Gehalt: Wie transparent darf’s denn sein?

Bei Gehaltstransparenz gilt: Andere Länder, andere Sitten. In Österreich etwa sind Unternehmen seit 2011 verpflichtet, in ihren Stellenanzeigen Angaben zur Mindestentlohnung zu machen. Arbeitgeber in Island müssen Männer und Frauen in gleicher Position gleich bezahlen und brauchen ab 25 Mitarbeiter:innen ein Zertifikat für ihr Gehaltssystem. Und in Schweden kann man direkt die Gehaltsinformationen jeder beliebigen Person beim Einwohnermeldeamt abfragen. Hierzulande wird dagegen über das Gehalt lieber geschwiegen.

Wollmilchsau-Datenerhebung: Wenige Stellenanzeigen enthalten konkrete Summen

Dementsprechend enthalten kaum Stellenanzeigen eine Gehaltsangabe, wie unsere Datenerhebung mit mehr als 250.000 Stellenanzeigen in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt. Wir wollten wissen, wie viele Anzeigen eine konkrete Gehaltsangabe in Euro machen. Das Ergebnis: Über alle Branchen hinweg enthalten lediglich gut zwölf Prozent der Stellenanzeigen eine konkrete Gehaltshöhe.

Gehaltstransparenz Infografik - Nur jede achte Stellenanzeige enthält eine Gehaltsangabe

Am größten ist der Anteil bei den Hilfstätigkeiten – insgesamt 21,3 Prozent der Stellenanzeigen enthalten entweder eine konkrete Tarif- oder Gehaltsangabe, klären Bewerbende also genau darüber auf, was sie finanziell erwartet. Daraus lässt sich schließen, dass Gehaltsangaben vor allem im Niedriglohnbereich gemacht werden. Insgesamt zeigen die Daten außerdem, dass bei Tarifbindung eher eine konkrete Angabe gemacht wird als bei Jobs ohne. In Branchen mit hohem Verdienst, etwa in Finanzen oder IT, sind die Zahlen hingegen sehr gering.

>>>Methodik und Datenerhebung<<<

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Bewerbungsprozess: Wer sagt’s zuerst?

Häufig sollen Bewerbende ihre Vorstellungen nennen und Unternehmen gleichen diese mit ihren Möglichkeiten ab, anstatt andersherum. Im Grunde geht es darum, wer zuerst seine Deckung aufgibt und dabei möglicherweise „den Kürzeren zieht“, also nicht den besten Deal macht. Entweder besteht also für potenzielle Mitarbeiter:innen die Gefahr, sich unter Wert zu verkaufen oder Unternehmen hätten den Job auch günstiger besetzen können oder schrecken geeignete Kandidat:innen durch zu geringe Gehaltsangaben direkt ab.

Quelle: https://www.linkedin.com/posts/harshitagrwa_interviewexperience-recruitment-activity-6808580782978826240-PTxy

Das kann für beide Seiten frustrierend sein. Denn Bewerber:innen machen sich die Mühe, ihre Unterlagen einzureichen und Unternehmen sichten, obwohl es möglicherweise allein an den Entgeltvorstellungen schon scheitert.

GEHEIMNIS GEHALT

Doch die Geheimniskrämerei wird auch im Privaten fortgeführt: Fast jede:r Dritte spricht nicht mal mit Partner oder Partnerin über das Gehalt. Nur 40 Prozent teilen diese Informationen mit Freund:innen, wie eine Studie des Karrierenetzwerks Xing aus dem Jahr 2017 zeigt.

Gehaltstransparenz Infografik: Wer spricht über das Gehalt

Über das Gehalt zu sprechen ist hierzulande also ein Tabu, das in Stellenanzeigen beginnt und sich bis in Familie und Freundeskreis fortsetzt.

DEUTSCHLAND MIT HOHEM GENDER PAY GAP

Dabei sind vor allem die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) in Deutschland so hoch wie in wenigen anderen europäischen Ländern, wie Daten von Eurostat zeigen.

