[HTTP410] “The Most Serious Game Ever” – Die SNCF siebt Ingenieure aus

Gerade vor zwei Wochen hatte ich eine Recruiting-Aktion präsentiert, bei der eine spielerische Hürde Interesse wecken und unter den Studenten die “Spreu vom Weizen” trennen sollte. Die australische Air Force sendete hierzu eine Rekrutierungs-Botschaft über ein Radio, das die angehenden Ingenieure erst selbst zusammenbauen mussten. Und zwar ohne weitere Anleitung. Auch wenn das keine triviale Aufgabe ist und man neben Know-how zumindest etwas Geduld und den Willen braucht, das Geheimnis hinter dem Bausatz zu entdecken: Eine wirkliche Pre-Selection ist das nicht, vermutlich ist es auch nicht so gedacht. In erster Linie soll durch die Aktion Interesse und Aufmerksamkeit geweckt werden, was ja völlig legitim ist und ein hier erfolgreich erfülltes Kampagnenziel darstellt.

Ein Beispiel für ein Recruiting-Game

Hier aber ein Beispiel für ein Recruiting-Game, das anscheinend ernsthaft vorselektieren soll – oder zumindest den sehr großen Anreiz darin wecken, dass dieses Spiel wirklich schwer zu schaffen ist: “The Most Serious Game Ever” war ein Recruitainment-Angebot der französischen Bahngesellschaft SNCF mit freundlicher Unterstützung von TBWA Paris.

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Natürlich hat die bloße Existenz dieses Spiels schon eine große Werbewirkung: Es schafft Aufmerksamkeit und das Bewusstsein, dass die SNCF Interesse an Ingenieuren hat – unabhängig davon, ob die Nutzer die Spielziele erreichen oder nicht. Aber dennoch haben es sich einige SpielerInnen zu Herzen genommen und sich in das Spiel reingefuchst.

Mit folgendem Ergebnis:

  • Von etwa 5000 Teilnehmern…
  • …schafften es gerade mal 17 das Spiel durchzuspielen…
  • …wovon wiederum 10 einen Job bei SNCF bekamen.
  • (Vom Wachstum an Bewerbungen um 37.500% mal ganz zu schweigen.)

Wirklich toll gemacht. Das Spiel ist sauber durchdacht und nach allen Regeln der Kunst gestaltet und programmiert. Die Grafiken sind sparsamer und einfacher als es bei aktuellen Entertainment-Titeln der Fall wäre, aber sie sind hochmodern und stylish – nicht nur ein Recruiting-Abguss der Game-Technologie von vor fünf oder gar zehn Jahren. Der Multi-Device-Zugriff ist super und an eine sinnvolle(!) LinkedIn-Verbindung wurde auch gedacht. SNCF, ça me plaît!

[HTTP410] “Bau ein Radio, hör einen Spot und bewirb Dich!” – Rekrutieren von Ingenieuren

Heute geht ja die diesjährige Oscar-Verleihung der Werbeindustrie zuende – das Cannes Lions International Festival of Creativity. Ich habe das Ganze am Rande verfolgt und mir ist nicht ein Case untergekommen, der aus dem Bereichen Recruitment oder Employer Branding gekommen wäre. Mag sein, dass ich etwas übersehen habe (Bitte in die Kommentare posten!), aber ich fürchte es sah diesen Sommer einfach so dünn aus wie die Jahre davor. Ein Jammer, aber ich bin mir sicher, dass sich das in den kommenden Jahren ändern wird – zumal ich da einiges im Kopf habe, dass sich dort schon ganz gut hätte behaupten können. Der einzige dort geehrte Case, an den ich mich akut erinnern kann stammt aus dem letzten Jahr, das “Air Force Radio” von George Patterson Y&R: Um begabte Ingenieure für die australische Air Force zu gewinnen, gab man dortigen Studenten eine Knobelaufgabe zu lösen:

  • An den Unis wurden Bastelsets für ein Radio verteilt, die alle wesentlichen Bauelemente enthielten – nur keine Anleitung, wie die einzelnen Teile zusammenzubauen wären.
  • Die Studenten die sich erfolgreich durch das Bastelset gefaltet, geklebt, geschraubt und gelötet hatten bekamen das Ding zum Laufen…
  • … und empfingen einen voreingestellten Kanal, auf dem die weiteren Anweisungen in Dauerschleife liefen.
  • Im letzten Schritt konnte man sich dann auf einer Website, mit einem im Spot verratenen Code registrieren und wurde als “bevorzugter Kandidat” in Pool der zukünftigen Air-Force-Schrauber aufgenommen.
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Ich finde den Ansatz grundsätzlich spannend, Kandidaten über Aufgaben oder Rätsel zu aktivieren. Anders als beim Vermarkten von schnelllebigen Produkten oder Dienstleitungen hat man beim Recruiting oder auch bei den Kampagnen aus dem öffentlichen Sektor immer einen anderen Ansatzpunkt: Der Werbetreibende möchte den Menschen hier nicht eine weitere Alternative zu einem bekannten Konsumprodukt anbieten, wodurch sich viel einfacher Wettbewerbs- oder Rätsel-Elemente einbauen lassen. Hier wird eine langfristige Partnerschaft oder ein emotionales Engagement angestrebt; das kann ruhig mal etwas komplizierter sein und den ein oder anderen “Abspringer” kann man hier auch in Kauf nehmen. Natürlich nur, sofern die Hürde gewollt ist. Wenn ich meine Kandidaten aufgrund einer miserablen Nutzerführung verliere, kann das nicht mehr schöngeredet werden. Setzen wir uns also alle wieder auf Hosenboden und sehen uns dann 2015 – in Cannes! 🙂