[HTTP410] Die jungen Wilden: Tumblr im HR-Marketing

Auch wenn Tumblr (gegründet 2007) in Wirklichkeit alles andere als jung ist, so richtig im Blickwinkel der Werbeindustrie war es bis jetzt nicht. Vielleicht einer der Gründe, dass sich dort bis jetzt ungestört eine sehr eigene Kulturlandschaft entwickeln konnte.

Als dann Yahoo-Chefin Marissa Mayer im Mai dieses Jahres bekannt gab, das Netzwerk für 1,1 Milliarden US-Dollar gekauft zu haben, rückte es plötzlich in den Fokus. Warum gibt jemand so viel Geld für einen Haufen 13-22jähriger aus, die dort Handy-Spiegel-Fotos mit dem Hashtag #selfie teilen? Weil es dort natürlich sehr viel mehr gibt: “From art to architecture, fashion to food, Tumblr hosts 105 million different blogs.”, schreibt Marissa selbst. Dass #Porn bei Tumblr ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, verschweigt sie in diesem Zusammenhang – ergänzt aber an anderer Stelle:

“I think the richness and breadth of content available on Tumblr — even though it may not be as brand safe as what’s on our site — is what’s really exciting and allows us to reach even more users”.

Recht hat sie. Und sie tut gut daran, sich mit der Einflussnahme zurück zu halten. Dennoch: Dass Tumblr derzeit schon etwas erwachsener wird, bekommt man zu spüren: Vor zwei Tagen lief eine Beta-Phase aus, in der US-Unternehmen wie General Electric oder AT&T mit Sponsored Posts auf Tumblr werben konnten. Auch wenn sich diese Anzeigen im Kontext etwas fremd anfühlten, es war ein erster Schritt; ein Zeichen, dass sich auch die seriöse Industrie des Netzwerks und seiner Nutzer annimmt. Und auch an anderen Stellen wurde etwas geschraubt – genug, um sich einmal die Frage zu stellen:

Ist Tumblr im HR-Marketing einsetzbar?

Strukturell betrachtet: Tumblr ist als Microblog in einer Nische irgendwo zwischen Instagram und “richtigem” Blog. Ein Tumblr-Post hat einen beiläufigen Charakter, kann sehr viel spontaner und unperfekter sein als man es heute schon von Facebook-Posts erwarten kann. Die einzelnen Interaktionsmöglichkeiten sind begrenzt. “Liken” in der bekannten Form gibt es nicht. Man kann einzelne Posts seinen Favoriten hinzufügen, das bekommt aber niemand mit außer dem Urheber selbst. Der virale Effekte bleibt hier aus, entsteht bei Tumblr aber über das Rebloggen einzelner Beiträge (ähnlich dem Retweet).

Ich würde Tumblr als Medienstream einsetzen, in dem ich Bilder, Grafiken oder Videos mit einem kurzen Kommentar versehe und teile. Im Gegensatz zu Facebook muss ich mir hier um Frequenzen und Zeiten weniger Gedanken machen. Bei Tumblr wird strikt chronologisch sortiert, gescrollt und bei Gefallen geteilt. Sofern man nicht zehn schlechte Inhalte direkt nacheinander bringt, kann hier im Tagesgeschäft nicht viel falsch gemacht werden. Und das Publikum? Ist eher jung und nicht aus Deutschland. Doch auch hier wird das Prinzip Tumblr von den monatlich 3,5 Millionen Besuchern gut angenommen, sofern die Blog-Idee zusagt. Kim Jong-Il looking at Things war z.B. auch in DACH ein erfolgreiches Tumblr-Blog – nach dem Tod des “geliebten Führers” leider eingestellt. Auch die herzliche Umarmung von Phillip Rösler und Kai Diekmann wurde in einem zynischen Themen-Tumblr tagesaktuell kommentiert. Leider alles in Nischen. Darüber hinaus gibt es nur wenig, was viele deutsche Besucher hätte. Tumblrs Nutzerstruktur ist wie sein Themenfeld: Sehr vielfältig, international und – ja – nicht immer “safe for work”.

Fazit

Tumblr kann hierzulande noch nicht wirklich empfohlen werden, dazu gibt zu wenige aktive Nutzer im DACH-Raum. Möglich wäre ein Konzept, das 1. gut zu Tumblr passt (wie z.B. dieses) und 2. durch genügend Media-Budget gemeinsam mit anderen Netzwerken befeuert wird. Die Infrastruktur ist hochinteressant, aber gleichzeitig so dezentral und global, dass eine gezielte Ansprache derzeit kaum möglich ist. Dennoch: Es ist ein wunderbares Netzwerk mit viel Raum für kreative Ideen. Falsch ist man dort sicher nicht, auch wenn die Zahlen vermutlich noch nicht überzeugen werden. Aber für erste Experimente ist es nicht zu früh. Tumblr, Instagram und Co wachsen und erfreuen sich bei Teenagern großer Beliebtheit. Mehr dazu in der kommenden Woche!