Gehaltstransparenz Infografik: Wieviel Frauen weniger verdienen

Abhilfe schaffen soll das 2017 eingeführte Entgelttransparenzgesetz, ein erster (zaghafter) rechtlicher Schritt für mehr Transparenz in punkto Bezahlung. Es gibt Frauen die Möglichkeit das Durchschnittsgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erfahren – aber nur in Unternehmen ab 200 Mitarbeitenden und eben auch nur in der genannten Konstellation. Es kann also nicht jede:r das Gehalt von jede:m erfahren.

Anders wurde das Thema Gehaltstransparenz in Dänemark angegangen. 2006 führte das Nachbarland den Equal Pay Act ein. Ein Gesetz, das für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen soll. Es besagt, dass Unternehmen ab 35 Beschäftigten geschlechtsbezogene Statistiken über die gezahlten Gehälter in ihrer Firma führen und den Beschäftigten zugänglich machen müssen.

Eine Studie rund um Forscher:innen der Universität Kopenhagen hat die Auswirkungen des Gesetzes untersucht – mit positivem Ergebnis. So verringerte sich die Entgeltlücke in Dänemark zwischen 2003 und 2008 durch die eingeführte Transparenz um sieben Prozent. Allerdings: Auch im Jahr 2019 lag der Gender Pay Gap in Dänemark bei noch 14 Prozent, also etwa im europäischen Durchschnitt, wie die Grafik weiter oben zeigt.

Das heißt, der bereinigte Gender-Pay-Gap konnte verringert werden, der unbereinigte, der zum Beispiel dadurch entsteht, dass „typische Frauenberufe“ generell schlechter bezahlt werden oder Frauen häufiger in niedrigeren Positionen tätig sind, bleibt trotz Gehaltstransparenz bestehen.

UNTERNEHMEN PUNKTEN MIT TRANSPARENZ

Für Unternehmen können sich transparente Gehälter lohnen, sie punkten bei Jobsuchenden: Umfragen, wie etwa die folgende der Jobsuchmaschine Adzuna, zeigen, dass Beschäftigte Gehaltstransparenz befürworten, vor allem, wenn diese als Verhandlungsgrundlage in Stellenanzeigen steht.

Gehaltstransparenz Infografik: Einstellung zu Gehaltsangaben

Der Nachteil für Arbeitgeber: Potenzielle Bewerber:innen schicken ihre Unterlagen erst gar nicht ab, wenn die Höhe nicht stimmt. Der Nachteil für Arbeitnehmer:innen: Beschäftigte auf sehr gut bezahlten Positionen können möglicherweise für sich nicht das Optimum herausholen, weil die Summe öffentlich gemacht wird.

PRO GEHALTSTRANSPARENZ: FAIRNESS UND ENTWICKLUNG

Für eine Studie der Unternehmensberatung Kienbaum im Jahr 2020 wurden 140 Unternehmen zum Thema Gehaltstransparenz befragt, die keinem Tarifvertrag unterliegen oder Positionen ohne Tarifvertrag besetzen, aber ein hohes Maß an Transparenz aufweisen. Die Gründe für die Einführung der Transparenz sind deutlich: Mit Abstand am ausschlaggebendsten ist die Motivation der Mitarbeitenden, die durch die Klarheit bei den Entwicklungsmöglichkeiten gefördert wird. Außerdem bewerten die Befragten die Transparenz im Bewerbungsverfahren und bei Mitarbeitergesprächen als nützlich.

Gehaltstransparenz Infografik: Zustimmung der Unternehmen zur Wirkung von Vergütungstransparenz

KONTRA GEHALTSTRANSPARENZ: VORBEHALTE UND DATENSCHUTZ

Die Argumente gegen Entgelttransparenz weisen in der Umfrage deutlich geringere Werte auf, was dafür spricht, dass die Unternehmen insgesamt zufrieden mit ihrem transparenten Vorgehen sind. Am häufigsten werden Vorbehalte im Management genannt, gefolgt von datenschutzrechtlichen Bedenken. Ebenfalls gegen die Einführung von Gehaltstransparenz spricht, dass der aktuelle Zustand bei der Höhe der Gehälter zu wenig einer Systematik folgt und die Ergebnisse darum nicht frei zugänglich gemacht werden sollen. Dass gar nichts dagegen spricht, gab jedes fünfte Unternehmen an.

