Das krisengebeutelte, doch für alle Internet-Begeisterten höchst spannende, Jahr 2009 beendeten wir mit einer Zukunftsprognose. Der Bereich der Personalsuche könne sich dem logischen und unvermeidlichen Sprung des informationstechnologischen Fortschritts auf die nächste Stufe, dem Echtzeitweb, nicht entziehen. Diese Reaktion eines unserer Leser deutet auf eine gewisse Verwirrung rund um das Thema hin.
“[…] Ihr ratet in eurem Artikel, dass die Auseinandersetzung mit dem Echtzeitweb (Real-time Web) für Personaler sehr wichtig ist. Dann kommen einige Aussagen bzgl. der Schnelligkeit, der Informationsflut und dem Zusammenfließen dieser Informationen. Dies sind allerdings nur weitere Indizien eurer Kernaussage, ohne dass ihr die eigentliche Frage, nämlich: “Warum ist es wichtig für uns Personaler”, beantwortet. Dies interessiert mich aber besonders. Warum darf ich diesen Zug nicht verpassen?
Die vermeintliche Antwort: “Feuer mit Feuer zu bekämpfen”, wirft ebenfalls eine weitere Frage auf: “Wie sollte mein Gegenfeuer aussehen und wie mache ich es an?” […]”
Auch wenn wir überzeugt sind, dass Denkanstöße im Zusammenhang mit Technik-Folgen-Abschätzung vielfach hilfreicher sind als praktische Anleitungen, wollen wir unsere Sicht der Dinge in diesem Fall gerne etwas konkretisieren.
Wo fangen wir an?! Was verbirgt sich hinter dem Modewort Echtzeitweb (eng. Real-time Web), für das es lediglich in der englischsprachigen Ausgabe von Wikipedia eine sehr vage Erläuterung gibt?
Im Grunde ist Real-time Web (für uns) einfach eine Abkürzung für: “Die Informationen, die für mich relevant sind, erreichen mich online morgen bedeutend schneller, als das heute der Fall ist und gestern noch der Fall war. Im Optimalfall erreichen Sie mich umgehend nach Ihrer Veröffentlichung”.
Was ist heute und was war gestern anders?!
Internet Gestern, Heute und Morgen im subjektiven Schnelldurchlauf:
Gestern:
Das Internet der 90er Jahre war geprägt durch viele zersplitterte Seitenkataloge (Directories) und aufkommende kleinere und größere Suchmaschinen (WebCrawler, Lycos, Infoseek, usw.), die durch manuelle Eingabe und/oder durch automatisierte Crawler versucht haben, möglichst viele Internetseiten zu erfassen. Von einer annähernd umfassenden Erfassung des Webs waren sie alle recht weit entfernt. Wurde eine neue Information veröffentlicht oder eine neue Webseite erstellt, war es durchaus wahrscheinlich, dass sie nur wenige bis gar keine Menschen erreicht. Denn sie war sehr schwer bis gar nicht auffindbar.
Analogie:
Du stehst auf dem Flughafen in Schanghai. Dein Partner, der sich im Hotel im Stadtzentrum befindet, muss mit einem Leihwagen, ohne Navigationssystem und ohne Sprachkenntnisse zu Dir, um Dir Deinen Aktenkoffer zu bringen. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Dein Aktenkoffer dich nach einigen Umwegen irgendwann mal erreicht. Es ist jedoch ebenfalls wahrscheinlich, dass Du Deinen Flug und die nächsten Folgeflüge verpassen wirst und zurück ins Hotel fahren musst.
Heute:
Das Internet der 00er Jahre erlebt eine entscheidende Verbesserung der Suchalgorithmen. Große Suchmaschinen wie Google erreichen eine beeindruckende Abdeckung und erfassen Billionen von Internetseiten. Kaum eine der öffentlich zugänglichen Informationen/Webseiten bleibt unbemerkt. Die Erfassung neuer Inhalte erfolgt in der Regel innerhalb weniger Stunden bis weniger Tage nach Veröffentlichung. Die Wahrscheinlichkeit, eine relevante Information zu finden, steigt gewaltig. Fraglich bleibt weiterhin die Aktualität. So kann es heute immer noch passieren, dass Du wichtige aktuelle Informationen zu spät findest oder dass wesentlich ältere Informationen im Suchmaschinenranking vor den aktuellen erscheinen. Aktualität war in den vergangenen 10 Jahren nicht die erste Priorität.
