Interview Intelligence: Bessere Vorstellungsgespräche führen

Interview Intelligence für gutes Recruiting

Definition Interview Intelligence

3 Recruiting-Probleme, bei denen Interview Intelligence hilft

          Effektivere Personalauswahl

          Weniger Bias

          Mehr Zeit, bessere Zusammenarbeit

Interview Intelligence Tools

Nachteil von Interview Intelligence

Interview Intelligence ist wichtig für gutes Recruiting

Vorstellungsgespräche sind zentraler Bestandteil der Personalauswahl. Häufig werden die Interviews aber unter vier Augen geführt, gerade in der ersten Runde. Nur Wenige im Recruiting haben eine fundierte eignungsdiagnostische Weiterbildung gemacht. Dabei sind gute Interviews super wichtig, um gute, valide Ergebnisse in der Personalauswahl zu erzielen. Unstrukturierte Gespräche führen schnell zu verzerrten Wahrnehmungen. Kandidat:innen, die sympathisch sind, gut aussehen oder auch den Interviewer:innen ähnlich sind, wirken kompetenter, obwohl sie vielleicht gar nicht die richtige Besetzung sind.

Gerade Team Leads stehen also vor der Frage: Wie stelle ich sicher, dass Auswahlmethoden valide sind und die Personalauswahl die richtigen Ergebnisse liefert? Also auch: Wie stelle ich sicher, dass Interviewer:innen gute Vorstellungsgespräche führen? Ein möglicher Ansatz: Personen, die Interviews führen, besuchen regelmäßig Schulungen. Doch wie kann man sicherstellen, dass die Schulungsmaßnahmen tatsächlich die gewünschten Ergebnisse erzielen? Wie lässt sich die Effektivität der Interviews überprüfen und bewerten?

Recruiter:innen, die regelmäßig Interviews führen, kennen das Problem: Nach dem Gespräch muss eine Evaluation erfolgen. Dabei muss nachvollziehbar sein, was im Gespräch gefragt und geantwortet wurde. Nicht nur, um zu einer fundierten Entscheidung zu kommen, sondern auch um das Hiring Team auf die eventuell kommenden Gespräche vorzubereiten. Während des Gesprächs Notizen machen und schnell danach eine ausführliche Bewertung schreiben? Möglich, aber vielleicht wirst du wichtige Punkte vergessen.

Interview Intelligence will genau diese Fragen lösen.

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Was ist Interview Intelligence?

Interview Intelligence ist der Einsatz von Tools und Methoden, um Vorstellungsgespräche und den Auswahlprozess im Recruiting zu optimieren. Gespräche werden aufgezeichnet, transkribiert und analysiert, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Außerdem hilft Interview Intelligence bei der Automatisierung des Recruiting-Prozesses und hilft beim Austausch und der Evaluierung. Kurz: Bessere Gespräche, bessere Ergebnisse, besseres Recruiting.

Eine Recruiterin führt ein Vorstellungsgespräch per Video-Call
Interview Intelligence hilft beim Recruiting: Vorstellungsgespräche optimieren, bessere Entscheidungen treffen (Quelle: unsplash.com/de/fotos/VtKoSy_XzNU)

Bei diesen 3 Recruiting-Problemen hilft Interview Intelligence

Effektivere Personalauswahl

Kleine Rechnung: Für eine offene Position treffen 20 Bewerbungen ein. Nehmen wir an, dass 17 Personen nicht geeignet sind und 3 Personen den Job gut und erfolgreich ausüben könnten. Die Zufallstrefferquote liegt dann bei 15 %. Würde eine zufällige Person aus dem Pool aller Bewerbungen für den Job ausgewählt, wäre sie in 15 % der Fälle tatsächlich für den Job geeignet. Die Personalauswahl unterstützt dabei, die richtigen Personen zu identifizieren und den Zufall aus dem Recruiting zu nehmen.