NEW WORK = NEW PAY?

Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch und das nicht erst seit Corona. Vor allem in Start-Ups gelten heute andere Regeln als in traditionellen Großkonzernen. Sie haben den Begriff New Work geprägt, den es zwar bereits seit den 70er-Jahren gibt, der aber vor allem durch die Digitalisierung an Aktualität gewonnen hat. Im Grunde handelt es sich um einen Sammelbegriff für alternative Arbeitsmodelle, wobei sich auch New-Pay-Modelle herausgebildet haben, die ihren Fokus auf andere Kriterien legen als es in der klassischen Gehaltsbestimmung der Fall ist.

Aus dem System der Tariflöhne übernommen haben diese Modelle die Mitbestimmung, also das gemeinsame Aushandeln von Gehältern durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen auf ein Unternehmen bezogen, aber ohne involvierte Gewerkschaft. Einen solchen Prozess beschreibt das Startup Einhorn in seinem Unternehmensblog. Weitere Modelle finden sich in einem Artikel von Haufe. Gemeinsam haben diese New Pay-Modelle die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bezahlung für alle Beteiligten.

FAZIT

Bei Gehaltstransparenz geht es um Information: Wer weiß, wie viel andere verdienen, kann sich selbst besser in Bezug dazu setzen – im Guten wie im Schlechten. Ein Argument gegen das Offenlegen von Gehältern lautet: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Beschäftigte könnten unzufriedener mit ihrem Gehalt werden, wenn sie wissen, was die anderen verdienen.

Die Frage ist nur, ob die Lösung dann nicht eher sein sollte, einfach gerecht und nach offengelegten nachvollziehbaren Kriterien zu entlohnen, anstatt Gehälter geheim zu halten. Außerdem bietet ein durchdachtes Gehaltssystem im Recruiting die Möglichkeit, Bewerber:innen von Anfang an aufzuklären, welche Entwicklungen im Unternehmen möglich sind.

Durch Gehaltstransparenz entsteht mehr Augenhöhe zwischen Beschäftigten untereinander, aber auch zwischen Beschäftigten und Unternehmen – angesichts einer Entwicklung weg vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt ein logischer Schritt. Unternehmen können sich mit Gehaltsangaben in Stellenanzeigen positionieren und ihren Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen eine Gesprächsgrundlage und zusätzliche Motivation liefern, was zur Mitarbeiterbindung beiträgt.

Und schlussendlich ist Gehaltstransparenz ein wichtiges Instrument gegen die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen: Wenn die Bezahlung bekannt ist, schließt sich die Lücke.

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Methodik: Woher kommen unsere Daten und wie haben wir sie ausgewertet?

Für unsere Untersuchung zur Gehaltstransparenz haben wir vom 2. bis 8. August 258.247 Stellenanzeigen aus der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit analysiert. Je Branche haben wir mindestens 100 Stellenanzeigen, in der Regel aber zehn Prozent des Stellenvolumens als Datengrundlage gewählt.