Analogie:
Du stehst auf dem Flughafen in Schanghai. Dein Partner, der sich im Hotel im Standzentrum befindet, nimmt einen öffentlichen Bus, um Dir Deinen Aktenkoffer zu bringen. Im Gegensatz zum ersten Fall kannst Du sicher sein, dass Dein Aktenkoffer am Flughafen ankommt. Abhängig von äußeren Umständen wie Verkehr usw. ist eine zumindest kleine Verspätung sehr wahrscheinlich. In diesem Fall wirst Du den Folgeflug garantiert erreichen. Du wirst heute nicht in Schanghai bleiben müssen.
Morgen:
Im Internet des begonnenen Jahrzehnts wird die Aktualität von Informationen die erste Priorität erhalten. Im Gegensatz zu den 90ern, als der Großteil der Informationen im Web für die Wirtschaft und den Alltag noch keine große Relevanz besaß, ist die Art, die Qualität und somit die Relevanz eines immer größeren Teils der Informationen für die verschiedenen Bereiche der Weltwirtschaft sehr hoch. Und eine Information ist nur für den gut, der sie am schnellsten (rechtzeitig) erhält. Darauf beruht die Schlussfolgerung, dass die aktuellen Informationen die nicht aktuellen Informationen im Suchranking der dominierenden und nicht dominierenden Suchmaschinen nach und nach verdrängen werden.
Analogie:
Du stehst auf dem Flughafen in Schanghai. Dein Partner, der sich im Hotel im Standzentrum befindet, setzt sich in den Transrapid, um Dir Deinen Aktenkoffer zu bringen. Wenige Minuten später hast Du Deinen Koffer und erwischst Deinen Flug.
Fazit:
Wenn es darum geht, Informationen von A nach B zu bringen, ist das Echtzeitweb der Transrapid der Datenautobahn.
“Warum ist es (das Echtzeitweb) wichtig für uns Personaler? Warum darf ich diesen Zug (Transrapid 🙂 ) nicht verpassen?”
Das Echtzeitweb ist wichtig für Personalsuchende, weil sowohl sie selbst als auch die Stellensuchenden dank der derzeitigen Entwicklung, die über das Social Web im Echtzeitweb mündet, einen wesentlich schnelleren, kostengünstigeren und unbegrenzten Zugang zu aktuellen, relevanten Informationen erhalten werden, als das bisher der Fall war.
Diese Priorisierung der Aktualität von Informationen wird, bezogen auf die Verbreitung von Stellenanzeigen, z.B. dazu führen, dass die Stellenanzeigen der Unternehmen, die diese nicht im Echtzeitweb veröffentlichen, in den Suchmaschinen auf die hinteren Plätze verschwinden. Als Folge daraus erhalten solche Stellenanzeigen weniger Aufmerksamkeit von den Stellensuchenden und die Unternehmen weniger Bewerbungen. Die Tragweite dieser Entwicklung für das einzelne Unternehmen muss im Kontext des demografischen Wandels und des War for Talents nicht erläutert werden.
Mindestens ebenso wichtig ist das Echtzeitweb für Personaler im Rahmen der Informationsbeschaffung – gleichgültig ob es darum geht, vor der Konkurrenz über neue Kandidaten für schwer zu besetzende Vakanzen zu erfahren oder unverzüglich über frisch gefällte Urteile im Arbeitsrecht oder über sonstige berufsrelevante Nachrichten mit Einflusscharakter informiert zu sein. Da der Wandlungsprozess hin zum Echtzeitweb noch nicht abgeschlossen ist, müssen Personaler, die von den Vorteilen hochaktueller Informationsflüsse profitieren wollen, in die Bereiche des Internets vorstoßen, die heute das Echtzeitweb ausmachen: soziale Netzwerke wie Facebook und Microbloggingdienste wie Twitter.