[HTTP410] Hamburg – Eine WG für junge Talente?

Genau wie Unternehmen um die besten Mitarbeiter kämpfen, so bemühen sich auch Städte und Regionen, junge Talente für sich zu gewinnen. Sie sind bedeutend für eine nachhaltige Stadtentwicklung: Sie bringen Fähigkeiten und gute Ideen in die Betriebe, kurbeln durch ihre Kaufkraft die regionale Wirtschaft an und engagieren sich idealerweise sogar kulturell oder sozial in der Gemeinschaft. Und genau wie Unternehmen daran arbeiten, eine Arbeitgebermarke aufzubauen, so arbeiten die Metropolen am Branding der eigenen Stadt.

Auch die Hamburg Marketing GmbH feilt am Markenimage “Hamburg”, um die Attraktivität des Standorts für Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus herauszuarbeiten. In diesem Zuge startete letzte Woche eine Kampagne: die #hh-wg. Das Hashtag lässt es bereits vermuten; es wird social.

“Du hast Hamburg gerade noch gefehlt”…

…soll junge Kreative aus ganz Deutschland ansprechen und davon überzeugen, dass Hamburg der richtige Ort ist, den nächsten Lebensabschnitt zu starten. Per Video können sie sich bewerben, die vier Gewinner werden ein Jahr lang in einem 200m² Loft im Szeneviertel Sternschanze wohnen und bekommen dort, was ein junger Starter so zum Leben braucht – inkl. eines Jobs bei einem der lokalen Partnerunternehmen Otto, der Sparda-Bank oder Radio Hamburg. Was er dafür tun muss? Darüber reden, auf den Kanälen, die die Kampagne begleiten: Facebook-Fanpage, Twitter, YouTube. Erinnert ein wenig an den “Best job In the world” als Inselhausmeister, nur dass Hamburg etwas “abwechslungsreicheres” Wetter zu bieten hat. 😉

Eine Sache fiel jedoch nicht nur mir auf, und brachte auch beim Feedbackabend kritische Nachfragen: Hamburg gilt als eine der schönsten Städte Deutschlands, doch mit hohen Lebenshaltungskosten und einem Mietspiegel, der knapp 17% über dem Bundesdurchschnitt liegt leider auch als eine der teuersten! Und nun sollen vier Testemonials die Werbetrommel rühren, die (dank freier Logis in der Schanze und geschenktem Smartphone und Laptop) von all dem nichts mitbekommen? Gerade die Young Creatives zeichnen sich nicht gerade durch große finanzielle Polster aus – sie müssen sich eher darauf einstellen, zunächst mit un(ter)bezahlten Praktika durch die Agenturen geschleift zu werden, bevor sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Wir fragen drei Kenner der Sache:

Der Wettbewerb wird vermutlich die gewünschte Aufmerksamkeit bringen, doch geht die Kampagne an den Problemen der Zielgruppe nicht vorbei?

Thorsten Kausch ist Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, der Initiatorin der Kampagne:

“Nein, sie thematisiert sie. Sicher, ein Ziel ist es, Begeisterung für Hamburg zu wecken. Die kommt dem Standort zugute und damit allen, die hier leben. Zudem handelt es sich um einen Wettbewerb. Der Preis, in diesem Fall ein einzigartiges und damit ungewöhnliches Jahr in Hamburg, macht den Reiz einer Teilnahme aus.

Inhaltlich werden wir die genannten Schwierigkeiten jedoch aufgreifen. Wir wissen, dass neben den vielen Vorteilen, die Hamburg bietet, die Wohnungssituation im Stadtkern schwierig ist, aber nicht hoffnungslos. Das Projekt orientiert sich daher stark an dieser Realität und gibt auf www.hh-wg.de und über die sozialen Netzwerke entsprechende Links und praktische Ratschläge für die WG-Suche an die Hand. Social Media sehen wir dabei als Chance, die alten und neuen Hamburger in die Kommunikation mit einzubinden.”

Prof. Dr. Angelus Eisinger ist Professor für Geschichte und Kultur der Metropole im Studiengang Stadtplanung an der HafenCity Universität in Hamburg und beschäftigt sich mit Fragen der Architektur- Stadt- und Raumentwicklung:

“Die Initiative geht die essentiellen Problemfelder an, mit denen junge Kreative beim Eintritt ins Erwerbsleben zu kämpfen haben, und verschleiert sie doch. So entsteht eine Ästhetisierung eines Alltagslebens, die vom Loft bis zum coolen Arbeitgeber alle in-group-Zeichen bedient.

