Zappos holt die Stellenanzeigen zurück

Vielleicht könnt Ihr Euch noch an die viel diskutierte Recruiting-Maßnahme der Firma Zappos aus dem Jahr 2014 erinnern. Damals verkündete das Unternehmen, gänzlich auf Stellenanzeigen verzichten zu wollen. Es wurde zum Einen das übermäßige Aufkommen von unpassenden Bewerbungen bemängelt. Weiterhin suchte man nach einer Lösung, um evtl. passende Leute zu binden, für die es aktuell keine passenden Stellen gab. Im Ergebnis überlegte sich Zappos, die gute alte Stellenanzeige durch eine Art internes soziales Netzwerk zu ersetzen. Die Besucher der Karriere-Webseite sollten zu “Insidern” eines passenden Unternehmensbereichs werden. Recruiter hätten so die Möglichkeit, langfristige Beziehungen mit den potentiellen Kandidaten aufzubauen, um sie bei einer passenden Gelegenheit schnell anwerben zu können. Der revolutionäre Vorstoß spaltete die HR-Welt. Manche waren positiv angetan (mich inklusive). Manche weniger. Danach wurde es für viele Monate ruhig um das Thema. Was ist bloß aus der Initiative geworden? Ich habe kürzlich ein Zwischenfazit der Zappos HR-Führung in Form eines Video-Interviews entdeckt. Darin berichtet der aktuelle HR-Chef Rick Jordan, dass das Experiment nicht ganz planmäßig aufgegangen ist. Die Stellenanzeigen sind auf die Karriere-Webseite von Zappos zurückgekehrt. Begründet wird dieser Schritt mit den Gewohnheiten der Bewerber. Die Mehrheit suche nun mal weiterhin gerne auf der Grundlage von Stellenanzeigen und melde sich gerne bei Job-Newslettern an. Man habe festgestellt, dass mit dem Ausschluss von Stellenanzeigen gewisse Potentiale verloren gehen, auf die man bei Zappos nun doch nicht verzichten möchte.

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Und so sollen zukünftig beide Konzepte (die Stellenanzeige und das Insider-Netzwerk) koexistieren. Wenn ich mich nicht verhört habe, beläuft sich der Anteil der Einstellungen über das Insider-Netzwerk auf aktuell ca. 17%. Mitarbeiterempfehlungen belaufen sich auf 29%. Der Rest muss sich wohl auf Stellenanzeigen und Active-Sourcing verteilen. Sind 17% der Einstellungen über ein internes soziales Netzwerk nun viel oder wenig? Ist die meiner Ansicht nach immer noch gute Idee nicht wirklich aufgegangen, weil die Welt einfach noch nicht bereit ist? Ich weiß es nicht genau. Aber ich habe zumindest eine kleine Theorie, was die Kollegen bei Zappos evtl. nicht bedacht haben. Sie haben nicht bedacht, dass die Abschaffung von Stellenanzeigen ein Loch in die Besucher-und natürlich Bewerberzahlen der Karriere-Seite reißen könnte/würde. Oder andersherum gedacht, hätte eine Strategie, die ausschließlich auf der Recrutierung aus dem eigene sozialen Netzwerk aufbaut, neue Anforderungen an die zu erreichenden Besucherzahlen gestellt. Man hätte die Seite/das “Insider Netzwerk” extra bewerben müssen, um die absehbaren Schwankungen auszugleichen. Eine Analyse der Zappos Zahlen der vergangenen 18 Monate zeigt allerdings dass meine Theorie evtl. zutreffen könnte. Seit der Einführung der neuen Maßnahme nahmen die Besucherzahlen ganz und gar nicht deutlich zu. Im Gegenteil, sie waren stagnierend bis eher rückläufig. Die Abschaffung der Stellenanzeigen bei Zappos hat möglicherweise ein Traffic-Tief auf der Karriereseite verursacht. Wie sollten denn die wegbrechenden Stellenanzeigen-Bewerbungen begleitet von rückläufigen Besucherzahlen zu einer ausreichend gefüllten Kandidaten-Pipeline führen? Zappos war sich vermutlich so sehr der Kraft ihrer Arbeitgeber-Marke sicher, dass sie gänzlich auf zusätzliche Werbung für die Karriere-Webseite verzichteten. Keine AdWords, keine Display-Kampagnen, kein spürbarer Anstieg der Social-Media Aktivitäten. Warum? Ganz ohne Werbung kommt nun mal auch das Personalmarketing von einer Arbeitgebermarke wie Zappos nicht aus. Im September 2014 sieht man noch einen Zug nach oben, gerade bei Traffic von verweisenden Seiten. Seitdem flacht das Ganze aber nach und nach ab. Auch wenn man hinterher natürlich immer schlauer ist, bleibt für mich dennoch die Fragen offen, warum einem in Sachen Online-Marketing so erfahrenen Unternehmen wie Zappos bei ihrem durchaus bedeutenden Recruiting-Experiment ein solcher Fehler unterläuft. Schade. Da hätte man mehr draus machen können. Wie seht Ihr das? Ja, und macht das bloß besser als Zappos. Wenn Ihr an der Zusammensetzung Eurer Personalmarketing-Kanäle und -Maßnahmen spielt, erfasst am besten, was wo bei Euch passiert. Und da sind wir wieder – bei diesen lästigen Analytics.

