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Sie werden es vermutlich nicht glauben. Was wir heute im Internet erleben und als so neu und spannend empfinden, gab es schon vor knapp 20 Jahren. User Generated Content, Echtzeit-Kommunikation und Social-Media-ähnliche Strukturen prägten schon zu Beginn der 90er Jahre das noch fast strukturlose junge Online Universum. Ich rede z.B. von einer Vielzahl der BBS (Bulletin Board System oder auch Mailbox genannt), in die man sich in fast jeder Stadt mit seinem 14.4 Modem zum Ortstarif einwählen konnte, um Shareware, Midi-Musik und Bilder mit den anderen paar oder paar hunderten Mitnutzern zu tauschen. Es gab das sogenannte FidoNet zum weltweiten Austausch von Nachrichten zu allen möglichen Themen, die man abonnieren konnte, ähnlich wie Blogs heute mit einem RSS Reader abonniert werden. Es gab IRC-Netzwerke, wo man als Chatter tatsächlich in Echtzeit kommuniziert hat und schon damals wichtige und unwichtige Nachrichten in Windeseile erfahren konnte. Und es gab die Online Dienste Compuserve, AOL und BTX (in Deutschland). Jedes für sich ein “Mini-Internet” mit eigenen Konzepten, Strukturen, Regeln und Inhalten, durchaus vergleichbar mit den heutigen Riesen unter den Sozialen Netzwerken. Und genau wie sie bemühte sich jedes der “Mini-Internets” natürlich um eine dominierende Stellung.
Das Online Universum von damals bot insgesamt eine unheimliche Vielfalt. Aufgrund der Zersplitterung, der fehlenden Möglichkeiten des Datentransfers zwischen den oben erwähnten Systemen und anderen, z.B. technischen, Barrieren, war die sinnvolle Nutzung einer Minderheit (von nicht wirkliche coolen Leuten) vorbehalten.
Dann kam der Urknall. Das WWW war plötzlich da, sog innerhalb kürzester Zeit einige brauchbare Teile des ursprünglichen Online Universums auf, pressete sie in das Fenster des Netscape Navigator Browsers, und begrub unter sich, alles was nicht anpassbar war. Die Nutzung, des ab da “Internets”, wurde aufgrund des neuen Standards und der neuen nachvollziehbaren Struktur einfacher und zugänglicher. Während AOL, Compuserve und BTX in ihrer ursprünglichen Form entweder den langsamen Tod starben oder zu Internet Providern mutierten, und die BBS, der Usprung des User Generated Content und der sozialen Online-Kommunikation in der nutzerzahlenmäßigen Bedeutungslosigkeit versanken, wartete das junge (WWW) Internet mit einer nicht enden wollenden Überschwemmung von in vielen Fällen nutzlosen und häßlichen Webseiten zu jedem möglichen Thema auf.
Erstellung und Betrieb eigener Webseiten war gerade für Privatleute durch Hosting und Kits von Anbietern wie GeoCities, Tripod (Lycos) usw. relativ einfach, zumindest verglichen mit dem Aufsetzen einer BBS oder eines Fido Nodes auf dem heimischen PC. Viel mehr Menschen konnten plötzlich an der Entwicklung aktiv teilnehmen. Und das haben sie auch – mit Leidenschaft. Von den Klassennerds hatte zumindest einer plötzlich eine eigene Webpage und erzählte den anderen davon nicht ohne Stolz auf dem Pausenhof: “Wenn Du auch eine bauen willst, komm zu GeoCities! Meine Seite findest Du auf dem ‘SunSetStrip’…”.
Für die überwältigende Masse der Erdbevölkerung war dieses Internet jedoch weiterhin zu undurchsichtig. Als Nicht-Internet-Webseiten-Erbauer konnte man zwar wesentlich einfacher von http- zu http-Adresse springen, als ein paar Jahre davor zwischen BBS, AOL, IRC und Fido, was das Ganze soll, und wie man sich auch in der neuen Struktur als Leihe zurecht findet, war den meisten weiterhin ein Rätsel. Wahrscheinlich auch mit ein Grund für die Fernsehberichte Mitte der 90er, Internet mache krank und abhängig 🙂
Die Kommerzialisierung, die ihren ersten traurigen Höhepunkt in der New Economy Krise fand, und die Indexierung des Internets durch Suchmaschinen, wie Yahoo und Google haben die Nutzung für noch mehr Menschen sinnvoll und praktikabel gemacht. Und dennoch, bleibt das Internet bis Anfang 2000 für immer noch sehr viele Menschen ein undurchsichtiger und einsamer Ort. Als Durchschnittsnutzer springt man mit Google von Seite zur Seite, macht vielleicht sogar Online-Banking, vergleicht Flüge, bestellt Bücher und hofft, dass man nicht zu einem dieser Internet-Betrugsopfer aus Akte 2X/200Y wird.
Aber…man ist irgendwie doch alleine auf der Datenautobahn unterwegs und fährt nur dann raus, wenn man auch wirklich muss. Irgendwas fehlt – das Gemeinschaftsgefühl, das für die meisten Menschen so wichtig ist, um sich wohlzufühlen. Das was sich einige Onliner der ersten Stunde und ihre geistigen Nachkommen auf den immer noch laufenden IRC- und USENET-Servern dieser Welt aus der Vor-WWW-Zeit in die heutige Zeit versucht haben hinüberzuretten. Doch das ist digitaler Underground. Zu kompliziert, zu unpraktisch, zu altmodisch, zu trist, als das man darauf die bunte Zukunft des Internets und das stetige Nutzerwachstum aufbauen könnte.
