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Wer Reddit nicht kennt, dem sei verziehen. Zumindest in meinem Bekanntenkreis hat man von der Webseite vielleicht schon mal gehört, aber sie zählt wohl nicht allzu oft zu den Browser-Startseiten. Zu Recht? Nein, denn die Webseite, die als Social-News-Aggregator bezeichnet wird, hat eine Themensparte, die sich Ask me Anything (kurz: AMA) nennt. Was das soll, wie es funktioniert und wie das Personalmarketing vielleicht von AMAs profitieren könnte, gibt’s im heutigen Post zu lesen.
In aller Kürze geht es bei Reddit hauptsächlich um Textbeiträge und Links (auch Bilder sind möglich, spielen aber eine untergeordnete Rolle), die von den Nutzern der Community eingestellt werden und von anderen Nutzern bewertet und kommentiert werden können. Den Themen sind keine Grenzen gesetzt, von aktuellen News aus dem Weltgeschehen über Rezepte bis hin zu persönlichen Posts (“Caught the reflection of my front yard in my cat’s eyeball“) ist alles dabei – natürlich existieren aber auch Grenzen. Eigenen Angaben nach gibt es aber “viel Spielraum”.
Eine besondere Kategorie bei Reddit sind die AMAs, die sich nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande großer Beliebtheit erfreuen. Das Ganze funktioniert so simpel, wie der Name es vermuten lässt. Irgendjemand (der allerdings verifiziert werden muss) eröffnet einen AMA-Thread, macht knappe Angaben zu Beruf oder Hobbies, Krankheiten, Haarfaarbe, sexueller Orientierung, Interessen oder was auch immer, reicht das Thema ein und es kann losgehen.
Für einen festgelegten oder offenen Zeitrahmen kann dann alles (wirklich alles) gefragt werden, wonach den Nutzern der Sinn steht. Außerdem können Nutzer auch “AMA-Wünsche” äußern, bei denen Interesse an AMAs mit bestimmten Themen, Erlebnissen oder Berufen etc. bekundet wird.
Die AMAs zu Berufen sind es, die unsere Aufmerksamkeit überhaupt geweckt haben – denn viele Nutzer, die ein AMA anbieten, wollen etwas aus ihrem Berufsleben erzählen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Vielleicht einfach, weil die Anbieter gern Eindrücke weitergeben wollen, den Beruf empfehlen oder von ihm abraten wollen oder ganz schnöde Langeweile haben. Aber wer erzählt denn nicht gern mal einen Schwank aus seinem Leben?
AMAs über Berufe
Wer glaubt, die Ask me Anything-Sparte bestünde nur aus kruden Beiträgen wie “[AMA] Ich trinke seit 8 Jahren jeden Tag ca. 1,5l – 3l Pepsi Light. Fragt mich alles!“, der irrt sich. Denn tatsächlich sind es zu überraschend großen Teilen Berufe, Ausbildungen und Studiengänge, die nachgefragt und gelesen werden.
Und was es da alles gibt! Berufskraftfahrer, Lehrer, Rettungssanitäter, Ghostwriter, auszubildende Lokführerinnen, Grasdealer, Jura-Studenten, Flüchtlingshelfer, Verwaltungsangestellte und so weiter und so fort. Und die Nachfragen häufen sich ebenso, z.B. nach BND-Mitarbeitern, IT-Offizieren bei der Bundeswehr, Facebook-Angestellten, Maschinenbau- oder Umwelttechnikstudenten oder Spieleentwicklern.
