[HTTP301] Pragmatische Macher (Shell Jugendstudie 2015)

Seit 1953 untersucht die Shell-Jugendstudie alle paar Jahre die Werte, Wünsche und Befindlichkeiten der Jugendlichen in Deutschland. Jugendlich ist man übrigens von 12 bis 25 Jahren, so dass die Ergebnisse nicht nur für Azubi- sondern auch für Absolventen und Nachwuchs-Recruiter interessant sind.2010 war die 16. Shell-Studie durchgeführt worden. Das Ergebnis haben wir damals mit den Worten “selbstständig, konservativ und online” zusammengefasst, ein Kommentator nannte sie aufgrund fehlender Illusionen und der nicht vorhandenen (politischen) Rebellion “die traurigen Streber” und die Autoren selbst beschrieben die Jugendlichen als pragmatisch. Dieser Pragmatismus scheint sich weiter verfestigt zu haben, so dass die Autoren die Jugendlichen im Kollektiv inzwischen als “Die Pragmatische Generation” beschreiben. Shell-Jugendstudie 2015 - Pragmatische Generation Mit nahezu zwei Dritteln dominieren die “Durchstarter” und die “Bodenständigen”, während die “Distanzierten” und “Idealisten nur je 18 Prozent ausmachen. Vielleicht ist das die Folge des Aufwachsens in einer zumindest medial suggerierten Dauerkrise und einer sich ständig verändernden, globalisierten Welt, die niemand versteht und die weder Eltern noch Politiker glaubwürdig erklären geschweige denn gestalten können. Und so schrauben die Jugendlichen verglichen mit ihren Vorgängern ihre Erwartungen runter und kümmert sich eben selbst um ihre Zukunft. Die Zahl der Materialisten sinkt und die der Macher steigt. Mehr Macher und weniger Materialisten unter den Jugendlichen Ihr Streben gilt einem stabilen persönlichen Umfeld in einer unruhigen Welt, wobei die sinkende Sorge um den Arbeitsmarkt und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv hervorstechen. Arbeitsmarkt macht Jugendlichen weniger Sorgen Nichtsdestotrotz legt die pragmatischen Generation den Hauptfokus ihrer Berufsorientierung auf einen sicheren Arbeitsplatz, gefolgt von Mit-Gestaltungsmöglichkeiten, Work-Life-Balance und schließlich Karriereaussichten. Betrachtet man das Bild etwas differenzierter, finden aber zumindest die “Durchstarter” und die “Bodenständigen” ein hohes Einkommen wichtig. Arbeitsplatzsicherheit ist der Hauptfokus bei der Berufsorientierung Mir persönlich scheint unsere Jugend also ziemlich realistisch und vernünftig. Das ist an und für sich schon ein gutes Fundament für den Aufbau einer stablilen Zukunft und da die Mehrheit (61%) trotz aller Sorgen optimistisch in die Zukunft blickt, freue ich mich schon auf ihren Eintritt ins Arbeitsleben. Die Vernunft spiegelt sich auch mit Blick auf die Online-Nutzung der Jugendlichen wieder. Sie nutzen das Internet mit unterschiedlichen Schwerpunkten für alle Bedürfnisse, von Information über Unterhaltung bis zur Selbstdarstellung. Dabei haben sie offenbar gelernt, nicht alles für bare Münze zu nehmen und Dinge auch zu hinterfragen. Online sind sie zwischen 11 und 25 Stunden wöchentlich. Online-Nutzertypen unter den Jugendlichen - Die meisten sind digitale Vielnutzer Für Recruiter ist interessant, dass 90 Prozent der Jugendlichen Social Media nutzen (und dort folglich erreicht werden können), wobei sie eher Inhalte konsumieren als gestalten. Aber mit Blick auf die Altersspanne erscheint mir auch das normal. Gesellschaftlich bedauerlich finde ich persönlich, dass sich 26 Prozent nach eigener Aussage noch nie online über Politik und Gesellschaft informiert haben. Allerdings ist auch das Vertrauen in Politiker bei den Jugendlichen niedrig und die Politikverdrossenheit hoch, so dass vielleicht auch dieses Verhalten pragmatisch ist. Das die Jugendlichen trotzdem nicht gleichgültig sind, was sie bewegt und wie sie sich zwischen Ost und West unterscheiden, erfahrt Ihr hier in der Zusammenfassung der 17. Shell-Jugendstudie (pdf). Und zum Abschluss noch ein paar O-Töne:

Bei Klick wird dieses Video von den YouTube Servern geladen. Details siehe Datenschutzerklärung.

