Indeed-Experiment: von der Jobsuchmaschine zur hässlichen Jobbörse?

Da ist etwas faul im Staate Dänemark Indeed.

Seit dem fulminanten Markteintritt vor einigen Jahren konnte sich Indeed zu einem echten Platzhirsch in Deutschland etablieren. Doch in den letzten Jahren hat die Jobsuchmaschine ihr Angebot „verschlimmbessert“, anstatt es sinnvoll auszubauen. Was genau passiert ist und welche Auswirkungen es hat, schauen wir uns in diesem Artikel etwas genauer an.

Was ist Indeed?

Gestützt durch die prall gefüllte Kasse der japanischen Mutter Recruit Holdings Ltd. hat Indeed keine Kosten und Mühen gescheut, dem Marktführer Stepstone und anderen Jobbörsen Aufmerksamkeit, Reichweite und Marktanteile abzujagen. Durchaus mit Erfolg.

Indeed war ursprünglich eine Jobsuchmaschine, die nach dem Cost-per-Click-Modell funktioniert. Die Plattform generiert Einnahmen durch den Verkauf von Produkten im Bereich Stellenanzeigen, Employer Branding und Lebenslaufsuchen an Arbeitgeber und Unternehmen, die Personal einstellen wollen.

Die Website funktioniert außerdem als eine Art Crawler: Das bedeutet, Stellenangebote von Tausenden von Websites, darunter Jobbörsen, Personaldienstleistungsunternehmen, Verbänden oder Karriereseiten von Unternehmen werden durchsucht und auf Indeed gebracht. Diese Funktion ist für Unternehmen sowie Bewerber:innen kostenlos. Für Unternehmen ist das allerdings nur auf den ersten Blick der Fall. Die kostenlose Einbindung der Anzeigen wird zur Kontaktanbahnung eingesetzt.

Arbeitgeber sollen nämlich Premium-Stellenanzeigen buchen, die dann – je nach Gebot – ganz vorne in den Suchergebnissen platziert werden.

Was macht(e) Indeed gut?

Indeed positionierte sich ursprünglich als eine frische Alternative zu den verstaubten Jobbörsen. Als Jobsuchmaschine konnte die Plattform drei Dinge besonders gut, die normale Jobbörsen nicht konnten:

a) Sie konnte die Stellenangebote eines Unternehmens relativ einfach automatisch einlesen.

b) Das Rangieren in den Suchergebnissen konnte im Rahmen von Premium-Kampagnen auf Cost-per-Click Basis beeinflusst werden. Kosten entstanden dem Kunden nur, wenn auf seine Anzeige tatsächlich geklickt und der Nutzer auf die Karrierewebseite weitergeleitet wurde.

c) Beim Klick auf den Teaser der Stellenanzeige in den Suchergebnissen wurde dann direkt auf die Karriere-Webseite des Kunden umgeleitet, wo sich die Bewerber:innen sinnvollerweise nicht nur mit dem Job, sondern auch gleich mit der Employer Brand auseinandersetzen konnte.

Im Großen und Ganzen hat Indeed den im Marketing bewährten Ansatz von Google AdWords Werbung für den Jobmarkt adaptiert und im großen Stil verfügbar gemacht. Das machte sie zu einer sehr spannenden Alternative zu Größen wie Stepstone. Zunächst haben sie alles richtig gemacht. Bis die ersten Änderungen kamen.

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Die Usability

Indeed ist mittlerweile groß in Deutschland. In der Welt sowieso. Und wenn Unternehmen sehr groß werden, fangen sie manchmal an zu glauben, dass sie unfehlbar sind. Der Erfolg gibt ihnen schließlich Recht.

Vor ein paar Jahren hat Indeed heimlich angefangen, an den oben erwähnten Grundpfeilern ihres bisherigen Erfolgs zu schrauben. Im Rahmen eines großangelegten weltweiten Usability-Experiments, wurde eine entscheidende Änderung getestet und mittlerweile umgesetzt.

