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Vorstellungsgespräch. Wer kennt das nicht? Warten in der Lobby, Herzklopfen, ein letzter kurzer Blick auf die Notizen. Gegenüber sitzt ein anderer Kandidat, der versucht seine Schnappatmung mit einem Meditationshörbuch zu bekämpfen. Genau in dieser Situation begegnen wir in dem Kurzfilm „Das Vorstellungsgespräch“ dem Protagonisten Thomas Howell. Das Hemd sitzt, die Krawatte auch. Dass sich das Werk des australischen Regisseurs Genevieve Clay-Smith nicht um irgendein x-beliebiges Vorstellungsgespräch dreht, erfahren wir, als Howell dann von seinem Interviewpartner James Dexter abgeholt wird. Gemeinsam mit dem nervösen Bewerber erleben wir eine erste Überraschung. Denn James Dexter, der den überrumpelten Kandidaten zum Gespräch in sein Büro bittet, hat das Down-Syndrom. Der Film erzählt von Toleranz und der Bedeutung des berühmt-berüchtigten ersten Eindrucks. James Dexter aber erzählt dem sichtlich irritierten Howell erstmal von seiner Liebe zu Star Wars und Harry Potter, für bunte Krawatten und dass er ohne Zweifel Cola gegenüber Wasser vorzieht – also nicht gerade das typische Jobinterview, auf das man sich bei einer renommierten Anwaltskanzlei vorbereitet hat. Howell sitzt umgeben von Spielzeugfiguren da und ist so unangenehm berührt und überfordert, dass er kurz davor ist, das Bewerbungsgespräch abzubrechen. Erst das Erscheinen von Mr. Dexter Senior bringt etwas Licht ins Dunkel. Dieser ist überhaupt nicht glücklich, dass sein Sohn (scheinbar ein Wiederholungstäter) sich einen seiner Interviewpartner zum Plaudern entliehen hat. Aber kurz darauf ist auch er von dem Gespräch überrascht, das sich nach anfänglichen Berührungsängsten zwischen James und Thomas entwickelt hat. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, denn es lohnt sich, das Video selbst gesehen zu haben. Nicht nur, weil der Regisseur das Kunststück fertig bringt, genau die richtigen Töne zwischen bitter und süß, ernst und witzig anzuschlagen, sondern auch, weil er seine Botschaft ohne den moralisch erhobenen Zeigefinger vermittelt. Hinter engsitzenden Krawatten und Hornbrillen vergisst man ab und an, dass der erste Eindruck doch täuschen kann. Kurz vor Weihnachten lohnt sich der Blick auf eine schwerelose Lektion in Sachen Toleranz. Und Toleranz bedeutet eben auch, dass wir uns hin und wieder in Erinnerung rufen müssen, das der erste (und vielleicht ja sogar der zweite) Anschein trügerisch sein kann. Auch im Falle eines Vorstellungsgespräches. Andernfalls hätte Howell wohl direkt Reißaus genommen und James‘ Potenzial läge weiterhin im Verborgenen. Aber seht selbst!
Wir wünschen Euch frohe Weihnachten. Kommt gut ins neue Jahr. 2015 wird super! pic: Screenshot