Warum die Jobbörse der BA?
Alle Jobbörsen und Jobsuchmaschinen haben eins gemeinsam – sie lassen sich ungern scrapen. Web Scraping bezeichnet das gezielte Abgreifen von Websiteinhalten. Geschieht dies automatisiert, handelt es sich um einen Web Scraping Bot (Dazu sei gesagt, dass Webscraping rechtliche Grenzen hat und man sich vorab informieren sollte, ob man bereits im rechtlichen Graubereich handelt). Möchte man sich die Mühe sparen, einen eigenen Bot zu programmieren, stellen die Plattformen oftmals selbst Alternativen bereit. Jobbörsen wie Indeed bieten eigene API-Schnittstellen an. Allerdings bestehen Limitierungen, was die Ausgabe der Stellenanzeigen betrifft. Für eine großflächige und repräsentative Datenerhebung also der falsche Weg.
Anders sieht die Lage aus bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit. Die Branchen, die wir in diesem Artikel verwenden liegen als Filteroption bereits bei der Jobbörse vor. Gleichzeitig gewährt uns die Seite unbeschränkten Zugang zu allen aktuellen Anzeigen mit zusätzlichen Informationen in standardisiertem Format. Grund genug für uns, diesen Ansatz einem externen Analysetool vorzuziehen.
Allerdings: Repräsentativ für den gesamten Stellenmarkt in Deutschland sind die Daten nur bedingt, da einige Branchen überrepräsentiert sind und andere Jobs, vor allem die mit Mangelprofil, nicht unbedingt in der BA-Jobbörse landen. Trotzdem sind wir der Meinung, dass die Datenbasis ausreichend ist, um abzubilden, wie die Lage beim Thema Gehaltstransparenz aktuell auf dem Arbeitsmarkt aussieht.

Wie haben wir ermittelt, ob die Anzeigen eine Gehaltsangabe enthalten?
In einigen Stellenanzeigen sind die Gehaltsdaten mit einem Eintrag im dafür vorgesehenen Feld bereits angegeben. In diesem Fall ist unsere Arbeit schon erledigt und wir können einen Vermerkt anlegen (Gehaltsangabe: Ja). Andernfalls unterteilen wir den Text jeder Stellenanzeige in seine einzelnen Sätze und prüfen jeden Satz auf das Vorkommen des Wortes “Gehalt” (oder weiteren Synonymen, darunter “Tarif”) im Zusammenhang mit dem Wort “Euro” (ausgeschrieben oder als “€” Zeichen). Ist die Prüfbedingung erfüllt, enthält die Anzeige eine Gehaltsangabe, andernfalls nicht.

Datenerhebung und Methodik: Polichronis Muratidis

Was ist eigentlich eine faire Bezahlung?

Über Geld spricht man nicht, darüber scheint man sich hierzulande einig zu sein. Dementsprechend auch lieber nicht über das Gehalt. Das zeigt sich auch in Stellenausschreibungen: Bei fast keiner Vakanz wird direkt angegeben, was Bewerber:innen eigentlich finanziell erwartet – und das, obwohl Geld verdienen, seien wir mal ehrlich, in den meisten Fällen der Hauptantrieb für Erwerbsarbeit ist. Stattdessen wird häufig erwartet, dass der oder die Bewerber:in selbst eine Gehaltsvorstellung nennt. Arbeitnehmer:innen sind also mehr oder weniger auf sich gestellt, den Wert der eigenen Arbeit einzuschätzen.

Aber auch Personalabteilungen müssen, vor allem bei Jobs mit Mangelprofilen, wissen, wie die Konkurrenz zahlt und welche Gehälter üblich sind. Mittlerweile gibt es diverse Onlineportale, um Gehaltsvergleiche anzustellen. Und es gibt Tarifverträge, die offiziell regeln, wer wieviel verdient. Aber der Anteil an Unternehmen und Arbeitnehmer:innen mit Tarifbindung sinkt stetig und ist zudem branchenabhängig.

Was ist also eine faire Bezahlung? Wie wird diese bestimmt? Wo verdient man wieviel und ist es wirklich sinnvoll, in Regionen zu arbeiten, wo zwar die Gehälter hoch, aber die Lebenshaltungskosten noch höher sind? Wir geben einen Überblick in Daten.

STATUS QUO: WER VERDIENT WAS?

WIE HOCH IST MEIN BEDARF?

WO STEHE ICH IM VERGLEICH ZU ANDEREN?

FAZIT: SO SIEHT EINE FAIRE BEZAHLUNG AUS

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STATUS QUO: WER VERDIENT WAS?

