In diesem Artikel:
Lust auf eine zweite Runde im Karussell names “Google Analytics im Recruiting”? Letztes Mal haben wir die Grundlagen von Recruitment Analytics, genauer gesagt über Google Analytics, gesprochen und auch schon die ersten Messwerte behandelt.
Heute erläutere ich, wie Du herausfindest, ob die Kandidaten von und auf Deiner Webseite gut angesprochen werden und von welcher Quelle die meisten Bewerber kommen. Zur Erinnerung, hier die gesamte Tabelle mit anonymisierten Quellen:
Wir haben ja schon über die Quellen, Nutzer und Sitzungen gesprochen. Es lohnt sich, nochmal in den alten Artikel zu schauen, falls Du Dir nicht mehr sicher bist, was diese Messwerte aussagen. Nun schauen wir uns aber mal den Rest der Tabelle an und gehen Stück für Stück die Messwerte durch.
Google Analytics im Recruiting: Absprungrate und Sitzungsdauer
Der wohl beliebteste und auch gemeinste Messwert ist die Absprungrate. Gemein ist sie deshalb, weil die Erklärung der Absprungrate im ersten Augenblick intuitiv erscheint: “Es verlassen halt Nutzer die Website. Je mehr, desto schlechter!”, denken hier viele. Für die Bewertung der Quote braucht es aber leider ein bisschen mehr Hintergrundwissen:
1. Was ist überhaupt ein Absprung?
2. Woher weiß Google Analytics, dass ein Nutzer weg ist?
Vielleicht fangen wir damit an, was Google Analytics NICHT über den Nutzer weiß: Google Analytics weiß nicht, ob jemand etwas mit der Maus markiert, ein Dropdown-Menü öffnet, ein Video startet oder auf die Mailadresse des Recruiters klickt. Google Analytics misst (standardmäßig) nur Klicks, durch die eine neue Seite geöffnet wird.
Der Nutzer kann sich also die Stellenanzeige interessiert durchlesen, Videos anschauen oder durch eine Bildergalerie klicken – das ist Google Analytics alles herzlich egal, wenn sich dabei keine neue Seite innerhalb des Browsers aufbaut.
Mit diesem Wissen im Gepäck erinnern wir uns daran, was eine Sitzung ist: Eine Sitzung beginnt, wenn der Nutzer auf Deine Website kommt und dauert standardmäßig 30 Minuten. Wenn der Nutzer nun mit Deiner Seite interagiert (wir erinnern uns daran, was Google Analytics NICHT messen kann), endet die Sitzung nach 30 Minuten. Sollte der Nutzer jedoch innerhalb der 30 Minuten mit der Seite interagieren, dann wird die Sitzung um 30 Minuten verlängert.
Die Sitzungsdauer ist somit nicht so lange, wie der Nutzer wirklich auf Deiner Seite unterwegs ist, sondern misst nur die Zeit von Interaktion zu Interaktion.
Was aber passiert, wenn der Nutzer auf die Seite kommt und danach nicht mehr mit ihr interagiert? Nach 30 Minuten ohne Interaktion wird die Sitzung beendet. Wenn bis auf den Eintritt der Seite keine messbare Interaktion stattgefunden hat, haben wir einen Absprung (oder Bounce). Google Analytics misst nur die Zeit von Interaktion zu Interaktion und gibt diese als Sitzungsdauer an. Deshalb haben wir bei einem Absprung dann auch nur eine Sitzungsdauer von 0 Minuten.
Wichtig ist wieder zu beachten, was Google Analytics nicht messen kann. Google Analytics weiß nicht, ob jemand während seiner Zeit auf der Seite die Mailadresse des Recruiters rauskopiert hat, sich eine Stellenanzeige aufmerksam durchgelesen hat, ein Lesezeichen gesetzt oder sogar schon das Word Dokument geöffnet hat, um die Bewerbung zu schreiben. Das einzige, was zählt, ist ob innerhalb der 30 Minuten etwas von Google Analytics gemessen wurde – und das ist standardmäßig nur dann der Fall, wenn sich eine neue Seite aufbaut.
Keine Sorge, man kann durchaus mit ein wenig Aufwand auch abgespielte Videos oder Scrolltiefen messen und somit Sitzungen verlängern – aber halt nicht von Haus aus. Was man jedoch nie messen kann ist, ob ein Lesezeichen gesetzt wurde.
