Gastartikel: Was heißt Digitalisierung in der HR-Praxis?

Eine Anleitung für kleine und mittlere Firmen

Digitalisierung ist das neue Buzzword und zwar auch in so menschelnden Feldern wie dem Personalmanagement, wo man eigentlich eher Feelgoodmanager und Führungskräfte-Coaching mag. Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung werden heute in allen Berufsfeldern diskutiert. Etwas jedoch ist besonders an diesen Buzzwords – anders als Burnout oder Work-Life-Balance werden uns Automatisierung und Digitalisierung auch im HR als dauerhafte Phänomene erhalten bleiben. Arbeitsbereiche wie Rechts- oder Personalabteilungen tun sich noch immer schwer mit einer Modernisierung, die in anderen Bereichen wie Logistik oder Marketing schon weit fortgeschritten sind.

Immer wieder habe ich beobachtet, wie sich intelligente Kollegen in den Personalabteilungen von jungen und modernen Technologieunternehmen täglich damit beschäftigen, Dokumente zu erstellen, umständlich Daten zu kopieren, ungenaue Reportings zu produzieren und mit den immergleichen Auskünften zu den E-Mail-Fluten im Unternehmen beizutragen. Erstens ist das doch keine Arbeit, die unserem Bildungsniveau gerecht wird und uns erfüllt. Zweitens ist dann auch klar, dass es zu der immer wieder zurecht geforderten Wertschöpfung durch diese Abteilungen im Unternehmen nicht kommen kann.

Die Herausforderung für solche Unternehmen ist freilich, dass sie nicht einfach Geld und Ressourcen auf diese Probleme schmeißen können und sich etwa so ein umfänglich automatisierbares System wie Workday für Support und People Analytics hinstellen können, das dann wiederum eigens angestellte Mitarbeiter zu Einrichtung und Pflege benötigt. Die Unternehmen, von denen ich rede, haben zwischen 50 und 500 Mitarbeiter, deren Stammdaten sie bis eben noch in Excel-Tabellen gepflegt haben. Welche ersten Schritte der Automatisierung kann HR in so einer Firma tun, um allen Mitarbeitern einen zeitgemäßen Service zu leisten und sich selbst zu entlasten, um endlich vernünftige Arbeit zu machen?

Projektübersicht

Zusammen mit zwei Kollegen habe ich in einem Tech-Startup von 400 Mitarbeitern den internen Support und das Personal-Reporting auf Self-Service umgestellt und weitestgehend automatisiert. Das Projekt hat 6 Monate rund 80% eines eigens eingestellten Entwicklers und ca. 10% eines Projektmanagers in Anspruch genommen. Weiterhin wurden ca. 10 Stunden auf die Erstellung von Hilfe-Content verwandt. Weitere Kosten mussten nicht aufgewandt werden, da alle Tools bereits durch verschiedene Teams im Unternehmen genutzt und lediglich auf intelligente Weise gekoppelt wurden.

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Quelle: Gilbert Dietrich

Die einzelnen Schritte

1. Konzept für die Support- und Reporting-Plattform

Ich komme ursprünglich aus dem Nutzer- und Kunden-Support, wo automatisierte Lösungen zur Selbsthilfe mit Anleitungen in Help Centern und personalisierte Hilfe über Ticketsysteme genauso an der Tagesordnung sind, wie detaillierte Analysen der Nutzergruppen und deren Verhalten. Angelehnt daran haben wir ein internes Help Center mit Artikeln zu allen relevanten internen Prozessen vom Onboarding über Feedback, Beförderungen, Benefits bis hin zum Offboarding konzipiert, um Mitarbeitern eine schnelle Hilfe zu solchen How-To-Themen zu bieten, bei denen keine individualisierten Antworten nötig sind.