Vollzeit-Beschäftigte in Deutschland verdienen laut Daten der Bundesagentur für Arbeit im Mittel 3.526 Euro in den westdeutschen und 2.827 Euro in den ostdeutschen Bundesländern. Es macht also einen Unterschied, wo man wohnt, wenn es um den Gehaltszettel geht.


Aber noch weitere Faktoren haben Einfluss: Etwa das Anforderungsniveau und das Geschlecht.
Bei Stellen mit Helfer:innen-Profil lag das mittlere monatliche Entgelt im vergangenen Jahr bei 2.334 Euro. Ein:e Expert:in verdient mit 5.566 Euro mehr als das Doppelte. Außerdem spielt das Geschlecht eine Rolle: Frauen verdienten 2019 im Mittel 3.117 Euro, Männer 3.560 Euro.

Faire Bezahlung – Infografik: Wer verdient was?

Aber auch die Branche hat großen Einfluss auf den Betrag im Geldbeutel. So gehören Beschäftigte in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mit durchschnittlich knapp 6.700 Euro monatlichem Bruttogehalt zu den Gutverdiener:innen, im Gastgewerbe sind die Gehälter mit nur 2.142 Euro im Durchschnitt sehr viel niedriger.

Infografik: Welche Branche verdient am besten?

Allerdings handelt es sich bei diesen Daten vom Statistischen Bundesamt um das arithmetische Mittel, das heißt, aus allen Gehaltsdaten wird die Summe gebildet und durch die Zahl der Beschäftigten geteilt. So „schlucken“ einige wenige sehr hohe Gehälter viele kleine. Die Daten der Bundesagentur für Arbeit geben hingegen den Median wieder, also den Mittelwert. Dabei handelt es sich um das Gehalt, bei dem genauso viele Beschäftigte weniger und genauso viele mehr verdienen, unabhängig von der tatsächlichen Höhe.

Beim Branchenvergleich kommt es natürlich auch auf die darin tätigen Berufe an. Aber selbst bei Berufen, die branchenübergreifend gebraucht werden, etwa Personalleiter:innen, Geschäftsführer:innen oder Systemadmins macht die Branche einen Unterschied und Beschäftigte können von einem Wechsel profitieren – oder eben im Gehalt absteigen, wie eine Untersuchung der Vergütungsplattform Compensation Partners zeigt.

Faire Bezahlung: Ein Branchenwechsel kann sich lohnen

Im Allgemeinen profitieren Beschäftigte außerdem davon, ob in ihrem Betrieb ein Tarifvertrag Anwendung findet. Laut Daten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung liegen die Löhne und Gehälter mit Tarifbezahlung deutlich über denen ohne Tarif.

Faire Bezahlung: Tarifverträge

Allerdings geht der Trend seit Jahren dahin, dass immer weniger Unternehmen eine Tarifbindung haben. Das liegt auch daran, dass durch die Entwicklungen im Bereich Technologie ganze Branchen neu geschaffen wurden – und diese sind selten einem Tarif verpflichtet, während klassische gewerkschaftlich organisierte Branchen an Bedeutung verlieren.

WIE HOCH IST MEIN BEDARF?

Wenn es um das Einkommen und die damit zu begleichenden Lebenshaltungskosten geht, gibt es verschiedene Faustregeln. Wer zum Beispiel eine Mietwohnung sucht, hat vermutlich schonmal gehört, dass die Kaltmiete nicht mehr als ein Drittel des Nettogehalts ausmachen sollte. An anderer Stelle sind es 40 Prozent des Jahresbruttos.

Eine andere grobe Regel zur Aufteilung des Netto-Einkommens lautet: 50/30/20. Das heißt 50 Prozent des Gehalts sollen für Fixkosten wie Wohnen, Nahrungsmittel und Transportkosten eingerechnet werden. 30 Prozent stehen für die Freizeit zur Verfügung und 20 Prozent werden gespart. Die 50/30/20-Regel wird eigentlich als Faustregel angewendet, wenn Sparer:innen Rücklagen aufbauen möchten. Genauso gut kann man sie aber eben auch andersherum nutzen und sich seinen persönlichen Mindest-Gehaltsbedarf ausrechnen.

