit und lockt Zuschauer an. Zweitens: Es zieht Bewerbungen und langfristig erfolgreiche Einstellungen nach sich. Die hier von uns zusammengetragenen Beispiele konnten meist beides erreichen. Lasst Euch von den sechs folgenden Recruiting-Ideen inspirieren und begeistern…
1. Who cares? – Schwedische Armee
Sorgst Du Dich wirklich um andere Menschen? Würdest Du Deine Freiheit aufgeben, um anderen zu helfen? Das sind schwerwiegende Fragen, die einem nur ganz selten bis gar nicht gestellt werden. Die schwedische Armee hat es getan.
Nachdem vor zwei Jahren in Schweden die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, hatten die dortigen Streitkräfte ähnliche Probleme wie die Bundeswehr beim Recruiting des Soldatennachwuchses. Wie soll man junge Menschen heutzutage dazu bewegen, sich für eine Militärlaufbahn zu entscheiden? In Kooperation mit der Agentur DDB Stockholm wurde zu diesem Zweck eine sehr wirkungsvolle und innovative Social Recruitment Kampagne entworfen – wie der Social Media Guide berichtet. Ziel war es, mindestens 4300 Bewerbungen für die 1430 offenen Stellen zu erreichen. Das Ziel wurde mit 9930 Bewerbungen mehr als erfüllt. Doch wie?
Mit der Kampagne “Who Cares?” wurde der mitmenschliche Aspekt des Militärdienstes propagiert: In der Stockholmer Innenstadt wurde ein schwarzer Container abgeladen, in dem eine Person für mindestens eine Stunde von der Außenwelt isoliert wurde. Kein Tweet, kein Statusupdate konnte sie befreien. Nur wenn ein anderer seinen Platz einnahm, durfte der Eingesperrte wieder an die frische Luft. Kam keiner, blieb die Tür für eine weitere Stunde geschlossen. Per Kamera wurde das Innere der Box auf die Kampagnenseite und auf Leinwände gestreamt – Online-Banner, Aktionen in den sozialen Netzwerken, Zeitungsanzeigen und Außenwerbung begleiteten die Aktion. Die Befreier eilten aus ganz Schweden herbei und gaben sich die Klinke in die Hand. In 89 Stunden verzichteten 74 Leute auf ihre Freiheit, um sie einem Unbekannten wieder zu geben. Die Kampagne wurde zu einem viel diskutierten Thema im Social Web und die Kampagnen-Seite hatte über 100.000 Besucher in vier Tagen.
Auch wenn hier niemand wirklich gefangen war und deshalb für viele der Befreier wohl eher “Action” als “Moral” im Vordergrund stand, der Erfolg der Aktion steht für sich.
2. Flaschenpost – Biss
Die Hürde, sich mit dem Verkaufen eines Straßenmagazins als Bedürftiger zu “outen” und so mit den Passanten in Kontakt zu treten, ist für viele nicht niedrig – das Sammeln von Pfandflaschen eine etwas diskretere Alternative. Gerade diese Flaschensammler wollte das Münchner Straßenmagazin BISS (“Bürger in Sozialen Schwierigkeiten”) ansprechen und ihnen eine alternative oder ergänzende Einkommensquelle anbieten. Doch wie erreicht man eine so spezielle Zielgruppe am besten? Ganz im Sinne einer zielgruppengerechten Bewerberansprache, startete das Unternehmen eine Guerilla Recruiting Kampagne besonderer Art.
Mit der Unterstützung lokaler Promis wurden also Pfandflaschen mit Recruiting-Botschaften beklebt und in München verteilt. Auch die Leser waren in die Kampagne eingebunden: Sie wurden gebeten, in den Zeitungen beiliegende Aufkleber mit dem eigenen Leergut in den Straßen zu verteilen. Insgesamt wurden so über 5000 Flaschen beklebt und in der Region platziert.