Eingebettet in dieses Hilfe-Center sind Kontakt-Formulare, ein Dokumenten-Center und eine Schnittstelle für Änderungen von Stammdaten der Mitarbeiter. Die Kontaktformulare auf jeder Seite des Hilfe-Centers sind an ein Ticketsystem angebunden. Vorteil eines solchen Systems ist, dass Anfragen der Mitarbeiter nicht in persönlichen E-Mail-Konten landen, dass die Anfragen nach Thema und Herkunft kategorisier- und reportbar sind und dass die Antworten über das Ticketsystem anhand von Schlagworten automatisierbar sind. In einer Weiterentwicklung wird ein Chat-System mit Bots eingebunden, sodass bei geeigneten Fragen auf Tickets auch ganz verzichtet werden kann. Das Dokumenten-Center soll über eine Schnittstelle zum HR Informationssystem (HRIS) von Mitarbeitern benötigte Dokumente wie z.B. Kopien der persönlichen Gehaltsabrechnung, Arbeitgeberbestätigungen oder Nebentätigkeitsbescheinigungen auf Knopfdruck erstellen. Die Vorlagen dazu sind über Google Drive angebunden und die Daten werden über eine API des HRIS eingespeist. Über die Schnittstelle für Änderungen von Stammdaten können Manager das HRIS über Änderungen wie z.B. neue Teilzeit ihrer Mitarbeiter, Titeländerungen oder Teamwechsel aktualisieren.

Parallel zu dieser Support-Lösung haben wir die Möglichkeit genutzt, die im HRIS und ATS ohnehin bereitstehenden Daten zu Mitarbeitern und Kandidaten anonymisiert über ein Dashboard (z.B. Tableau) zu visualisieren. Der Vorteil dabei ist, dass einmal korrekt konfigurierte Reports für jeden im Unternehmen zugänglich werden und fehlerfrei und ohne weiteren Arbeitsaufwand aktualisiert werden können. Für uns sind das im ersten Schritt Daten zur Mitarbeiterzahl, zur Verweildauer im Unternehmen oder Diversity- und Recruiting-Reports. All diese Daten können nach verschiedenen Dimensionen wie Geschlecht, Hierarchie, Standort, Teams und so weiter ausgewertet werden. Wer Personalentwicklungen quantifizieren kann, weiß auch, wo Handlungsbedarf ist und kann Ressourcen bei der Geschäftsführung locker machen.

Das Testen am Nutzer im Fortschritt des Projekts war ein enorm wichtiger Bestandteil unseres Vorhabens. Nichts ist schlimmer, als monatelang an einem Projekt gearbeitet zu haben, um dann hinterher herauszufinden, dass die “Kunden” es nicht nutzen wollen oder können. Zum Ende des Projekts wird außerdem die Einführung der Plattform enorm wichtig. Wir haben von Blogposts über Beacon-Screens, Präsentationen und Tutorials verschiedene Kanäle genutzt, um unseren Mitarbeitern die neue Plattform schmackhaft zu machen. Der Vorteil einer Support-Plattform ist außerdem, dass sie selbst ihr bester Werbekanal ist. Man kann aus den automatisierten E-Mails immer wieder auf die richtigen Hilfeartikel im Intranet hinweisen und die Annahme der Plattform bestens messen.

2. Infrastrukturelle Voraussetzungen

Die wichtigste Voraussetzung ist, sich von Excel und ähnlich simplen Datenspeichern für Stamm- und Recruitingdaten zu verabschieden. Jeder anspruchsvolle Personaler sollte sich weigern, mit solchen rudimentären Werkzeugen im administrativen Urschleim zu verharren. Stattdessen benötigt man ein simples, kostengünstiges und Cloud basiertes HR Informationssystem wie z.B. BambooHR und ein Applicant Tracking System (ATS), wenn es nicht bereits im HRIS enthalten ist. Weiterhin sollte man sich interne Lizenzen für ein Ticketsystem besorgen, das andere Teams wie Customer Care ohnehin extern benutzen. Wir benötigen zudem eine Content-Plattform wie etwa Confluence (in technischen Teams meistens ohnehin genutzt), wo die Selbsthilfe-Artikel zugänglich sind und Dokumenten-Templates gespeichert werden (wir nutzen zusätzlich Google Drive mit seinen offenen Schnittstellen und Scripts).

