It’s the Zielgruppe, stupid

Da macht ein Viral der Axel Springer AG die Runde und während es von jungen Kreativen begeistert aufgenommen wird*, fragt Ihr Euch, ob denn damit “gutes” Employer Branding betrieben wurde. Ob das dem Image einer Firma gerecht werden könnte. Kann es denn überhaupt angehen, dass ein Bewerber so frech und respektlos ist!? Und überhaupt: Wovon redet der denn da? Passt das denn zum Image?

Und dann macht BMW ein Praktikanten-Rapvideo, das von der Zielgruppe in der Luft zerrissen wird. Und Ihr fragt Euch, ob sich denn eine seriöse Firma trauen könnte, mit einem “Rap” auf Praktikantensuche zu gehen – Rapmusik, dieses wilde, rohe Sprachrohr der Straßenjugend… brrrrr… Passt das denn zum Image?

Merkt Ihr was? Wenn Ihr Euch fragt, wovon der Bewerber am Anfang des Springer-Virals überhaupt spricht, werft einen Bolick auf den YouTube-Kommentar, der die meisten Likes gesammelt hat: “Den wünsche ich mir als Raidleiter” Und wer nicht weiß, was ein Raid ist, kann und muss dieses Video nicht verstehen – ein junger “Global High Performance WTF Hot Shit Engineer of Superior Benchmark Media-Mastership” weiß es! Genauso der BMW-Clip: Wer nicht versteht, warum ein professionell produziertes Möchtegern-Rapvideo höchstens Fremdschämen zur Folge hat, der wird auch nicht verstehen, wie sich Praktikanten nach München holen lassen.

Dabei ist es völlig egal, ob wir das nun Recruiting, Personalmarketing oder Emlpoyer Branding nennen. Alles läuft in einem Punkt zusammen: Ihr wollt Leute! Eine Arbeitgebermarke wird nicht vom Arbeitgeber kreiert, sie entsteht in den Köpfen derer, die Ihr erreicht – wenn Ihr Glück habt. Und da ist der Weg, den Springer geht noch nicht einmal mutig; er ist schlichtweg richtig und konsequent. Und der Erfolg der Kampagne entscheidet sich nicht in den Urteilen sondern in den Menschen, denen der Clip gefällt und die sich bei Springer melden. Eure CI bringt keine Bewerber.

*…und wir reden hier von Springer! Soviel zum Thema Image.

Pic: *chritopher* (CC BY 2.0)

Aus der Masse herausstechen: Zwei Beispiele für aktive Jobsuche und Selbstmarketing

Jobsuche kann mehr sein, als das Durchforsten von Stellenangeboten und das Anklopfen bei alten Kontakten. David Pape und Wiebke Heyder haben die Sache selbst in die Hand genommen und sich aktiv als Jobsuchende im Netz präsentiert. David hat eine Anzeige bei Google geschaltet, Wiebke hat ihr Stellengesuch als Facebook-Page umgesetzt. Wir haben bei beiden einmal nachgefragt.

Jobsuche per Google-Ad

David, Du hast eine Google Ad geschaltet, um einen Job zu finden. Welche Erwartungen hattest Du an diese Aktion im Vorfeld?
Die Erwartungen waren geteilt. Einerseits habe ich mir schon erhofft, dass ich über meine Google Ad Kampagne eine große Zahl an interessanten Menschen erreiche, jedoch saß ich nicht permanent vor meinem Postfach und habe auf meinen Traumjob gewartet. Es war die richtige Kombination aus Neugier, was solch eine Internetkampagne bewirken kann und Bodenständigkeit, dass ich nicht erwartet habe eine E-Mail von Steve Jobs zu erhalten.

Und was hat sie bis jetzt gebracht?
Es haben sich einige Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen gemeldet. Die einen fanden die Idee mit der Kampagne so überragend, dass sie mir einfach ein Kompliment aussprechen wollten, andere wiederum waren an meiner Vita und beruflichen Orientierung interessiert. Ein Jobangebot ist jedoch noch nicht herausgesprungen.

