Selbstbewusst, positiv und vorsichtig: Teenager im Internet

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“Sie werden ja so schnell groß…” – Was unsere Teens wollen, tun und interessiert, ist nicht nur fürs Azubi-Marketing von Belang. Wer sein Personalmarketing zukunftssicher gestalten möchte, der muss bei heutiger Planung natürlich eine Zielgruppe berücksichtigen, die erst in ein paar Jahren kontaktiert werden wird: Die heute 12-17jährigen. Das Mafo-Institut PewResearch widmet sich in seiner Arbeit gerne und ausgiebig den US-amerikanischen Familien und deren Lebenswirklichkeit. So auch im Report: “Teens, Social Media, and Privacy”.

Dieses Thema ist einige Blicke wert, denn nach und nach beginnen die Nachwachsenden sich gar nicht so zu verhalten, wie es die Berater, die gerade mal mühsam die Generation Y in eine Schublade pressen konnten, vorhergesagt haben. Wenn wir über 30 nun glaubten, das Internet verstanden zu haben, machen die Jüngsten damit schon wieder Sachen, die wir so gar nicht verstehen. Plötzlich ist Facebook gar nicht mehr so cool? Plötzlich Instagram und Twitter? Tststs, diese Jungend…

Befragt wurden 802 12-17jährige und deren Eltern im Spätsommer letzten Jahres.

  • 24% aller Online-Teens nutzen Twitter (16% waren es 2011). Facebook empfinden sie als stressig, der Kontakt zu Verwandten und anderen Erwachsenen stört. Wird aber als Netzwerk-Angelpunkt dennoch weiter genutzt, sofern notwendig.
  • 60% halten ihre Profile privat und geben an, sich mit den jeweiligen Privatsphäreeinstellungen gut auszukennen. Auch wenn die Sorge vom Datensammeln durch Dritte recht gering ist (nur 9% haben “große Sorge”), haben sie ein ausgeprägtes Bewusstsein für Privates und Öffentlichkeit.
  • Teens teilen und erfahren online gerne Positives. Deren Netzwerke werden bewusst für positives Erleben aufgebaut, wer da stört fliegt raus: 74% haben bereits Leute aus ihrem Netzwerk entfernt.

Auch wenn das Bewusstsein für Privatsphäre wächst, teilen  Teens immer mehr Daten im Vergleich zur letzten Studie 2006, in der Tendenz sind die älteren noch offener als die jüngeren. Hier dürfte aber auch elterliche Kontrolle noch eine Rolle spielen. In Klammern jeweils der Wert von 2006.

  • 91% posten Bilder von sich (79%)
  • 71% posten den Namen ihrer Schule (49%)
  • 71% posten den Namen der Stadt in der sie leben (61%)
  • 53% posten Ihre E-Mail-Adresse (29%)
  • 20% posten Ihre Telefonnummer (2%)

92% sind übrigens mit ihrem echten Namen unterwegs, zumindest auf dem Netzwerk, das die am häufigsten nutzen. 39% geben an, bei der Altersangabe zu schwindeln, um Zugriff zu bestimmten Inhalten zu erlangen. Mädchen sind etwas vorsichtiger als Jungs, was die Privatshäreeinstellungen angeht.

57% haben sich schon einmal entschlossen etwas doch nicht zu posten, da sie negative Folgen befürchtet haben, 4% hatten schon einmal Probleme in der Schule, der Familie oder im persönlichen Umfeld aufgrund eines Postings in sozialen Netzwerken.

Wer weiter schmökern möchte, kann sich hier das PDF des kompletten Reports runterladen.