3. Projektressourcen

HR muss analytisch und technisch kompetenter werden, um den zeitgemäßen Ansprüchen von Mitarbeitern und Geschäftsführung gerecht zu werden. Ohne diese Fähigkeiten ist eine Mitsprache und Einflussnahme auf Augenhöhe im Unternehmen nicht möglich. Die erforderliche technische Kompetenz ist jedoch kaum durch Training vorhandener HR-Mitarbeiter allein herstellbar, denn es geht hier durchaus um technische Expertise, die man typischerweise in IT und Software Development findet. Auch ist es in der Regel keine gute Strategie, diese Expertise aus den technischen Abteilungen im Unternehmen anzufragen. Denn bei aller kollegialen Liebe und Bereitschaft zur Hilfe untereinander, werden HR-Projekte für firmeninterne Entwickler in ihrer Priorität nie mit kunden- oder nutzerseitigen Projekten konkurrieren können. Das Ergebnis eines solchen internen Bemühens ist in der Regel ein enthusiastischer Projekt-Kick-Off gefolgt von einem schleppenden Anlaufen und dem baldigem “Pausieren” des Projekts im Angesicht der unternehmerischen Prioritäten.

Aus diesen Gründen haben wir uns entschlossen, eine offene HR-Stelle mit einem Entwickler anstatt mit einem HRler zu besetzen. Auf diese Weise war das Projekt auch technisch in unserer Verantwortung, zeitlich durch uns zu steuern und nicht mehr abhängig von Ressourcen und Prioritäten, die außerhalb unserer Kontrolle lagen. Ein weiterer und klarer Vorteil ist, dass man damit technisches Know-How in sein HR-Team einträgt und einen Sinneswandel weg vom Administrativen hin zu technischen und analytischen Fähigkeiten vorantreibt. Wir können als HR nur “zukunftsfähig” werden, indem wir die nötigen “Skills” auch wirklich aufbauen.

Ergebnis

Mit unserer automatisierten Support- und Reportingplattform haben wir zum einen erreicht, den internen HR-Support für die Mitarbeiter über Hilfe-Seiten im Intranet und ein angeschlossenes Ticket-System weitestgehend auf Selbst-Hilfe umzustellen und z.B. bei der Dokumentenerstellung und Beantwortung von Fragen zu automatisieren. Erste Reports zeigen uns, dass wir etwa 80% der zuvor beantworteten E-Mail-Anfragen nun durch Selbsthilfe oder automatisierte Antworten bedienen können. Frei werdende Arbeitszeit kann somit für die wirklich kritischen und individuellen 20% der Anfragen und für wertschöpfende Arbeit etwa im Talentmanagement oder der Personalentwicklung genutzt werden.

Wir haben unseren Mitarbeitern geholfen, sich selbst zu helfen, anstatt einhergehend mit langen Wartezeiten auf knappe HR-Ressourcen angewiesen zu sein. Mitarbeiter haben nun zum einen ein modernes Support-Erlebnis, das sie aus dem Internet ohnehin gewohnt sind und das ich für einen attraktiven Arbeitgeber unentbehrlich finde. Zum anderen sind Mitarbeiter nicht mehr abhängig von individuellen Auskünften und Verfügbarkeiten im HR-Team, sondern haben einen direkten Zugang zu alle Ressourcen, um Auskünfte und Dokumenten dann zu erhalten, wenn sie es brauchen und ihre Daten an uns dann zu übermitteln, wenn es wichtig ist. Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter steigt und HR wird nicht mehr als Admin-Team wahrgenommen, das mit dem Volumen der Anfragen kämpft, sondern als ein wertschöpfendes Team unter anderen. Das Feedback sowohl aus der Geschäftsführung als auch von den Nutzern der Plattform war deutlich positiv.