Das funktioniert aber nur dann wirklich gut, wenn die Methoden der Personalauswahl valide sind. Interview Intelligence hilft dabei, dass Vorstellungsgespräche valider werden und zwischen Bewerber:innen eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. Langfristig wird der Einsatz von Interview Intelligence also auch einen positiven Effekt auf die Quality of Hire haben.

Weniger Bias

Sympathie, Attraktivität und Eloquenz beeinflussen, wie Kandidat:innen bewertet werden. Interview Intelligence hilft dabei, Bias aus der Personalauswahl zu nehmen und den Fokus auf den Inhalt zu legen. Was wurde tatsächlich im Gespräch gefragt und geantwortet? Durch automatisierte Transkripte und Zusammenfassungen lassen sich Gespräche besser bewerten. Die Gefahr, dass Bias eine zu große Rolle spielen, wird reduziert.

Mehr Zeit, bessere Zusammenarbeit

Interviews machen Spaß, die meisten zumindest. Was weniger Spaß macht, ist alles drumherum. Termine finden, Calls aufsetzen, Gespräche vor- und nachbereiten, auf Feedback der Gesprächspartner:innen warten, unterschiedliche Bewertungen zusammenbringen. Einige Aufgaben sind zeitintensiv, andere nervig. Clevere Tools können dabei jede Menge Arbeit abnehmen. Sie unterstützen bei der Organisation, Nachbereitung und Evaluierung.

So macht die Personalauswahl mehr Spaß und liefert bessere Ergebnisse. Und Recruiter:innen haben mehr Zeit und Ressourcen zur Verfügung für die wirklich wichtigen Aufgaben.

Welche Tools können bei Vorstellungsgesprächen unterstützen?

Interview-Intelligence-Tools bieten fast alle die gleichen Grundfunktionen. Sie zeichnen die Vorstellungsgespräche auf, transkribieren sie und erstellen eine Zusammenfassung. Einige geben danach Feedback an die Interviewer:innen, um zukünftige Gespräche zu verbessern. Andere geben Live-Hinweise während des Interviews oder helfen bei der Erstellung eines Leitfadens. Neben den hier vorgestellten Tools gibt es noch eine Reihe weiterer Anbieter. Unbedingt selbst recherchieren, welche die eigenen Anforderungen erfüllen!

BrightHire

BrightHire unterstützt bei der Vorbereitung auf Interviews durch Zusammenfassungen und Highlights von vorherigen Gesprächen und Gesprächsleitfäden. Während des Gespräches gibt das Tool Live-Hinweise, zeichnet das Interview auf und erstellt automatisch Notizen. Stakeholder der Personalauswahl können direkt im Transkript Kommentare hinterlegen und so zielführend zu einer Entscheidung kommen. Darüber hinaus gibt BrightHire automatisch und personalisiertes Feedback zu den geführter Vorstellungsgesprächen, um die zukünftige Performance zu verbessern.

Pillar

Pillar bietet ganz ähnliche Funktionen. Das Tool zeichnet das Gespräch auf, erstellt ein Transkript und Zusammenfassungen. Pillar bietet auch ein Coaching an, um Vorstellungsgespräche zu verbessern. Ein besonderer Fokus liegt bei dem Tool auf dem Diversity Recruiting. Das soll erreicht werden durch Live-Feedback im Gespräch, strukturierte Interviews und einen direkten Vergleich zwischen Talenten.

Metaview

Metaview zeichnet das Gespräch auf, macht Notizen und erstellt im Anschluss eine Zusammenfassung des Gespräches mit den gestellten Fragen und entsprechenden Antworten. Zuletzt wurde ChatGPT integriert. Mit den Features können über einen Kandidaten Fragen gestellt werden (“Erstelle mir eine Zusammenfassung über die Kandidatin in 3 Sätzen”) und Metaview bzw. ChatGPT gibt eine Antwort aus. In einigen Bewerbermanagementsystemen kann Metaview automatisch die Interview-Scorecards ausfüllen, in anderen unterstützt das Tool bei der Evaluation.