Generation Online: Was wir von Teenagern lernen können

Im Guardian wurde Philippa Grogan, 16 Jahre alt, mit den Worten zitiert: “I’d rather, give up, like, a kidney than my phone.”. Eine gewagte Aussage. Sie zeigt aber, welche Rolle digitale Medien im Kommunikationsverhalten der nächsten Generation spielen. Diese Radikalität ist es, die bei den älteren Semestern Stirnrunzeln hervorruft. Die Digital Natives – so heißt es – würden unüberlegt handeln, ihre Privatsphäre im Netz aufgeben und sich und ihr Gehirn mit Multitasking überfordern. Die Vielfalt der sozialen Netzwerke wird so in den Medien zum Schreckgespenst des Rückzugs einer ganzen Generation in Oberflächlichkeit und Virtualität. Facebook-Freunde werden mit “echten” Freunden aufgewogen, der Austausch über das Internet mit dem persönlichen Gespräch verglichen und nicht zuletzt der grundsätzliche Wert einer Online-Information in Frage gestellt.

Warum diese Skepsis? Warum sieht man nicht eine Generation im Aufbruch in ein neues Zeitalter? Warum freut man sich nicht über Kinder und Jugendliche die sich eine Infrastruktur erobern, deren kreative Potentiale wir vor einigen Jahren selbst noch nicht mal erahnt haben?

Parallel zur 16jährigen Philippa kam in der FAZ der Soziologe Dirk Baecker zu Wort und erinnert in Zusammenhang mit jenen digitalen Umbrüchen an die Einführung und Verbreitung der Schrift:

“Platon schaut nach Ägypten und befürchtet die Bürokratisierung der griechischen Polis und das Erkalten der menschlichen Kommunikation, wenn man beginnt, sich auf die Schrift und damit eine mechanische Gedächtnisstütze zu verlassen. Das Gegenteil war der Fall. Die Griechen erfanden in der Auseinandersetzung mit der Schrift die Philosophie, und die frühe Neuzeit erfand in der Auseinandersetzung mit dem Buchdruck die Welt der Gefühle.” (Dirk Baecker)

Die kommende Generation probt (wie jede vorangegangene) den Aufstand. Es ist diesmal kein musikalischer Umbruch, ebensowenig wird modisch oder politisch rebelliert. Die Digital Natives setzen sich über viel grundlegendere Grenzen hinweg: die Grenzen der Kommunikation. Es wird mitgeteilt: Was, wo, wie, wann, wem und wieviel wird selbst entschieden und unterliegt keinen erlernten Beschränkungen mehr. Die kommende Generation erarbeitet sich so einen Informationsvorsprung, der den bisherigen Autoritäten etwas unheimlich sein dürfte: Plötzlich verbreiten sich Informationen in Sekundenschnelle weltweit und sind dabei nicht auf die Gunst eines Verlegers, das kritische Auge des Lektorats und die Berechtigung durch Empfehlung oder Titel angewiesen.

Ob wir nun unseren mobilen Online-Zugang gegen eine Niere tauschen würden, sei dahingestellt – doch die nachfolgende Generation verteidigt ihr Recht, Gelesenes und Geschriebenes mit andren frei teilen zu können: global und in Echtzeit.

“Step back. The telephone, the car, the television – they all, in their time, changed the way teens relate to each other, and to other people, quite radically. And how did their parents respond? With the same kind of wailing and gnashing of teeth we’re doing now. These technologies change lives, absolutely. But it’s a generational thing.” (Amanda Lenhart)

Als Teil einer Interimsgeneration, zwischen Online-Teenie und Schirrmacher, lässt sich aber ganz gut einschätzen, wo der Graben des Unverständnisses verläuft:

Es entsteht der Eindruck eines unüberblickbaren Wirrwarrs: Informationsfetzen, ohne erkennbaren Zusammenhang strömen auf den Rezipienten ein und wollen verstanden werden. Dabei gilt es auch noch, die unterschiedlichsten Kanäle auseinanderzuhalten und – bei Bedarf – wieder miteinander zu verknüpfen. Auch wer nun wirklich den ganzen Tag mit modernen Medien und Kommunikationsmitteln verbringt, verpasst viele aufkeimende Trends und erfährt vielleicht erst zu deren Höhepunkten davon. Die Welt steht mit der Digitalisierung der Kommunikationsstrukturen vor einem enormen Potential, gleichzeitig aber auch vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Jüngsten unter uns scheinen diese gut zu meistern, was können wir von ihnen lernen?

