Welchen Nutzen bringt das dreidimensionale Internet (WEB 3D/ Web 3.0) für die Personalberatung?
Dieser Frage gehen wir nun seit fast zwei Jahren experimentell auf den Grund. Die Liste der dabei durchgeführten Versuche wird immer länger. Sie umfasst u.a. virtuelle Anzeigenkampagnen, die Direktansprache von Kunden und Bewerbern sowie die Einbindung von Webinhalten (Stellenanzeigen, Blogs …).
Zugegeben, in den meisten Fällen wird es noch einige Zeit brauchen, bis Personalberater die vielfältigen Möglichkeiten wirtschaftlich sinnvoll einsetzen können. Was jedoch die Durchführung von Vorstellungsgesprächen in virtuellen Räumen angeht, sehen wir heute schon gute Möglichkeiten und entscheidenden Nutzen. Man denke an die Kosten- und Zeitersparnis, wenn ein Personalberater aus Hamburg Kandidaten aus anderen Gegenden Deutschlands oder aus dem Ausland im Rahmen der Vorauswahl in virtuellen Räumlichkeiten interviewt, anstatt sie auf eine Reise quer durch die Bundesrepublik zu schicken.
“Wozu…?!”, werden Sie entgegnen. “Das kann man doch auch mit einer Videokonferenz lösen!”. Sicher kann man das, vorausgesetzt, dass sowohl die Personalberatung, als auch der Kandidat über die notwendige und kostspielige technische Ausstattung verfügen. Als preisgünstige Alternative ist hier zwar auch eine Lösung mittels Webcam denkbar. Wenn allerdings mehrere Berater an dem Gespräch teilnehmen sollen, und man mit dem Kandidaten außerdem noch Unterlagen durchgehen oder Präsentationen ansehen möchte, wird es schwierig. Dabei lässt sich dieses Szenario in dreidimensionalen Internetumgebungen wie Second Life bereits mit den heutigen technischen Möglichkeiten ohne große finanzielle und zeitliche Investitionen relativ einfach umsetzen.
Ein berechtigter Einwand gegen virtuelle Vorstellungsgespräche, mit dem wir übrigens auch bei unserem letzten Vortrag bei der Handelskammer Hamburg konfrontiert wurden, ist die Befürchtung, dass die virtuellen Abbildungen der Gesprächsteilnehmer (Avatare) wegen der fehlenden Mimik keine “echte” Gesprächsatmosphäre aufkommen lassen. Weshalb virtuelle Vorstellungsgespräche auch keinen ernst zunehmenden Mehrwert böten.
Die Skepsis ist berechtigt, wenn man sein Urteil auf der Grundlage einer Momentaufnahme der technischen Möglichkeiten bildet und die technische Fortentwicklung außer acht läßt. Bedenkt man aber, dass Second Life-Nutzern noch im Juni 2007 nur der Chat zur Kommunikation zur Verfügung stand, wohingegen heute, gerade mal ein gutes Jahr später, jeder Second Life Nutzer dank VoIP (PC zu PC) problemlos ad hoc Telefonkonferenzen mit mehreren Teilnehmern einberufen kann, so ist Vertrauen in die technische Entwicklung durchaus erlaubt.
Zumal es auch für die Einwürfe bezüglich der fehlenden nonverbalen Kommunikation im WEB 3D bereits konkrete technische Lösungsansätze gibt. Die ersten Projekte im Bereich der Gesichtsanalyse und der Übertragung von Mimik und Gestik auf die virtuellen Abbilder (Avatare) laufen schon auf Hochtouren. So z.B. VR-WEAR SL mit einem modifizierten Second Life Client im Beta-Stadium.
Wir haben diese Technologie vor dem Hintergrund der obigen Überlegungen getestet. Der professionelle Einsatz ist im Moment noch nicht möglich, ist aber lediglich eine Frage der Zeit.
Wer einen Blick in die etwas weiter entfernte Zukunft der Koexistenz bzw. Verschmelzung von realen und virtuellen Räumen und deren Nutzen für die Personalberatung wagen möchte, sollte sich mit dem Begriff “Augmented Reality (AR)” auseinandersetzen. Das Forschungsprojekt “AR Second Life” des Georgia Institute of Technology (Atlanta) und der Ludwig-Maximilian Universität (München) führt in diesem Bereich beeindruckende Experimente durch. Dies wird besonders in der zweiten Hälfte des folgenden Videos deutlich, schauen Sie sich das Video also unbedingt bis zum Ende an.
Fazit: Kombiniert man die beiden geschilderten Entwicklungen gedanklich miteinander, wird klar, dass es in wenigen Jahren nicht nur möglich sein wird, einen virtuellen Gesprächspartner anhand der exakt übertragenen Mimik und Gestik, wie in einem realen Vorstellungsgespräch zu beurteilen. Vielmehr werden Personalberater und Unternehmen in der Lage sein, ein quasi persönliches Interview in den eigenen (realen) Räumen durchzuführen, ohne den Kandidaten in der Realität persönlich zu treffen.