BarRaiser

BarRaiser stellt Zusammenfassungen von Gesprächen zur Verfügung und erleichtert außerdem die Zusammenarbeit und Entscheidung nach Interviews. Im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Tools liegt bei BarRaiser der Fokus deutlicher auf der Performance der Interviewer:innen. Das Tool gibt nach jedem Gespräch ein Performance Review zu über 40 verschiedenen Punkten, um die zukünftige Leistung in Vorstellungsgesprächen zu verbessern und Interviewer:innen zur Reflexion anzuregen.

Nachteil von Interview Intelligence

Alle vorgestellten Tools kommen aus den USA. Im Recruiting wird mit persönlichen Daten hantiert. Eine Mischung, bei der die Alarmglocken angehen sollten. Das Aufzeichnen, Transkribieren und Speichern von Vorstellungsgesprächen, alleine schon die Verarbeitung der Daten, ist nicht ganz unkritisch. Zwar sagen einige Tools explizit, dass sie mit der DSGVO konform seien, wir können und wollen an dieser Stelle aber keine rechtlichen Empfehlungen aussprechen. Frag am besten dein Legal Team, um beim Thema DSGVO auf der sicheren Seite zu sein.

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Nutzt du Tools, um die Performance in Interviews optimieren zu können? Wie stellst du sicher, dass Hiring Manager aus dem Fachbereich gute Vorstellungsgespräche führen, auch wenn sie nur wenig Ahnung von Recruiting und Eignungsdiagnostik haben? Trackst du Quality of Hire als KPI und konntest du positive Auswirkungen feststellen, nachdem du den Auswahlprozess optimiert hast? Wir würden uns über Gedanken zu dem Thema freuen: Schreib uns eine Mail oder eine kurze LinkedIn-Nachricht.

[HTTP410] Darf ich vorstellen: Unser Feelbad Manager

Ich bin ehrlich erfreut, dass das Konzept Feelgood Manger immer mehr Anhänger in deutschen Firmen findet. Es sind nicht unbedingt große Vorzeigeunternehmen aus irgend welchen Awesome Company Rankings, sondern auch kleinere Firmen wie Spreadshirt in Leipzig – die es schon seit 2011 erfolgreich damit in die Medien schaffen und ein gutes Employer Branding aufbauen – und Firmen mit Namen wie billiger-mietwagen.de, was nun nicht danach klingt, als nähme man dort viel Geld für eine Arbeitgebermarke in die Hand. Der Hintergrund ist klar: Auch hartes Business und kommerzieller Erfolg können Spaß machen, ja müssen vielleicht sogar Spaß machen. Nur so bindet man seine besten Mitarbeiter und hat es leichter, neue gute Leute zu finden, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können und deswegen nicht zu irgend welchen Knochenbrechern gehen würden.

Apropos Knochenbrecher: Keinen Feelgood Manager zu haben, ist nicht das ganz große Problem. Ein schlimmes Problem hingegen ist der Feelbad Manager. Es gibt ihn in fast jeder Firma. Auch in den ganz guten, da aber seltener und oft überlebt er dort nur eine kurze Zeit.

Woran erkennt man den Feelbad Manager?

Man erkennt ihn daran, dass seine Teams nicht zur Ruhe kommen und sie dadurch nie nachhaltig Erfolge vorweisen können. Ständig muss man dort nachrekrutieren, irgendwelche Feuer löschen und Konflikte schlichten oder Mitarbeiter in andere Teams umsetzen. Es fehlt Struktur, Vision und offene, wertschätzende Kommunikation. Nicht selten kommt der Feelbad Manager persönlich zum HR-Chef und beklagt sich über die Qualität seiner Mitarbeiter. Oder er schreibt eine E-Mail mit seinem Chef in CC und fordert den HR-Manager dazu auf, die faulen und inkompeteten Kollegen zu entlassen. Wenn er endlich durch die erste Vorhölle des Arbeitsgerichts gelernt hat, dass man Mitarbeiter nicht einfach feuern kann, fängt er an, mit Abmahnungen um sich zu schmeißen. Das Team hinter sich zu vereinen, ihm ein klares Ziel und damit eine gemeinsame Motivation zu geben, hat er nie gelernt.