Doch wo bleibt, man verzeihe das abgedroschene Wort, die Nachhaltigkeit? Sie wird sich nur dort einstellen, wo sich die Glücklichen über Alltagserfahrungen und den Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen des illusionistischen Settings ihres Daseins bewusst werden und in ihren Twitter-Botschaften, youtube und Facebook-Auftritten sich an das wirkliche Leben herantasten.”

Sven Wiesner kam 2006 selbst als junger Kreativer nach Hamburg und ist heute Gründer und GF der Social Media Agentur beesocial:

“Die Aktion ist in meinen Augen ein sehr guter Start. Ich kenne die Problematik, habe seinerzeit selbst vor dem letztendlichen Umzug nach Hamburg lange rumgerechnet. Allein die Mieten waren (und sind) im Vergleich zur alten Heimat Bremerhaven astronomisch. Letztendlich ist es immer ein bißchen auch wagen und einfach machen, mit der Hoffnung dass der Rest sich schon ergibt.

Wie in meinem Blog bereits geschrieben sind die Gegensätze natürlich offensichtlich: Geförderte WG mit allem drumherum gegen hohe Mieten und schlecht bezahlte Praktika Plätze. Die HH_WG wird für mich zum Erfolg wenn die Aktion es schafft, auch für Außenstehende einen echten Mehrwert zu bieten. Etwa wenn die Vorzeige WGler ihre Chance nutzen, und den Daheimgebliebenen den Weg in Hamburg ebnen. Etwa durch nützliche Tipps für den Umzug, für die Wohnungs- oder Jobsuche.

Das könnte aber noch viel viel weiter gehen, etwa indem die HH_WGler soetwas wie Repräsentaten für die jungen Hamburgstarter werden. Etwa indem sie zusammen mit den Leuten von Hamburg Marketing echte Maßnahmen entwickeln und vorantreiben, um jungen Kreativen den Start in Hamburg zu erleichtern. Das wäre für mich eine gelungene Social Media Kampagne die über den Marketingeffekt hinaus glänzt!”

[HTTP410] Best Practice: Die Jimdo Karriere-Page

JimdoPages to the people – mit diesem Slogan wurde der Webbaukasten Jimdo bekannt. Und da man mit diesem sowohl schicke Privatauftritte hinlegen, als auch professionelle Seiten für größere Projekte oder sein Unternehmen aufziehen kann, sind derzeit schon über 3 Millionen Jimdo-Websites online – Tendenz steigend. Und unternehmerischer Erfolg zieht meist eine Notwendigkeit nach sich: Es werden neue Mitarbeiter gesucht. Jimdo tut dies mithilfe seiner Karriere-Page. Und die gefällt mir so gut, dass ich sie hier kurz vorstellen möchte.

Die Seite ist, entsprechend dem Jimdo-Design, sehr aufgeräumt. Nach einem kurzen Einleitungstext, der einem potentiellen Bewerber etwaige Scheu nimmt, folgt ein kleines Imagevideo, das Atmosphäre und Arbeitsumgebung darstellt. Es kommt dabei ganz ohne Worte und einstudierte Statements aus: Helle Büros, grüne Pflanzen, guter Kaffee, Hunde und Skateboards sind erlaubt – was will man mehr?

Auf einer eigenen Unterseite werden die 11 besten Gründe vorgestellt, bei Jimdo zu arbeiten. Und guess what: Hier steht nichts von abstrakten “Aufstiegschancen und Herausforderungen” – die gibt es überall. Nein, hier stehen Gründe, die überzeugen sollen, sich eben hier, und nicht woanders zu bewerben. DAS sind Alleinstellungsmerkmale, die einen Arbeitgeber zur Marke machen. Und all diese Punkte könnten auch in jedem anderen Unternehmen ihre Berücksichtigung finden – vom Krawattenverzicht und dem Hamburg-Bonus einmal abgesehen. 😉

Die Liste der offenen Stellen wird ergänzt um die ausdrückliche Einladung zu Initiativ-Bewerbungen und den Bericht eines Entwicklers, der als Azubi bei Jimdo begonnen hat. Nach dem obligatorischen Teamfoto folgt noch der Hinweis auf die Unterstützung der Initiative “Fair Company” und den damit einhergehenden Selbstverpflichtungen.

Fazit

Innerhalb von 5 Minuten gewinnt der Bewerber einen umfassenden Einblick in das Unternehmen. Er fühlt sich auf Anhieb willkommen und bekommt das Gefühl, dass sein Talent hier geschätzt und seine Persönlichkeit nicht nur respektiert, sondern ausdrücklich gewünscht wird. Hier werden nicht die Bewerber zum Wettbewerb aufgefordert, vielmehr stellt sich Jimdo selbst dem Wettbewerb um die besten Talente.