Das Weltwirtschaftsforum macht sich viele Gedanken um die Zukunft der Welt. In seinem aktuellen “The Future of Jobs Report 2018” geht es explizit um die Zukunft der Arbeit. Gemeinsam mit vielen hochrangigen HRlern aus meist großen, internationalen Unternehmen hat man versucht, in die Glaskugel zu schauen und darin zu erkennen, wie sich die Arbeitswelt in den nächsten 5 Jahren verändern könnte.
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Das Konjunktiv “könnte” ist dabei entscheidend. Denn obgleich der technologische Fortschritt zweifelsohne mit zunehmender Geschwindigkeit die Arbeitswelt durcheinander wirbelt, liegt es zu erheblichen Teilen an den Teilnehmern, Arbeitnehmern, Arbeitgebern und am Staat, wo wir alle am Ende landen werden.
Die Marschrichtung ist theoretisch einfach. Die Adaption neuer Technologien in den Unternehmen wird dazu führen, dass die Nachfrage nach bestimmten Berufsbildern sinken und nach anderen wiederum steigen wird. Der Trick 17 ist dabei, die Menschen aus weniger nachgefragten Berufen durch (Re-) Qualifizierung in stärker nachgefragte zu überführen. Die vorliegende Untersuchung schätzt den Bedarf für (Re-) Qualifizierungen auf über 50% der Belegschaft der teilnehmenden Unternehmen. Eine ganz schöne Herausforderung.
Der Haken ist nämlich, wir alle müssen jetzt schon damit anfangen. Arbeitnehmer müssen ihre Lust an proaktivem Lernen entdecken – Stichwort “lebenslanges Lernen”. Bereits hier wird es allerdings schwierig. Klar haben wir alle schon mal gelesen, dass vor allem die Generation Y (zumindest in Umfragen) lebenslanges Lernen zum Lebenskonzept erklärt und total bereit ist, ständig zu lernen. Die Bereitschaft und die proaktive Umsetzung sind aber in der Realität zwei paar Schuhe.
Schauen wir uns z. B. die Ergebnisse der Umfrage zur Wichtigkeit des ständigen Lernens (2014-2018) an, sehen wir einen leichten Rückgang der Lernbereitschaft in den letzten 4 Jahren. Ob jetzt die guten Vorsätze der jungen Leute von dem Rest der Bevölkerung statistisch nach unten gezogen werden oder nicht. Mag sein, dass der hier abgebildete Rückgang mit dem Rückgang der ansetzenden Schrumpfung der Bevölkerung zu tun hat. Tatsache ist, die Lernbereitschaft stagniert, obwohl sie jetzt schon massiv steigen müsste.
Wer von dieser Aussage noch nicht so richtig überzeugt ist, schaue sich die Ergebnisse der Umfrage unter weiterbildenden und nicht-weiterbildenden Betrieben des Instituts der deutschen Wirtschaft an. Der mit Abstand häufigste Grund für Nicht-Weiterbilden scheint “Geringes Mitarbeiterinteresse” zu sein.
Wie kann das sein? Entwicklung und Weiterbildung sind doch angeblich mit die wichtigsten Benefits bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Oder sind das etwa vielfach Lippenbekenntnisse in suggestiven Umfragen und Vorstellungsgesprächen?!
Liebe Arbeitnehmer. Legt jetzt los mit dem lebenslangen Lernen, falls ihr mehr als 5 Jahre bis zur Rente habt. Und was die Generation der Digital-Natives angeht, muss ich explizit anmerken, dass der flotte Umgang mit iPhone, Instagram und WhatsApp nicht automatisch vor den Folgen der Digitalisierung immun macht. Wir brauchen zukünftig Menschen, die besser als Maschinen sind und nicht einfach besser mit Maschinen umgehen können, als die Generationen davor.
Wenden wir uns nun den Unternehmen zu. Schauen wir uns die Ausreden an. Kein Bedarf, Keine Zeit, Keine Kapazitäten. In der Summe ist das alles schlicht kurzfristiges Denken, dass ohne Zweifel teuer zu stehen kommen wird. Hier muss wirklich schnell umgedacht werden. Aus privaten Umfeld weiß ich, dass wenn auch mal ein Mitarbeiter entgegen dem allgemeinen Trend, Interesse an einer Weiterbildung bekundet, er oder sie häufig abgewimmelt wird. Viele Unternehmen sind also nicht mal imstande, solche dankbaren Gelegenheiten beim Schopf zu packen. Das ist traurig.