Wie viel Zeit und Geld hat Dich dieses Selbstmarketing gekostet?
Das tolle an solch einer Internetkampagne ist ja, solange man die nötige Affinität mitbringt, dass sie in wenigen Minuten gestartet werden kann. Natürlich habe ich mir im Vorfeld ein paar Gedanken darüber gemacht, wie ich mich im Netz präsentieren möchte, aber es hat keinesfalls länger als einen Tag gedauert. Google bietet unzählige Tools um den Verlauf der Kampagne zu beobachten und zur Not zu optimieren. Eine erfolgreiche Internetkampagne hat ein Anfang aber kein Ende. Man sollte am Ball bleiben und schauen, welche Selbstinszenierung bei den Usern am besten ankommt. Die Kosten sind überschaubar und können durch Limits dem individuellen Budget angepasst werden.

War es der einzige Weg den Du gegangen bist? Was hast Du sonst gemacht?
Die Kampagne ist eher aus Neugier entstanden und war bisher der einzige Weg mich im Netz digital zu vermarkten. Der Erfolg hat mich jedoch beeindruckt und ich werde mich sicherlich bei gegebener Zeit hinsetzen und schauen, womit ich die Kampagne noch weiter verknüpfen kann.

Würdest Du heute etwas anders machen? Hast Du einen Tipp für Nachahmer?
Ich habe mich versucht in die Lage meines Gegenübers zu versetzen und was diesen wohl dazu veranlassen würde, auf meine Kampagne anzustoßen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass die Selbstdarstellung im Netz zum gewünschten Arbeitgeber und auch Arbeitsumfeld passt. Kreativität kommt dann gut an, wenn sie erwünscht ist. Zu Anfang viel Zeit in Detailarbeit zu stecken, kann auch nach hinten losgehen, wenn das Fein-Tuning bei der Masse nicht ankommt. Lieber mit der Kampagne wachsen, Trends auswerten und zur Not nachjustieren. Ich persönlich habe zum Beispiel lange Listen mit potentiellen Tippfehlern erstellt, die bei der Google Suche durchaus mal passieren können. Im Nachhinein lag die Fehlerklickrate im niedrigen einstelligen Prozentbereich und ich musste mir eingestehen die Zeit verschwendet zu haben.

David Pape bei Xing

Jobsuche per Facebook-Page

Wiebke, Du hast eine Facebook-Page eingerichet, um einen Job zu finden. Welche Erwartungen hattest Du an diese Aktion im Vorfeld?
Ehrlich gesagt war das eine Spontanaktion, da ich nach 1 ½ Jahren Krankheit (Knieverletzung) wieder Gesund geschrieben wurde und mich mit dem Thema Bewerbungen auseinander setzen musste. Da ich ein neugieriger Mensch bin und schon immer wissen wollte, wie eine Facebook-Fanseite von Administratorenseite aussieht, habe ich mit meiner Schwester etwas zusammen gebastelt. Also hatte ich erstmal keine Erwartungen sondern habe einfach mal gemacht …

Und was hat sie bis jetzt gebracht?
Zunächst mal habe ich meine Facebook-Freunde über die Seite informiert und um Unterstützung gebeten. Die haben fleißig „gefällt mir“ gedrückt und die Seite auf Ihrem Profil gepostet. So kamen innerhalb von wenigen Tagen bereits um die 100 Fans zusammen, heute sind es etwa 130 – wovon ich persönlich nur 45 kenne. Was konkrete Stellenangebote angeht, hat die Seite zwei gebracht, die allerdings am Ende nicht so gepasst haben. Aber ich habe viele interessante Menschen darüber virtuell kennen gelernt, überraschend viel Unterstützung von fremden Leuten erhalten (tut ja auch der Seele gut) und ich kann die Fanpage jetzt als Referenz für Tätigkeiten im Social Media Bereich vorweisen. Und wie gesagt: jede Menge Erfahrungen.