Der Feelbad Manager hat nicht nur keine Management-Skills, er ist oft auch persönlich sehr unangenehm. Nicht selten ist er als ehemals hervorragende Fachkraft in eine Position befördert worden, die ihn deutlich überfordert. Er spürt das, ist verunsichert und versucht sich zu schützen. Zum einen dadurch, dass er weiter versucht, das zu steuern, was er beherrscht: die operativen Tätigkeiten. A.k.a. Micro Management. Zum anderen versucht er sich durch das Prinzip Angriff als beste Verteidigung zu behaupten: Schon prophylaktisch zeigt er mit dem Finger auf die Kollegen, denn er weiß ja, dass irgend etwas schief gehen wird. Andere Manager um ihn herum sind genervt, rollen mit den Augen und die Zusammenarbeit zwischen den Teams wird noch schlechter. Immer sind die anderen Schuld, am liebsten die Mitarbeiter unter ihm oder gleich das gesamte andere Team, er nennt sie alle unfähig oder einfach nur scheiße. Vor Kraftausdrücken (in seinen E-Mails) hat er keine Angst. Wir kennen das auch von ängstlichen Hunden: Sie bellen viel und laut.

Natürlich gibt es viele verschiedene Ausprägungen des Feelbad Managers. Es gibt auch die Choleriker, die Narzisten und die sehr erfahrenen Machtmenschen. Das kann – je nach eigenem Geschmack – alles unangenehm sein, aber niemand macht den Feelbad Manager so gut wie der von seinen Mitmenschen überforderte Chef. Seine Mitarbeiter können nicht einmal zu ihm aufblicken, denn sie spüren seine Erbärmlichkeit.

Was tun? Zaubertrick!

Ich hatte in meiner Zeit bei einem dieser Vorzeigeunternehmen, das auch 2014 wieder Platz eins im GPTW Ranking belegt, einen Feelbad Manager. Sein Vorgänger wollte schon seit einer Weile wieder zurück in die USA versetzt werden und nahm sich am Ende keine Zeit mehr, den richtigen Nachfolger zu finden. Ich weiß noch, wie er mit dem neuen vor uns stand und meinte, er sei überzeugt davon, dass der neue einen hervorragenden Job machen würde. Der neue beschränkte sich aber vor allem darauf, seinen Porsche spazieren zu fahren und sich ansonsten hinter seiner Unfähigkeit zu verstecken: Sinnlose und hektische Umstrukturierungen führten zu einem vollständigen Erliegen der Arbeit, wofür er dann seine neuen Mitarbeiter bestrafte.

Die Konzernleitung sah sich seine Unfähigkeit knapp drei Monate an, dann war er verschwunden. In der Regel wird ein Manager irgendwie wegbefördert oder auf einen Posten gesetzt, der demnächst obsolet wird. Doch in diesem Fall war es wie ein Zaubertrick: Er war von einem auf den anderen Tag und ohne Kommentar verschwunden. Sein nächst höherer Chef übernahm vorübergehend und nach einiger Zeit gründlicher Personalauswahl wurde er durch einen sehr fähigen Manager ersetzt.

Ich bin sehr für Entwicklung und Management Trainings, aber wenn solch ein Feelbad Manager nicht am Anfang seiner Karriere steht, sondern mittendrin und angeblich Erfahrung im Team-Management hat, hilft nur eins: Radikal aus der Organisation entfernen und zwar schnell, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.