Vielleicht möchte jemand entgegnen, dass solche Initiativen häufig nicht sinnvoll sind, da die angestrebten Weiterbildungen nicht im ausreichenden Maße den aktuellen Aufgabenbereich tangieren. Ich gehe hier gerne einen Schritt weiter und behaupte, dass es durchaus Sinn macht, Weiterbildungen auch außerhalb der Kernaufgabe zu fördern. Hauptsache das Gehirn entwickelt sich nicht unaufhaltsam zurück, wovon wir alle spätestens nach dem Ende der Ausbildung / des Studiums stark gefährdet sind. Was gut fürs Gehirn des Arbeitnehmers ist, wird auch gut für den Arbeitgeber sein. Da kommen wir bestimmt noch hin.
Im Augenblick belegen wir in Deutschland mit deutlich über 100 Tagen im internationalen Vergleich sogar einen der Plätze mit dem höchsten geschätzten Zeitaufwand für Re-Qualifizierung.
Huh, Frankreich ist zum Glück noch schlechter ;-). Aber was zum Teufel macht die Schweiz da ganz unten? Hier ist natürlich auch der Staat gefragt, der sicherlich vermeiden möchte, dass nicht wenige Menschen bald keine Verwendung mehr haben werden. Man könnte doch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber irgendwie bei der Herausforderung der kommenden Jahre aktiv unterstützen. Steigende Investitionen in die Bildung und Weiterbildung aller für den Arbeitsmarkt der Zukunft ist ein Muss.
Gestern fand die New Work Experience 2018 in unserer schönen Hansestadt statt, ein Event, bei dem sich alles um Themen der Zukunft der Arbeit dreht – und die rasende Wollmilchsau-Reporterin Eva hat sich für Euch umgeschaut. Die erste Hälfte der Veranstaltung führte in den Großen Saal der fabelhaften Elbphilharmonie, in dem die Teilnehmer der Konferenz profilierten Sprechern wie Götz W. Werner, Prof. Richard David Precht oder Janina Kugel von Siemens lauschen durften. Musik gab es natürlich auch, zum Beispiel von der zauberhaften Violinistin Ji-Hae Park. Das Nachmittagsprogramm verschlug die Teilnehmer dann in verschiedenen Locations in der Hafencity und wartete mit unzähligen Vorträgen, Sessions und Workshops auf.
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New Work, das ist bekanntlich ein Konzept, bei dem unter besonderer Beachtung der Digitalisierung Alternativen zum heute geltenden Arbeitsmodell gesucht werden. New Work, so der bleibende Eindruck nach vielen Key Notes, wirft eher Fragen auf, als dass es die Antworten schon parat hat. Und diese Fragen sind – so leid es mir tut – größtenteils von einer (arbeits-)philosophischen Natur:
Was ist Arbeit?
Was ist der Wert von Arbeit?
Wo ist der Platz des Menschen in einer künftig automatisierten Welt?
Solche und ähnliche Fragen scheinen angesichts der Veränderungen der Arbeitswelt angemessen. Wer sich mit New Work beschäftigt, braucht einen langen Atem, denn von jetzt auf gleich wird keine der Visionen, Utopien, Konzepte oder Technologien umgesetzt werden können. Wer daraus nun folgert, dass es sich deshalb nicht lohne, sich mit derartigem zu beschäftigen, der wäre wohl bei einem Event wie gestern von der höchsten Balustrade der Elbphilharmonie geworfen worden.
Wiederkehrende Themen von New Work: Bedingungsloses Grundeinkommen
Ein Thema, an dem gestern wirklich niemand vorbeikommen konnte, war das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens. Sprecher wie Precht, Werner oder der Historiker Rutger Bregmann kommen immer wieder darauf zurück. In einer Zukunft, so ihr Credo, in der ein Großteil der Arbeit automatisiert werden kann und Menschen nur noch in Empathie-betonten Berufen gebraucht werden (wenn überhaupt – je nachdem, wem man gerade zuhört), verliert der Mensch mit seiner Arbeit einen Teil seiner Identität, aber gewinnt dafür auch viel: die Freiheit, Dinge zu tun, die er wirklich und wahrhaftig möchte. Gern wird hier auf die antike Zelebrierung der Muße verwiesen, die etwa von den alten Griechen gepflegt wurde.