Beim Klick auf einen Job-Teaser in den Suchergebnissen soll der Jobsuchende nicht mehr direkt auf die Karriere-Webseite des ausschreibenden Unternehmens weitergeleitet werden, sondern zunächst auf der Indeed Plattform verbleiben. Statt der Weiterleitung wird zunächst eine Volltext Anzeige eingeblendet und erst beim zweiten Klick auf einen dafür vorgesehen Button innerhalb der Vorschau auf die Karriere-Webseite umgeleitet.

Den Ablauf kennen die meisten von Euch bereits von Stepstone. Auch dort wird die vollständige Anzeige zunächst auf Stepstone angezeigt, bevor dann der Klick auf „Bewerben“ auf die Seite des Kunden bzw. in seinen Bewerbungsprozess führt.

Die möglichen Gründe von Indeed

Doch warum übernahm Indeed dieses Verfahren? Hier kann man lange spekulieren. Zum einen wird der oder die Jobsuchende länger auf der Plattform gehalten. Der User schaut sich ggf. mehrere Jobs an, bevor er dann nur bei echtem Interesse die Indeed Seite verlässt, um sich beim Unternehmen zu bewerben. Ein:e Jobsuchende:r „produziert“ so wahrscheinlicher mehr Klicks, als wenn er oder sie jedes Mal zu Indeed zurück kehren muss, um weiter zu suchen.

Ganz egal, ob Ihr mit Indeed direkt nach Cost-per-Click oder über Variationen von Capped Budget Anzeigen abrechnet, könnte das Implikationen für Euch haben. Unsere erste Annahme 2018 bestätigte sich: Indeed fing nämlich an, das unvollständige Weiterleiten, also das Öffnen der Volltext Anzeige auf Indeed, in Rechnung zu stellen.

Ein weiterer theoretischer Grund, der uns damals eingefallen war, könnte die Vergleichbarkeit der Performance sein. Da Unternehmen (weltweit) nun im Personalmarketing zunehmend auf Web-Analytics setzen, sehen sich „Bewerber-Lieferanten“ auch zunehmend in Erklärungsnot, wenn Zahlen unterschiedlicher Plattformen und Modelle unter Zuhilfenahme von Analytics-Halbwissen miteinander verglichen werden.

„Stepstone hat ja eine Bewerber-Conversion-Rate von 30% und Indeed nur 4,79%, da liegen doch Welten zwischen.“, hat bestimmt schon mal der eine oder andere von Euch von sich gegeben, ohne sich die Mühe einer vernünftigen ROI-Rechnung (Return-on-investment) pro Bewerbung zu machen.

Und so könnte es sein, dass es für ein Unternehmen wie Indeed einfacher erscheint, an der Conversion-Rate zu drehen, als Euch zu erklären, warum sie trotz oberflächlich betrachtet schlechterer Conversions nicht schlechter sind als Stepstone. Ein Nutzer, der sich bereits bewerben möchte und erst dann von der Plattform zu Euch auf die Karriere-Webseite wechselt, wird natürlich eine bessere Conversion erzielen als ein Nutzer, der Eure Anzeige in voller Länge zum ersten Mal bei Euch auf der Seite sieht.

Die Umsetzung

So viel zur Theorie. Noch spannender ist die praktische Umsetzung. Im Gegensatz zu Stepstone verfügt Indeed nicht über die Original-Anzeigen der Kunden inklusive der CI, Layout, Formatierung usw. Die Anzeigen werden von Indeed, wie bereits erwähnt, in den aller meisten Fällen gecrawlt und ausgelesen.

Ausgelesen wird hierbei nur der Text und mit Glück auch die Formatierung. Corporate Indentity ist nur mit einem eigenhändig angelegten Unternehmensprofil möglich, in dem ein Profil- sowie Headerbild hochgeladen werden kann.

Stellenanzeige auf indeed

Schaltet Ihr die Anzeige nicht selbst bei Indeed, sondern werdet von der Plattform gecrawlt, so ist die Darstellung schon eine etwas puristischere. Dennoch muss man festhalten, dass sich das Layout im letzten Jahr deutlich verbessert hat und das Layout lesbarer geworden ist.

Die Möglichkeit, sich von den anderen Jobangeboten abzugrenzen, ist trotzdem nicht gegeben. Und auch wenn wir uns die noch besser aussehenden Varianten der neuen Indeed-Anzeigenvorschau herauspicken, so finde ich sie in Sachen CI und Employer Branding nach wie vor eher hinderlich als dienlich. Es fehlen jegliche Optionen, aus dem grauen Einheitsbrei herauszustechen.