How To Begin: Das Social Media Cheat Sheet

Die Jungs von Flowtown haben eine interessante Grafik mit einem kurzen Überblick über die sechs wichtigsten Social Media-Netzwerke veröffentlicht: das Social Media Cheat Sheet. Hier werden grundlegende Schritte, Vor- und Nachteile und, was mir persönlich an besten gefällt, ein kurzes “How To Begin” und ein kleines Glossar der jeweiligen Netzwerke vorgestellt. Folgende Netzwerke werden miteinander verglichen: Twitter, Facebook, YouTube, Google +, Tumblr und Digg.

Was bei dieser Infografik auffällt, ist die amerikanisierte Sichtweise, einen Dienst als Soziales Netzwerk einzustufen. Für mich ist ein Dienst wie Tumblr eher ein personalisiertes Blog, und bei einem Lesezeichendienst wie Digg vermisse ich echte soziale Interaktionen, um es als Social-Media-Netzwerk einzustufen. Andere “echte” soziale Netzwerke, wie z.B. LinkedIn fehlen hier gänzlich. Andere Länder, andere soziale Sichtweisen.

The Small Business Social Media Cheat Sheet

Pic: Flowtown

Eine andere Liga: Tumblr vs. Posterous (Spaces)

Ob sie nun Blog, Microblog oder Tumblelog genannt werden – Tumblr und Posterous sind eine tolle Möglichkeit, eigene Inhalte im Netz zu veröffentlichen – ohne die Grenzen von 140 Zeichen, geschlossenen Netzwerken oder anderen Strukturen. Beide erlauben es prinzipiell, mit Inhalten jeder Form und jedes Umfangs zu arbeiten, aber ohne den komplexen Unterbau einer “richtigen” Website bzw. Blogs. Nun zieht das blaue Tumblr dem gelbem Posterous seit einigen Monaten mit gewaltigen Schritten davon: 300 Millionen Vistis im Monat, über 10 Milliarden Posts auf 28 Millionen Blogs. Posterous dümpelt 11 Millionen Visits vor sich hin und hat jetzt reagiert.

Was Tumblr besser macht:

Posterous und Tumblr teilten sich die gleiche Klientel: Nutzer, die schnell und unkompliziert im Netz publizieren wollten. Beide boten daher schon früh die Möglichkeit, per E-Mail zu posten. Auch die Web-Interfaces waren denkbar einfach und die Einrichtung und Gestaltung des eigenen Accounts mit wenigen Mausklicks erledigt. Damit waren die beiden Plattformen noch einmal zugänglicher, als die direkte Konkurrenz blogger.com oder wordpress.com. Auch hier bekommt der Nutzer sein eigenes Blog, ohne eigenen Server  und damit verbundenen Aufwand und Kosten. Allerdings handelt es sich dabei auch um ein ausgewachsenes Blog, mit allen Funktionen, was dementsprechend mehr Zeit für die Einrichtung und Einarbeitung verlangt. Eben diesen Spagat zwischen Funktionalität und Einfachheit hat Posterous nicht hinbekommen.

  • Usability: Posterous ergänzte Feature um Feature und verfettete dadurch immer mehr. Am Ende konnte es die Plattform fast mit einem einfachen WordPress aufnehmen, allerdings ohne dessen klare Strukturen. Unter einer einfachen Oberfläche versteckten sich unzählige Untermenüs in mehreren Ebenen. Tumblr hingegen gelang es, seine intuitive Oberfläche zu behalten, ohne auf die wichtigen Funktionen verzichten zu müssen.
  • Netzwerk: Tumblr spiegelt mit seinem System von Likes und Reblogs die wichtigsten Netzwerk-Elemente von Facebook und Twitter. Inhalte verbreiten sich so auf der gesamten Plattform und man gewinnt schnell neue Leser. Das war bei Posterous nicht einfacher, als bei jeder anderen Website – also schwierig!
  • Content und Nutzertypen: Tumblr hat inzwischen eine eigene Dynamik mit vielen unterschiedlichen Themengruppen. Das bringt viel. Zudem hat Tumblr viele Promis mit eigenen Accounts – unbezahlbar. Und, da hat Nico Lumma Recht, Tumblr hat Pornografie. Auch das zieht gut.

Und Posterous?

Wer einen eigenen Account hat, wird es bereits mitbekommen haben: Aus Posterous wurde “Posterous Spaces”: Auch wenn alle bisherigen Funktionen erhalten bleiben, wird Posterous nun um Privacy- und Listenoptionen ergänzt. Und man ahnt es bereits: Posterous positioniert sich zwar neu, aber schon wieder irgendwo zwischen anderen, die es besser machen. Diesmal zwischen Tumblr und Google+ – mit dem Werkzeuggürtel eines wordpress.com. Irgendwie habe ich das Gefühl, Posterous weiß gerade selbst nicht so richtig, was es will. Zumindest liest sich der Artikel auf dem Posterous-Blog so. Auch die Video-Botschaft überzeugt mich jetzt nicht soooo sehr:

Pic: bangli 1 (CC BY 2.0)