Hier bewegen sich viele Sprecher in einem Spannungsfeld, das eine Abkehr vom “herkömmlichen” Kapitalismus in Aussicht stellt. Arbeit, wie sie von der protestantische Ethik hochgehalten wird, würde ihren übergeordneten Wert einbüßen und so zulassen, dass die Menschen sich freiwillig geistiger Arbeit zu wenden – die Aussicht auf fabelhafte Ideen, Gründergeist, schöpferische Kraft, Einkehr und Selbstbestimmung locken. Das Konzept des Bedingungsloses Grundeinkommen wird heiß diskutiert, von manchen als Erlösung des Menschen von der “Geißel” des derzeitigen Arbeitsmodells imaginiert, von anderen als potentieller Untergang der Welt betrachtet, da dann “ja niemand mehr arbeiten wollen würde”. Darüber hinaus stellen sich natürlich auch praktische Fragen, wie die nach der Finanzierung. Prof. Richard David Precht schlägt dazu zum Beispiel die Besteuerung von Finanztransaktionen vor.
Arbeitszeit – Freizeit – Lebenszeit
Weitestgehend einig ist man sich auch dahingehend, dass die klassische 40-Stunden-Woche ausgedient hat. Überhaupt sind Begriffe wie “Arbeitszeit” und “Freizeit” für Sprecher wie Götz W. Werner irreführend, denn beide umfassen ihm nach ja schließlich die “Lebenszeit” der Menschen. Bei der Vorstellung neuer Ergebnisse aus der IZA/Xing-Studie “Arbeiten in Deutschland” wird die Frage aufgeworfen, was “Arbeit” überhaupt ist – denn das wird im Arbeitszeitgesetz(ArbZG) nicht näher definiert. Die bisher übliche Interpretation der Präsenzkultur am Arbeitsplatz, bei der die Zeit, die der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz verbringt (unabhängig davon, was er in dieser tut), als Indikator für die “Messbarkeit von Arbeit” gewertet wird, verliert im Zuge der Digitalisierung immer mehr an Relevanz.
Das hat mit der wachsenden Mobilität vieler Tätigkeiten, die als Arbeit gelten, zu tun. Flexible Modelle wie Home-Office oder von unterwegs Arbeiten spielen hier ebenso eine Rolle, wie das Empfinden der Arbeitnehmer, dass sie Arbeitstätigkeiten zunehmend in ihrer eigentlichen Freizeit verrichten:
Demnach braucht es in der Zukunft neue Ansätze um “Arbeit” messbar zu machen – wenn überhaupt.
Herausforderungen und Risiken moderner Technologien
Bei all den Blicken, die in die Zukunft geworfen werden, werden auch die Risiken und Herausforderungen moderner Technologien nicht (völlig) ausgeblendet. Künstliche Intelligenzen (KIs), ein weiteres großes Thema des Events, könnten schon in wenigen Jahren so weit entwickelt worden sein, dass sie der Denkleistung von Menschen entsprechen – und sie alsbald übertreffen. Das glaubt zumindest der “Vater der modernen Künstlichen Intelligenz” Prof. Jürgen Schmidhuber, dessen lernende neuronalen Netze bereits heute in Form von Übersetzungssoftware oder Spracherkennung in unseren Smartphones stecken. Auf die Frage, ob er nicht manchmal auch Angst vor seinen Erfindungen habe, zögert er mit einer Antwort. Dann folgt zur Erheiterung des Publikums ein lapidares “Nein, denn das wird alles ganz toll” – und sonst nichts. Andere Speaker, wie Dr. Ha Vinh Tho, der Leiter des Zentrum für Bruttonationalglück in Buthan, oder Vorstandsmitglied Janina Kugel von Siemens sehen das anders. Sie vertrauen auf den menschlichen Faktor, der nicht, auch nicht in einer Welt der KIs, obsolet werden wird.