Und es werden tatsächlich Fragen über Fragen gestellt – auch kritische. Ob und wieweit die Fragen beantwortet werden, liegt im Ermessen des Anbieters. Der Schutz der Anonymität führt dazu, dass im Vergleich zu anderen Netzwerken (wie etwa Facebook), offen kommuniziert werden kann. So geht es auch häufig um moralische Aspekte (etwa bei dem Ghostwriter, der für andere Abschlussarbeiten verfasst), subjektives Erleben und persönliche Werte. Ein gutes Beispiel für solche Diskussionen ist auch das AMA einer Auszubildenden bei der Bundesagentur für Arbeit:
AMAs, bei denen keine Beweise für die Existenz der angegebenen Berufe, Krankheiten, Identitäten usw. erbracht wurden, werden gelöscht. Denn trotz Anonymität soll es authentisch zu gehen. Selbstverständlich sind dem Grenzen gesetzt. Zum Beispiel könnte ich zwar meine Identität als Person nachweisen, jedoch nicht ohne weiteres das Vorhaben, eine bestimmte Partei bei der nächsten Bundestagswahl wählen zu wollen.
Können Personalmarketing und AMAs zusammenfinden?
AMAs sind an sich ein sehr offenes Format, das weit über gebräuchliche “Mitarbeiterstimmen” hinausgeht. Die Möglichkeit alltägliche, banale, spezielle und vielleicht sogar unangenehme Fragen über Berufe und auch einzelne Unternehmen stellen zu können, kann auch eine gut geführte Seite im Social Media Bereich nicht leisten. Ich glaube, dass das Interesse an ähnlichen Fragerunden unter Jugendlichen und auch neugierigen Erwachsenen sehr groß ist.
Solche Fragerunden, veranstaltet von Unternehmen, Branchenverbänden etc., könnten also große Resonanz finden. Unbeschönigte Informationen sind im Personalmarketing sicher nicht unerwünscht, aber auch eben nicht so einfach zu präsentieren und zu handhaben.
Wie aber könnte das Format als informative Maßnahme in den Personalmarketingkanon intergriert werden? Es könnte ein eigenes AMA auf der Firmenseite oder auch bei Reddit geben, dass in den sozialen Medien angekündigt wird. Man könnte das Prinzip auch abwandeln und zum Beispiel Fragen sammeln, die dann regelmäßig und gesammelt beantwortet werden (ganz nach Art von Dr. Sommer). Aber wie findet man Mitarbeiter, die sich dazu bereit erklären?
Der Reiz der AMAs liegt nicht zuletzt in ihrer Anonymität. Hier müsste eine Lösung gefunden werden, die Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, ohne drohende Konsequenzen die Fragen frei zu beantworten. Zwar bleibt die Anonymität des Anbieters gegenüber der Internetcommunity gewahrt, das Unternehmen oder die Initiatoren des Ganzen wüssten dann ja aber Bescheid. In den englischsprachigen Räumen findet man aber bereits tolle Beispiel, bei denen das “Problem” offensichtlich gelöst wurde. Der AMA von Kaspersky Labs (Screenshot oben & unten) ist einer unserer Lieblinge.
Wir finden, dass die AMAs ein spannendes, informatives und außergewöhnliches Format sind und glauben, dass es Anklang und Resonanz finden würde – vorausgesetzt, man könnte das Problem hinsichtlich der Anonymität des Anbieters gegenüber den Unternehmen, wie z. B. im Case von Kaspersky vernünftig lösen. So bekommt wohl die besten Ergebnisse.
Nicht zuletzt kann so ein AMA auch gewaltig in die Hose gehen. Das sei der Fairness halber erwähnt. Wie wir alle wissen, fördert das anoynyme Internet nicht nur Ehrlichkeit, sondern auch Bosheiten und Trolle zu Tage. Aber hey, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Die meisten Fragen, die wir in berufsbezogenen AMAs mitbekommen haben waren vernünftig.
Was haltet Ihr von dem Ganzen? Glaubt Ihr, AMAs könnten in der Personalmarketingwelt funktionieren?
Wer am Wochenende noch nichts vor hat, findet hier die deutsche AMA-Seite auf reddit.com und hier die englische. Gegen Langeweile wärmstens zu empfehlen!
In diesem Sinne: “I’m a Wollmilchsau – Ask me Anything ;)”