Unternehmenskultur und Change

Gerade hat sich das Wollmilchsau-Team (mit Ausnahme von mir) zu einem internen Employer Branding Workshoptag eingeschlossen, da flattert mir der Hays-Report zur Unternehmenskultur in die Inbox. Durchgeführt hat ihn das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) und teilgenommen haben 532 Entscheider aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Etwas detaillierter clustert sich die Teilnehmerstruktur wie folgt:

Teilnehmerstruktur des Unternehmenskultur-Reports
Quelle: Hays Report 2016

Die wichtigsten Handlungsfelder 2016 sind in der Gesamtbetrachtung die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur (41%), die Mitarbeiterbindung (38%), die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit (34%) der Mitarbeiter und den Ausbau der Führung im Unternehmen. Weitere Change-Themen sind u.a. die Flexibilisierung von Arbeitsstrukturen, Work-Life-Balance, Talent Management, Demografie, Mitarbeitergewinnung und Digitale Transformation.

Top-HR-Themen 2016
Quelle: Hays Report 2016

Bemerkenswert ist die Auswertung der Themenbewertung nach der Position im Unternehmen sowie dem Standort des Unternehmens. Denn die Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen und die Etablierung einer Work-Life-Balance werden von den befragten Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung für sehr viel wichtiger erachtet als von den Führungskräften. Das mag einem natürlich erscheinen und Führungskräfte zu einem Schmunzeln verführen, bekommt aber mit Blick auf die Bedeutung der Mitarbeiterbindung imho ein deutlich größeres Gewicht, als es zuerst erscheint.

Besonders deutlich zeigt sich das bei der Work-Life-Balance, die für 42% der Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung ein Top-Drei-Thema ist, aber nur für 22% der befragten Geschäftsführer und 13% der Führungskräfte aus dem HR-Bereich. Angesichts dieser Zahlen frage ich mich, inwieweit sich Führungskräfte über den Einfluss von Work-Life-Balance (und flexiblen Arbeitsstrukturen) als Maßnahme zur Mitarbeiterbindung im Klaren sind?

Interessante Unterschiede zeigen sich auch innerhalb der DACH-Region. Unsere Nachbarn in der Schweiz und in Österreich räumen der Mitarbeiterbindung mit je 45% nämlich ein höheres Gewicht ein als wir Deutschen (32 %). Da ich diesen Unterschied in der Bewertung nicht an der Arbeitsmarktsituation der Länder festmachen kann, sind unsere Nachbarn damit in einer zentralen Führungsfrage wohl schon weiter als wir.

Auch die befragten HR-Manager scheinen sich derartige Fragen zu stellen, denn ihnen ist der Ausbau der Führung im Unternehmen sehr viel wichtiger (49%) als den Führungskräften aus den Fachabteilungen (26%) und den Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung (27%).

Unter den HR-Verantwortlichen scheint also bereits ein Bewußtsein dafür zu bestehen, das die Unternehmenskultur der zentrale Schlüssel für die Bewältigung der vor uns liegenden Change-Themen (hier: Mitarbeiterbindung, Beschäftigungsfähigkeit, Demografie, Mitarbeitergewinnung, Digitalisierung) ist.

Oder wie die Autoren schreiben: “Die Unternehmenskultur ist das zentrale Wertefundament und bildet die Basis für den unternehmerischen Erfolg”. Als entscheidend für die Unternehmenskultur sehen die Befragten die Aspekte Kommunikation (34%), Führung (26%) und Veränderungsbereitschaft (25%). Geringeren Einfluss messen sie Transparenz (10%) und Teilhabe/ Partizipation (4%) bei. Diese Aspekte bekommen wir auch in unseren Employer Branding Projekten immer wieder bestätigt.

Und obwohl Kommunikation und Führung als HR-Themen selbstverständlich sind, gibt es in der Bewertung ihrer Ausprägung in den Unternehmen große Unterschiede.

HR- und Führungskräfte bewerten Kommunikation und Führung schlechter als die Unternehmensleitung.
Quelle: Hays Report 2016

In vielen Unternehmen gibt es also bezüglich der Bewertung der eigenen Kommunikations- und Führungsqualitäten noch jede Menge internen Diskussionsbedarf. Eine nachhaltige Veränderung ihres Unternehmens gelingt aber nur denen, die ihre Mitarbeiter mitnehmen und die Unternehmenskultur an die gewünschten Veränderungen anpassen. Die Bedeutung von Veränderungswillen und Veränderungsbereitschaft kann dabei gar nicht genug betont werden. Denn ohne die Bereitschaft der Führungskräfte zu organisationaler Selbstreflektion und echtem Wandel findet kein nachhaltiger Change statt. Und ebenso wenig ist ohne die Bereitschaft zur Kulturveränderung eine nachhaltige und starke Arbeitgebermarke zu haben, die das Unternehmen zukünftig mit den Mitarbeitern versorgt, die es zur Bewältigung des Wandels braucht. Und gerade an diesem Punkt hakt es in den Unternehmen gewaltig.