Die Digitalisierung bietet Chancen, so denken wohl die meisten der Teilnehmer der New Work Experience 2018, doch dass wo Licht ist, auch Schatten sein muss, wissen sie auch. Ständige Erreichbarkeit, verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit- und Privatleben, als exzessiv geltende Extrem-Nutzung Sozialer Netzwerke oder Smartphones, das alles sind die Schreckgespenster, die am Rockzipfel der Digitalisierung hängen und die durchaus zu ernst zunehmenden Problemen führen können. “Dieses Internet” abschalten und ins analoge Zeitalter zurückkehren wird man trotzdem nicht. Umso wichtiger, dass sich auch hinsichtlich solcher Entwicklungen Gedanken gemacht werden, die nicht nur den Menschen als Privatperson treffen, sondern auch als Arbeitnehmer.
Große Utopien: “Nothing is more powerful than an idea whose time has come”
Mit diesem Zitat von Victor Hugo beendete Rutger Bregmann gestern seinen Vortrag “Utopias for Realists”. Er plädiert dafür, dass wieder mehr geträumt wird und dass unerreichbar scheinende Utopien wieder Platz in den Köpfen der Menschen finden. Damit benennt er den Wunsch nach einem großem Paradigmenwechsel des New Work Konzepts. Ideen können zu Prozessen werden und diese schließlich zu Fortschritt.
Wie der Glücksminister von Buthan Dr. Ha Vinh Tho (der natürlich nicht offiziell “Glücksminister” heißt, aber es passt einfach zu gut), träumt auch der Historiker Bregmann von eine bessere Zukunft für die Menschheit und erinnert daran, dass dies, historisch betrachtet, gar nicht so abwegig ist. Denn noch nie in der Geschichte des Menschens, so Bregmann, ging es großen Teilen der Menschheit so gut wie heute, gab es so wenig Krankheit, weniger kriegerische Auseinandersetzungen oder weniger Armut. Dass uns solche Aussagen angesichts der ungelösten Probleme unserer Zeit, wie der Zerstörung unseres Planeten, der ungerechten Verteilung von Gütern, politischen und religiösen Konflikten und so vielem mehr seltsam vorkommen, sei verständlich. Trotzdem könne viel erreicht werden, wenn etwa das Menschenbild verändert würde und es große neue utopische Ideen für das 21. Jahrhundert gäbe. Zu seinen “radikalen” Ideen zählen dann zum Beispiel das Bedingunglose Grundeinkommen, die 15-Stunden-Woche und offene Grenzen.
Dr. Da Vinh Tho, der Leiter des Zentrum für Bruttonationalglück in Buthan, würde ihm sicher in einigen Punkten zustimmen. Das Zentrum für Bruttonationalglück ist eine Art Gegenentwurf zur üblichen Art, den Wohlstand einer Nation im Bruttoinlandsprodukt zu messen. Die Idee des Bruttonationalglücks beruht darauf, dass ein “allein auf das Wachstum des Geldes angelegtes Maß” unzureichend sei, “um den Wohlstand einer Gesellschaft zu messen”. In seinem Vortrag spricht er viel von den Entfremdungen, denen der Mensch in der heutigen (kapitalistischen) Gesellschaft trotzen müsse, wie etwa:
der Entfremdung zwischen Menschen und der Natur, die die Umweltzerstörung zur Folge habe.
der Entfremdung zwischen Menschen und Mitmenschen.
der Entfremdung des Menschen von sich selbst.
Ob er einen Masterplan oder eine Bedienungsanleitung für Glück und Wohlbefinden hat? Nein. Das gesellschaftliche Glück kann trotzdem gefördert werden, und zwar besonders von Unternehmen, da sie eine der stärksten Kräfte in der heutigen Welt sind. In Bewegung setzen könnte man so vieles, Umweltschutz, nachhaltiges und gerechteres Wirtschaften, freies kulturelles Leben und ähnliches. Ob diese buddhistisch beeinflussten Werte in der Welt des Kapitalismus funktionieren können? Einzelkämpfer, wie das thailändische Unternehmen B. Grimm, machen es vor.
Für Träumer, Rebellen, Vordenker
Nach vielen Stunden inspirierender und manchmal stark philosophisch-gefärbter Vorträge fühlt man sich zugleich aufgelegt zu neuen Taten und auch etwas erschlagen. New Work, das steht nicht nur für flexible Arbeitszeiten und hyper-modern eingerichtete Büros. Eigentlich, wenn man das so sagen darf, will New Work nichts geringeres, als die Welt verändern. Klingt nach Wolkenschlössern, klingt, als ob am liebsten jemand im Hintergrund “Das Leben ist doch kein Wunschkonzert” rufen möchte, klingt so, als ob man die Augen rollen möchte und zurück kehren will zu seiner einfachen, zynischen Weltanschauung. Kann man ja auch. Vielleicht aber bleiben die Ideen, die Visionen, die Verheißungen von New Work aber auch irgendwo im Hinterkopf hängen. Und vielleicht darf dann auch wieder ein bisschen mehr geträumt werden.