Langfristiger und die Organisation als Ganzes betrachtet, hilft natürlich Personalentwicklung am besten. Nicht nur Management Trainings sind besonders am Beginn der Führungskarrieren wichtig, sondern auch Performance Management. Bevor ein Unternehmen versucht, unter seinen Hunderten Mitarbeitern die “Spreu vom Weizen” zu trennen, empfehle ich Performance Management auf den Ebenen ab Teamleiter aufwärts. Denn hier wird der größte Schaden angerichtet. Wenn jemand Sales vermasselt oder schlecht programmiert, kann man das meist rasch reparieren. Wenn aber aus der Führungsriege heraus die Unternehmenskultur versaut wird, ist das ein nachhaltiger Schaden für alle: Mitarbeiter werden demotiviert, kooperieren nicht, reden schlecht über die Firma und ehe man sich’s versieht ist auch draußen der Ruf versaut und man bekommt keine guten Mitarbeiter und fähige Führungskräfte mehr ran.

Ich freu mich über jeden Feelgood Manager, aber vielleicht bräuchten wir die gar nicht, wenn wir uns bei der Auswahl und Entwicklung von richtigen Managern mehr Mühe geben würden. Das Ziel sollte sein: Jeder Manager im Unternehmen ist ein Feelgood Manager.

Open Hiring: Job ohne Vorstellungsgespräch?

Der Recruiting-Prozess dürfte in den allermeisten Unternehmen ziemlich ähnlich aussehen. Im Fachbereich wird ein Bedarf erkannt, nach dem Briefing schreibt das Recruiting eine Stellenanzeige. Zu den Maßnahmen im Personalmarketing zählen vor allem die Schaltung der Anzeige und häufig noch ein wenig Werbung auf den gängigen Social-Media-Kanälen. Nach dem Eintreffen der Bewerbungen durchlaufen Kandidatinnen und Kandidaten dann einen mehrstufigen Auswahlprozess, am Ende bekommt jemand ein Angebot und etwas später beginnt das Onboarding.

Klingt vertraut?

In diesem klassischen Prozess tun sich allerdings zwei Probleme auf: Zum einen der enorme Aufwand, der vom Recruiting sowie den Fachbereichen aufgebracht werden muss und zum anderen ein Auswahlprozess, der von Bias und invaliden Methoden durchzogen ist. Besonders schlimm ist es, wenn sich nach einer aufwändigen Suche herausstellt, dass die falsche Wahl getroffen wurde und der Prozess von vorne starten muss. Für diese Probleme gibt es eine interessante Lösung, die in Deutschland bisher noch keine Anwendung findet: Open Hiring.

Was ist Open Hiring?

5 Gründe für Open Hiring

Open Hiring, anonyme Bewerbungen und Diskriminierung

Wann ist Open Hiring anwendbar?

          High Volume Recruiting bietet perfekte Voraussetzungen

          Können White-Collar-Positionen per Open Hiring besetzt werden?

          Arbeitsmarkt und Open Hiring

Was muss Du bei Open Hiring beachten?

          Stellenanzeigen beim Open Hiring

          Bewerbungsformular mit Knock-Out-Fragen

          Indikatoren für beruflichen Erfolg

Wer nutzt Open Hiring schon?

Was ist Open Hiring?

Beim Open Hiring wird das Potential und die Motivation des Menschen in den Vordergrund gestellt. Wenn eine Stelle ausgeschrieben wird, gibt es keinen Auswahlprozess. Vielmehr wird der Job nach dem Prinzip “First Come, First Serve” an den ersten gegeben, der ihn haben will (oder auf der Warteliste ganz oben steht). Wer arbeiten will, der tut es einfach. Ohne Vorstellungsgespräch oder Lebenslauf, unabhängig von Ausbildung und Erfahrungen.

Mindestkriterien gibt es nur für Berufe, in denen rechtliche Anforderungen gestellt werden. Wer Auto fahren will, braucht einen Führerschein. Wer Gabelstapler fährt, braucht einen Staplerschein. Der Fokus bei Neueinstellungen liegt also beim Onboarding und Training.