Außerdem haben wir unser HR-Reporting zu Headcount, Attrition und Diversity über einfache Schnittstellen automatisiert. Im Ergebnis hat das die Arbeitszeit für regelmäßige Reports fast ganz eliminiert, Fehler durch händisches Erstellen der Reports eliminiert, den Übergang zu People Analytics ermöglicht und jegliches Personalreporting in der Firma für Mitarbeiter und Manager über ein Dashboard transparent gemacht. Die freiwerdende Zeit kann nun für gründliche Sonderreports und für die ersten Schritte einer wirklichen People Analytics genutzt werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass viele kleinere Firmen und Start-Ups sich keine großen HRIS-, Support- und Reporting-Lösungen leisten können und es ganz verständlich ist, dass sie ihre finanziellen Ressourcen auf ihr Kerngeschäft richten. Trotzdem muss eine HR-Abteilung in Sachen Digitalisierung und Modernität nicht hinter anderen Teams im Unternehmen hinterherhinken. Mit unserer Lösung können bereits im Unternehmen vorhandene Tools so verbunden werden, dass weder teure Komplettlösungen gekauft noch eigene Tools entwickelt werden müssen. Die dadurch erreichten Synergie-Effekte machen die mehrmonatige Entwicklung zu einer guten Investition (vergl. auch die ebenfalls mehrmonatige und teure Einführung von Komplettsystemen).

Unsere simplen Projektschritte (Definition und Design vom Nutzer her, Nutzer-Tests und Change Management) haben das Projekt zusammen mit dem Einstellen einer eigenen Entwickler-Ressource (Unabhängigkeit von anderen Entwicklungsteams) zu einem großen Erfolg gemacht.

Vom heißen Trend zur Realität: HR Analytics

Schon in den letzten Jahren wurde HR Analytics als eines der heißesten Themen der Branche gehandelt. Bekanntlich dauert es jedoch etwas, bis solche Trends auch im realen Leben ankommen. Laut des umfangreichen Global Human Capital Trend 2016 Report, der Anfang letzter Woche von dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte veröffentlicht wurde, ist es jedoch langsam soweit. Dort wird dem Thema People Analytics ein eigenes Kapitel gewidmet – und siehe da, es tut sich etwas.

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Zur Erinnerung, People Analytics (hierzulande eher unter dem Begriff HR Analytics bekannt) soll subjektive Entscheidungen in Personal- und Organisationsfragen mithilfe von Daten fundierter und zielgerichteter machen. Interne und externe Daten rund um ein Unternehmen können vor dem Hintergrund von Sozial- oder Motivationspsychologie, Verhaltenswissenschaften oder Business Intelligence analysiert werden und mithilfe von statistischen Mitteln untersucht und weiterverwendet werden (z.B. durch die Umwandlung in Algorithmen etc.).

Während in den vergangenen Jahren viel und ausführlich über das Thema gesprochen wurde, nimmt die reale “People Analytics Revolution” nun tatsächlich im globalen Rahmen Fahrt auf. Von den knapp 7100 befragten Unternehmen und HRlern gaben letztes Jahr nur 4% an, tatsächlich in der Lage zu sein, anhand von Analytics HR-bezogene Vorhersage-Modelle erstellen zu können. Dieses Jahr sind es immerhin doppelt so viele. 32% der Unternehmen glauben, sie seien (in welcher Form auch immer) bereit für Analytics, immerhin ein Drittel mehr als im Jahr zuvor.

Dazu trägt laut Deloitte neben der steigenden Akzeptanz für das Thema auch der vereinfachte Zugang bei, da Analytics Technologie immer häufiger von vornherein in ERP-oder Bewerbersysteme integriert ist. Vor allem Cloud-basierte Systeme mit integrierten Analytics Tools erlauben es den Unternehmen, HR-Daten im Großen und Ganzen zu sehen. Nahezu 40% der befragten Unternehmen planen die Anschaffung neuer HR-Systeme über den Zeitraum der nächsten 2 Jahre oder haben ihr altes System bereits kürzlich ersetzt. Mit der Nachfrage wächst auch das Angebot, nicht nur auf technischer Ebene, sondern auch an Arbeitskräften.

Companies are now bringing industrial and organizational psychologists, statisticians, and analysts from other domains into HR; they are attracted to analytics because it is an exciting, new, and still-fluid area.