Wie viel Zeit und Geld hat Dich dieses Selbstmarketing gekostet?
Das Aufsetzen der Seite vielleicht 1 Stunde, ansonsten maximal 30 Minuten in der Woche. Ich habe mal spaßeshalber eine Google-AdWords-Kampagne (auch wieder zum Üben) gefahren, die hat nochmal ca. 5 Fans gebracht und nach 4 Tagen bereits das Budget von 50 Euro überschritten.

War es der einzige Weg den Du gegangen bist? Was hast Du sonst gemacht?
Da es sich bei meiner Fanpage ja nur um einen Versuch handelt um Erfahrungen zu sammeln, gehe ich ansonsten den „klassischen“ Bewerbungsweg über Online-Jobportale und fleißiges Netzwerkern. Aber ich habe festgestellt, dass insbesondere Xing DAS Portal für Jobsuchende und potentielle Arbeitgeber bzw. Recruiter ist.

Würdest Du heute etwas anders machen? Hast Du einen Tipp für Nachahmer?
Ich würde glaube ich mehr über Twitter, Blog und vor allem Xing gehen. Das A und O für Bewerbungen gerade im Marketing-Bereich ist ein gut aufgesetztes Xing-Profil, mit guten Tags an den richtigen Stellen, sodass man für Recruiter gut aufzufinden ist. Facebook ist auf keinen Fall eine Plattform, über die man sich selbst als Jobsuchender gut vermarkten kann. Hier funktioniert mehr das Zufallsprinzip: „Ich kenne da wen … ich habe gehört … bei mir wird sowas doch gesucht …“. Aber als Einstiegsübung ins Thema Social Media ist es auf keinen Fall ein Fehler, das einfach mal zu probieren um Erfahrungen zu sammeln.

Wiebke Heyder bei Xing

Pic: paulandrews77 (CC BY 2.0)

[HTTP410] Crowdsourcing im Employer Branding?

Etwas muss für das Arbeitgeberimage getan werden, doch die eigene Personalabteilung hat zu wenig Werberblut? Und das Marketing steckt bis über beide Ohren in Arbeit und “kann eh kein Personal”? Was tun? Outsourcen? Viel zu teuer! Außerdem müssen ganz neue Ideen her! Also crowdsourcen? Diesen Weg geht ImmobilienScout24 – seit dem 4. August sammeln die Berliner Ideen und Konzepte in einer öffentlichen Ausschreibung für jedermann.

Entwickle eine überzeugende Personal-Image-Kampagne, die den Bekanntheitsgrad von ImmobilienScout24 als Top-Arbeitgeber steigert und es ins Relevant Set der Bewerber/-innen ruft.

heißt es auf der Plattform jovoto.com. Dort versuchte bereits die Konzernmutter Telekom, sich eine digitale Branding-Kampagne schneidern zu lassen. Dieser Pitch ist inzwischen ausgelaufen und der Sieger gekürt. Das ist wohl der damalige Gewinner, von Seiten der Telekom habe ich aber dazu bis jetzt nichts mehr gehört. Hmm..

Es geht bei diesen Aktionen wohl weniger um eine gute Kampagne oder um Ideen von unverbrauchten Köpfen. Eher darum, die Tatsache, dass diese Plattform genutzt wird, für sich einzusetzen. So verkaufte die Telekom die Aktion noch etwas holperig als Kampagne “Von der Zielgruppe für die Zielgruppe”. Der ImmobilenScout HR-Vize Lars Schmidt wird da schon deutlicher. Aus der Pressemeldung:

Schmidt sieht bereits den Pitch als Chance, ImmobilienScout24 als innovativen Arbeitgeber unter vielen kreativen Köpfen zu positionieren. (…) Lars Schmidt hofft darauf, dass sich auf diese Weise nicht nur der Wettbewerb selbst herumspricht, sondern dass bereits die Kreation der Kampagne auf die Employer Branding-Maßnahmen einzahlt.