Weil so auch gesellschaftlich marginalisierte Menschen eingestellt werden, die Arbeit nicht gewohnt sind, bieten Unternehmen nicht nur eine fachliche Einarbeitung und Weiterbildung, sondern teilweise auch ein persönliches Coaching von Life Coaches an. Das Konzept kommt aus den USA und wurde dort 1982 von der Greyston Bakery entwickelt. Open Hiring entstand dort nicht aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern mit einem sozialen Gedanken im Hinterkopf.

Menschen haben aus verschiedensten Gründen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt: Wegen einer fehlenden Ausbildung, einer kriminellen Vergangenheit, einer Behinderung oder Obdachlosigkeit. Der Gründer Bernie Glassman glaubte aber, dass diese Menschen eine Chance verdienen und stellte sie einfach ein. Unternehmen haben so einen messbaren positiven Einfluss auf die Nachbarschaft und Gesellschaft, sorgen für Chancengerechtigkeit, Respekt und Wachstum – und profitieren auch selbst von Open Hiring.

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5 Gründe, die für Open Hiring sprechen

Geringere Kosten: Personalmarketing kostet Geld, Auswahlprozesse kosten Ressourcen. Durch Open Hiring kann der Cost-per-Hire dramatisch gesenkt werden. Diese Einsparungen können stattdessen ins Learning & Development investiert werden.

Schnellere Prozesse: Der Auswahlprozess bei The Body Shop hat vor der Einführung von Open Hiring etwa 30 Tage für die Kandidat*innen gedauert. Dank Open Hiring wurde der Prozess zwischen Bewerbung und Einstellung auf fünf bis zehn Tage verkürzt.

Höhere Retention: The Body Shop berichtet davon, dass der Turnover um 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesenkt werden konnte. Dadurch sei sogar die Produktivität im Lager um 13% gestiegen.

DEI: Open Hiring ermöglicht es, Bias aus dem Recruiting zu entfernen. Sehr schnell wird die Belegschaft diverser. Gruppen, die bisher strukturell benachteiligt waren, bekommen durch Open Hiring eine echte Chance.

Sozialer Impact: Die Greyston Bakery ist im Grunde ein soziales Unternehmen. Sie backen keine Brownies, um Profite zu erzielen. Sie backen Brownies, um Leute zu beschäftigen. Insofern freut sich die Geschäftsführung zwar auch über grüne Zahlen, noch mehr aber über die vielen individuellen Geschichten ihrer Angestellten und den positiven Impact, den eine Beschäftigung bei der Firma hat.

Open Hiring, anonyme Bewerbungen und Diskriminierung

Unternehmen, die Menschen ohne Vorstellungsgespräch und Auswahlprozess einstellen, laufen keine Gefahr, unbewusste Biases anzuwenden oder (ungewollt) Gruppen zu diskriminieren. Beim Open Hiring spielt es keine Rolle, welches Geschlecht Interessierte haben, wo sie herkommen, welchen Bildungsgrad sie haben oder ob der Lebenslauf Lücken enthält.

Anonymisierte Bewerbungen sind daher anfangs vergleichbar. Bei solchen Bewerbungen wird das Alter, Name, Adresse, Foto und alle anderen Angaben, die Aufschluss über persönliche Merkmale geben könnten, geheim gehalten. Nur die fachlichen Skills und Erfahrungen können bewertet werden. Häufig werden diese Erfahrungen dann in einem ausführlichen Bewerbungsformular eingegeben und nicht in einem CV präsentiert. Denn auch die Frage, ob ein Lebenslauf schön designed ist oder nicht kann schon zu Vorverurteilungen führen.

Erst in späteren Stufen des Auswahlprozesses, bei einem telefonischen oder persönlichen Interview, wird die Anonymität gelüftet. Open Hiring geht im Vergleich zu anonymen Bewerbungen also noch ein Stück weiter, ist aber nicht in allen Fällen anwendbar.