Die Zahlen sprechen für sich: Im Durchschnitt halten 77% der Teilnehmer People Analytics für wichtig.

Verwunderlich ist das nicht. So kann People Analytics in den verschiedensten Bereichen, abhängig etwa von der jeweiligen Branche, nutzbringend sein. Im Report werden eine ganze Reihe von Beispielen aufgeführt, von denen hier nur wenige aufgegriffen werden sollen:

  • Ein High-Tech Unternehmen konnte erfolgreich ein Analytics Modell erstellen, dass präzise voraussagt, welche Bewerber sich als “giftige Mitarbeiter” erweisen sollten (also solche, die lügen, betrügen und auch sonst jede Menge kriminelle Energie haben).
  • Automobilhersteller studieren die Muster von ungeplanter Abwesenheit ihrer Mitarbeiter, um voraussagen zu können, wann sich die Mitarbeiter wahrscheinlich einen Tag freinehmen. Dies ermöglicht ihnen, anschließend zusätzliche Arbeitskräfte für eine bekannte Zeitperiode von Abwesenheit einzuplanen und so abzufedern.
  • In Zusammenarbeit mit einer Softwarefirma analysiert ein Pharmakonzern Daten von LinkedIn und anderen sozialen Netzwerken, um unter ihren “high potential employees” diejenigen zu identifizieren, bei welchen ein wahrscheinlich hohes “Flucht-Risiko” zu erwarten ist.

Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, erstrecken sich von Recruiting, Produktivität, Einhaltung ethischer Grundsätze (etwa bei Banken) bis hin zu firmenkulturellen Belangen.

Trotzdem bleibt natürlich noch jede Menge Raum für Verbesserungen. 62% der befragten Unternehmen schätzen sich selbst bei der Nutzung von Big Data zu Recruiting-Zwecken als “schwach” ein. Aber die HRler haben die Bedeutung von Analytics grundsätzlich erkannt: 82% von ihnen stufen das Thema als “wichtig” oder “sehr wichtig” ein, während das im Vergleich nur 69% der Geschäftsleute aus anderen Bereichen tun.

Wie aber sieht das bei deutschen Unternehmen und HRlern aus? Leider müssen wir hier einmal mehr mit weniger prickelnden Neuigkeiten aufwarten. Die 209 befragten deutschen Unternehmen bieten im Vergleich ein doch eher enttäuschendes Bild:

HR Analytics Umfrage

Weit abgeschlagen hinter Australien, Südost-Asien und Nord- und Südamerika zeigt West-Europa (mit den erfreulichen Ausnahmen von Italien und den Niederlanden), im Verhältnis zu anderen Regionen, nur erschreckend wenig Interesse an der Materie. Deutschland darf sich hier neben Frankreich zu den ganz schwarzen Schafen zählen.

Wären wir hoffnungslose Zyniker, könnten wir natürlich schreiben, das wäre mal wieder klar gewesen – “das war ja mal wieder klar”.

Wir haben eingesehen, dass neue Entwicklungen in der hiesigen HR-Szene nicht von heute auf morgen adaptiert werden. Außerdem ist gerade hierzulande alles, was mit Big Data in Berührung kommt, ein empfindliches Thema – Stichwort Datenschutz. Da es bei People Analytics um personenbezogene Daten geht, fallen sie meist unter das Bundesdatenschutzgesetz und verlangen überdies eine betriebsrätliche Mitbestimmung.

Eine Rechtfertigung für mangelndes Interesse ist das aber nicht. Wir können nur hoffen, dass das gewaltige Potential von HR Analytics nicht an deutschen Unternehmen vorbeizieht.

[HTTP410] People Analytics zum Anfassen

Im seinem Artikel über Personalarbeit bei Google hat Jan im Juli das Thema “People Analytics” als “eines der heißesten HR-Trendthemen” bezeichnet. Daran hat sich auch in den letzten Monaten nichts geändert. Analysiert man die weltweiten Suchbegriff-Trends, stellt das laufende Jahr den Höhepunkt des Interesses für die Begriffe People Analytics und HR Analytics dar.