Nichts desto trotz: Viele Kreative und solche die es sein wollen basteln dort fleißig an Konzepten und hoffen auf Preisgelder im 4stelligen Bereich. Natürlich allemal günstiger, als eine Agentur zu bezahlen – dafür schmecken die Entwürfe aber auch teilweise sehr nach Wohnzimmer.

Aktuelles Material zum Thema Crowdsourcing

Natürlich ist Crowdsourcing an sich eine wunderbare Sache und bringt – im gezielten Einsatz mit den richtigen Erwartungen wertvolle, einzigartige Ergebnisse. Deswegen hier noch zwei ganz frische Gedankenstupser. Einmal der Jovoto-Gründer und Geschäftsführer Bastian Unterberg im Interview mit Gründerszene-Chefredakteur Joel Kaczmarek:

…und eine Infografik von BizMedia rund um die Massen als Quelle:

[HTTP410] Neuseeland: Polizei wirbt mit Streetart-Kampagne

Wir hatten ja letzte Woche schon einmal nette Offline-Kampagnen, und auch dort war es einmal die Polizei, die Nachwuchskräfte suchte. Aber das, was ich heute bei We like that gesehen habe, muss unbedingt noch als Ergänzung erwähnt werden. Obwohl das hier im Prinzip schon wieder eine reine Online-Aktion ist, die davon lebt, dass sich die Fotos über soziale Netzwerke und Blogs etc. verbreiten.

Update: “The murals are part of a wider campaign by the advertising agency M&C Saatchi. Online, social media and reality-TV ads will follow and outdoor media will be used.”

“You too can do something extraordinary!”: Sogenannte Stencils (mit Schablonen in mehreren Farbschichten gestaltete Wandbilder) werben für einen Job bei der Neuseeländischen Polizei. Diese Form von Graffiti wird auch vom Gutbürger in der Regel als annehmbar “schön” angesehen und von Künstlern wie Banksy und Otis Frizzell (von ihm stammen die Bilder dieser Kampagne) salonfähig gemacht. In der Szene selbst sieht man das mit gemischten Gefühlen – keine Überraschung.

Pic: mjaysmonk (CC BY 2.0)

Work-Life-Balance – Teil 2: Die “Werde Chef deines Lebens”-Kampagne der Telekom

Wie versprochen, der zweite Teil unseres Doppelartikels zum Thema Work-Life-Balance. Heute morgen ging es um die ständige Erreichbarkeit und welche Rolle Smartphones dabei spielen. Die Problematik auf dem Schirm zu haben, ist für moderne Arbeitgeber heute Pflicht, dies auch im Personalmarketing schön zu kommunizieren die Kür.

Die Telekom hat bereits letztes Jahr die Führungskräfte dazu angehalten, das Wochenende der Mitarbeiter zu respektieren: Pressesprecher Georg von Wagner damals zur internationalen Deutschen Welle.

“Our employees have a right to their free time and should look forward to coming to work on Mondays.”

“We strongly encourage the executive staff to set a good example and not write e-mails on Friday afternoons or on Saturdays because employees would feel forced to answer and this chain reaction would go on and on. We wanted to break that.”

“Werde Chef Deines Lebens”

So lautet das Motto der aktuellen Recruiting-Kampagne der Telekom. In drei Anzeigenmotiven werden die Themen “Mobiles Arbeiten”, “Elternzeit” und “Duale Karriereförderung” zur Sprache gebracht. Letzteres ergänzt durch einen TV-Spot:

Mobiles Arbeiten

“Man kann leichter von zuhause aus ein guter Mitarbeiter sein als vom Büro aus ein guter Vater”

Elternzeit

“Alle sagen, Kind und Job sei eine Doppelbelastung. Ich habe mich für Doppelfreude entschieden.”