Nun können wir auch die nächsten Messwerte interpretieren:
Insgesamt wird hier eine Absprungrate von 75% angezeigt. Man könnte dementsprechend meinen, dass 75% der Sitzungen sofort beendet wurden. Quelle 1 und Quelle 2 sind hier die Übeltäter mit 81% und 72%. Quelle 3, (direct) und google hingegen haben eine anständige Absprungrate. Bedeutet das also, dass Quelle 1 und 2 nur schlechten Traffic liefern?
Okay, rhetorische Frage – nein, tun sie natürlich nicht. Wir müssen bei der Beurteilung der Absprungrate immer beachten, an welcher Stelle der Website der Nutzer einsteigt und welche Interaktionsmöglichkeiten an dieser Stelle zur Verfügung stehen. Quelle 1 und Quelle 2 werden direkt auf die Stellenanzeige verlinken, während (direct) und google unterschiedliche Einstiegsorte haben und schlussendlich Quelle 3 direkt in das Bewerbungsformular verlinkt.
Da Quelle 1 und Quelle 2 auf die Stellenanzeige verlinken, werden viele Nutzer auf die Seite kommen und erst an dieser Stelle nähere Informationen zu dem Job und Arbeitgeber erfahren.
Nun frage ich Dich: welche Möglichkeiten hat Google Analytics standardmäßig, um das Interesse der Nutzer zu messen? Die meisten Stellenanzeigen geben dem Nutzer ja nur die Möglichkeit sich zu bewerben oder zu gehen. Auch wenn ein Nutzer sich die Anzeige extrem aufmerksam durchliest und ein Lesezeichen setzt – Google Analytics wird diesen (aus Sicht des Personalmarketings) erfolgreichen Kontakt mit einem Absprung abstrafen, wenn in 30 Minuten noch kein messbarer Klick passiert ist. Dieser messbare Klick ist jedoch in den allermeisten Stellen die höchste Eskalationsstufe – nämlich die Bewerbung. Wer bewirbt sich bitteschön in den ersten 30 Minuten?! Genau, fast niemand!
(direct) und google haben somit eine niedrige Absprungrate, da die Nutzer ja meistens nicht direkt in die Jobanzeigen einsteigen. Vielmehr müssen sich die Nutzer erst einmal durch das Karriereportal oder die Startseite zu den interessanten Jobs durchklicken. Es ist also sehr viel wahrscheinlicher, dass eine messbare Interaktion stattfindet. Über die Qualität des Traffics sagt das jedoch noch nichts aus.
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Exkurs: Navigationssuche bei Google
Apropos Google: Wenn Du keine Google Ads Kampagne laufen lässt, funktioniert Google zumeist als “Navigations-Suche”. Nicht jedoch als wirklicher organischer Nutzerlieferant. Eine Navigationssuche liegt dann vor, wenn der Nutzer Google aus Faulheit dazu nutzt, um auf schon bekannte Seiten zu kommen. Das wäre z.B. “Mercedes Karriere” oder “Siemens Jobs”. Der Nutzer kennt die Unternehmen schon und “stolpert” nicht über sie in einer Google Suche. Ein waschechter organischer Treffer hingegen wäre “Ingenieur Job Hamburg” oder “Marketing Karriere Deutschland”. An dieser Stelle Nutzer zu akquirieren, ist für “normale” Unternehmen jedoch faktisch unmöglich, da die großen Jobbörsen und Suchmaschinen die ersten Ergebnisseiten absolut dominieren:
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Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Zugriffe, die über (direct) bzw. google angezeigt werden, von Nutzern stammen, die Dich höchstwahrscheinlich schon kennen und z.B. über bezahlte Personalmarketing-Maßnahmen auf Dich aufmerksam geworden sind und schlichtweg wiederkommen.
Aber was ist denn nun mit Quelle 3 los? Hier sind ja alle Zahlen mega gut!
Da Quelle 3 direkt auf das Bewerbungsformular und nicht die Stellenanzeige verlinkt, haben wir es hier mit einer klassischen Jobbörse zu tun (sowie Stepstone, Monster, stellenanzeigen.de und so weiter). Bei dieser Art Quelle liegen die Stellenanzeigen bekanntermaßen auf der Jobbörse selbst. Der Entscheidungsprozess, ob die Stelle interessant ist, findet somit auf der Jobbörse statt. Nicht wie bei Quelle 1 und Quelle 2 auf Deiner Seite.
