[HTTP410] Sind Facebook-Anzeigen ein großes Betrugsgeschäft?

Manche werden es bestimmt schon mitbekommen haben: Ein Video macht unter dem nicht sehr zurückhaltenden Titel “Facebook Fraud” die Runde und “beweist, dass Facebooks Umsatz auf Fake-Likes basiert”. Soweit die eigenen Angaben das Autors in der Video-Beschreibung. Und natürlich wird diese scheinbare Enthüllung von der Öffentlichkeit gerne aufgenommen und wiedergegeben, ist Facebook doch wegen der deutlich reduzierten Reichweite der Pages zur Zeit eh in der Kritik.

Bei Klick wird dieses Video von den YouTube Servern geladen. Details siehe Datenschutzerklärung.

Ich fasse zum Thema “Facebook Fraud” zusammen:

Derek Muller stellt in einem eigenen Test fest, dass viele über Ads gewonnene Fans aus den Ländern kommen, in denen überlicherweise sogenannte Klickfarmen betrieben werden, also “falsche” Facebook-Nutzer gegen Geld Seiten oder Beiträge liken – massenhaft. Natürlich liken sie nicht nur die Pages der zahlenden Kunden, sondern zur Tarnung auch eine Menge anderer Seiten. Und da es sich diese Farmer und deren Arbeiter möglichst leicht machen wollen, klicken sie einfach auf die Seiten, die ihnen über Werbeanzeigen zum Liken angeboten werden. Soweit so schlecht. Das habe allerdings noch eine weitere Folge: Dadurch, dass diese Fans in Wirklichkeit keine realen Personen mit einem realen Facebook-Verhalten sind, also nie mit den Seiten oder deren Post interagieren, würde die Relevanz der Seite und deren Beiträge von Facebook schlechter bewertet werden. Das wiederum habe zur Folge, dass die Seitenbetreiber wieder mehr Geld in Ads investieren müssten. Ads, die die Reichweite der Seite erhöhen, also dafür sorgen, dass die Beiträge wieder den Fans angezeigt werden. (Wovon wieder ein Großteil nicht echt ist…) Ein Teufelskreis, der den Facebook-Kunden das Geld aus der Tasche zieht?

Was ist da los?

Um es kurz zu machen, Derek hat zunächst mal einen grundsätzlichen Fehler begangen: Er hat nicht streng genug bzw. vorausschauend genug gefiltert und ist eine ähnliche Falle getappt, wie wir selbst im Herbst 2012. Pech. Zwei gute Artikel gehen auf die Hintergründe des Ganzen sehr genau ein, sodass ich mir hier eine weitere Analyse spare:

Real Talk

Ganz ehrlich: Facebook-Marketing ist kein Kindergeburtstag. Dass Facebook oft so tut als wäre das alles so wunderbar einfach und “to the people”, das mag man dem Unternehmen vorwerfen können. Das ist definitiv nicht so. Jeder der sich ein bisschen auskennt, weiß, dass diese Art des Advertisings nie auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Targeting und Zielgruppenbestimmung, Zielgruppenanalyse, Nutzerverhalten – all das sind Dinge, die nur mit der nötigen Erfahrung richtig einzuschätzen sind. Ganz zu schweigen von Facebooks technischen und strukturellen Kapriolen. Hier liegt (so ganz nebenbei) auch die zukünftige Ausrichtung im Facebook-Marketing: Facebook ist ein Monster, in dem mit gutem Community-Management und Content alleine kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Der Glaube, dass sich positive Energien hier mittelfristig durchsetzen würden, ist illusorisch. Eure Zielgruppe ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Facebook aktiv, aber wer sie dort (mit welchen Inhalten auch immer) erreichen möchte, der muss eben etwas Geld dafür ausgeben – wie überall sonst in diesem Internet auch. Und wer Geld für Dinge ausgibt, von denen er nichts versteht, der zahlt oft drauf – wie überall sonst im Leben auch.

Targeting: Die Sichtbarkeit von Facebook-Inhalten lokal einschränken

Einige mögen es gestern bereits gestern auf allfacebook.de gelesen haben. Die Sichtbarkeit von Fanpage-Posts kann nun nach Wohnort (Stadt) einschränkt werden:

Neben dem Teilen/Post-Button ist das Auswahl-Menü für die Sichtbarkeit des Inhalts:

Erst nach der Auswahl des Landes erscheint das zweite Auswahlmenü “Stadt”. Zusätzlich kann nach Sprachen differenziert werden. 

