In diesem Artikel:
Definition: Was ist ein Arbeitnehmermarkt?
Aktuelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
Der demografische Wandel und die alternde Gesellschaft
Wen trifft ein Arbeitnehmermarkt besonders stark?
Was sollten Unternehmen tun, um auf einem Arbeitnehmermarkt zu bestehen?
Definition: Was ist ein Arbeitnehmermarkt?
Gleich vorweg eine Definition: Der Arbeitnehmermarkt ist das Gegenteil des Arbeitgebermarktes und eine Spezifizierung des Arbeitsmarktes. Ein Arbeitnehmermarkt liegt vor, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften größer ist als das Angebot an verfügbaren Arbeitskräften (Arbeitslose, Wechselwillige) mit entsprechender Qualifikation. Ein Arbeitnehmermarkt muss nicht die gesamte Bundesrepublik und alle Erwerbspersonen umfassen, sondern kann sich auf eine bestimmte Arbeitsmarktregion oder eine spezielle Berufsgruppe beziehen.
Bei einem Arbeitnehmermarkt haben die Arbeitnehmer:innen einen Vorteil, da sie ein knappes Gut sind und somit Forderungen an den Arbeitgeber stellen können. Ein Arbeitnehmermarkt entsteht durch zunehmenden Fachkräftemangel.
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Aktuelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
Alles deutet darauf hin, dass wir uns nicht erst seit gestern in einer Phase der Arbeitsmarktentwicklung befinden, in der sich “die Macht” von der Seite der Arbeitgeber auf die Seite der Arbeitnehmer:innen verlagert. Die Gründe dafür sind vielfältig: demografisch, wirtschaftlich, strukturell, technologisch und gesellschaftlich.
Manche Arbeitgeber wollen das nicht so recht glauben. Die Arbeitnehmer:innen selbst sind sich dessen vermutlich auch nur bedingt bewusst. Es gibt auch keine allgemeingültige statistische Kennzahl, die diese Entwicklung stichhaltig belegen könnte. Dennoch scheinen sich alle Expert:innen und Praktiker:innen aufgrund ihrer Erfahrungen und der Erfahrungen anderer einig zu sein. Die Arbeitnehmer:innen dominieren (gefühlt) immer mehr den Arbeitsmarkt. Die Arbeitgeber müssen sich beeilen.
Doch sprechen die aktuellen Arbeitsmarktdaten für einen Arbeitnehmermarkt?
Jedes Jahr im September schauen wir uns alle vorhandenen Arbeitsmarktdaten an, werten sie aus und versuchen sie einzuordnen. Vor allem in den letzten Jahren war die deutsche Wirtschaft erheblichen Schwankungen ausgesetzt, die sich selbstverständlich auch auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt haben. Während aktuell die Corona-Pandemie kaum noch einen Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat, bleiben die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs spürbar.
Doch obwohl die deutsche Wirtschaft schwächelt, steigt im Hintergrund weiterhin der Fachkräftemangel und sorgt dafür, dass immer noch sehr viele Stellen unbesetzt bleiben. Die Arbeitslosen-Stellen-Relation sank im Jahr 2022 auf Tiefstand und lag damit sogar unter dem Vor-Corona-Niveau. Die Prognose für 2023 ist zwar etwas gestiegen, befindet sich damit aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.
Die tatsächliche Besetzungsdauer offener Positionen ist ebenfalls ein guter Indikator für die Schnelligkeit der Stellenbesetzung in den Unternehmen.
Im Jahr 2022 rechneten die Firmen im Durchschnitt mit einer Besetzungsdauer von 62 Tagen. Tatsächlich benötigte der Durchschnitt aber 93 Tage, also 31 Tage mehr als geplant. Gut einen Monat länger für die Besetzung wichtiger Positionen zu benötigen, kann für Unternehmen eine große Belastung sein. Vor allem, wenn es sich hierbei nicht um eine Stelle, sondern gleich um mehrere handelt.
Für Recruiter:innen scheint die Frage, ob es sich aktuell um einen Arbeitnehmer- oder ein Arbeitgebermarkt handelt, leicht zu beantworten zu sein. Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber tun sich hingegen etwas schwerer, tendieren aber nicht selten zu einem Arbeitgebermarkt.
Doch was bedeutet das denn nun? Wo befinden wir uns wirklich?
Der demografische Wandel und die alternde Gesellschaft
Wer wissen will, wie der Arbeitsmarkt in Deutschland in einigen Jahren aussehen wird, muss nur nach Japan schauen. Dort beträgt der Anteil der über 80-Jährigen erstmals 10 Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der über 65-Jährigen, also im potenziellen Rentenalter, liegt bei fast 30 Prozent. Japan ist ein guter Indikator für die Entwicklung in Deutschland, allerdings mit einem Vorlauf von einigen Jahren. Das Land ist bereits unmittelbar mit den Folgen des demografischen Wandels konfrontiert, denn eine überalterte Gesellschaft bringt natürlich auch große wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich. Gleichzeitig profitieren junge Menschen vom Arbeitskräftemangel, da sie trotz der wirtschaftlichen Stagnation in vielen Fällen keine Arbeitslosigkeit befürchten müssen.