1. Informationen sind heute frei verfügbar, sie müssen nur gekonnt abgerufen werden

Die Möglichkeit, sich mitzuteilen und im Gegenzug auf die Mitteilungen Anderer optimal zugreifen zu können, ist heute essentieller Bestandteil unserer sozialen Welt.  Keine Information, die nicht binnen kürzester Zeit überprüft oder hinterfragt werden könnte. Und jene Informationen, die  tatsächlich nur offline zur Verfügung stehen, so erfährt man online zumindest wie man dort am schnellsten zu jenem Ort gelangen kann. Besser noch: Man hat jemanden in seinem sozialen Netzwerk, der einen besseren Zugang zu dieser Offline-Information hat und sie für einen abrufen und zugänglich machen kann. Jegliche audiovisiuelle Information ist heute digitalisierbar: Von Texten über Sprache, bis hin zu Musik und Bewegtbild kann alles weltweit in Sekundenschnelle mit anderen geteilt werden.

2. Begreifen und Anwenden erfordert kein absolutes Durchdringen einer Materie

Wer in den 80ern oder 90ern groß wurde, ist mit Computern aufgewachsen. Meist spielerisch konnten wir die Grundprinzipien der Mensch-Maschine Interaktion erlernen, sie sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Das heutige World Wide Web war nur ein weiteres Programm, das nach den erlernten Prinzipien bedient werden musste. Dennoch: Moderne Kommunikationsmedien sind in ihrer Vielfalt und ihren Möglichkeiten derart komplex, dass sie nicht mehr vollends durchdrungen werden können. Eben dieses lückenlose “Erfassen” aller Aspekte eines Phänomens ist eine Herangehensweise, die bis jetzt als Grundvoraussetzung für verantwortungsvolles Handeln angesehen wurde. Dieses System wird aufgelöst. Inzwischen braucht es nicht mehr das volle Verständnis der einzelnen Bestandteile, um ein Tool sinnvoll und richtig einzusetzen. Lediglich sein Potential muss erkannt und für sich genutzt werden.

“Unsere Kultur wird sich von der Vernunft der Moderne noch weiter verabschieden und sich stattdessen mit einer Komplexität anfreunden, mit der man die Berührung suchen muss, ohne auf ein Verstehen rechnen zu können.” (Dirk Baecker)

3. Multitasking macht nicht dumm

Der Umgang mit Einzelinformationen und deren Quellen befindet sich in einem grundlegenden Wandel: Es wird gescannt, gefiltert und gemixt. Fast etwas hilflos als “Multitasking” bezeichnet ist diese Form der Informationsverarbeitung bei den Jungen eine singuläre Aufgabe, die sie mit Bravour meistern – wenn auch anders als ihre Eltern. Sie sind anders konditioniert, haben anders gelernt zu lernen und eine andere Arbeitsweise erarbeitet. Niemand wäre vor zwanzig Jahren auf die Idee gekommen, das Arbeiten mit drei Büchern, einem Zettel und einen Stift als Multitasking zu bezeichnen. Nein, unser Stirnlappen verwahrlost nicht, er passt sich an.

“Kommunikation, Interaktion und Wahrnehmung werden hier neu verschaltet, neue Befindlichkeiten und neue Begrifflichkeiten einstudiert. Spätestens hier und jetzt merken wir, dass Kommunikation den Menschen nicht nur geistig, sondern auch psychisch und physisch in Anspruch nimmt.” (Dirk Baecker)

Geben Sie der Neuverschaltung Ihrer Wahrnehmung eine Chance, es wird Ihr Schaden nicht sein!

Pic: JacobEnos