Veränderungsbereitschaft ist in vielen Unternehmenskulturen zu gering ausgeprägt
Quelle: Hays Report 2016

Im Detail hakt es bei der Veränderungsbereitschaft vor allem in folgenden Bereichen.

Massnahmen Veränderungsbereitschaft
Quelle: Hays Report 2016

Mit Blick auf meine eigenen Erfahrungen kann ich hier leider keinen einzigen Punkt entkräften. Die Hays-Studie bietet Euch noch detailliertere  Einblicke in den Change-Bedarf in Führung, Kommunikation und Transparenz im Unternehmen. In diesem Sinne: Packen wir’s an!

“Innovationsquelle Nr. 1 sind unzufriedene Mitarbeiter”

Seit einigen Monaten habe ich das sehr empfehlenswerte Buch, “Re-Imagine” von Tom Peters (Dorling Kindersley; Auflage: 2004), aufgeschlagen auf meinem Arbeitstisch liegen. Erstaunlicherweise hänge ich an einer bestimmten Stelle seit vielen Wochen fest und springe zwischen den Seiten 296-303 hin un her. Ich möchte heute gerne drei kurze Stellen daraus kommentarlos zitieren und hoffe, dass sie Euch ähnlich interessant erscheinen wie mir.

Wenn ihr mich erlösen wollt, damit ich endlich weiter lesen kann, bitte ich um Eure Einschätzung  des Folgenden:

” Im Großkonzern? In Ihrer 28-köpfigen Personalabteilung?

LAHME MITARBEITER = SELBER LAHM
SCHRÄGE MITARBEITER = SELBER SCHRÄG”

S. 299

und

“Wenn Sie mehr über das Potential der Verrücktheit erfahren wollen, empfehle ich Ihnen wärmstens Robert I. Suttons Buch “Stellen Sie Leute ein, die sie eigentlich nicht brauchen. 11½ Regeln für kreative Manager.”

[…]

1. “Stellen Sie Arbeitskräfte ein, die den Firmenkodex nur langsam lernen”.

1 ½.”Stellen Sie Personen ein, die Ihnen unsympathisch sind”.

2. “Stellen Sie Personen ein, die Sie (wahrscheinlich) nicht brauchen”.

3. “Nutzen Sie Vorstellungsgespräche, um sich neue Ideen zu verschaffen, nicht um Bewerber auszusieben”.

4. “Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter dazu Vorgesetzte udn Kollegen zu ignorieren und herauszufordern”.

5. “Stellen Sie ein paar ‘Frohnaturen’ ein, und ermuntern Sie sie zu konstruktiven Konflikten”.

6. “Belohnen Sie Erfolge und Mißerfolge, bestrafen Sie Untätigkeit”.”

S. 302

und

 

“Feuern Sie Planer. Stellen Sie Freaks ein.
Wir brauchen keine komplizierten Pläne! Wir haben keine Zeit zum Planen. WIR BRAUCHEN AKTION! WIR BRAUCHEN NEUE HELDEN!
Helen … oder Freaks … oder Exoten … oder  Leute, die das Zeug dazu haben, um aufzustehen, sich aus dem Fenster zu hängen und gegen alle Konventionen zu verstoßen.

[…]

Keine “Pläne”. Keine “Prozesse”. Stattdessen: ein Haufen wilder Exoten, die ihren Kollegen als die … neuen Kulturträger präsentiert werden.
Wir leben in “exotischen” Zeiten. Darum müssen wir “exotisch” denken. ”

S. 302

Das Buch ist übrigens nicht nur im Zusammenhang mit dem Thema Personal sehr zu empfehlen, vor allem für diejenigen, die Veränderungen in ihrem Unternehmen anstoßen wollen. Kauft’s Euch. Auch wenn’s paar Jahre älter ist, passt’s heute “wie Arsch auf Eimer”.

Pic: cc2.0 crazy cousin by cole24_

Ideen durchsetzen?! So läufts bei uns


Wir hatten gerade eine Diskussion mit Jan zum Thema Veränderungen im Unternehmen. Entstanden aus einem spontanen morgendlichen Impuls, einen Bereich der Firma ganz ganz schnell viel viel besser zu machen – ausgeartet in einem Mini-Wirbelsturm und letztendlich in einer grundlegenden Erörterung unserer Entscheidungsfindungsabläufe.

