Extended Mind und unser Smartphone: Die Rolle von Interfaces in der Zukunft

Manche sagen, was den Menschen im Gegensatz zu anderen Tieren so weit gebracht habe, sei die Fähigkeit, Werkzeuge und Geräte zu nutzen, selbst herzustellen und weiter zu entwickeln. Das umfasst sowohl abstrakte Werkzeuge wie unsere Sprache (als Kommunikationsmittel), aber auch handfeste Gerätschaften vom Faustkeil bis zum Smartphone. Mit deren Hilfe können wir unsere physischen Gegebenheiten und Einschränkungen überwinden und uns Lebensräume erobern, für die wir langsamen, klapprig-schwachen Zweibeiner nicht wirklich geschaffen sind.

Diese Entwicklung hat immer dann einen entscheidenden Schub bekommen, als wir unser wohl komplexestes Werkzeug Sprache mit technischen Fortschritten kombinieren und erweitern konnten: Die Entwicklung von Schrift, der Buchdruck und zuletzt unsere modernen Kommunikationsmittel waren die größten Innovationsbooster der Geschichte und haben unser sogenanntes Informationszeitalter ermöglicht.

Die Technologien, die uns heute zur Verfügung stehen, verändern natürlich nicht nur unseren Alltag, sie verändern unser grundsätzliches Verhalten als Mensch, ja sie verändern den Menschen. Die Theorie des Extended Mind lässt sich (wie ich finde) hervorragend auf unser Smartphone anwenden: Ich muss mir keine Kontaktdaten mehr merken, sie sind alle nur ein paar Fingerbewegungen entfernt. Ebenso all jene Daten, die ich jederzeit über Wikipedia abrufen kann. Ich muss mir nur Begriffe und Zusammenhänge merken und wissen, wie ich die Informationen bei Bedarf abfragen kann. Idealerweise bekomme ich so meinen Kopf frei für wichtigere Dinge.

Interfaces sind dabei die Schnittstelle zwischen uns und unserer geschaffenen Infrastruktur. Diese Interfaces zu gestalten, ist eine der größten Herausforderungen für uns Menschen – und somit auch für Unternehmen, Dienstleiter und Agenturen. Hier liegt der Schlüssel zu deren Leistungsfähigkeit: in der nahtlosen Integration in unseren Alltag. Dazu ein paar Menschen, die sich den ganzen Tag diese Gedanken machen: Interaction- und Usability-Designer.

In vielen älteren Science-Fiction-Filmen und Zukunftsvisionen sehen wir Technologien, die wir inzwischen lange überholt haben. Ein schönes Beispiel sind die beliebten riesigen Touchscreens, auf denen Benutzer mit großen Bewegungen Inhalte hin und her schieben müssen. Schrecklich unübersichtlich, ganz abgesehen von der körperlichen Anstrengung. Lächerlich in unsren Augen, die wir unser Pocketdevice mit ein bis zwei Fingern bedienen. Aber ein Zeichen dafür, dass man solche Entwicklungen denen überlassen sollte, die die Menschen verstehen, nicht nur denen, die die Technik verstehen.

Skillset 2020 – Das Anforderungsprofil für die ArbeiterInnen der Zukunft

Seit vielen Jahren beschäftigt sich das IFTF (Institute For The Future) auch mit der Zukunft der Arbeit. Nun hat das IFTF ein Anforderungsprofil für den Werktätigen des Jahres 2020 entwickelt. Auf der Basis von sechs Triebfedern des Wandels (“Drivers of Change”) wurden 10 Fähigkeiten definiert, die für das produktive, wirtschaftliche Wirken in Zukunft notwendig sein werden.

(Quelle: joe.ross (CC BY-SA 2.0)

Die sechs großen Motoren der Veränderung

  1. Gesteigerte Lebenserwartung: Menschen bleiben länger arbeitsfähig und -willig. Das beeinflusst Karrierewege, Lernkurven und Neuorientierungen.
  2. Intelligente Maschinen: Die Nachbildung der kognitiven Prozesse des Menschen und deren Abrufbarkeit durch technische Systeme, wird uns viele reproduzierbare Aufgaben abnehmen.
  3. Computerisierung: Sensoren und Programme steuern grundlegende Prozesse, Menschen lernen, mit komplexen Datenstrukturen umgehen zu können.
  4. Neue Medien: Ein Ökosystem neuer Medientechnologien fordert den Menschen auf kognitiver, technischer und interpretatorischer Ebene.
  5. Superstrukturierte Organisation: Durch die Nutzung sozialer Technologien werden neue Wege der Produktivität und Kollaboration erschlossen.
  6. Globale Vernetzung: Über die ganze Welt verteilte Spezialisten arbeiten an gemeinsamen Problemen, heutige Entwicklungsländer eingeschlossen.

Auf dieser Grundlage das:

Anforderungsprofil 2020

  1. Interpretationsfähigkeit: Alle künstlichen Intelligenzen sind nur krude, partielle Nachbildungen des menschlichen Verstands. Wir müssen lernen, aus unseren Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen.
  2. Soziale Intelligenz: Wir werden immer weniger alleine mit Werkstoffen arbeiten, immer häufiger mit anderen Menschen gemeinsam planen und entwickeln. Soziale Intelligenz ist hier unabdingbar.
  3. Adaptives Denken: Neue Probleme müssen situationsspezifisch erkannt und kreativ angegangen werden. Weg vom Schema “if this, than that” – das werden künftig Maschinen leisten. Der Mensch kann mehr.
  4. Interkulturelle Kompetenz: In einer globalen Wirtschaft wird die Fähigkeit essentiell sein, mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen umgehen und Diversity nutzen zu können.
  5. Digitales Denken: Wir müssen lernen, komplexe Daten und Zusammenhänge in Algorithmen und computerisierten Modellen auszudrücken und als solche zu verstehen.
  6. Medienkompetenz: Immer neue Medientypen und -technologien werden im Alltag und der Arbeitswelt genutzt. Diese müssen beherrscht und verstanden werden.
  7. Transdisziplinarität: Schlechte Karten für Fachidioten? Soll nicht bedeuten, wer wenig von allem weiß käme weiter: Jeder Spezialist muss aber auch die externen Anknüpfungspunkte seiner eigenen Arbeit verstehen.
  8. Designer-Mentalität: Prozesse und Produkte müssen mit dem nötigen Blick für Details, Umgebung und Sinn für den Nutzer gestaltet werden.
  9. Kognitive Balance: Die Flut an Daten und omnipräsenter Information verlangt die Fähigkeit, diese zu filtern. Das geschieht sowohl mit Tools, als auch mit Disziplin.
  10. Online-Teamfähigkeit: Seine Postionen am runden Tisch zu vertreten ist eine Sache, sich virtuell durchzusetzen ein ganz andere. Auch wenn sie nicht unbedingt schwieriger wird: Teamarbeit muss hier neu gelernt werden.

Ich finde, das IFTF hat die Hauptpunkte ganz gut getroffen. Ich würde noch hinzufügen:

  • Eigenverantwortung: Jeder wird mehr und mehr zum Selbstständigen in seinem Bereich – auch als Angestellter. Weiterbildung, Analyse, Verbesserungen… all das wird durch flachere Hierarchien und mehr Verantwortung zur Aufgabe von jedem. Weniger Weisungen von “oben” – mehr Tritte in den eigenen Hintern.

Was meint ihr? Fehlt etwas?