Der Besuch der New Work Experience 2018, so die bescheidende persönliche Meinung der Verfasserin, hat sich gelohnt. Zwar geht man am nächsten Tag nicht mit einem hübsch-praktischen 10-Punkte-Aktionsplan zurück zur Arbeit, aber wenn es denn wirklich so einfach wäre, bräuchten wir das Konzept wohl auch nicht. Im Büroalltag (oder vielleicht im Home-Office-Alltag) bietet sich nicht oft der Raum, über die Zukunft der Arbeit, die zahllosen Folgen der Digitalisierung oder den Wert der Arbeit angesichts einer möglichen Roboter-Zukunft nachzusinnen. Wachsamkeit und Offenheit aber, das sind Empfindungen, mit denen man die Hafencity vielleicht verlassen hat. Und diese sind immerhin ein guter Anfang.
Gibt es in der technologisierten Zukunft der Arbeit noch einen Platz für Menschen? In der Studie “The trillion-dollar difference” aus dem Hause Korn Ferry plädieren die Verfasser für eine mentale Neuausrichtung von CEOs, Unternehmens-Strategen und Entscheidungsträgern. Denn auch wenn die Zukunft von Technik bestimmt werden mag, bedeutet sie nichts ohne die menschliche Arbeit. Der Wert, den die menschliche Arbeit für den Erfolg eines Unternehmens hat, bleibt laut der Studie vielen Entscheidungsträgern jedoch aufgrund eines “blinden Flecks” verborgen.
CEOs, Unternehmens-Strategen und Entscheidungsträger mögen Zahlen, hat man sich bei Korn Ferry gedacht. Um die unterschätzte Bedeutung des “Faktor Mensch” für Unternehmen aufzuzeigen, wird in der Studie nach einem Weg gesucht, den finanziellen Wert der menschlichen Arbeit zu berechnen.
Dabei geht es um den Versuch, dem berechenbaren physikalischen Besitz von Unternehm, also dem “anfassbaren Kapital”, das etwa aus Immobilien und Land, Technologie und Inventar besteht, einen ebenso berechenbaren Gegenwert in Form von “unberührbarem Kapital”, welches den Wert der Menschen und ihrer Arbeit meint, entgegenzusetzen.
Menschliche Arbeit vs. Technologie
Wenn es um dieses Thema geht, sind tiefgründige ethische und philosophische Überlegungen nicht weit – schließlich gehören Fragen nach dem Platz des Menschen in einer Zukunft der Technologie zu den brennendsten und wichtigsten Fragen unserer Zeit. Die Studie operiert aber auf einer anderen Ebene. Sie zeigt auf, was Menschen der Technik (zumindest noch) voraus haben: Potenzial und Wertsteigerung.
Damit ist gemeint, dass:
die Leistung von Menschen von außen positiv beeinflussbar ist. Unternehmen sind Mittel gegeben, die den Fleiß und die Leistung ihrer Mitarbeiter steigern können. Diese tragen somit ein Potenzial in sich, über das eine Maschine nicht verfügen kann.
Menschen empathisch sind, dazu lernen und mit der Zeit Erfahrungen und Wissen sammeln – auf eine Weise, die derzeit realisierbare Algorithmen noch nicht überbieten können. Ökonomisch ausgedrückt, so die Studie, erfahren menschliche Arbeitskräfte also mit fortschreitendem Alter eine Wertsteigerung, wohingegen die Zeit im Bezug auf Inventar und Technologie meistens gegen das “anfassbare Kapital” arbeitet.
Daraus ergibt sich also, dass menschliche Arbeit nicht an ein limitiertes Output gebunden ist und mit der Zeit nicht im Wert sinkt.
Der menschliche Faktor in der globalen Ökonomie
Korn Ferry hat für die Studie acht wirtschaftlich unterschiedlich strukturierte Länder untersucht, unter anderem China, USA, Frankreich, Indien und UK:
Diese Graphik zeigt anhand des Werts “Ratio” das Verhältnis zwischen menschlichem und physikalischem Kapital. Je niedriger der Wert “Ratio”, desto geringer fällt der Unterschied zwischen den Werten “Human capital” und “Physical capital” aus.