[HTTP410] Business Intelligence in HR

Der Zappos Post von letzter Woche hat für einigen Diskussionsstoff, Kommentare und Zukunftsvisionen gesorgt. Stellenanzeigen abschaffen, Netzwerke schaffen. Einfach falsch, verrückt oder langfristig vielleicht doch der einzig richtige Weg?

Auf der Seite der eher skeptischeren Stimmen fand ich gerade Meinungen mit quantitativen Argumenten besonders interessant. So z.B. die Einschätzungen des Bewerbungs- bzw. des Auswahlprozesses. Der Netzwerk- /Beziehungsaufbau mit potentiellen Kandidaten würde im Vergleich zur Bewerbung per Stellenanzeige wesentlich mehr Zeitaufwand auf beiden Seiten erfordern. Weiterhin kam des Öfteren das Argument, dass die verhältnismäßige (kleinere) Größe eines Unternehmens in den allermeisten Fällen den Verzicht auf Stellenanzeigen zugunsten von aktiven Netzwerk-/Beziehungspflege unmöglich bzw. unsinnig machen würde.

Gefühlt haben beide Argumentationen ihre Daseinsberechtigung. Ohne diese per se anzuzweifeln, stelle ich mir jedoch automatisch die Frage, woher wir/sie das alles so genau wissen. Wie viele Unternehmen (nicht nur Konzerne) da draußen können heute ad-hoc grundlegende Werte nachvollziehen:

  • Wie ist die demographische Zusammensetzung des Personals?
  • Lässt sich Fluktuation anhand der Quelle der Einstellung bzw. dem beruflichen Hintergrund prognostizieren?
  • Wie lange dauern Ausschreibungs- und Auswahlprozesse im Durchschnitt?
  • Wie viele Kontakte gibt es im Durchschnitt zwischen Recruiter und Bewerber?
  • Wie erfolgen diese (Telefon, Mail, Soziale Netzwerke, usw.) und welche sind effektiver?
  • Wie viele Bewerbungen gab es in diesem im Vergleich zum letzten Jahr?
  • Wie viele Anzeigen wurden wo für wie viel Geld geschaltet und wie war die Reichweite (Bewerber-Traffic)?
  • Woher kamen die (guten) Bewerber?
  • Welche Maßnahmen haben funktioniert?
  • Wer besucht die Karriereseite?
  • Welche Infos werden dort am meisten nachgefragt?

Ich denke, dass die Beantwortung dieser und einiger weiterer Fragen notwendig ist, um die Entscheidung von Zappos (auch im Vergleich zur eigenen Situation) realistisch einschätzen zu können bzw. diese zu befürworten oder gänzlich abzulehnen. Ich bin mir nicht sicher, wie strategische Entscheidungen bei Zappos genau getroffen werden. Ich vermute jedoch stark, dass Zappos über mehr als nur einen Business-Intelligence-Analysten verfügt. Die obigen Fragen wurden mit Sicherheit beantwortet.

Ich denke weiterhin, dass in vielen (auch weniger innovativen) Unternehmen zumindest in Ansätzen Daten zur Beantwortung von relevanten Fragen im Bereich HR vorhanden sind. Wenn auch in Form von schlecht formatierten Excel-Tabellen. Sie zusammenzutragen und auswertbar zu machen, würde die Arbeit, Entscheidungen und Einschätzung von eben solchen visionären (?) Methoden um einiges vereinfachen.

Dieser Post soll daher ein weiterer Aufruf sein, sich mit dem leidigen Thema der Zahlenerhebung im HR zu beschäftigen. Ja, es ist nervig. Aber das, was sich heute hinter dem Begriff Business Intelligence versteckt, ist vielleicht zugänglicher als viele von Euch glauben. Tools wie Tableu, QlikView, Microstrategy, Palo usw. lassen Euch heute ohne IT-Kenntnisse (und teilweise kostenlos) Datenbruchstücke (z.B. Excel-Tabellen, Google-Analytics) zusammentragen und mit wenigen Klicks einfache und verständliche Visualisierungen und Auswertungen vornehmen. Euer eigenes, flexibles HR-Dashboard. Das wär doch was.

