Wie Facebook nach dem Internet greift

In “Die Diktatur der Einfachheit” haben wir im Juni die These aufgestellt, dass Facebook sich zu einem universellen Web-Betriebssystem entwickelt und daran die Frage geknüpft, ob Facebook letztlich vielleicht selbst zu dem Internet wird. Auch wenn diese Überlegung überspitzt erscheinen mag, hat Facebook 2010 drei wichtige Schritte unternommen, um sich die Vorherrschaft über das Web zu sichern.

Community-Pages

Durch die Einführung der Community-Pages, Facebook-Themenseiten, die sich auf Grundlage von Informationen in den Profilen der Nutzer automatisch generieren, hat Facebook zwei Entwicklungen angestoßen, die mittelfristig gravierende Vorteile versprechen.

Zum einen fordert jede Community-Page die User auf, themenrelevante Wikipedia-Einträge zu übermitteln, deren Inhalte nach einer Überprüfung komplett in die jeweilige Community-Page übernommen werden.

Angesichts der Menge der Facebook-Nutzer und der noch größeren Informationsvielfalt in den Profilen wird dies über kurz oder lang dazu führen, dass mehr oder weniger die komplette Wikipedia innerhalb Facebooks verfügbar sein wird. Facebook verleibt sich so nicht nur ungeheure Massen an Content ein, sondern nimmt seinen Nutzern einen wichtigen Anreiz zum Verlassen der Seite, nämlich die Suche nach grundlegenden Informationen.

Gleichzeitig sind die Community-Pages ein genialer strategischer Schachzug zur Gewinnung interessanter und finanzstarker neuer Facebook-Nutzer, den Unternehmen. Denn Facebook generiert nicht nur für die Interessen der Nutzer eine Community-Page sondern auch für jedes in den Nutzerprofilen als Arbeitgeber eingetragene Unternehmen. Mittelfristig werden also alle Unternehmen bei Facebook auffindbar sind, und zwar auch ohne eigenes Zutun. Die Tatsache, dass auf den Community-Pages neben Wikipedia-Artikeln auch alle Posts erscheinen, die das betreffende Keyword (sprich Unternehmen) erwähnen, stellt Unternehmen mit Bewusstsein für die Bedeutung der eigenen Online-Reputation vor eine wichtige Frage. Wollen sie die Deutungshoheit über die eigene (Arbeitgeber-) Marke der Öffentlichkeit überlassen, oder durch Einrichtung einer Unternehmenspage zumindest mitgestalten?!

Egal wie die Antwort im Einzelnen ausfällt, die Sogwirkung der Community-Pages ist garantiert.

Facebook-Messages – 1 Inbox for all

Mit der Einführung von “Facebook Messages” steigt Facebook nicht nur in das Email-Geschäft ein, sondern schafft als erster Dienstanbieter mit Massenpotential eine universelle Inbox zum gebündelten Empfang von Emails, SMS, Facebook- und Chat-Messages und nimmt Nutzern damit einen weiteren zentralen Anreiz zum Verlassen des Netzwerks. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, das Facebook damit außerdem darauf abzielt den Werbe-Rivalen Google zu schwächen, was mich direkt zum nächsten Punkt bringt.

Der schleichende Angriff auf Google

Neben Facebook Messages hat Facebook in diesem Jahr noch zwei weitere Maßnahmen im Kräftemessen mit Google eingeleitet. Durch seine Kooperation mit Bing hat Facebook für eine stärkere Präsenz in der Suchmaschine gesorgt und mit der Integration von Bing in sein eigenes Such-Angebot einen weiteren Schachzug zur mittelfristigen Schwächung von Google ausgeführt. Demselben Ziel dient meiner Meinung nach auch Facebook-Places, das sich parallel gleich noch der Eindämmung der aufstrebenden Konkurrenz der mobilen Location Based Services wie Foursquare und gowalla annimmt.

Und obwohl Facebook trotz seines unvergleichlichen Nutzer- und Contentwachstums aktuell nur auf dem zweiten Platz der “Web-Weltrangliste” und damit immer noch hinter Google liegt, hat das Netzwerk sich die Anerkennung des Rivalen längst erkämpft. Woran ich das festmache? Google macht Werbung – bei Facebook!

Pic: Kr. B.

[HTTP410] Warum Facebook Places nicht nur ein weiteres Foursquare ist

Seit gestern ist Facebook Places auch in Deutschland und der Schweiz verfügbar. Facebook Places zeigt seinen Nutzern nahe gelegene Orte auf dem Smartphone an. Sie können sich dort “einchecken”, neue Orte anlegen und mit Informationen versehen und diese wiederum mit anderen teilen. Alles Funktionen, die man bereits von Foursquare, Gowalla und Co. kennt. Warum also nun ein entsprechendes Facebook-Pendant?

Es sind nicht die Features, die Facebook Places interessant machen. Jedes einzelne gibt es so oder ähnlich auch bei anderen Location Based Services. Die Besonderheit liegt darin, dass dieser neue Service mit einem Schlag 500 Millionen Nutzer weltweit hat. Völlig egal, ob man sich selbst beteiligt oder nicht – die Check-Ins der Freunde tauchen in der Timeline auf und sind nicht auszublenden (Zumindest nicht auf herkömmlichem Wege). Meinen ersten Check-In gestern Morgen haben also alle meine Facebook-Freunde zu sehen bekommen. Auch jene, die vorher nie von Foursquare oder dergleichen gehört, geschweige denn einen solchen Dienst verwendet haben. Sie alle sind plötzlich bei einem Location Based Service (LBS) angemeldet – ob sie das wollten oder nicht.

Insofern ist mit der Einführung von Facebook Places in Deutschland ein großer Schritt nach vorne gemacht worden. Keine Revolution, aber über elf Millionen deutsche Facebook-User werden in den nächsten Wochen und Monaten sanft an das Thema herangeführt. Gut so, denn es ist notwendig, soziale Netzwerke aus der Virtualität zu führen und mit realen Orten zu verknüpfen. Denn nur wenn das Web 2.0 mit praktischem Bezug zunehmend Teil des Alltags wird, lässt sich auch die breite Masse erreichen, die den Wirklichkeitsbezug im rein digitalen Netzwerken nicht sieht. Nicht nur für das Personalmarketing lassen sich dann viele spannende Szenarien vorstellen.

UPDATE: Den ersten schönen Einsatz von Facebook-Places im Recruiting lieferte uns JvM. Ein guter Grund, das eigene Engagement nicht zu verschlafen!

Pic: williamcho