Infografik: 50-30-20-Regel

An dieser Stelle wird schon deutlich, dass nicht nur die Höhe des Gehalts eine Rolle spielt, sondern eben auch die weiteren Stellschrauben: Wenn der Preis für Wohnraum dort, wo ich lebe, besonders hoch ist, übersteigen meine Fixkosten schnell die 50 Prozent. Wie viel kann ich mir also noch leisten, wenn das lebensnotwendige abgezogen ist?

Eine Untersuchung der Onlineplattform Stepstone zeigt: Am Ende sind die Gewinner:innen beim Gehalt nicht unbedingt die, die viel verdienen, sondern diejenigen, die das beste Verhältnis bei den genannten Kriterien haben. Denn ein Gehaltszettel in zum Beispiel Hamburg oder München überzeugt zwar auf den ersten Blick, aber die hohen Lebenshaltungskosten sorgen dafür, dass Beschäftigten am Ende nicht viel bleibt, während andere Regionen zwar auf den ersten Blick nicht mit dem großen Geld winken, am Ende aber ein deutlich gefüllteres Sparschwein bieten.

 

Faire Bezahlung: Wie viel vom Einkommen übrig bleibt

WO STEHE ICH IM VERGLEICH ZU ANDEREN?

Bei fairer Bezahlung geht es aber nicht nur um den eigenen Bedarf, sondern auch um den Vergleich zu anderen. Da hierzulande in den meisten Fällen Bewerber:innen Gehaltsvorstellungen angeben, anstatt dass Unternehmen sagen, was sie zahlen wollen, bietet sich eine Vorrecherche auf beiden Seiten an. Das kann auch sinnvoll sein, wenn es in bestehenden Arbeitsverhältnissen um Gehaltserhöhungen geht. Dafür gibt es mittlerweile eine Fülle von Portalen, wir zeigen eine Auswahl:

– Einen guten Überblick zur Einschätzung einer spezifischen Stelle bietet der Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamts (nicht-kommerziell).

– Das Portal „Berufe auf einen Blick“ der Bundesagentur für Arbeit gibt einen Überblick zum gesamten Arbeitsmarkt mit der Möglichkeit zur Spezifizierung nach Branche und Berufsbild (nicht-kommerziell).

– Das Portal lohnspiegel.de der Hans-Böckler-Stiftung bietet verschiedene Informationen und Gehaltsvergleiche. Allerdings sind hier an manchen Stellen die Daten schon älter und darum nur bedingt vergleichbar mit dem aktuellen Gehalt. Beim Gehaltsvergleich mit eigenen Angaben zu Stelle und Stelleninhaber:in kommt allerdings eine fortlaufende Umfrage zum Einsatz. Als Teilnehmer:in werden die Angaben mit denen der anderen verglichen. Hier kann man auch prüfen, was zum Beispiel das Alter, Geschlecht oder der Wechsel in ein kleineres/größeres Unternehmen durchschnittlich für Auswirkungen hätte (nicht-kommerziell).

Gehalt.de ist eine Onlineplattform rund um alle Gehaltsthemen. Hier kann man sein Gehalt vergleichen (unter Angabe einer E-Mail-Adresse), bekommt aber auch eine Schätzung zur Höhe des Gehalts zu aktuell ausgeschriebenen Stellen (kommerziell).

FAZIT: SO SIEHT EINE FAIRE BEZAHLUNG AUS

Generell kann man sagen: Ein faires Gehalt ist ein angemessenes Gehalt und ein angemessenes Gehalt ist eines, das die Arbeitsbelastung und -leistung widerspiegelt, Ausbildung, Berufserfahrung und Spezialisierung mit einbezieht und die Lebenshaltungskosten und den weiteren Bedarf eines Beschäftigten abdeckt.

