WollmilchsauTV 42: Facebook vs. Schleswig Holstein

Vor dem Wochenende hieß es noch, Facebook könnte für Schleswig Holstein tatsächlich eine Sonderregelung einführen. So zumindest will der Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert seine Ausprache mit Facebook-Europachef Richard Ellen verstanden haben. Von Facebook kam heute morgen jedoch ein trockenes Dementi: “Wir haben das Gespräch anders in Erinnerung”, zitiert taz.de. Eine Insellösung scheint utopisch, doch wieso eigentlich? Gehören Individuallösungen nicht zu einem freien Netz?

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Pic: gray_um (CC BY 2.0)

Was bringt uns das Echtzeitnetz für die Zukunft?

Das Echtzeitnetz ist nach wie vor für viele ein schwammiger Begriff, der es bis jetzt noch nicht einmal in die deutsche Wikipedia geschafft hat. Gut, es geht im Groben darum, Informationen bei ihrer Erstellung (fast) zeitgleich zu verbreiten und anderen Systemen zugänglich zu machen. Das ist aber zunächst ein rein technischer Aspekt, der erlebbare Nutzen ist darin noch nicht unbedingt erkennbar.

Ein bisschen Echtzeitnetz haben wir alle schon kennengelernt: Ein Flugzeug landet zum z.B. im Hudson River not, und binnen weniger Minuten ist die Nachricht um die Welt. Der Tweet von Janis Krums erlangte Berühmtheit und lieferte das erste Bild gleich mit – lange bevor der erste Journalist vor Ort war. Doch das Echtzeitnetz geht weit über Twitter hinaus, viele andere Dienste nutzen inzwischen Real Time Technologien. Und denen geht es nicht mehr “nur” um die Verbreitung von Informationen (im Sinne von Nachrichten), sondern um einen handfesten Einfluss auf unser reales, kohlenstoffliches Leben.

Was bringt uns das Real Time Web für die Zukunft?

Dieser Frage geht die Präsentation von PSFK nach. Sie wurde für United Nations Global Pulse gestaltet – eine Initiative der Vereinten Nationen für ein globales Krisenfrühwarnsystem. Mögliche Szenarien sind:

  • Human Sensor Networks
    Menschen übermitteln relevante Daten von deren momentanen Standort, z.B. Verkehrs- oder Umweltdaten.
  • Personal Census
    Personenbezogene Daten werden gesammelt und in Echtzeit für das “Allgemeinwohl” aufbereitet. Ein Paradies für deutsche Datenschützer…
  • Social Sentiment
    Online Statusmeldungen als Indikator für die Offline-Stimmung. Schon heute lassen sich Stimmungen wunderbar bei Twitter verfolgen. (Fußball, Casting Shows, Revolutionen…)
  • See something, Text something
    Wichtige und nicht ganz so wichtige Nachrichten werden in Echtzeit online verbreitet: Irgendwo werden sie jemandem helfen. “Vorsicht: Fahrkartenkontrolle in der U3 zwischen Lübecker Staße und Berliner Tor”.
  • Mobile Communities
    Du brauchst ein Team? Suche in deiner Umgebung schnell einige Leute zusammen die das gleiche wollen wie Du: Von der Gruppenkarte bis zum Car-Sharing
  • Instant Mapping
    Also Streetview live? Dann rennen die Hausbesitzer mit Milchglas vor ihrem Haus umher und verpixeln in Echtzeit.
  • Context Cartography
    Was ist wo – und zwar gerade jetzt? Wo ist mein Taxi gerade? Wo ist noch Platz am Stand? Wie kommt der Krankenwagen am schnellsten zum Einsatzort?
  • Timeline Narratives
    In chronologisch geordneten Einzelmeldungen die ganze Geschichte sehen.
  • Intelligent Infrastructure
    Also eine Kombination aus allen anderen Visionen. Nur dass keine Menschen mehr die Informationen aktiv übermitteln.
  • Networking Nature
    Die Natur übermittelt Daten über ihren Zustand an den Menschen. “Hier Elbe, ich führe gerade sehr viel Wasser. Legt schon mal Sandsäcke bereit, Leute!”
  • Data Democracy
    Daten, die mich und mein Leben beeinflussen, sollten mir auch zugänglich sein. So kann ich mit ihnen arbeiten und diese auch selbst überwachen. Der Offene Bundeshaushalt schaffte es sogar als Beispiel in diese Präsentation.

Pic: tacoekkel

Reformation im Netz? Die Tage der Thesen

Glücklicherweise müssen Thesen heute nicht mehr an Kirchentore geschlagen werden, es hätte in diesen Tagen auch ein großes Gedränge gegeben: Es wurden Thesen formuliert wohin man auch nur geschaut hat. Das Netz wurde neu konstitutioniert, konstruiert und kommentiert. Dass “das Netz” in Bewegung ist, das spüren wir alle. Und weil auch die enormen Kräfte dahinter immer deutlicher werden, ist ein verständlicher Impuls, diese Strömungen kontrollieren bzw. kanalisieren zu wollen.

Den Aufschlag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bereits letzten Monat: Er formulierte 14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft. Ein wenig welt- bzw. netzfremd, aber gut gemeint.

Der CCC (Chaos Computer Club), traditioneller Gegenpol und allseits anerkannte Größe, stellte seinen Standpunkt zum Thema am 19. Juli  in 11 Thesen zur Netzpolitik dar.

Die Piratenpartei versteht sich ebenfalls als Institution, die Netzpolitik in Deutschland entscheidend mitgestalten will – verständlich, dass auch sie an dieser Diskussion teilnehmen wollte musste: Am 21. Juli stellte Christopher Lauer, politischer Geschäftsführer der Piraten, die folgenden 10 Thesen zur Netzpolitik vor.

Dabei wäre das eigentlich nicht mehr nötig gewesen, denn einen Tag vorher, am 20. Juli hatte bereits Marcel-André Casasola Merkle, besser bekannt als @zeitweise, die Diskussion mit ganzen 42 finalen Thesen zum Internet beendet und alle offenen Fragen geklärt! Zumindest fast…

Spaß beiseite: Auch wenn wir jetzt viele Aussagen zu diskutieren haben; es ist notwendig, dass darüber gesprochen wird, welche Wege eingeschlagen werden sollen. Wer aber glaubt, einer einfachen Behauptung mehr Gewicht dadurch verleihen zu können, indem er sie als These bezeichnet und in eine Gruppe anderer Behauptungen stellt, der täuscht sich. Dialog ist wichtig. Wenn daraus ein echter Diskurs entsteht, ist das umso besser. Genau das ist bei der Veröffentlichung der Thesenpapiere gut gelaufen: Einzelne Punkte zu unterstützen oder anzugreifen ist eine Sache, was aber (immer noch) viel zu selten passiert, ist die Formulierung eines eigenen Gedankens – auch wenn man dadurch angreifbarer wird.

Pics: Wikimedia: Immanuel Giel (gemeinfrei) und Melchior Lotter d.j (gemeinfrei)