Duale Karriereförderung

“An alle, die sich zwischen zwei Traumberufen nicht entscheiden können: beide machen!”

Das letzte Motiv mit Katharine Baunach (in der Tat Telekom-Mitarbeiterin) im Paarlauf mit der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen, inklusive TV-Spot:

Sehr schön gemacht! Breite Ansprache durch drei Aspekte, emotionale Bilder und das Ganze eingebettet in ein gesellschaftliches Ereignis. So macht selbst Offline-Recruiting richtig Spaß! 😉

Pic: Telekom

Volkswagen sucht Freidenker

Aber nicht von der Stange! Das macht das Recruiting von Volkswagen Südafrika (VW hat dort über 6000 Beschäftigte) in einer neuen Plakatkampagne deutlich, die so ziemlich alles aneinander reiht, was die altbekannten Kreativ- und Performance-Floskeln so hergeben.

Arrangiert wurde das Ganze mit dem Flair von Cliparts und WordArt einer frühen Word-Version, garniert mit einem schönen Röhrenmonitor-Effekt. Also, liebe Bewerber: Denkt Euch was Neues aus, bitte keine Anschreiben “out of the box”. 😉

Pic: J Skilling (CC BY 2.0)

[HTTP410] Hamburg – Eine WG für junge Talente?

Genau wie Unternehmen um die besten Mitarbeiter kämpfen, so bemühen sich auch Städte und Regionen, junge Talente für sich zu gewinnen. Sie sind bedeutend für eine nachhaltige Stadtentwicklung: Sie bringen Fähigkeiten und gute Ideen in die Betriebe, kurbeln durch ihre Kaufkraft die regionale Wirtschaft an und engagieren sich idealerweise sogar kulturell oder sozial in der Gemeinschaft. Und genau wie Unternehmen daran arbeiten, eine Arbeitgebermarke aufzubauen, so arbeiten die Metropolen am Branding der eigenen Stadt.

Auch die Hamburg Marketing GmbH feilt am Markenimage “Hamburg”, um die Attraktivität des Standorts für Wirtschaft, Wissenschaft und Tourismus herauszuarbeiten. In diesem Zuge startete letzte Woche eine Kampagne: die #hh-wg. Das Hashtag lässt es bereits vermuten; es wird social.

“Du hast Hamburg gerade noch gefehlt”…

…soll junge Kreative aus ganz Deutschland ansprechen und davon überzeugen, dass Hamburg der richtige Ort ist, den nächsten Lebensabschnitt zu starten. Per Video können sie sich bewerben, die vier Gewinner werden ein Jahr lang in einem 200m² Loft im Szeneviertel Sternschanze wohnen und bekommen dort, was ein junger Starter so zum Leben braucht – inkl. eines Jobs bei einem der lokalen Partnerunternehmen Otto, der Sparda-Bank oder Radio Hamburg. Was er dafür tun muss? Darüber reden, auf den Kanälen, die die Kampagne begleiten: Facebook-Fanpage, Twitter, YouTube. Erinnert ein wenig an den “Best job In the world” als Inselhausmeister, nur dass Hamburg etwas “abwechslungsreicheres” Wetter zu bieten hat. 😉

Eine Sache fiel jedoch nicht nur mir auf, und brachte auch beim Feedbackabend kritische Nachfragen: Hamburg gilt als eine der schönsten Städte Deutschlands, doch mit hohen Lebenshaltungskosten und einem Mietspiegel, der knapp 17% über dem Bundesdurchschnitt liegt leider auch als eine der teuersten! Und nun sollen vier Testemonials die Werbetrommel rühren, die (dank freier Logis in der Schanze und geschenktem Smartphone und Laptop) von all dem nichts mitbekommen? Gerade die Young Creatives zeichnen sich nicht gerade durch große finanzielle Polster aus – sie müssen sich eher darauf einstellen, zunächst mit un(ter)bezahlten Praktika durch die Agenturen geschleift zu werden, bevor sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.