Einige Unternehmen haben uns bereits zurückgespielt, dass sich ihre Erfahrungen mit Indeed tatsächlich verschlechtert haben. Die eingehenden Bewerbungen seien mittlerweile kaum noch zu gebrauchen. Dies geht so weit, dass einige Arbeitgeber über Indeed eingehende Bewerbungen gar nicht mehr bearbeiten, da nur selten etwas Brauchbares dabei ist. Autsch.

Registrierungszwang für Bewerber:innen

Doch schlimmer geht’s immer. Denn mittlerweile gibt es noch ein viel größeres Problem. Das Problem heißt: Registrierungszwang!

Den Button „Einfach bewerben“ über der Stellenanzeige sollte man nicht mehr allzu wörtlich nehmen. So „einfach“ ist der Bewerbungsablauf auf Indeed nämlich nicht mehr.

Interessieren sich Kandidat:innen für Eure Stelle, bekommen sie zuerst die nicht allzu schöne Stellenanzeige direkt auf Indeed angezeigt. Im Anschluss zwingt Indeed die Interessent:innen zu einer Bewerbung, greift nochmal eben schnell deren Daten ab oder vergrault Euch die Bewerber:innen direkt. Erst nach dem Erstellen eines Indeed-Accounts werden Kandidat:innen auf Eure interne Stellenanzeige weitergeleitet (häh?). Das geschieht bei den gecrawlten ebenso wie bei den Premium-Stellenanzeigen.

Aus einem Klick werden mir nichts, dir nichts drei bis fünf Klicks.

Seit Ewigkeiten versuchen wir Unternehmen davon zu überzeugen, dass Registrierungszwänge absolute Abbruchgaranten sind. Bewerber:innen für Mangelprofile sind nicht darauf angewiesen, lange Registrierungsformulare auszufüllen, um ihre Bewerbung abzuschicken. Es gibt auch zahlreiche andere freie Stellen, die eine kürze und einfachere Form der Bewerbung anbieten.

Zwar ist das Indeed-Formular relativ kurz, aber dennoch ist es eine Hürde, die es nicht geben müsste und im Zweifel eher gegen eine Bewerbung, als für eine Bewerbung spricht.

Ganz zu schweigen von den Mails mit ähnlichen freien Stellen, die Bewerber:innen im Anschluss an ihre Registrierung zugesandt bekommen. Die Kandidat:innen auf den letzten paar Metern wegen eines anderen Jobs im Posteingang zu verlieren, ist mehr als ärgerlich. Natürlich insbesondere dann, wenn man tatsächlich für eine Premium-Stellenanzeige bezahlt hat.

Wir fassen zusammen: Ohne die direkte Weiterleitung auf die Karriere-Webseite des Unternehmens, ohne direkten Kontakt zur Employer Brand, dafür mit einem zusätzlichen Registrierungszwang, wurde Indeed aus unserer Sicht von einer vergleichbaren bis besseren Stepstone-Alternative zu einer schlechteren. Schade.

Was tun?

Wenn Euch die Darstellung Eurer Anzeigen nicht egal ist, solltet Ihr als Partner oder direkter Kunden von Indeed als erstes prüfen, wie Eure Anzeigen überhaupt auf der Plattform aussehen und wie genau die Weiterleitung auf die Karrierewebseite (wenn überhaupt) zustande kommt.

Werden Eure Anzeigen lediglich gecrawlt oder ihr nutzt die kostenlosen Stellenanzeigen, dürfte der Registrierungszwang zwar nerven, aber Euch immerhin nicht teuer zu stehen kommen.

Falls Ihr direkter und zahlender Kunde von Indeed seid, meldet Euch bei Eurem Ansprechpartner und teilt Eure Meinung über den Registrierungszwang mit. Falls Ihr über einen Partner mit Indeed arbeitet, informiert Euch bei ihm, ob er diesbezüglich bereits in Kontakt mit Indeed steht. Viel mehr kann man nicht machen, außer sich von Indeed zurückzuziehen.

