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Robot Vera – der erste Recruiting-Roboter?

Konkret macht Robot Vera zwei Sachen. Anhand einer Stellenausschreibung werden potentielle passive Kandidaten aus angeschlossenen Profil-Datenbanken herausgesucht. Anschließend werden telefonische Vorauswahlgespräche vorgenommen. Angeblich können auch Video-Interviews geführt werden.

Auf der diesjährigen HR Tech World in Amsterdam hat sich ein russisches HR-Tech Unternehmen den Sieg in dem Start-Up Wettbewerb gesichert. Das Produkt der Firma Stafery Ltd. heißt “Robot Vera”. Die Lösung soll Recruitern viel Zeit sparen.

Konkret macht Vera zwei Sachen. Anhand einer Stellenausschreibung werden potentielle passive Kandidaten aus angeschlossenen Profil-Datenbanken herausgesucht. Anschließend werden telefonische Vorauswahlgespräche vorgenommen. Angeblich können auch Video-Interviews geführt werden.

Soweit so gut. Eine nette Idee. Herangetragen wurde sie an mich aus der Szene etwas überschwänglich als “ein wirklich vollautomatischer, AI-basierter Recruiting Roboter”. Auch die öffentliche Darstellung von Robot Vera bedient sich gerne der Begriffe aus dem Kontext der künstlichen Intelligenz. Robot Vera –  der  erste echte Recruiting Roboter?! Natürlich wollte ich sofort wissen, was Vera wirklich kann, und was einfach nur Marketing ist. Das Ergebnis – der Teufel steckt auch bei Vera im Detail.

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Wie funktioniert Robot Vera?

Vera funktioniert (aktuell) nur in Kombination mit externen Profil-Datenbanken. Die für den US-Markt vorgesehene Version hat aktuell z. B. Career Builder angebunden. Zum Anfang einer Kampagne muss der Recruiter natürlich einen Stellentitel definieren. Und hier liegt unser erster großer Hase im Pfeffer. Schlechter Titel bedeutet hierbei logischerweise ein schlechteres Ergebnis. Künstliche Intelligenz kann bei diesem entscheidenden Schritt nicht wirklich helfen, außer dass bei der Eingabe eine Vorschlagsliste, wie z. B. bei der BA, eingeblendet wird.

Ist die Stelle angelegt, gelangt man zu den Basiseinstellungen des Roboters. Vera wird anhand des Stellentitels die passenden Profile aus den angeschlossenen Datenbank vorfiltern und soll dann die Kandidaten anrufen. Für das erste Interview sind zwei ja/nein Fragen vorgesehen. Die Fragen sind vorformuliert, können aber angepasst werden.

Recruiting Roboter: Im Telefonat Qualifikationen checken

Es geht in diesem Schritt um eine ganz simple Vorauswahl. Besteht grundsätzliches Interesse seitens der Kandidaten? Im Kontext veralteter Profil-Leichen macht das sicherlich Sinn. Die Frage ist allerdings, bei welchen Jobs diese sehr oberflächlichen Informationen für eine fundierte Absichtserklärung durch den Kandidaten ausreichen?

Nach diesem Schritt kann man festlegen, ob Kandidaten, die mit “yes,yes” antworten, automatisch per Mail zu einem ausführlichen Interview eingeladen werden. Und Schon kann die Kampagne gestartet werden.

Recruiting Roboter: Auswertung, ob die Stelle interessant ist

Im weiteren Verlauf werden die vorausgewählten Kandidaten in der aktuellen auf ein sehr einfaches Online-Interview geleitet. Es werden drei Fragen gestellt:

1) In this connection, are you looking for work?
2) What was part of your job duties at your last job?
3) Why do you want to work in this company?

Bei meiner Recherche habe ich in einem Video-Tutorial die Option entdeckt, Gesprächsleitfäden anzulegen, konnte diese in meinem eigenen Account allerdings nicht finden. Sagen wir mal, es ist möglich, komplexere Gespräche (ob Anruf oder Video) zu entwerfen.

Ich halte an dieser Stelle fest, der Roboter arbeitet nach Vorgabe der Recruiters. Die Logik des Gesprächs muss vom Menschen kommen. Der Roboter kann nur  ja/nein Fragen verstehen und Antworten auf offen gestellte Fragen aufnehmen. Die Eigenständigkeit des Roboters besteht in seiner Fähigkeit, mehrere Hunderte und Tausende Anrufe gleichzeitig zu führen. Darin besteht auch das Potenzial der erheblichen Zeitersparnis, mit dem das Unternehmen hinter Vera wirbt.