Ein hoher Wert des menschlichen Kapitals spricht für eine starke Dienstleistungsorientierung in der Ökonomie, während hohe Werte beim physikalischen Kapital für eine Ausrichtung auf Industrie und Agrarwirtschaft sprechen.
In allen untersuchten Ländern übersteigt der Wert des “Human capital” den Wert des physikalischen Kapitals.
Der “blinde Fleck”
Die Studie ergab, dass die meisten der befragten Entscheidungsträger den Wert der menschlichen Arbeit gegenüber Technologie und “anfassbarem Kapital” unterschätzen. Stattdessen werde die relative Bedeutung von Technologie in der Zukunft aufgebauscht: 67% der Befragten glauben, dass Technik in Zukunft einen größeren Wert für die Unternehmen schaffen wird als menschliche Arbeit. Weitere 63% glauben außerdem, dass Technik die entscheidende Quelle für ihren Wettbewerbsvorteil sein wird.
44% der Befragten sind sogar der Meinung, dass die zunehmende Verbreitung von Robotern, Automatisierungen und künstlicher Intelligenz menschliche Arbeit “größtenteils bedeutungslos” machen wird. Dazu passt auch ein Trend, den die Studie von Korn Ferry erkennen will: angesichts einer unvorhersehbaren Zukunft befalle viele Entscheider die sogenannte “tangibility bias”, also eine Neigung bei der Planung hin zum Anfassbaren – hin zu allem was messbar, sichtbar und bestenfalls eben auch anfassbar ist.
Das Problem mit der menschlichen Arbeit ist nämlich, dass sie sich nicht so einfach messen lässt wie die einer Maschine. 46% der befragten Entscheidungsträger gaben an, dass ihr Unternehmen “nichts davon versteht, wie die Arbeitskraft der Mitarbeiter zu messen ist” und weitere 40% offenbarten, dass es ihnen an Verantwortlichen, die sich spezifisch mit Themen wie der Workforce Performance beschäftigen, fehlt. Dazu sagt Alan Guarino, Vice Chairman, CEO and Board Services, Korn Ferry Search:
Leaders are placing a high emphasis on technical skills, technological prowess, and the ability to drive innovation in their new senior recruits—elements critical for modern organizations. However, the financial reality proven by this study— that the value of people outstrips that of machines by a considerable distance—must give CEOs pause for thought. So-called ‘soft skills,’ such as the ability to lead and manage culture, will become critical factors of success for companies in the future of work as they seek to maximize their value through their people.
Im Endeffekt ist laut der Studie jedoch das Gegenteil der Fall, denn die Mehrheit der Teilnehmer sieht in ihren Arbeitskräften kein wichtiges Kapital, sondern einen schnöden Kostenfaktor.
In der Studie wurde auch nach Prioritäten gefragt und zwar unter anderem in Bezug auf die Rekrutierung neuer Führungskräfte. Welche Fähigkeiten gefragt sind? Spoiler: Hauptsache irgendwas mit Technologie:
Verständnis für Unternehmenskultur und gute Fähigkeiten beim Führen von Mitarbeiter landen auf dem letzten Platz.
Denkanstoß für Entscheidungsträger
Die Studie unternimmt den Versuch, die Bedeutung der menschlichen Performance für Unternehmen sichtbar zu machen. Plädiert wird für ein ausgewogeneres Verhältnis bei der Bewertung von Mensch und Maschine, denn noch sind Maschinen ohne Menschen, die mit ihnen arbeiten, in vielen Bereichen kaum realisierbar. Besonders in Dienstleistungsgesellschaften zeigt sich die Stärke des “menschlichen/unberührbaren Kapitals”.
Wir finden es nachvollziehbar, dass sich die befragten CEOs unter Druck gesetzt fühlen, primär in technologische (und insbesondere digitale) Innovationen zu investieren. Mitarbeiter jedoch vor allem als Kostenfaktor zu betrachten oder in Zukunft sogar als obsolet, ist verfehlt. Wir schließen uns der Empfehlung der Studie an: Technologie und Menschen brauchen einen Platz in der Zukunft der Arbeit, auf dem sie als Partner kooperieren können. Zu idealistisch? Wir werden sehen.