Bei Indeed handelt es sich um einen amerikanischen Konzern, der zu einer japanischen Holding gehört. Punktuell Einfluss zu nehmen, ist praktisch nicht möglich. Unternehmerisch verstehen wir durchaus, dass bei gewissen Entscheidungen die Interessen der Kunden nicht immer sinnvoll berücksichtigt werden können und müssen. Bei Unternehmen mit erheblicher Marktmacht und Medienpräsenz macht der Ton in solchen Fällen dann doch etwas mehr aus.

Indeed hat sich über Jahre den Ruf im Markt erarbeitet, eigene Entscheidungen ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen. Das wissen (ehemalige) Partner, Marktbeobachter und langjährige Kunden nur zu gut.

Ursprünglich habt Ihr Weiterleitungen auf Eure hübschen Stellenanzeigen gekauft? Bekommen tut Ihr nun aber weniger hübsche und vielleicht sogar unvollständige Anzeigen bei Indeed? Zusätzlich wird plötzlich noch ein Registrierungsformular zwischengeschaltet, durch das Eure potenziellen Bewerber:innen erst einmal als Datensatz in der Indeed-Datenbank landen, statt in Eurem Bewerberpool? Kommuniziert wird nichts, weder an Partner noch an Kunden? Well, willkommen zur neusten Folge „How the (Indeed) world works”.

Wir sind gespannt, was Indeed sich noch so einfallen lässt und bleiben dran. Und das solltet Ihr im Sinne Eures Employer Brandings, ROI und Nerven auch tun 🙂

Disclaimer

Wir, die Wollmilchsau GmbH bzw. die Lösung Jobspreader, waren langjähriger Agentur-Partner von Indeed. Wir promoten Stellenanzeigen unserer Kunden im Rahmen von Premium-Kampagnen automatisiert auf verschiedenen Plattformen, in der Vergangenheit auch bei Indeed.

Das ist heute nicht mehr der Fall, wodurch ein Wettbewerbsverhältnis entsteht, das aus journalistischer Sicht zu einem Interessenkonflikt führen kann. Die Aktualisierung des Artikels soll allerdings unabhängig davon zur Aufklärung dienen und unsere Meinung zur aktuellen Situation darstellen. Die Veröffentlichung unserer Erkenntnisse erscheint uns in unserer Funktion als HR-Medium als gerechtfertigt.

Dieser Artikel wurde ursprünglich 2018 veröffentlicht und von uns aktualisiert. Unsere Sorgen und Bedenken bezüglich der oben dargestellten Entwicklungen haben wir Indeed bereits 2018, damals noch als Partner, ausführlich dargelegt. Details aus unserer direkten Kommunikation mit Indeed fanden hier keine Erwähnung. Indeed wurde in 2018 über die bevorstehende Veröffentlichung des Artikels informiert.

 

Keine Ressourcen für Employer Branding bei über 50% der Arbeitgeber

Auch StepStone hat sich bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern in acht europäischen Ländern zum Thema Employer Branding umgehört. Die Ergebnisse wurden in einer Studie aufbereitet und mit diesem Video bewegt illustriert.

Aus der Studie:

  • Über die Hälfte der Unternehmen stellen keine Ressourcen für den Aufbau einer Arbeitgebermarke bereit.
  • Nur 14% aller Mitarbeiter würden ihren Arbeitgeber uneingeschränkt weiterempfehlen…
  • ..in der Vorstellung der Arbeitgeber hingegen, sind das sagenhafte 94%.
  • Überhaupt reden nur 20% aller Mitarbeiter über ihr Unternehmen.
  • Für 83% der Arbeitnehmer ist eine gute Arbeitsumgebung und Ausstattung entscheidend – der wichtigste Punkt vor allen anderen Benefits

EDIT: Jetzt hat StepStone uns den Hahn zugedreht und das Video auf “privat” gestellt. Schade!

Dass nicht zuviel Zeit in soziale Netzwerke investiert werden sollte, ist natürlich Unfug! Aber Unternehmen, die sich nicht ausreichend mit dem Thema auseinandersetzen, können es natürlich auch nicht besser wissen. 😉

Pic: Joe Marinaro (CC BY 2.0)