Wir fragen drei Kenner der Sache:

Der Wettbewerb wird vermutlich die gewünschte Aufmerksamkeit bringen, doch geht die Kampagne an den Problemen der Zielgruppe nicht vorbei?

Thorsten Kausch ist Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, der Initiatorin der Kampagne:

“Nein, sie thematisiert sie. Sicher, ein Ziel ist es, Begeisterung für Hamburg zu wecken. Die kommt dem Standort zugute und damit allen, die hier leben. Zudem handelt es sich um einen Wettbewerb. Der Preis, in diesem Fall ein einzigartiges und damit ungewöhnliches Jahr in Hamburg, macht den Reiz einer Teilnahme aus.

Inhaltlich werden wir die genannten Schwierigkeiten jedoch aufgreifen. Wir wissen, dass neben den vielen Vorteilen, die Hamburg bietet, die Wohnungssituation im Stadtkern schwierig ist, aber nicht hoffnungslos. Das Projekt orientiert sich daher stark an dieser Realität und gibt auf www.hh-wg.de und über die sozialen Netzwerke entsprechende Links und praktische Ratschläge für die WG-Suche an die Hand. Social Media sehen wir dabei als Chance, die alten und neuen Hamburger in die Kommunikation mit einzubinden.”

Prof. Dr. Angelus Eisinger ist Professor für Geschichte und Kultur der Metropole im Studiengang Stadtplanung an der HafenCity Universität in Hamburg und beschäftigt sich mit Fragen der Architektur- Stadt- und Raumentwicklung:

“Die Initiative geht die essentiellen Problemfelder an, mit denen junge Kreative beim Eintritt ins Erwerbsleben zu kämpfen haben, und verschleiert sie doch. So entsteht eine Ästhetisierung eines Alltagslebens, die vom Loft bis zum coolen Arbeitgeber alle in-group-Zeichen bedient.

Doch wo bleibt, man verzeihe das abgedroschene Wort, die Nachhaltigkeit? Sie wird sich nur dort einstellen, wo sich die Glücklichen über Alltagserfahrungen und den Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen des illusionistischen Settings ihres Daseins bewusst werden und in ihren Twitter-Botschaften, youtube und Facebook-Auftritten sich an das wirkliche Leben herantasten.”

Sven Wiesner kam 2006 selbst als junger Kreativer nach Hamburg und ist heute Gründer und GF der Social Media Agentur beesocial:

“Die Aktion ist in meinen Augen ein sehr guter Start. Ich kenne die Problematik, habe seinerzeit selbst vor dem letztendlichen Umzug nach Hamburg lange rumgerechnet. Allein die Mieten waren (und sind) im Vergleich zur alten Heimat Bremerhaven astronomisch. Letztendlich ist es immer ein bißchen auch wagen und einfach machen, mit der Hoffnung dass der Rest sich schon ergibt.

Wie in meinem Blog bereits geschrieben sind die Gegensätze natürlich offensichtlich: Geförderte WG mit allem drumherum gegen hohe Mieten und schlecht bezahlte Praktika Plätze. Die HH_WG wird für mich zum Erfolg wenn die Aktion es schafft, auch für Außenstehende einen echten Mehrwert zu bieten. Etwa wenn die Vorzeige WGler ihre Chance nutzen, und den Daheimgebliebenen den Weg in Hamburg ebnen. Etwa durch nützliche Tipps für den Umzug, für die Wohnungs- oder Jobsuche.

Das könnte aber noch viel viel weiter gehen, etwa indem die HH_WGler soetwas wie Repräsentaten für die jungen Hamburgstarter werden. Etwa indem sie zusammen mit den Leuten von Hamburg Marketing echte Maßnahmen entwickeln und vorantreiben, um jungen Kreativen den Start in Hamburg zu erleichtern. Das wäre für mich eine gelungene Social Media Kampagne die über den Marketingeffekt hinaus glänzt!”

