[HTTP410] Kandidaten unter der Lupe: Worauf schauen Personaler beim Online-Profil?

Der Personaldienstleister Adecco hat Bewerber und Kundenunternehmen zum Thema Social Recruiting und Reputation Management befragt. Herausgekommen ist eine interessante Studie, die Recruiter und Jobsuchende in der Nutzung sozialer Netzwerke gegenüberstellt. Die komplette Erhebung, viele Zahlen und viele Grafiken findet Ihr hier.

Einen Punkt möchte ich herausgreifen: Nur 7% geben an, einen Kandidaten schon einmal wegen seines Online-Auftritts abgelehnt zu haben. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant sind die Faktoren, die zur Einstellung anhand von Online-Profilen geführt haben. Auch wenn sich die gesamte Studie hauptsächlich um berufliche Netzwerke dreht, zeigt sich hier, dass der ganzheitliche Blick auf den Kandidaten entscheidet. Qualifikationen und Berufserfahrung sind fast ebenso ausschlaggebend wie Hobbies und Auftreten.

Wie wichtig ist Online Reputation Management für eine erfolgreiche Einstellung?

Auf dem Arbeitsmarkt dreht es sich in erster Linie um Menschen: Jobsuchende und Recruiter können sehr bemüht sein, sich auf professioneller Ebene zu begegnen – die private Person dahinter wird immer eine Rolle spielen. In Zukunft vermutlich noch eine größere als bisher. Solange diese neue Offenheit auf Gegenseitigkeit beruht ist das eine gute Entwicklung hin zu einem klaren Verhältnis zu sich und seiner Arbeit. Man muss sich nicht ausziehen, aber man hat auch nichts zu verstecken; weder als Kandidat, noch als Unternehmen.

Anonyme Bewerbungen: Ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit?

Diesen Herbst testen einige große Unternehmen die anonyme Bewerbung. Eine solche Bewerbung enthält weder Namen, noch Foto. Darüber hinaus fehlen Angeben über Alter, Herkunft und Geschlecht des Bewerbers – mit dem Ziel, an den Vorurteilen des Personalchefs vorbei, die “nackten” Qualifikationen sprechen zu lassen. Vermieden werden sollen dabei unschöne Anekdoten wie z.B. der “(-) Ossi”-Vermerk auf den Unterlagen einer Bewerberin oder die Vorverurteilung aufgrund von nicht deutsch klingenden Namen. Doch nicht nur ausländische Namen haben es schwerer, auch die Kevins und Celinas werden schon in jungen Jahren durchschnittlich schlechter bewertet als die Maximilians und Charlottes.

In den USA ist die Praxis der anonymen Bewerbung seit den 60er Jahren verbreitet. So sind es jetzt auch jene Unternehmen, die im Ausland schon entsprechende Erfahrungen mit diesem Verfahren gesammelt haben, die sich nun in Deutschland an dieses Experiment wagen. Im Prinzip ist dieser Ansatz ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit bei der Vergabe von freien Stellen. Die letzte Entscheidung obliegt aber nach wie vor dem Arbeitgeber und so stellt sich die Frage, ob das Ganze nicht nur eine kleine Farce ist: Spätestens im Bewerbungsgespräch werden alle Karten auf den Tisch gelegt werden – dieses findet noch nicht à la Herzblatt hinter einem Paravan statt. Die Wahl zwischen Kandidat Nummer Eins, Kandidat Nummer Zwei und Kandidat Nummer Drei wird hier aufgrund eines persönlichen Gespräches (mit Blickkontakt) getroffen.

Wird hier also eine Gleichbehandlung vorgegaukelt, nur um im Nachhinein wieder das gleiche Sieb verwenden zu können? Es sollte den Unternehmen nicht unterstellt werden, doch eine Frage müssen sie sich gefallen lassen: Wenn es ihnen ein ehrliches Anliegen ist, eine Belegschaft mit höherer Diversity aufzubauen, warum müssen sie sich dann selbstverordnet die Augen verbinden? Oder geht es doch nur darum, “benachteiligte” Bewerber ein, zwei Schritte weiter kommen zu lassen, nur um dann im Nachhinein doch die alten Entscheidungen zu treffen? Die nächsten Monate werden zeigen, ob es bei diesem (wissenschaftlich betreuten) Versuch bleibt, oder sich Erfolge einstellen und diese Art der Rekrutierung langfristig etabliert.

Pic: florian_kuhlmann