3. Pirate Recruitment – Ogilvy
Diese tolle Guerilla Recruiting Kampagne für Webdesigner möchte ich Euch aufgrund ihres kreativen und leicht übertragbaren Ansatzes zur Nachahmung empfehlen. Bei der Ansprache machte sich Ogilvy Brüssel die unter Webdesignern weitverbreitete Gewohnheit zunutze, Branchensoftware wie Photoshop auf Filesharing-Plattformen runterzuladen. Die Agentur verpackte ihr Stellenangebot also in einer entsprechend benannten Datei und lud sie kurzfristig auf alle einschlägigen Filesharing-Portale. Aber lassen wir sie selbst erzählen:
Pirate Recruitment at its best! Aber mit etwas Hirnschmalz lässt sich dieser Ansatz leicht auf andere Berufsgruppen übertragen. Bekannte Beispiele sind Stellenanzeigen auf Pizzen und im Website-Quellcode oder die Bewerbung über Programmierschnittstelle aber auch Design-Templates, Software-Hilfen für Fortgeschrittene Nutzer von Excel, SAP oder CAD-Software kann ich mir gut vorstellen. Fällt Euch noch was ein?
4. Trendsurfing – mytaxi
Wie Ihr ja alle wisst, gibt’s in Hamburch ab un’ an ‘ne lütte Sturmflut und ‘n büschen Wind. Und wenn sonst grad nichts los ist, interessiert sich auch schon mal ganz Deutschland dafür und die Medien verbreiten mit gut in Szene gesetzten Bildern des gefluteten Fischmarkts ordentlich Neugier auf den Wasserstand der Elbe.
Natürlich würde ich Euch das nicht erzählen, wenn es hier nicht was über Personalmarketing zu lernen gäbe. Und zwar von den Deerns und Jungs von mytaxi. Die entwickeln ihre App nämlich in einem Büro in bester Elblage, das ihnen einen Logenplatz zur Sturmflut-Beobachtung bot. Und den haben sie ganz uneigennützig mit allen Interessierten geteilt, indem sie drei Webcams installiert haben. Ganz uneigennützig? Lass mal sehen: Webcam 1 bot einen freien Blick auf die Elbe, Webcam 2 behielt die Große Elbstraße im Blick. Und Webcam 3?
Die Jobs von mytaxi :D. Glückwunsch! Eine tolle Idee und ein schönes Beispiel für Guerilla Recruiting via Trendsurfing.
5. The Poaching Phone – FP7
Eine Agentur in Dubai – FP7 – war auf der Suche nach Verstärkung. Und weil die vielbeschäftigten Top-Kreativen es gewohnt sind, auf allen üblichen Kanälen zum Wechseln animiert zu werden, hat sich diese Agentur etwas Besonderes ausgedacht:
Natürlich ist die Idee an sich schon mal nett. Viel interessanter ist aber die Botschaft des Videos selbst – dahinter steckt nämlich die eigentliche Recruiting-Kampagne: “Wir stellen ein, wir wollen die besten Leute und lassen uns was einfallen, um sie zu bekommen!”. Und diese Botschaft ging um die Welt. Well done!
6. Made to Stick – Streetwise
In letzter Zeit fielen mir in Hamburg immer häufiger „Paste-Ups“ aus knallrotem Klebeband auf, aus denen Worte geklebt wurden. Diese waren leider nicht mehr lesbar, da ein Großteil der einzelnen Klebestreifen bereits entfernt worden war. Nun erwischte ich jedoch ein Exemplar in seiner vollen Pracht:
Bei näherem Hinsehen gibt sich auch der Urheber zu erkennen: Es ist eine Werbung für die Seite coolernebenjob.de, hinter der wiederum die D2D-Marketingagentur Streetwise steht.
Streetwise versucht, mit jungen Promotion-Teams aus Schülern und Studenten an der Haustür und in Fußgängerzonen Menschen zum Spenden für wohltätige Organisationen zu bewegen. Was immer man von dieser Art des Fundraisings halten mag (wobei gesagt sei, dass Streetwise zu den eher seriösen Vertretern seines Genres gehört) – die Idee ist gut! Das Budget für ein paar Rollen individuell bedrucktes Klebeband ist sehr überschaubar. Das Kleben können die Teams übernehmen, die eh schon auf den Straßen unterwegs sind; auch das hält die Kosten gering. Zudem ist die Aktion ein echter Hingucker mit Aha-Effekt. I like!