Ein historischer Tag für Social Recruiting?!

Die US-Praktikantenbörse internships.com hat gestern Abend eine Infografik veröffentlicht, in der der 7. März 2011 als “historischer Tag im Social Recruiting” beschrieben wird. Ein Tweet sammelte innerhalb einer Stunde über 95.000 Klicks aus 181 Ländern, schaffte es mit dem Hashtag #TigerBloodIntern in die weltweiten Trending Topics und generierte sagenhafte 74.000 Bewerbungen auf eine Praktikantenstelle bei… Charlie Sheen!

Was war passiert?

1. Dass Charlie Sheen derzeit einige Probleme haben soll, dürfte auch jemand mitbekommen haben, der sich für Gossip nicht sonderlich interessiert. Er nutzt seine neue freie Zeit unter anderem für den Aufbau eines Twitter-Accounts. Mit einigem Erfolg: Nach 25 Stunden hatte er eine Million Follower, inzwischen sind es knapp 2,5 Millionen.

2. Das Unternehmen Ad.ly bringt Prominente dazu, Markenbotschaften ihrer Kunden zu twittern. “Ad.ly is also the team behind the media storm that is @charliesheen.”, schreibt Brian Solis. Was man hier sieht, ist also eine clevere Kampagne von @charliesheen, Ad.ly und internship.com.

Fazit

Das Ganze ist natürlich nur ein kleiner Werbegag, aber der reale Rücklauf ist dennoch beeindruckend! Dabei ist es letztendlich auch unerheblich ob, Charlie Sheen tatsächlich einen Praktikanten sucht oder nicht. Dieser Case zeigt die unglaubliche Dynamik, die entstehen kann, wenn man die richtige Figur oder ein aktuelles Thema mit einer klugen Idee im richtigen Moment verbindet.

Wer die Zahlen selbst weiter verfolgen möchte, hat hier die aktuelle Auswertung des verwendeten bit.ly-Links. (Aktueller Stand: 440,433 Total Clicks)

[HTTP410] Zur “Viralität” der Telekom Recruiting-Kampagne

Wir waren von der Telekom Recruiting-Kampagne “Wissen verändert alles” nicht gerade begeistert: “An der Zielgruppe vorbei” titelten wir im November 2010. Zur Erinnerung: Man klickt sich durch das Telekom-Gebäude und löst Aufgaben. Die Kampagne ist mehrere Stufen gegliedert und hat nun die zweite erreicht: Ein versteckter Raum wurde geöffnet. Von dort aus kann der Bewerber nun individuelle Informationen (für Azubis, Studenten oder Professionals) zu seinem möglichen Telekom-Karriereweg abrufen. Ich möchte darauf nicht groß eingehen – auch der neue Raum wertet das gesamte Konstrukt nicht auf.

Viel spannender ist ja, ob ich mit der Prognose richtig lag, dass die Kampagne an der Zielgruppe vorbeigehen würde. Besonders betont wird in der Kommunikation dieser Kampagne ihre “Viralität”. Warum? Der Einstieg zu der Kampagne läuft über einen YouTube-Markenkanal, der dann wiederum auf die Seite www.wissen-verändert-alles.de führt, wo der virtuelle Rundgang beginnt.

Dieser YouTube-Kanal verzeichnet immerhin über 455.000 Aufrufe. Das ist eine beachtliche Zahl, zumal unklar bleibt, wie sich die Verteilung gestaltet hat. Über das Video selbst kann es nicht gekommen sein, dieses hat nur 9700 Aufrufe. Also muss die Verbreitung über den Link direkt zum YouTube-Channel gelaufen sein. (Was weitaus schwieriger ist!)