Ich behaupte nicht, dass das kein Aufwand ist. Allerdings bin ich mir sicher, dass es für viele da draußen möglich ist, bessere Entscheidungen mit Hilfe der bereits vorhandenen Daten zu treffen. Wenn man sich nur trauen würde, diese anzuschauen. Es würde mich wirklich interessieren, wer von Euch tatsächlich alle obigen Fragen beantworten kann und vor allem, wie Ihr das bei Euch macht. Ist da draußen jemand? Wir können gerne über einen Best-Practice-Gastpost sprechen.

Zappos schafft die Stellenanzeige ab

Zappos, das erfolgreiche und viel beachtete eCommerce Unternehmen aus den USA, beschreitet zukunftsweisende Wege im Recruiting. Es wird ab sofort komplett auf Stellenausschreibungen verzichtet, sowohl auf der eigenen Karriereseite als auch anderswo. Genau, Ihr habt richtig gelesen. Ein Unternehmen, das aktuell 1500 Menschen beschäftigt und im laufenden Jahr noch weiter 450 einstellen möchte, hat entschieden, dass es ohne Stellenanzeigen besser auskommen wird.

Überlegungen, die zur Abschaffung der Stellenanzeige geführt haben:

  • Stellenanzeigen verursachen eine Flut von unpassenden Bewerbungen.
  • Recruiter sind mit Sachbearbeitung überfordert und haben nicht wirklich Zeit, sich ausführlich mit jedem Bewerber zu beschäftigen.
  • Es wird nur ein Bruchteil der Bewerber eingestellt (1.5% von 31.000 Bewerbungen).
  • Der Rest bekommt standardisierte Absagen (das sind ca. 30.000), ohne dass eine echte Grundlage zwecks zukünftiger Interaktionen aufgebaut wird. Im Grunde ein enormer Aufwand ohne Ergebnis.
  • Die Karriereseite weist eine Absprungrate von 80% auf. Das bedeutet, dass dem Unternehmen womöglich tolle Kandidaten verloren gehen, nur weil es keine passende Ausschreibung zum Zeitpunkt ihres Besuches gibt.

Die Alternative:

Zappos setzt nun auf einen langfristig angelegten Prozess des Beziehungsaufbaus mit potentiellen Kandidaten, die an dem Unternehmen grundsätzlich interessiert sind und zu dem Unternehmen passen. Die Karriereseite dient zum Einstieg in die Unternehmenswelt und zur Kontaktaufnahme mit Vertretern bestimmter Themenbereiche und mit potentiellen zukünftigen Kollegen.

Einfacher gesagt, Zappos führt ein internes Soziales Netzwerk für zukünftige Mitarbeiter ein. Anstatt sich auf eine bestimmte Stelle zu bewerben, kann jeder Besucher der Karriereseite zum “Insider” eines bestimmten Unternehmensbereichs werden. Die Vorteile der Anmeldung werden wie folgt formuliert:

  • Get top consideration for openings as they become available
  • See who you know at Zappos and ask for a referral
  • Stay in-the-know about the latest news and happenings
  • Chat with your Zappos Ambassador
  • Gain exclusive access to online events and REAL Zappos employees

zappos_insider

Es wird also Zeit in den Aufbau einer Beziehung mit den passenden Leuten investiert, anstatt in die Bearbeitung unpassender Bewerbungen. Interessiert sich jemand für die Arbeit in einem Unternehmens Bereich von Zappos, hat er oder sie die Möglichkeit zum offenen Austausch mit dem Unternehmen, bei dem sich beiden Seiten erst einmal kennen lernen. Der Plan scheint einfach. Wenn nun eine Position im Unternehmen offen wird, hat man idealerweise eine volle Pipeline von Kandidaten von der Tür, die man bereits wesentlich besser kennt, und die wiederum das Unternehmen viel besser kennen, als das im Fall der klassischen “Jobausschreibung führt zur Bewerbung” Routine möglich ist. Unpassende Bewerbungen und der damit verbundenen Verwaltungsaufwand wir dagegen vermieden.

Damit lässt sich das von dem Zappos HR-Chef auf den Punkt gebrachte Problem des heutigen Personalmarketings “We spam them, they spam us back” lösen. Ein überfälliger Vorstoß in die richtige Richtung, wie ich finde.

Was haltet Ihr von diesem Ansatz? Glaubt Ihr, dass er schon bald viele Nachahmer finden wird? Welche Auswirkungen hätte ein Umdenken in diese Richtung auf das Personalmarketing? Welche Konsequenzen hätte das für weniger bekannte Unternehmen? Viel Stoff zum Nachdenken 🙂