Das Interesse an Begriffen wie HR Analytics und People Analytics steigt stetig an.

Auch wenn der deutschsprachige Raum etwas hinterher hängt, dieser Trend wird sich nicht so schnell ändern. Große Unternehmen entdecken das Thema und positionieren sich gerade. Zuletzt kaufte Microsoft die Firma VoloMetrix, die den E-Mail Verkehr und die Kalender der Mitarbeiter auswertet, um die Produktivität zu analysieren und Verbesserungen vorzuschlagen. Die Kauf-Begründung des Microsoft CEOs:

Even small improvements in a person’s day-to-day effectiveness can add up to significant value for an organization and greater employee happiness. … Giving people access to real data and objective, personalized feedback can lead to a virtuous cycle of improvement for both individuals and their company.

Das hört sich toll an. Alles soll besser und alle sollen happy werden. Doch ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder Bewohner der Arbeitswelt, den neuen Möglichkeiten offen gegenüber steht. Gerade hierzulande dürfte die Vorstellung einer systematischen Sammlung und Auswertung von Mitarbeiterdaten noch bei vielen von Euch, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, vorsichtige Zurückhaltung, Misstrauen oder gar Angst und Schrecken auslösen.

Christopher Mims von der New York Times stellt sich die “düstere” nahe Zukunft in etwas so vor und spricht wohl vielen Skeptikern aus der Seele:

Imagine a top corporate executive of the future. Instead of finding out what’s going on in her company by asking her subordinates, she consults a digital dashboard that tells her everything from who is at their desk to how happy they are about it.

The result is something academics have dubbed “people analytics,” and it treats the humans in an organization just like any other asset in the supply chain: as something that can be monitored, analyzed and reconfigured.

Ich bin mir persönlich jedoch nicht so sicher, ob die negativ anmutende, unmenschliche Interpretation der Technologie tatsächlich die treffende ist.

Ein einfaches Beispiel: In vielen Unternehmen werden die Krankheitstage erfasst. Am Ende des Jahres schaut sich der Manager seine Excel-Tabelle an und stellt fest, dass der Mitarbeiter A – X Krankheitstage aufweist. Ohne zusätzliche Kennzahlen, wie z. B. Durchschnitt nach Alter, Position, Branche und sonstige Leistungsmerkmale, könnte die Beurteilung zu einer recht subjektiven Angelegenheit werden. Gerade wenn der Manager dem Mitarbeiter gegenüber voreingenommen ist. Das Ergebnis kann auf diese Weise “unmenschlicher” ausfallen, als bei einer emotionslosen “People Analytics Maschine”, die einfach alle relevanten Werte zur Verfügung hat und einbezieht, um eben eine möglichst objektive Empfehlung auszusprechen.

Technologie und Systematik muss nicht zwangsläufig böse und unmenschlich sein. Ich denke, das menschliche Misstrauen wird oft dadurch bedingt, dass wir einfach nicht genau wissen, wovon wir reden. Wir lesen etwas von Überwachung und malen uns die schlimmsten Szenarien aus.

Der People Analytics Software Anbieter Talent Lab sieht das wohl ähnlich. Auf ihrer Seite kann jeder ihre Software auf spielerische Weise erkunden und besser nachvollziehen, was der Einsatz in der Praxis bedeutet und bringen kann. Es stehen mehrere ausführliche Datasets zur Verfügung. Politiker Sportler und sogar Superhelden können quasi als Mitarbeiter unter die Lupe genommen werden. Eine schöne Idee. Probiert’s aus. Vielleicht hilft es dabei, etwas Misstrauen abzubauen. Vielleicht aber auch nicht.

People Analytics Software Anbieter Talent Lab zeigt sein Dashboard

Hier habe ich z. B. das Superhelden-Unternehmen nach den Kriterien Gute/Böse sowie Intelligenz geclustert. Viel Spaß beim Spielen!