In der Praxis kommen weitere Faktoren hinzu, etwa das generelle Gehaltslevel in einer Branche oder in einer Region, Alter und Geschlecht. Diese Faktoren sind objektiv betrachtet nicht unbedingt fair, resultieren aber aus gewachsenen Strukturen und bilden zum Beispiel ab, wieviel Kapital in einer Branche steckt, wie Angebot und Nachfrage aussehen und welche Kriterien zur Bewertung einer Stelle herangezogen werden und nicht unbedingt nur die eigentliche Arbeitsbelastung oder -leistung der Berufe.

Grundsätzlich sind Gehaltsmodelle fairer, die nachvollziehbar sind, denn sie geben dem oder der Einzelnen die Möglichkeit einzuschätzen, was nötig ist, um das eigene Gehalt zu steigern, also ob es etwa sinnvoll ist, eine Weiterbildung zu machen, ob das Gehalt mit der Länge der Unternehmenszugehörigkeit steigt oder ob ein Wechsel nötig ist.

Um all das einschätzen zu können, sind Informationen unerlässlich, denn nur dann können Vergleiche angestellt werden, um einschätzen zu können: Werde ich fair bezahlt? Gleichzeitig ist es für Unternehmen wichtig zu wissen, wie Bewerber:innen und Beschäftigte im Vergleich verdienen. Der Jobspreader bietet dazu seit kurzem einen eigenen Gehaltschecker, um einschätzen zu können: Wie bezahlen wir im Vergleich?

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Should I Work For Free? (Ein Aufruf und ein Flowchart)

Wer möchte, dass Menschen für einen arbeiten, der sollte diese auch entsprechend be- bzw. entlohnen. Es reicht aber nicht, dafür zu sorgen, dass der Mitarbeiter genug Vitamine bekommt und einen trockenen Schlafplatz hat, um seine Gesundheit und damit wiederum seine Leistungsfähigkeit zu sichern. Es geht dabei also nicht nur um die Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern auch um etwas Anerkennung.

Bei Basic Thinking erschien gestern ein Artikel, der eine Stellenanzeige des Hamburger Datenlieferanten Statista unter die Lupe nimmt: Ein Junior Consultant soll hier für 900€ monatlich Wirtschaftsdaten aus dem englischsprachigen Raum sammeln und aufbereiten? Jürgen Vielmeier hakte nach und so stellte sich heraus, dass es sich bei der Anzeige nur um ein 6-monatiges Traineeship handeln sollte. Die Wogen haben sich also geglättet. Dennoch soll in den nächsten Wochen wohl eine kleine Serie zum Thema erscheinen:

(…) Und die Frage ist natürlich auch immer, wie viel Geld ein Unternehmen zur Verfügung hat. Dieser Frage wollen wir hier auf Basic Thinking in den nächsten Wochen nachgehen. Wir wollen die schwarzen Schafe enttarnen und sie mit damit konfrontieren. Aber wir wollen damit auch mögliche Missverständnisse aufklären und die Gründe herausfinden, aus denen manche Unternehmen am Gehalt sparen wollen und vielleicht sogar müssen. Dazu brauchen wir euren Input. Schickt uns Links zu Stellenanzeigen aus der Internetbranche, über die ihr euch besonders geärgert habt! Den krassesten Fällen wollen wir hier nachgehen.

Diesen Aufruf wollen wir hiermit unterstützen! Zumal es nicht darum geht, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen. Vielmehr sollen die Hintergründe bei den Firmen erfragt werden. Eine gute Idee.

Wer indes noch selbst überlegt, wie viel ihm seine eigene Arbeitskraft wert ist, oder ob er einen Job sogar für umsonst erledigen sollte, dem sei folgende Infografik von Jessica Hische ans Herz gelegt:
(gefunden bei Create Or Die)

Should I Work For Free?

(click to enlarge)

Pic: (kukumomo)