Wie löst man am schnellsten/effektivsten eine Veränderung in seinem Team/Abteilung/Unternehmen aus, wenn man plötzlich eine gute Idee zu haben glaubt und fest davon überzeugt ist, dass sie möglichst schnell umgesetzt werden sollte?

Bei uns auf der atenta Brücke lassen sich häufig drei Strategien beobachten.

1. Die Atombomben-Taktik

Das läuft so. Ihr stürmt in das Büro des/der Betroffenen und lasst Eure Idee völlig unerwartet mitten im Raum explodieren. Die Explosionswelle begräbt alles bereits Vorhandene unter sich und versetzt die Umwelt in Panik. “Es ist alles Mist. Wir müssen alles anders machen. Wir werden alle sterben, wenn das ab morgen nicht so und so läuft. Schönreden bringt nichts. Wer nicht mit uns ist gegen uns. Seid ihr dabei oder seid ihr dabei?!”

Der Überraschungseffekt und die ausgelöste Panik setzen manchmal ungeahnte Denk- und Handlungskapazitäten frei. Erste Veränderung finden bereits innerhalb weniger Tage statt. Diese Taktik ist ein Kraftakt, kann aber zur einem schnellen Zufriedenheitsgefühl führen. Im schlimmsten Fall hat man jedoch alles zerstört, schlechtgeredet und nichts bewirkt.

2. Die Folter-Taktik (oder Inception-Taktik)

Es gabt früher eine, ich glaube chinesische, Folter, bei der stunden- oder sogar tagelang ein Wassertropfen in regelmäßigen Abständen auf die Stirn des Opfers aufschlug. Irgendwann gab man dann infolgedessen nach oder wurde verrückt.

Manchmal lassen sich auch Ideen und Verschläge auf eine ähnliche Art und Weise durchsetzen. Es ist wichtig drauf zu achten, ein bestimmtes Thema in regelmäßigen Abständen tröpfchenweise, fast unbemerkt, aufkommen zu lassen. Es eignen sich indirekte Fragen und Andeutungen, die mit dem Thema direkt auf den ersten Blick evtl. nichts zu tun haben: “Hm, sag mal, ich kann mich nicht erinnern, wie war denn das damals nochmal?”. Aber sie lösen bestimmte Denkprozesse an, die nach und nach genährt werden. Eines Tages wacht/en die zu überzeugende Person/Personen auf und halten Euren Vorschlag für den ihren. Wie in dem Film “Inception”.

Hier braucht man viel Ausdauer, Geduld und Routine. Probleme können bei hypnose-resistenten Zielpersonen entstehen. Im schlimmsten Fall resigniert man irgendwann selbst, wird apathisch oder sogar für eine Gegenidee empfindlich.  Schnelle Veränderung ist hierbei fast ausgeschlossen. Wenn, dann allerdings eine sehr nachhaltige.

3.  Die Bürokraten-Taktik

Wollt Ihr etwas ernsthaft verändern, dann schreibt es erstmal auf. Und zwar so, dass die anderen nachvollziehen können, was, warum und wieso. Formuliert Eure Idee aus und pflanzt die Botschaft zielgenau und unübersehbar in die Inbox der Zielpersonen. Durch das Schreiben hat eine spontane Idee eine Chance bereits vor dem Eintritt in fremde Gehirne zu reifen. Vielleicht wird sie dadurch auch verständlicher. Im Gegensatz zum gesprochenen Wort kann sie nicht so einfach übersehen oder ignoriert werden. Sie spricht den Ehrgeiz der Zielpersonen an. Sie fühlen sich gezwungen, darauf zu reagieren und zwar mindestens vergleichbar fundiert.

Es gibt weiterhin einen Beweis, dass Ihr etwas ausgedacht habt. Sollte Eure Idee umgesetzt werden und  funktionieren, könnt Ihr entspannt angeben. Sollte sie nicht umgesetzt werde und sich dies nachträglich als ein gewaltiger Fehler erweisen, könnt Ihr dagegen klugscheißen.

Die Bürokraten-Taktik ist nur auf den ersten Blick die friedlichste, denn sie übt durchaus latenten Druck aus.

Wir haben uns heute für die Zukunft auf einen Mix aus der Atombomben- und der Bürokraten-Taktik geeinigt. Ein Kampf mit schriftlicher Kampfansage so zusagen. Es kommt erst eine Mail und man weiss sofort es wird bald knallen. Man weiss aber worum es geht, ist vorbereitet und kanalisiert die Explosionswelle ausschließlich in die Erörterung, Verbesserung und Umsetzungsplanung der neuen Idee.

Was haltet Ihr für den besten Weg bzw. wie funktionierts bei Euch in der Firma, im Team usw.?

Pics:
1. The Official CTBTO PhotoStream cc2.0

2. Buerocracy Illustration by Harald Groven
3. El Bibliomata cc2.0