Web 2.0 heißt nun seit einigen Jahren die laufende Phase der Internetentwicklung. Wirklich 2.0? Ich weiss nicht, ich finde eher die Reinkarnation eines 20 Jahre alten Konzepts der BBS, IRC und FidoNet – verschmolzen und massentauglich gemacht dank den verbesserten technischen Standards. Und das auch nur auf einigen Inseln im weiterhin webeinsnulligen Internet. Wie auch immer, Bezeichnungen spielen keine Rolle. Tatsache ist, User Generated Content und Social Media kann heute jeder und nicht mehr nur die Jungs, die keine Freundin haben. Und das ist auf den ersten Blick gut. Das Internet, oder besser ein Teil davon, wird immer einfacher. Kommt mir das nur so vor, oder hat das Online-Medium in der Tat schon immer die Tür gewählt, durch die sich die höchst mögliche Zahl der Nutzer durchpressen (mitnehmen) läßt?!
Aber wozu der Geschichtsvortrag und diese ganzen Überlegungen?! Nun, ich habe den starken Eindruck, dass die Internetlandschaft heute der Online Landschaft Anfang der 90er erstaunlich ähnelt: Eine Vielzahl an bedeutenden kleineren und größeren Netzwerken mit zum Teil unterschiedlichen Konzepten, eine astronomische Zahl von trotz Suchmaschinen nicht immer einfach zu finden und in vielen Fällen verzichtbaren Webseiten. Klar, alles etwas besser strukturiert, standardisiert, aber dennoch irgendwie zu viel. Wo gehe ich hin, wo sind meine Freunde, wo werden sie tatsächlich bleiben, wo ist mein Video, wo ist mein RSS – Feed, wo ist meine Musik, wo sind meine Spiele, wo sind meine PDFs? Der Durchschnittsnutzer möchte auf diese und viele weiteren Fragen am liebsten nur eine einzige Antwort geben müssen. In den vergangenen Jahren haben sich die meisten Menschen nach und nach mit der Antwort – “im Internet” arrangiert. Aber die ist eigentlich heute schon zu allgemein.
Ähnlich wie Mitte der 90er Jahre stehen wir vor der nächsten Konsolidierung. Es wird ein neuer Standard entstehen, der Ordnung in das Informations-Chaos bringen wird. Die Frage ist, wie könnte so etwas aussehen?! Nun ich denke da an die Entstehung eines “neuen Internets im Rahmen des alten Internets”. Das “neue Internet” wird alles Brauchbare, wie Standards, Formate, Funktionen und Inhalte aufsaugen, in den eigenen Rahmen pressen und das alte Internet völlig überflüssig machen und langsam aussterben lassen, so wie damals in den 90ern. Voraussetzung dafür ist, dass die Nutzung des neuen Internets absolut idiotensicher ist, was man vom heutigem Internet nicht wirklich behaupten kann.
Idiotensicher heißt für mich, Tante Emma, Hänschen Klein und Albert Einstein können die selben Sachen machen. Sie kommunizieren, vernetzen sich, tauschen Bilder, Videos, Musik, Nachrichten, spielen Spiele, bearbeiten Dokumente, verabreden sich, Suchen nach irgendwas, und von mir aus erstellen sie auch eigene unwichtige Seiten, wenn sie nichts besseres zu tun haben. Und das alles ohne Vorkenntnisse. Ein tolles Internet wäre das, oder?!
Mensch, aber das kann man doch schon alles…mit Facebook. Das soll jetzt bitte nicht als Verschwörungstheorie ausgelegt werden, es ist eine technische Tatsache. Schon erstaunlich, dass sich die ganze Welt auf Google wegen Datenschutz Bedenken stürzt, während ein anderes schlaues Unternehmen an der Umgestaltung des ganzen Mediums (Internet Monopol) werkelt. Google hat es in all den Jahren nicht geschafft, ein Gefühlt der wirklichen Vertrautheit zu schaffen und bleibt nachwievor eine Suchmaschine.
Facebook ist viel mehr als das. Für viele Tante Emmas und Hänschen Kleins dieser Welt ist Facebook das erste wirkliche digitale Zuhause geworden, wo sie sich heimisch, wohl und handlungsfähig fühlen. Und sie werden einen Teufel tun, dieses bequeme Häuschen jemals wieder zu verlassen. Eher werden sie die ganze Sippschaft einladen. Und Facebook macht alles, um den Aufenthalt möglichst angenehm zu gestalten. Nach der Einführung der Facebookseiten für jeden im Rahmen des Netzwerks auftauchenden Begriff stellt sich für mich wirklich die Frage, warum ein neuer oder ein bequemer alter Internetnutzer facebook.com in Zukunft überhaupt noch verlassen sollte. Es ist doch alles da.
Ist es denkbar, dass Facebook der Vorgeschmack auf das Internet der Zukunft ist? Facebook als eine Art universelles Betriebssystem für das Internet – wie WINDOWS für unsere PCs. Ein PC ist natürlich auch ohne ein WINDOWS Betriebssystem nutzbar. Z.B. mit einem anderen Betriebssystem, wie Linux, oder auch einem ganz alten wie DOS, jedoch sehr eingeschränkt und unter der Voraussetzung, dass Sie wissen, wie man mit der Kiste auch ohne Bunte Fenster kommunizieren kann. Aber die Mehrheit mag es nun mal verständlicherweise einfach und standardisiert. Warum also nicht auch im Internet?!
Wenn Internet der PC ist und Facebook das nächste Betriebssystem, dann sollten sich Unternehmen Gedanken machen, was das für sie langfristig bedeuten kann.
Was denken Sie?!