Wann ist Open Hiring anwendbar?

High Volume Recruiting bietet perfekte Voraussetzungen

In den Sinn kommen zuerst einfache Tätigkeiten, vor allem im High Volume Recruiting: Lieferfahrer, Lagerarbeiterinnen, Einzelhandel, Kundenservice, Call Center Mitarbeiter. Jobs, bei denen fachliche Skills und Erfahrungen nur eine untergeordnete Rolle spielen oder schnell erlernt werden können.

Natürlich gibt es auch Berufe, bei denen Open Hiring nicht in Frage kommt. Dass Chirurginnen eine langjährige Ausbildung durchlaufen, ist schon in Ordnung. Auch Entwicklerinnen, Piloten und Lehrer dürfen fachlich fit sein. Und wenn ich mein Auto zur Werkstatt bringe, erwarte ich ebenfalls ein gewisses Maß an Ausbildung und Qualität.

Können White-Collar-Positionen per Open Hiring besetzt werden?

Es ist natürlich denkbar, auch andere Business-Funktionen per Open Hiring zu besetzen. Denn der Gedanke bleibt hier gleich: Wenn jemand motiviert ist und glaubt, dass er die Stelle gut ausfüllen kann, bekommt er eine Chance und extensives On-the-Job-Training. Dafür spricht zudem, dass es sowieso immer eine Onboarding-Phase gibt. Marketing-Stellen können in zwei Unternehmen grundverschieden sein, Prozesse und Strukturen müssen gelernt werden, Ton und Ansprache der Zielgruppe sind immer anders.

Arbeitsmarkt und Open Hiring

In welcher Arbeitsmarktlage macht Open Hiring überhaupt Sinn? Gibt es ein Überangebot an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, bekommt ein Unternehmen auf ausgeschriebene Stellen üblicherweise sehr viele Bewerbungen, die gesichtet und beantwortet werden müssen. Der Auswahlprozess wird so für das Recruiting und den Fachbereich sehr aufwändig. Open Hiring könnte hier helfen, um diesen Prozess abzukürzen. Das Recruiting würde sich in diesem Fall eher um die Pflege des Talentpools oder einer Warteliste kümmern und hätte für neue Positionen dann immer sofort einen Kandidaten parat.

Herrscht Fachkräftemangel, müssen Unternehmen um jeden Bewerber kämpfen. Im Auswahlprozess stehen sie dann vor der Entscheidung, die Stelle mit einer Kandidatin zu besetzen, die eventuell nicht perfekt auf die Anforderungen passt – oder noch weitere Wochen auf die perfekte Bewerberin zu warten. Open Hiring könnte hier zwei Dinge für das Unternehmen tun: Die Stelle wird schnell besetzt (dafür dauert das Onboarding u.U. länger), und das Unternehmen wird sicherlich im Employer Branding davon profitieren.

Es gibt immer wieder Unternehmen, die durch ihr ungewöhnliches Recruiting oder Personalmarketing auf sich aufmerksam machen. Sei es die Deutsche Familienversicherung, die Bewerbern Geld schenkt, die Glaserei Sterz mit ihrem berühmten Glas-kaputt-Video oder die Deutsche Bahn, die mit ihrem Verzicht auf Anschreiben für gute Presse sorgen konnte. Open Hiring wird – richtig beworben – sicherlich zu einiger Aufmerksamkeit führen.

Was musst Du dabei beachten?

Vielleicht findest Du das Konzept spannend, hast regelmäßig Positionen, die sich gut per Open Hiring besetzen lassen und kannst interne Stakeholder von Open Hiring begeistern. Was musst Du dabei jetzt beachten? Wo gibt es Unterschiede zum herkömmlichen Bewerbungsprozess und Auswahlverfahren?

