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Viel Home, wenig Office? Homeoffice in Krisenzeiten darf kein Testlauf sein

Um die Ausbreitung des Coronavirus einzuschränken, schicken die Unternehmen ihre Mitarbeiter nach Möglichkeit ins Homeoffice. Das kann eine Chance für die deutsche Unternehmenskultur sein und sollte gleichzeitig mit Vorsicht betrachtet werden.

Wer in Zeiten der aktuellen Corona-Krise viel Radio hört, wird mit Sicherheit an dem einen oder anderen Tipp fürs Homeoffice nicht vorbeigekommen sein: Man könnte ja mal wieder den Kleiderschrank ausmisten, die Fenster putzen oder den Balkon startklar für den Frühling machen. Das klingt nach viel Home, aber wenig Office. Diese Aussagen können in der Akzeptanz von Homeoffice Vieles kaputt machen, was gerade mühsam aufgebaut wird.

Dieser Text entsteht gerade im Homeoffice. Genauer gesagt in meinem grünen Sessel, von dem aus ich direkt in den Garten gucken kann. Ich gehöre zu den glücklichen Arbeitnehmern, die nicht nur in Zeiten akuter Infektionsbedrohungen ins Homeoffice gehen dürfen, sondern mehrmals im Monat, mit dem vollen Vertrauen meines Arbeitgebers im Rücken. Das ist in Deutschland bisher eher die Ausnahme. Insgesamt bieten nur 26% der Arbeitgeber regulär die Arbeit aus dem Homeoffice an. Das ist gerade einmal rund ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hervor, bei der rund 16.000 Betriebe aller Betriebsgrößen und Wirtschaftszweige befragt wurden.

Fehlende Akzeptanz beim Thema Homeoffice

Obwohl flexible Arbeitsmodelle auf Grund der Digitalisierung bereits in vielen Unternehmen technisch möglich sind oder möglich sein könnten, erkennen viele Arbeitgeber immer noch nicht die Chancen flexibler Arbeit von Zuhause. Im Rahmen einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Dezember 2019 wurden 1.800 Beschäftigte nach den Gründen befragt, wieso sie kein Homeoffice machen. 12% der Frauen und 22% der Männer gaben hierbei an, dass es Ihnen trotz technischer Möglichkeiten nicht erlaubt sei.

Warum Beschäftigte kein Homeoffice machen (Umfrage)

In Zeiten der Corona-Krise dürfte vielen Mitarbeitern nun einmal mehr bewusst werden, dass ihr Unternehmen durchaus über die technischen Kapazitäten für das Einrichten eines Arbeitsplatzes außerhalb der Firmenräume verfügt, aber es bislang offenbar an der Bereitschaft fehlt. Die Akzeptanz von Homeoffice ist nämlich in vielen Unternehmen immer noch nicht sonderlich stark ausgeprägt: Fast 70% der Befragten gaben an, dass dem Chef Anwesenheit am Arbeitsplatz wichtig sei, während es 14% sogar ausdrücklich verboten ist. Knapp 6% der Beschäftigten verzichten auf Homeoffice, weil sie um ihre Karrierechancen fürchten, wenn sie zum Arbeiten nicht in die Firma kommen.

Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Barrieren für flexible Arbeitsmodelle nicht rein technischer Natur sind, sondern häufig noch das Verständnis des Arbeitgebers fehlt. Die deutsche Präsenzkultur lässt immer noch viele Vorgesetzte glauben, zu Hause werde weniger gearbeitet und geleistet. Die aktuelle Corona-Krise lässt vielen Unternehmen gar keine andere Wahl, als ihre Arbeitnehmer in eine Art Zwangs-Homeoffice zu schicken. Dass viele nun gar nicht wissen, wie sie die Arbeitszeit in den eigenen vier Wänden eigentlich produktiv gestalten sollen, ist nicht sonderlich überraschend. Die Folgen dieser ungeplanten Heimarbeit sind schwer absehbar: Sie kann die deutsche Arbeitskultur komplett auf den Kopf stellen und die Akzeptanz flexibler Arbeitsmodelle signifikant erhöhen oder aber die vorhandenen Zweifel vieler Unternehmen bestätigen. Denn was man zu Zeiten wie diesen bedenken muss: Homeoffice in Krisenzeiten ist nicht gleich Homeoffice im normalen Arbeitsalltag.