People Analytics: wie Google Daten für die Personalarbeit nutzt

People Analytics ist aktuell eines der heißesten HR-Trendthemen. Wie so häufig, ist Google dabei einer der Pioniere, was nicht zuletzt an der datengetriebenen Ingenieurskultur bei Google liegt. Letztes Jahr habe ich Euch schon vorgestellt, wie Google-Verantwortliche im Bestreben um Gerechtigkeit mit einer Formel über Beförderungen entscheiden. Heute möchte ich Euch drei weitere Cases vorstellen, in denen Google mithilfe von Datenanalysen bessere HR-Entscheidungen trifft.

Die Kerneigenschaften erfolgreicher Manager

Eine der zentralen Kernfragen in der Führungskräfteentwicklung lautet: Was zeichnet einen guten Manager aus? Ausgehend von der kulturgetriebenen Hypothese, dass einen guten Manager vor allem umfassende Fachkenntnis auszeichnet, hat Google tausende Feedbackgespräche ausgewertet, in denen Mitarbeiter ihre Manager beurteilt haben und deren Aussagen mit Performance-Werten angereichert. Herausgekommen ist dabei folgende Liste mit 8 Eigenschaften erfolgreicher Führungskräfte.

8 Eigenschaften erfolgreicher Google Manager

Diese Liste mag für viele von Euch keine großen Überraschungen enthalten. Aber anders als das durchschnittliche Personaler-Bauchgefühl basieren sie eben auf Daten tausenden von Feedback-Gesprächen und Performance-Reviews, was zumindest in meinen Augen mehr Substanz verleiht.

Welche Einstellungspolitik ist am besten für die Organisationsentwicklung?

Im Rahmen des organisatorischen Reifeprozesses kam bei Google die Frage auf, wie sich die Einstellungspolitik auf die weitere Organisationsentwicklung auswirken würde. Konkret gingen die People Analytics Manager bei Google dabei der Frage nach, ob es strategisch besser für die Organisation wäre, Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, durch Neueinstellungen auf demselben Senioritätslevel zu ersetzen oder stattdessen lieber auf jüngere Neueinstellungen zu setzen.

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Angesichts der finanziellen Erfolgsbilanz gehe ich davon aus, dass diese Frage nicht wie in vielen anderen Unternehmen vom Controlling angeregt wurde, und es dabei um ein besseres Verständnis der Steigerung von Motivationsanreizen und Mitarbeiterperformance ging. Als Ausgangshypothese dienten dabei folgende drei Szenarien:

Zusammenhang von Beförderungen, Organisationsentwicklung und Einstellungspolitik

Das Ergebnis der Analyse führte dann zu einer Änderung der Einstellungspolitik zugunsten jüngerer Mitarbeiter, denen man so eine bessere Perspektive bieten konnte, als das im Falle der Nachbesetzung von Mitarbeitern gleichen Senioritätsgrade der Fall war. Auswirkungen der Einstellungspolitik

Mythbusters oder warum werden immer die anderen befördert?

Der dritte Bereich, dem Google mittels Daten an den Kragen gegangen ist, sind Mitarbeiter-Mythen. Dabei handelt es sich um Thesen wie “Immer werden bei der Beförderung die Kollegen aus der Zentrale bevorzugt” und ähnlich gelagerte Vorurteile, die die Mitarbeitermotivation beeinträchtigen und sich schlimmstenfalls in einer höheren Fluktuationquote niederschlagen.

Mitarbeiter-Mythen bei Google

Um dem Wahrheitsgehalt dieser Vorurteile auf den Grund zu gehen, kam dabei wie auch bei den anderen Fragestellungen folgender Prozess zum Einsatz: Analyseprozess datengetriebener HR-Entscheidungen

Das Ergebnis hat die Vorurteile nicht nur widerlegt, sondern dank fokussierte Mitarbeiterkommunikation grundsätzlich damit aufgeräumt. Die folgende Folie zeigt dabei gleich nochmal den Gesamtprozess von People Analytics anhand dieses einfach nachvollziehbaren Falles.

Mythbuster Ergebnis

Wenn Ihr noch besser verstehen wollt, wie Google an People Analytics herangeht, empfehle ich Euch folgendes Vortragsvideo.

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