Alles, was auf der Jobbörse passiert, wird von Deinem Google Analytics natürlich nicht erfasst – erst dann, wenn der Nutzer auf Deine Seite kommt. Wenn sich nun ein Bewerber auf der Jobbörse dazu entschieden hat, sich dann auch zu bewerben, kommt dieser Nutzer “aufgeladen” auf Deine Seite und die Bewerbungsquote ist folglich höher. Das bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass Quelle 3 besser funktioniert als Quelle 1 oder Quelle 2. Viel interessanter ist die Frage: was hat schlussendlich der Bewerberkontakt bzw. die Bewerbung gekostet?
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Bewerbungstracking mit Google Analytics
Da wir schon über Bewerbungen sprechen, bietet es sich nun an, auf den Bewerbungseingang unseres Beispiels zu schauen:
Wir schauen erneut auf die drei stärksten, bezahlten Quellen 1,2,3. Auf den ersten Blick ist Quelle 1 sehr stark in den absoluten Zahlen (Bewerbung gestartet 207 und dann tatsächlich abgeschickt 79). So weit, so gut. Quelle 2 und 3 hingegen haben zwar weniger Bewerbungen generiert, aber die Bewerbungsrate ist höher – also das Verhältnis von Nutzern zu Bewerbern. Dieses Verhältnis wird in der Tabelle durch die Conversion-Rate gemessen.
Warum Quelle 3 so gut dasteht (auf 56 Nutzer kommen 12 versendete Bewerbungen!), habe ich ja schon oben erläutert: Die Nutzer haben sich bereits auf der Jobbörse über die Stelle informiert. Die gut informierten Nutzer, die dann wirklich weiter geklickt haben und direkt auf dem Bewerbungsformular landen, haben dementsprechend einen höheren Bewerbungswillen. Leider ist Quelle 3 nur eingeschränkt mit Quelle 1 und Quelle 2 vergleichbar. Entscheidend ist, wie viel Budget Quelle 3 im Vergleich zu Quelle 1 und Quelle 2 verbraucht und was somit eine Bewerbung im Durchschnitt kostet.
Quelle 2 hingegen ist interessant: Da diese Quelle durchaus auf die Stellenanzeige verlinkt, ist sie somit auch mit Quelle 1 vergleichbar. Dementsprechend scheint Quelle 2 besser zu funktionieren, da hier das Verhältnis von Nutzern zu Bewerbern besser ist. Auch hier stellt sich die Frage, wie viel Budget Quelle 2 pro Bewerbung kostet. Meine Vermutung wäre in diesem Fall, dass Quelle 2 und Quelle 3 nur ein paar Stellen gezielt verbreitet, während über Quelle 1 alle Stellen als Grundrauschen verbreitet werden.
Die mysteriöse (direct) Quelle
Aber was ist denn bitte mit (direct) los? Höchstwahrscheinlich wurde für diese Quelle nicht bezahlt. Bedeutete das also, dass so viele Leute das Beispielunternehmen kennen und die Adresse der Karriereseite direkt eingeben? Ein absoluter Employer Branding Erfolg?
Naja, leider nicht ganz. Ich stelle mal die Frage: wie bewirbt sich denn ein normaler Nutzer? Sagen wir mal, ein Bewerber sucht während der Arbeit nach einem neuen Job (und ja, das passiert sehr häufig, unsere Software Jobspreader zeigt am Montagvormittag mit Abstand die höchsten Zugriffszahlen) oder aber eine Bewerberin schaut in der Bahn mit ihrem Handy nach einer neuen Anstellung. Der normale Bewerber wird sich nun ein Lesezeichen setzen oder sich den Job per Mail als Erinnerung selbst schicken. Die tatsächliche Bewerbung wird dann höchstwahrscheinlich über den heimischen PC laufen.
Wir erinnern uns an Teil 1: Da ein Nutzer ja immer der Browser ist, nicht der Mensch vor dem Gerät, kann Google Analytics nicht den Arbeitsrechner bzw. das Handy mit dem heimischen Rechner zusammenbringen. Folglich wird die Bewerbung (direct) zugeordnet, OBWOHL die wirkliche Bewerbungsentscheidung einer bezahlten Quelle zuzuordnen ist. Doof, oder? Lässt sich aber leider nicht ohne weiteres ändern. Hierzu müsste man noch tiefer in die Materie einsteigen: Zauberwörter „geräteübergreifendes Tracking“ und „Attributionsmodelle“.
Aber das machen wir dann im nächsten Teil zum Thema Google Analytics im Recruiting!