[HTTP410] An der Zielgruppe vorbei: Die neue Azubi-Kampagne der Telekom

Die Telekom beginnt zum Jahresende mit einer neuen Recruiting-Kampagne. Unter dem Motto “Wissen verändert alles” sollen in erster Linie Auszubildende angesprochen werden. Ein eigener YouTube-“Viral”-Channel verweist auf eine Microsite, mit der die Wunschkandidaten virtuell durch das Telekom-Hauptquartier gehen und Aufgaben à la “Rechne doch mal die Mehrwertsteuer von Nettobetrag x aus” oder “Mit welchem Stecker schließt man einen Beamer an?” lösen dürfen.

Die Kampagne ist mit großem Aufwand gemacht und mit viel Blick fürs Detail umgesetzt – nur schrecklich veraltet und völlig an der Zielgruppe vorbei! Um wen soll es gehen? Ausbildungen beginnen mit etwa 16 Jahren. Sagen wir, ein umsichtiger Schüler beginnt bereits im Alter von 14 Jahren mit der Ausbildungsplatzsuche. Hat er darauf – wie er sagen würde – Bock??

Empfangstätigkeit
Diese Mitarbeiterin ist ganz traurig, weil ihr Computer nicht funktioniert und sie ohne ihn keine Prozentrechnung kann.

Ich glaube kaum. Mehrwertsteuer ausrechnen, ein Plakat holen, einen Beamer anschließen sind allenfalls zeitraubende Aufgaben und keine Herausforderungen. Und schon gar nicht für Jugendliche in diesem Alter! Dass man sich virtuell durch ein Gebäude klicken kann ist auch nicht neu. Zudem ist das ganze unterbrochen von langen Ladezeiten und die Bedienung nicht sonderlich gelungen.

So klickt sich der Besucher von Raum zu Raum, von Stockwerk zu Stockwerk und wartet nach den jedem Klick geduldig bis alle Animationen und Bedienelemente geladen sind, damit es weiter gehen kann. Um dann herauszufinden, welche Optionen und Wege in einem Raum zu Verfügung stehen, muss man mit der Maus den Bildschirm abfahren und darauf achten ob sich der Mauszeiger verändert. Eine reine Geduldsprobe, kein Wunder, dass die basicthinking-Redaktion “keine Zeit” hatte, die Seite zu testen. 😉

Inhaltlich dürfte die Kampagne keinen Jugendlichen hinter dem Ofen hervor locken. Technisch schon gar nicht. Man schaue sich nur mal an, was im November 2010 an Computerspielen auf den Markt kommt. Natürlich kann das kein Maßstab für interaktive Recruiting-Sites sein, aber die eigene Idee muss trotzdem dagegen bestehen können. So zum Beispiel das Assessment-Game der Kanzlei Houthoff Buruma. Simples Prinzip, Teilnehmer die sich vernetzen müssen, eine echte Herausforderung – das kann auch gegen heutige Medienangebote standhalten. Ein YouTube-Video mit “Huch-Effekt” und eine Multimedia-Präsentation im Stile der 90er Jahre nicht.

[HTTP410] Die BA wirbt für Ausbildungsberufe und trifft den richtigen Ton

Die Bundesagentur für Arbeit hat eine Micropage ins Leben gerufen, die sich an Jugendliche richtet und ihnen möglichst facettenreich Ausbildungsberufe schmackhaft machen will. Sie setzt dabei auf ein schickes Design und – noch viel wichtiger – die Integration der gesamten Initiative in das Social Web der Zielgruppe: bei SchülerVZ. Eine gute Wahl, auch wenn Markus mit seiner Vermutung vermutlich Recht haben wird, dass selbst SchülerVZ sich nicht mehr lange am Markt halten wird. Noch ist es das Netzwerk dieser Altersgruppe.

Ich finde, die Seite und die Kampagne ist rundum gut gelungen und ein schönes Beispiel für eine zielgruppengerechte Ansprache. Als Incentive werden zum Beispiel ein T-Shirt verlost, von denen ich eines selbst gerne hätte 😉 – fern von dem muffigen Charme des BiZ (Berufsinformationszentrum) den ich noch kennenlernen durfte. Fler als aktuelles Testemonial ist zwar eher Geschmacksache (Er ist schließlich nicht unbedingt der Traumschwiegersohn der Elterngeneration), aber auch hier beweist die BA den nötigen Mut, den es braucht, um Jugendliche überhaut mit Respekt zu erreichen.

Die Aktion schafft es, Jugendliche mit einem Thema anzusprechen, mit dem sie sich nur wider Willen auseinandersetzen. Schließlich hat man in diesem Alter sehr viel Wichtigeres zu tun, als sich Büros in kaufmännischen Betrieben, eine Pflegestation oder eine CNC-Fräse anzuschauen. Doch genau da setzt die BA an; sie verbinden den Alltag und die gelebten Talente der Jugendlichen mit möglichen Berufsaussichten. Es scheint zu klappen: Immerhin finden schon jetzt über 2000 Schüler Ich bin gut “gut” – wie das “liken” auf SchülerVZ genannt wird – und das in den Sommerferien!