Stellenanzeigen beim Open Hiring

Stellenanzeigen müssen wohl deutlich ausführlicher formuliert werden, sowohl Unternehmen, Produkte, Aufgaben und Anforderungen genauer beschrieben werden. Die Anzeige dient nicht mehr nur als Marketinginstrument, das potentielle Bewerberinnen und Bewerber begeistern soll. Vielmehr muss die Stellenanzeige genau beschreiben, welche Aufgaben genau im Job anfallen werden. Bewerber müssen einschätzen können, ob sie die Stelle gut ausfüllen können.

Die Anforderungen dürfen dann auch wieder etwas ausführlicher sein: Was sind Ausschlusskriterien? Was muss die Kandidatin auf jeden Fall mitbringen? Gibt es Anforderungen hinsichtlich körperlicher Fitness, Arbeitszeiten, Arbeitsort, Sprachen?

Bewerbungsformular mit Knock-Out-Fragen

Das Bewerbungsformular darf im herkömmlichen Recruiting-Prozess keine Hürde darstellen, die One-Click-Bewerbung wird deswegen immer beliebter. Beim Open Hiring ist es denkbar, dass diese Entwicklung rückgängig gemacht wird. Der Kandidat darf hier gerne etwas Aufwand aufbringen und seine Motivation zeigen – immerhin steht am Ende ein sicherer Job. Im Bewerbungsformular sollten im Übrigen die Must-Have-Kriterien abgefragt werden. Muss die Kandidatin einen Führerschein haben und fließend Deutsch sprechen? Hier wäre der richtige Zeitpunkt, um tatsächlich unpassende Bewerber auszusortieren.

Indikatoren für beruflichen Erfolg

Führt das nicht zu totalen Katastrophen? Es ist doch so: In Personalauswahlverfahren ist der beste Indikator vom späteren Berufserfolg die Intelligenz des Kandidaten. Interessen des Kandidaten können den beruflichen Erfolg übrigens fast so gut vorhersagen wie Telefoninterviews und genauso gut wie Arbeitsproben (Bitte bei Jo Diercks mehr lesen!).

Im Open-Hiring-Bewerbungsprozess könnten also mit Intelligenz- und Interessenstests zusätzliche Hürden eingebaut werden, die ein Bewerber bestehen muss, um für Positionen in Frage zu kommen. Statt eines klassischen Auswahlverfahrens könnten Bewerberinnen also einfach einen Online-Test ihrer kognitiven Fähigkeiten absolvieren – bestehen sie diesen, könnten sie direkt eingestellt oder auf die Warteliste gesetzt werden. Im Ergebnis wirst Du im Zweifel sogar bessere Kandidaten bekommen als durch einen klassischen Auswahlprozess.

Job ohne Vorstellungsgespräch – Wer macht das 2023 schon?

In den USA ist der Vorreiter die Greyston Bakery, auch The Body Shop hat Anfang 2020 Open Hiring eingeführt. Seit 2023 nutzt auch IKEA Open Hiring. In den Niederlanden gibt es schon viele Unternehmen, die einige oder alle Position via Open Hiring besetzen. Hier findest Du eine Übersicht und Hintergrundinformationen zu diesem besonderen Verfahren in der Personalauswahl. In Deutschland ist dieses Verfahren noch nicht so präsent.

Allerdings gibt es einige Unternehmen oder Jobs, bei denen das Auswahlverfahren dem Open Hiring schon ähnelt. Lieferfahrer:innen für Lieferando, Gorillas, Flink & Co. durchlaufen kein extensives Auswahlverfahren. Wer im Call Center arbeiten möchte, wird eher “eingewiesen” als ausgewählt. Und Lagerarbeiter:innen bei Amazon und Flaschenpost werden ebenfalls keine hohen Anforderungen gestellt. Auch wenn über diesen Verfahren nicht offiziell “Open Hiring” steht, so gibt es doch auffällige Überschneidungen.

Im März 2023 hat Deutschlandfunk Nova hörenswert über Open Hiring bei der Greyston Bakery berichtet.

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