Auch in Deutschland wird die Gesamtbevölkerung kontinuierlich abnehmen. Im Jahr 2023 verzeichnen wir eine Gesamtbevölkerung von 84 Millionen. Bis zum Jahr 2040 wird die Zahl voraussichtlich auf nur noch 81,1 Mio. zurückgehen. Das ist ein Rückgang von fast 3,5 Prozent.
Wen trifft ein Arbeitnehmermarkt besonders stark?
Die Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung zeigen, in welchen Berufen es in den nächsten Jahren besonders knapp werden wird: Die Berufe mit einem hohen Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen, dürften aufgrund des Nachwuchsmangels besonders mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben. Vor allem dann, wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben aussteigen.
Zu den besonders stark betroffenen Berufen gehören die Klempner:innen, Fachverkäufer:innen im Lebensmittelhandwerk, Fleischer:innen sowie Fachmänner und Fachfrauen für Systemgastronomie. Zum Teil konnten 45 Prozent der angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzt werden.
Aber auch in anderen Berufen wird es in den kommenden Jahren Probleme geben, offene Positionen besetzen zu können. Das Dumme ist: Nicht nur Unternehmen werden das zu spüren bekommen, sondern auch Konsument:innen und Endverbraucher:innen.
Was sollten Unternehmen tun, um auf einem Arbeitnehmermarkt zu bestehen?
Um auf einem Arbeitnehmermarkt zu verstehen, in dem qualifizierte Arbeitskräfte eine große Auswahl an Beschäftigungsmöglichkeiten haben, sollten Unternehmen anfangen, strategische Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören:
- Angemessene und wettbewerbsfähige Vergütung und Zusatzleistungen: Um im War for Talents bestehen zu können, braucht es natürlich wettbewerbsfähige Gehälter, um Kandidat:innen anzulocken und Kolleg:innen in der Firma zu halten. Flexible Arbeitszeiten und wenn möglich die Chance, ab und zu von zu Hause aus zu arbeiten, sind ebenfalls wichtige Angebote, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. In den oben genannten Problemfällen kann sich dies allerdings als schwierig erweisen. Doch auch die betriebliche Altersvorsorge und Weiterbildungen sind Anreize, um talentierte Mitarbeiter:innen anzuziehen und zu binden.
- Attraktive Unternehmenskultur: In der IAB-Stellenerhebung wurden Betriebe gefragt, wie sie im Jahr 2022 ihr Personal rekrutieren. Die mit Abstand meisten Stellen konnten über eigene Mitarbeiter:innen und persönliche Kontakte besetzt werden. Um dies zu erreichen, ist es aber natürlich wichtig, dass die Kolleg:innen so gerne bei euch arbeiten, dass sie das Unternehmen überhaupt als Arbeitgeber an Freunde und Bekannte weiterempfehlen. Es bedarf einer Unternehmenskultur, die Teamarbeit und offene Kommunikation fördert. Ein positives Arbeitsumfeld und die Förderung der Work-Life-Balance können wichtige Schritte zur Schaffung einer attraktiven Unternehmenskultur sein. Ermöglicht es euren Mitarbeiter:innen, ihre Ideen und Meinungen einzubringen und nehmt ihr Anliegen ernst. Das Feedback aus den eigenen Reihen ist ein wichtiger Hebel, zur Identifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten und zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen.
Auch Corporate Influencer sind für einige Unternehmen eine durchaus attraktive Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. - In das Employer Branding investieren: Wenn ihr eine tolle Marke und zufriedene Mitarbeiter:innen habt, solltet ihr das auch sichtbar machen. Das geht am besten mit einer aussagekräftigen und authentischen Employer Brand. Sorgt dafür, dass ihr als der attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werdet, der ihr seid. Das geht am besten über Social Media, die eigene Homepage und Karriereseite oder spezielle Marketingstrategien.
Behaltet auch die Mitarbeiterbewertungsplattformen im Auge. Sollten hier negative Kommentare auftauchen, nehmt euch die Zeit und kommentiert offen und ehrlich eure Sicht der Dinge, ohne dabei patzig zu werden. Transparenz ist Bewerber:innen wichtig.
Grundsätzlich gilt: Nicht nur die Personalbeschaffung, sondern auch das Halten von Mitarbeiter:innen oder sogar das Rehiring sind wichtige Instrumente, um trotz Fachkräftemangel nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Mitarbeiter:innen wechseln den Job, weil…
- … es ihnen nicht bei euch gefällt
- … sie es sich heute leisten können
- … sie trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses auch für andere Unternehmen attraktive Kandidat:innen sind, die eventuell mehr Anstrengungen unternehmen.
Stellt euch also darauf ein, dass ihr auch in den nächsten Jahren trotz schwächelnder Wirtschaft immer wieder Schwierigkeiten haben werdet, offene Stellen zu besetzen. Kümmert euch um eure Mitarbeiter:innen und geht erst einmal von einem Arbeitnehmermarkt aus, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Damit seid ihr auf der sicheren Seite!
Wer noch mehr über den aktuellen Arbeitsmarkt erfahren möchte, sollte mal einen Blick in unsere kostenlose Arbeitsmarktstudie 2023 werfen.
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