P.S.: Wie sehr du Dich damit in einer rechtlichen Grauzone bewegst, muss Deine Rechtsabteilung klären!
7. Stencil Street Art – Neuseeländische Polizei
Wir hatten ja schon mal nette Offline-Kampagnen vorgestellt und auch dort war es einmal die Polizei, die Nachwuchskräfte suchte. Aber das, was ich bei We like that gesehen habe, gehört unbedingt in die Guerilla Recruiting Hall of Fame. Auch diese Kampagne wurde offline umgesetzt, lebt jedoch davon, dass sich die Fotos über soziale Netzwerke und Blogs verbreiten.
„The murals are part of a wider campaign by the advertising agency M&C Saatchi. Online, social media and reality-TV ads will follow and outdoor media will be used.“
„You too can do something extraordinary!“: Sogenannte Stencils (mit Schablonen in mehreren Farbschichten gestaltete Wandbilder) werben für einen Job bei der neuseeländischen Polizei. Diese Form von Graffiti wird auch vom Gutbürger in der Regel als annehmbar „schön“ angesehen und von Künstlern wie Banksy und Otis Frizzell (von ihm stammen die Bilder dieser Kampagne) salonfähig gemacht. In der Szene selbst sieht man das mit gemischten Gefühlen – keine Überraschung.
8. #poached – Bigcommerce
[su_row][su_column size=”2/3″]Die Tech-Metropolen der USA sind ja quasi die Geburtszentren des Guerilla Recruitings und immer wieder ein Quell der Freude, wenn es um lustiges aber auch aggressives Guerilla Recruiting geht. Sogar zwei erfolgreiche Guerilla-Aktionen hat das schnellwachsende eCommerce-Startup Bigcommerce 2014 durchgeführt.
Auf der Suche nach 40 der in San Francisco so schwer zu bekommenden Software-Entwickler hat das Bigcommerce Recruiting-Team an bekannten Pendler-Bushaltestellen pochierte Eier & Kaffee an auf ihre Busse wartende Mitarbeiter von Google, Facebook, Adobe und anderen Tech-Größen ausgegeben und sie gefragt, ob sie an einem spannenden Job ohne Pendelei interessiert sind. Der passende Name dieser Guerilla-Recruiting Aktion war #poached:
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Did you get #poached at one of the Google/Facebook shuttle stops in SF today? If not, go to http://t.co/vfBBJ36ewE. pic.twitter.com/siiBnhKGYP
— BigCommerce (@BigCommerce) March 25, 2014
Recruiting Engineers from a bus stop. Appreciated the creativity @Bigcommerce #poached #respectthehustle pic.twitter.com/DVQVQ94hXA
— Ed Delgado (@mreddelgado) March 25, 2014
Und auch wenn die Aktion kurzfristig lediglich zu sechs Angeboten und zwei Einstellungen geführt hat, haben die Bigcommerce Recruiter mit 1000 potenziellen Kandidaten gesprochen und so die Besuche der Karriereseite um 54 Prozent und den Bewerbungseingang um 150 Prozent gesteigert. Das die Aktion sie auf die Titelseite des San Francisco Chronicle gebracht hat, dürfte das nicht geschadet haben:
https://twitter.com/westsblog/status/452552568317550592
Von diesem Erfolg angestachelt dachte sich das Recruiting-Team daraufhin die nächste Aktion aus. Diesmal verteilten sie in Austin/ Texas unter dem Motto #Donutsettle Donuts und Flyer mit einer Einladung zur Happy Hour mit Bier. Das sie dabei gezielt die Gebäude von 10 Arbeitsmarkt-Wettbewerbern heimsuchten, brachte ihnen zwar etwas Kritik aber auch wieder eine Menge Aufmerksamkeit ein.
Ich hoffe, diese Beispiele inspirieren ein paar unter Euch und bescheren uns bald mal wieder ein deutsches Beispiel.