Im Prinzip nur ein kleines Targeting-Feature, das sich bei näherem Hinsehen aber als recht spannend entpuppt: Lokale Angebote lassen sich einer ausgewählten Zielgruppe präsentieren, die jeweiligen Inhalte kann ich so völlig unterschiedlich gestalten. Die Facebook-Page wird damit zum Multi-Channel-Portal. Theoretisch ließen sich sogar mehrere Sprachversionen in einer Page zusammenfassen, was natürlich der Gesamtstärke des Auftritts zu Gute kommt. Gerade Unternehmen mit mehreren nationalen oder internationalen Standorten können davon profitieren und der Admin kann seine Aktivitäten länder-, sprach- und themenspezifisch über den Tag verteilen und bei Bedarf selbst an unterschiedliche Zeitzonen anpassen.

Pic: Mashup aus pasukaru76 (CC BY 2.0) und Marshall Astor – Food Pornographer (CC BY-SA 2.0)

Facebook vs. Google – Kommt nun der Kampf um Online-Advertising?

Sprechen wir von Traffic, hat Facebook Google bereits überholt. Laut Hitwise fielen 2010 8,9% der Unique Online Visits auf Facebook, Google hingegen konnte „nur“ 7,2% für sich verbuchen. Laut Comscore ist Facebook sogar dabei, mehr Page Impressions als Google zu sammeln. Die ersten Vermutungen werden laut, dass Facebook auch in Sachen Werbung Google bald den Rang ablaufen könnte.

Mit Blick auf die Einnahmen hat Facebook da noch ein gutes Stück Arbeit vor sich: Während Google 2010 stolze 29 Milliarden an Werbedollars einfuhr, hat Facebook gerade mal 2 Milliarden mit seinen Ads verdient. Andererseits: Facebooks Anteil an allen Online-Werbeeinblendungen hat gerade in Deutschland extrem zugenommen. Lag dieser im Dezember 2009 noch bei 6%, so gingen im Dezember 2010 bereits 16% auf das Konto von Facebook.

Das mag zum einen an den wachsenden Nutzzahlen liegen, zum anderen wurden durch Facebook viele neue Nutzer, animiert Online Advertising auszuprobieren: Betreiber von Fanpages, kleine Projekte und StartUps. Ganz zu schweigen von inzwischen zahlreichen professionellen Kampagnen. Wenn das Schalten von Googles Ad-Words auch nicht sonderlich kompliziert ist – Facebooks Targeting-Interface ist herrlich intuitiv und selbsterklärend. Wählt man eine demographische Zielgruppe oder geht man doch lieber nach Interessen? Oder doch eine Kombination? Am Ende noch schnell zwischen Tausend-Kontakt-Preis und Cost-Per-Click gewählt und fertig ist die erste eigene Kampagne.

Hat Google in Facebook einen ernsten Rivalen im Online-Advertising?

Ich möchte mich zunächst in Googles Windschatten stellen und sagen: Nein. Der Konsum von Facebook-Werbung funktioniert nach einem völlig anderen Prinzip. Hier wird man in seinem persönlichen Online-Umfeld mit Produkten und Dienstleitungen konfrontiert, ohne das man nach ihnen gesucht hätte. Je nach Targeting trifft die Ad zwar die Interessen des Nutzers, aber er muss erst von der Interaktion mit der Werbung überzeugt werden: Exklusive Informationen, Gewinne, Boni, etc. helfen dabei. Facebook-Ads sind so, bei allen Interaktionsmöglichkeiten, viel eher mit herkömmlicher Banner-Werbung zu vergleichen. Dementsprechend schnell verliert der Nutzer das Interesse.

Das lässt sich an der Click-Trough-Rate wunderbar ablesen. Erreicht diese nach zwei Tagen ihren Höhepunkt, so liefert die Ad vier Tage später nur noch fünfzig Prozent.

Durch geübte Konfiguration (z.B. durch „Friend of Fan“-Targeting) kann diese Kurve etwas nach hinten gezogen werden. Doch auch dieses Interesse erlischt dann schnell.

Dieses Problem hat Google nicht. Hier fordert der Nutzer explizit Informationen zu einem bestimmten Thema an. Und wenn er diese bekommt, gibt es noch ein paar “gesponsorte Informationen” dazu. Eine perfektere Adressierung ist kaum möglich. Wenn es also darum geht, konkrete Kaufentscheidungen zu beeinflussen, sind Facebook-Ads eher ungeeignet. Diese eigenen sich hingegen für begleitende Maßnahmen bei Produkteinführungen, Sonderaktionen und vergleichbaren Kampagnen. Zudem liefert Facebook die soziale Komponente, die Google nicht hat. Die neuen Sponsored Stories sind ein schönes Beispiel hierfür.

Der Kampf um die Online-Ads selbst wird wohl eher ein kleines Gerangel – vorausgesetzt, die Werber bleiben in der Kanalwahl etwa bei ihren heutigen Prioritäten . Eines darf dabei nicht vergessen werden: Bezahlt werden sowohl Facebook- als auch Google-Ads aus dem selben Topf!

Pics: fightlaunch und Webtrends