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Coronavirus – Chance oder Gefahr für zukünftige Remote-Arbeit?

Schulen und Kitas sind geschlossen, viele Eltern müssen Arbeit und Kinderbetreuung parallel handlen. Während Eltern an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen, stellt die plötzliche Remote-Arbeit aber auch kinderlose Arbeitnehmer vor viele Fragen und neue Aufgaben.

Vor allem für die Kommunikation ist es wichtig, entsprechende technische Vorbereitungen zu treffen und dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter auf Collaboration Tools wie Skype for Business oder Microsoft Teams zugreifen können. Videoanrufe oder das Teilen von Bildschirminhalten ist mit diesen Diensten problemlos möglich und vereinfacht die Zusammenarbeit. Wird man allerdings als Mitarbeiter darauf nicht vorbereitet, kann das auch schnell schief gehen, weil weder Mikros noch Kameras oder die Datenübertragung funktionieren. Schuld daran sind keine grundsätzlichen technischen Hindernisse, sondern die fehlende Vorbereitung auf den Umzug in das Remote-Büro.

Neben der Tatsache, dass für viele Unternehmen die Umstellung sehr plötzlich kommt und vor allem die Kommunikation noch an vielen Stellen hakt, wissen viele Beschäftigte auch nicht, wie sie überhaupt effektiv von zu Hause arbeiten können. Das Einrichten eines Arbeitsplatzes kann zu Hause etwas dauern – ganz besonders, wenn man darauf nicht vorbereitet war. Auch das Umsetzen von Pausen in den eigenen vier Wänden kann schnell zu einer Herausforderung werden: Viele Mitarbeiter gönnen sich im Homeoffice zwar weniger freie Zeit, finden aber schwerer in ihren Arbeitsrhythmus. Sind gleichzeitig noch Kinder und/oder ein Partner zu Hause, kann die Konzentration deutlich schneller leiden, als das bei der regulären Heimarbeit der Fall wäre.

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Homeoffice in Krisenzeiten nicht als Maßstab nehmen

Ja, die derzeit explosionsartig steigende Anzahl an Berufstätigen im Homeoffice ist eigentlich ein gutes Zeichen. Ein gutes Zeichen deshalb, weil die technischen Gegebenheiten größtenteils da zu sein scheinen und es den Mitarbeitern möglich gemacht werden kann. Deutschland war bisher beim Thema Remote-Arbeit rückständig und die aktuelle Situation kann einen Wandel beschleunigen und zur Attraktivität und Akzeptanz des ortsunabhängigen Arbeitens beitragen. Doch diese Phase eignet sich nur bedingt als Testlauf für die Umsetzung von Homeoffice auch außerhalb von Krisenzeiten.

Produktivität und Konzentration erreichen momentan vermutlich nicht durchgehend das gewohnte Niveau – das ist aber keine typische Konsequenz des Homeoffice, sondern liegt daran, dass sich das Land und ganz Europa in einem Ausnahmezustand befinden und Mitarbeiter wie auch Unternehmen ins kalte Remote-Wasser geschubst wurden. Absprachen, Kommunikation und die Einrichtung des Arbeitsplatzes – all das kann in Zeiten wie diesen länger dauern. Das darf aber kein Grund dafür sein, dieses unfreiwillige Experiment am Ende der Quarantäne vielleicht doch als gescheitert anzusehen. Flexible Arbeit von Zuhause bedarf einer vorausschauenden Planung und diese doch sehr plötzlich auftretenden Umstände sind für einen reibungslosen Ablauf alles andere als ideal.

Unternehmen können aus dem gegenwärtigen Ausnahmezustand vor allem Eines mitnehmen: Bereitet Euch und Eure Mitarbeiter auf Remote-Arbeit vor, schafft dafür den Platz, die Kapazitäten und das Know-How. Denn nur dann ist jederzeit ein reibungsloses Arbeiten von Zuhause gewährleistet und werden auch Sprüche wie “Sortier’ im Homeoffice doch Deine Sockenschublade” langsam aussterben. Denn Homeoffice soll Home und Office vereinen, nicht eines von beiden verhindern.

Veröffentlicht am 18.03.2020

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