Eine besondere Innovation in Sachen künstliche Intelligenz im Recruiting konnte ich nicht feststellen. Vera versteht nicht, was man tatsächlich sagt, sie nimmt es lediglich wahr und reagiert auf Signalwörter. Vergleichbar mit dem, was wir seit Jahren von den klassischen Service-Hotlines kennen. Mit dem Unterscheid, dass diese Hotline Menschen eigenständig anruft. Eine Einschätzung der Qualifikation der Kandidaten kann Vera meiner Ansicht nach, nicht vornehmen. Auch wenn in der Präsentation suggeriert wird (min 7:11), Vera könne sogar Emotionen erkennen. Aus meiner Sicht ist das reines Marketing.

Ich will kein Spielverderber sein. Das Projekt steht sicherlich noch am Anfang. Vielleicht kommt da noch was. Aber im Augenblick erschöpft sich der Mehrwert in dem automatisierten Anruf-Multitasking. Vielleicht reicht das aber auch zum jetzigen Zeitpunkt. Angeblich konnte man in Russland bereits große Arbeitgeber als Kunden gewinnen und für sie über 500.000 Anrufe führen.

Praktische Relevanz von Recruiting Robotern

Wenn ich an die Gegenwart und die Zukunft von Vera und ähnlichen Lösungen denke, fällt mir folgendes ein:

Ich bin heute überzeugt, dass man nach dem heutigen Stand der Technik kein echtes, in die Tiefe gehendes Bewerbungsgespräch von einem Roboter führen lassen kann. Alleine schon die Grenzen der Spracherkennung, gerade mündlich, sind ein echtes Problem. Versucht mal mit Siri zu sächseln. Die Frage ist allerdings, ob ein in die Tiefe gehendes Gespräch tatsächlich notwendig ist?

Der Vorstoß von Robot Vera ist aus meiner Sicht interessant. Ein “vollautomatischer, AI-basierter Headhunter” ist Vera allerdings nicht. Auf den werden wir lange warten müssen. Vera kann einen kleinen, aber unter Umständen sehr zeitaufwendigen, Teil-Prozesses im Recruiting übernehmen. Sortieren, Anschreiben, Anrufen, Frage stellen, Ja, Nein, Aufnehmen, Absage schreiben wenn Y, Einladung wenn X.

Es gibt Berufe und Einsatzszenarien, bei denen ein Roboter, von mir aus tatsächlich telefonisch, eine simple qualitative Vorauswahl machen kann. Man denke z. B. an Szenarien wie Sourcing von großen Bewerber-Datenbanken großer Unternehmen. Wenn da ein Roboter hin und wieder alte Bewerber anhand eindeutiger Kriterien im Bezug auf neue Stellen eigenständig kontaktieren würde, wäre das sicherlich eine Zeitersparnis. Abstimmung von Terminen für Telefonate oder Gespräche, Anfordern von fehlenden Unterlagen. Wird noch alles kommen, davon bin ich überzeugt. Und Vera ist da auch sehr sehr sehr ambitioniert.

Aber…, stellen wir uns nun vor, Veras sind eines Tages wirklich allgegenwärtig. Jedes Unternehmen hat eine Vera im Einsatz. Wie viele automatische Anrufe wird ein Kandidat pro Tag erhalten? Hunderte? Ist das wirklich gewollt? Ist das die Zukunft des automatisierten Recruitings – Menschen gnadenlos auf die Nerven zu gehen? Paradox, aber in so einer Welt würde der Wert eines menschlichen Anrufs deutlich steigen und womöglich zum einzigen Erfolgsgarant werden.

Und so lautet meine abschließende Frage, ist Robot Vera wirklich eine Innovation, die wir (im Recruiting) dringend brauchen? Oder ist sie einfach eine logische Konsequenz des allgegenwärtigen Artificial Intelligence (AI), Machine learning, Big-Data, Matching, Chatbot Hypes, der gerade die dankbaren Personaler für sich entdeckt? Vielleicht etwas von beidem.

Würdet Ihr Robot Vera einsetzen? Ja? Nein? Warum? Was haltet Ihr grundsätzlich von der Lösung?

Veröffentlicht am 02.11.2017

Asif Shaikh

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