Nun wäre elbkind keine Seeding-Agentur, wenn sie nicht wüssten, wie sie dem Virus einen kleinen Schubs geben könnten. Die Google Suche nach “Spaßvogel des Monats” liefert zum Beispiel seitenweise Verweise auf die unterschiedlichsten Portale, auf denen der Link unter diesem Titel gezielt platziert wurde. Das alleine dürfte einiges an Traffic gebracht haben (und war vermutlich noch längst nicht alles).

Die Zahl der Kanalaufrufe zeigt also nur, das elbkind beim Seeding bis jetzt gute Arbeit geleistet hat. Wie viel davon wirklich aus dem Publikum gekommen ist, das wird man vielleicht im April erfahren – solange soll die Kampagne mindestens laufen. Die Anzahl der absolvierten Online-Bewerbungstests oder die Anzahl der gelösten Aufgaben im Spiel wären z.B. interessante KPIs.

Ich bin nach wie vor gespannt!

[HTTP410] An der Zielgruppe vorbei: Die neue Azubi-Kampagne der Telekom

Die Telekom beginnt zum Jahresende mit einer neuen Recruiting-Kampagne. Unter dem Motto “Wissen verändert alles” sollen in erster Linie Auszubildende angesprochen werden. Ein eigener YouTube-“Viral”-Channel verweist auf eine Microsite, mit der die Wunschkandidaten virtuell durch das Telekom-Hauptquartier gehen und Aufgaben à la “Rechne doch mal die Mehrwertsteuer von Nettobetrag x aus” oder “Mit welchem Stecker schließt man einen Beamer an?” lösen dürfen.

Die Kampagne ist mit großem Aufwand gemacht und mit viel Blick fürs Detail umgesetzt – nur schrecklich veraltet und völlig an der Zielgruppe vorbei! Um wen soll es gehen? Ausbildungen beginnen mit etwa 16 Jahren. Sagen wir, ein umsichtiger Schüler beginnt bereits im Alter von 14 Jahren mit der Ausbildungsplatzsuche. Hat er darauf – wie er sagen würde – Bock??

Empfangstätigkeit
Diese Mitarbeiterin ist ganz traurig, weil ihr Computer nicht funktioniert und sie ohne ihn keine Prozentrechnung kann.

Ich glaube kaum. Mehrwertsteuer ausrechnen, ein Plakat holen, einen Beamer anschließen sind allenfalls zeitraubende Aufgaben und keine Herausforderungen. Und schon gar nicht für Jugendliche in diesem Alter! Dass man sich virtuell durch ein Gebäude klicken kann ist auch nicht neu. Zudem ist das ganze unterbrochen von langen Ladezeiten und die Bedienung nicht sonderlich gelungen.

So klickt sich der Besucher von Raum zu Raum, von Stockwerk zu Stockwerk und wartet nach den jedem Klick geduldig bis alle Animationen und Bedienelemente geladen sind, damit es weiter gehen kann. Um dann herauszufinden, welche Optionen und Wege in einem Raum zu Verfügung stehen, muss man mit der Maus den Bildschirm abfahren und darauf achten ob sich der Mauszeiger verändert. Eine reine Geduldsprobe, kein Wunder, dass die basicthinking-Redaktion “keine Zeit” hatte, die Seite zu testen. 😉

Inhaltlich dürfte die Kampagne keinen Jugendlichen hinter dem Ofen hervor locken. Technisch schon gar nicht. Man schaue sich nur mal an, was im November 2010 an Computerspielen auf den Markt kommt. Natürlich kann das kein Maßstab für interaktive Recruiting-Sites sein, aber die eigene Idee muss trotzdem dagegen bestehen können. So zum Beispiel das Assessment-Game der Kanzlei Houthoff Buruma. Simples Prinzip, Teilnehmer die sich vernetzen müssen, eine echte Herausforderung – das kann auch gegen heutige Medienangebote standhalten. Ein YouTube-Video mit “Huch-Effekt” und eine Multimedia-Präsentation im Stile der 90er Jahre nicht.