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Gibt es in der technologisierten Zukunft der Arbeit noch einen Platz für Menschen? In der Studie “The trillion-dollar difference” aus dem Hause Korn Ferry plädieren die Verfasser für eine mentale Neuausrichtung von CEOs, Unternehmens-Strategen und Entscheidungsträgern. Denn auch wenn die Zukunft von Technik bestimmt werden mag, bedeutet sie nichts ohne die menschliche Arbeit. Der Wert, den die menschliche Arbeit für den Erfolg eines Unternehmens hat, bleibt laut der Studie vielen Entscheidungsträgern jedoch aufgrund eines “blinden Flecks” verborgen.
CEOs, Unternehmens-Strategen und Entscheidungsträger mögen Zahlen, hat man sich bei Korn Ferry gedacht. Um die unterschätzte Bedeutung des “Faktor Mensch” für Unternehmen aufzuzeigen, wird in der Studie nach einem Weg gesucht, den finanziellen Wert der menschlichen Arbeit zu berechnen.
Dabei geht es um den Versuch, dem berechenbaren physikalischen Besitz von Unternehm, also dem “anfassbaren Kapital”, das etwa aus Immobilien und Land, Technologie und Inventar besteht, einen ebenso berechenbaren Gegenwert in Form von “unberührbarem Kapital”, welches den Wert der Menschen und ihrer Arbeit meint, entgegenzusetzen.
Menschliche Arbeit vs. Technologie
Wenn es um dieses Thema geht, sind tiefgründige ethische und philosophische Überlegungen nicht weit – schließlich gehören Fragen nach dem Platz des Menschen in einer Zukunft der Technologie zu den brennendsten und wichtigsten Fragen unserer Zeit. Die Studie operiert aber auf einer anderen Ebene. Sie zeigt auf, was Menschen der Technik (zumindest noch) voraus haben: Potenzial und Wertsteigerung.
Damit ist gemeint, dass:
- die Leistung von Menschen von außen positiv beeinflussbar ist. Unternehmen sind Mittel gegeben, die den Fleiß und die Leistung ihrer Mitarbeiter steigern können. Diese tragen somit ein Potenzial in sich, über das eine Maschine nicht verfügen kann.
- Menschen empathisch sind, dazu lernen und mit der Zeit Erfahrungen und Wissen sammeln – auf eine Weise, die derzeit realisierbare Algorithmen noch nicht überbieten können. Ökonomisch ausgedrückt, so die Studie, erfahren menschliche Arbeitskräfte also mit fortschreitendem Alter eine Wertsteigerung, wohingegen die Zeit im Bezug auf Inventar und Technologie meistens gegen das “anfassbare Kapital” arbeitet.
Daraus ergibt sich also, dass menschliche Arbeit nicht an ein limitiertes Output gebunden ist und mit der Zeit nicht im Wert sinkt.
Der menschliche Faktor in der globalen Ökonomie
Korn Ferry hat für die Studie acht wirtschaftlich unterschiedlich strukturierte Länder untersucht, unter anderem China, USA, Frankreich, Indien und UK:
Diese Graphik zeigt anhand des Werts “Ratio” das Verhältnis zwischen menschlichem und physikalischem Kapital. Je niedriger der Wert “Ratio”, desto geringer fällt der Unterschied zwischen den Werten “Human capital” und “Physical capital” aus.
Ein hoher Wert des menschlichen Kapitals spricht für eine starke Dienstleistungsorientierung in der Ökonomie, während hohe Werte beim physikalischen Kapital für eine Ausrichtung auf Industrie und Agrarwirtschaft sprechen.
In allen untersuchten Ländern übersteigt der Wert des “Human capital” den Wert des physikalischen Kapitals.
Der “blinde Fleck”
Die Studie ergab, dass die meisten der befragten Entscheidungsträger den Wert der menschlichen Arbeit gegenüber Technologie und “anfassbarem Kapital” unterschätzen. Stattdessen werde die relative Bedeutung von Technologie in der Zukunft aufgebauscht: 67% der Befragten glauben, dass Technik in Zukunft einen größeren Wert für die Unternehmen schaffen wird als menschliche Arbeit. Weitere 63% glauben außerdem, dass Technik die entscheidende Quelle für ihren Wettbewerbsvorteil sein wird.
44% der Befragten sind sogar der Meinung, dass die zunehmende Verbreitung von Robotern, Automatisierungen und künstlicher Intelligenz menschliche Arbeit “größtenteils bedeutungslos” machen wird. Dazu passt auch ein Trend, den die Studie von Korn Ferry erkennen will: angesichts einer unvorhersehbaren Zukunft befalle viele Entscheider die sogenannte “tangibility bias”, also eine Neigung bei der Planung hin zum Anfassbaren – hin zu allem was messbar, sichtbar und bestenfalls eben auch anfassbar ist.
Das Problem mit der menschlichen Arbeit ist nämlich, dass sie sich nicht so einfach messen lässt wie die einer Maschine. 46% der befragten Entscheidungsträger gaben an, dass ihr Unternehmen “nichts davon versteht, wie die Arbeitskraft der Mitarbeiter zu messen ist” und weitere 40% offenbarten, dass es ihnen an Verantwortlichen, die sich spezifisch mit Themen wie der Workforce Performance beschäftigen, fehlt. Dazu sagt Alan Guarino, Vice Chairman, CEO and Board Services, Korn Ferry Search:
Leaders are placing a high emphasis on technical skills, technological prowess, and the ability to drive innovation in their new senior recruits—elements critical for modern organizations. However, the financial reality proven by this study— that the value of people outstrips that of machines by a considerable distance—must give CEOs pause for thought. So-called ‘soft skills,’ such as the ability to lead and manage culture, will become critical factors of success for companies in the future of work as they seek to maximize their value through their people.
Im Endeffekt ist laut der Studie jedoch das Gegenteil der Fall, denn die Mehrheit der Teilnehmer sieht in ihren Arbeitskräften kein wichtiges Kapital, sondern einen schnöden Kostenfaktor.
In der Studie wurde auch nach Prioritäten gefragt und zwar unter anderem in Bezug auf die Rekrutierung neuer Führungskräfte. Welche Fähigkeiten gefragt sind? Spoiler: Hauptsache irgendwas mit Technologie:
Verständnis für Unternehmenskultur und gute Fähigkeiten beim Führen von Mitarbeiter landen auf dem letzten Platz.
Denkanstoß für Entscheidungsträger
Die Studie unternimmt den Versuch, die Bedeutung der menschlichen Performance für Unternehmen sichtbar zu machen. Plädiert wird für ein ausgewogeneres Verhältnis bei der Bewertung von Mensch und Maschine, denn noch sind Maschinen ohne Menschen, die mit ihnen arbeiten, in vielen Bereichen kaum realisierbar. Besonders in Dienstleistungsgesellschaften zeigt sich die Stärke des “menschlichen/unberührbaren Kapitals”.
Wir finden es nachvollziehbar, dass sich die befragten CEOs unter Druck gesetzt fühlen, primär in technologische (und insbesondere digitale) Innovationen zu investieren. Mitarbeiter jedoch vor allem als Kostenfaktor zu betrachten oder in Zukunft sogar als obsolet, ist verfehlt. Wir schließen uns der Empfehlung der Studie an: Technologie und Menschen brauchen einen Platz in der Zukunft der Arbeit, auf dem sie als Partner kooperieren können. Zu idealistisch? Wir werden sehen.
Hier geht’s zum Download der Studie.