Google Hire ist Geschichte

Ich habe eine Weile nicht geschrieben und wartete geduldig auf die Gelegenheit, nicht (mal wieder) über Google schreiben zu müssen. Ich wünschte, ich hätte nicht kläglich versagt. Naja, wie dem auch sei, kommen wir direkt zur Sache. Google Hire, der vor zwei Jahren gestartete “Killer der Bewerbermanagementsysteme”, wird in 2020 vom Netz genommen. Vor zwei Jahren gab es eine gewisse Aufregung um das Thema. Es wurde viel spekuliert und in Kombination mit der Google Job Api und Google for Jobs schon mal das Bild der apokalyptischen Reiter an die Hauswand des Recruiting Marktes gemalt. Im Ergebnis hat die Software nie wirklich die Grenzen der USA verlassen.

Ich kenne die aktuelle Benutzeroberfläche zwar nicht. Ich kann auch nicht wirklich beurteilen, wie gut sie insgesamt ist und wie gut sie sich (aus der Perspektive der Nutzer ) entwickelt hat. Einige der letzten Release-Notes lassen mich erahnen, dass die Software bei einigen guten Ansätzen (z. B. Reporting) noch lange nach dem Start einige ernste Schwächen auszumerzen hatte.

Nun, jedenfalls gemessen allein am Aussehen und an der Funktionalität ihrer Lösung für die (Unternehmens-) Stellenbörse wage ich die kühne Behauptung, dass sich die Software in den vergangenen zwei Jahren, zumindest in Sachen Usability für den Bewerber, nicht wirklich weiter entwickelt hat (vgl. Stand Look & Feel 2017). Ganz nebenbei, die Stellenbörse muss offenbar per iFrame in die Karriereseite eingebunden werden. Im Ernst jetzt?! Google Hire bei aira im Einsatz: Mittlerweile aber nicht mehr

Nun stehen einige amerikanische KMUs und Start-Ups, nachdem sie zwei Jahre eine hier und da gut gemeinte aber nicht wirklich runde Software nutzen mussten, vor einem Scherbenhaufen. “Danke, Google!” Doch jetzt mal im Ernst, wie ist das nur möglich? Was ist der Grund für Googles Entscheidung, den (vermeintlich) groß angelegten Angriff auf den Recruiting Markt in Teilen zu stoppen? Meine persönliche These ist, dass Google sich zu viel vorgenommen hat.

Mit einer nicht ausreichend ausgereiften Lösung wollte man evtl. den weltweiten Markt im Handumdrehen erobern, ohne all zu viel dafür tun zu müssen. Vielleicht ist dieser Plan nicht ganz aufgegangen. Wir haben da ein wenig recherchiert. Zunächst ist die Frage spannend, wie viele Kunden Google Hire in den vergangenen zwei Jahren gewinnen konnte. Für die Beantwortung dieser Frage haben wir spekuliert, dass alle Jobs dieser Kunden bzw. die mit Google Hire generierten Stellenbörsen bei Google selbst auffindbar sein müssen. Mit diesem Ansatz und einer entsprechenden Suchkette  kommen wir auf max. ca. 1500 Unternehmen, die eine Google Hire Stellenbörse angelegt haben. Kann das stimmen? Wer bietet mehr? Vielleicht liegen wir mit diesem Ansatz ja falsch. Unser nächster Test betrachtet daher die Traffic-Entwicklung der Domain hire.withgoogle.com, auf der sowohl die Zugriffe der Google Hire Kunden als auch der zugehörige Bewerber-Traffic ihrer Stellenbörsen zusammenlaufen dürften.  Zusätzlich betrachten wir einen Wettbewerber und zwar Personio, um ein Benchmark zu haben. Ein tolles Bewerbermanagementsystem aus Deutschland, ein schnell wachsendes mittelständisches Unternehmen mit ca. 250 MA. Aber kein Weltkonzern mit Milliarden-Umsätzen. Wie haben sich die beiden schätzungsweise im Vergleich geschlagen? Überraschung!

Google Hire: Wie viel Traffic?

Laut SimilarWeb Schätzung hat Google Hire im Juli 2019 mit 2,5 Mio. vs. 0,97 Mio. monatlich gerade 2,5 Mal mehr Traffic auf die Waage gebracht als Personio. Ja wohl, der Chart deutet zwar ein gewisses Wachstum an. Aber glaubt Ihr, dass diese absoluten Mengen für Google ausreichend sind? Ich denke, aus Sicht von Google ist das ein Witz. Diese Auswertung bestärkt unsere Vermutung, dass die Schätzung der Kundenzahl gar nicht so falsch sein könnte. Bei 1500 Kunden und einem maximalen monatlichen Beitrag von 400$  dürfte Google Hire so gesehen einen Umsatz von maximal knapp 7 Mio. pro Jahr erzielen. Das ist ganz bestimmt kein Geschäft für Google. Als Anhänger der “Google disrupted das Recruiting trotzdem” Theorie könnte man jetzt entgegnen, dass die Aussichten nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Der Hockeystick hätte noch kommen können. Hier kommt Google Trends zum Einsatz. Hat sich Google vermutlich auch angeschaut.
Google Trends: Wie stark was das Interesse an Google Hire in den letzten Jahren?

Das Interesse an “Google Hire” im zeitlichen Verlauf lässt vermuten, dass sturmflutartige Disruption des Recruiting Marktes vorerst nicht zu erwarten ist. Zugegeben, im Fall von Deutschland hätte mich das jetzt wirklich nicht  überrascht. Aber auch weltweit scheint die Offenheit für Recruiting-Disruption sich aktuell in Grenzen zu halten und Google Hire an Interesse tendenziell zu verlieren. Trotz der schier grenzenlosen Möglichkeiten von Google bei der Vermarktung der eigenen Produkte. Im Ergebnis fühlen wir uns bestätigt, dass Google den Recruiting Markt wohl unterschätzt bzw. sich überschätzt hat. Gute Ideen, Technologie und sehr viel Geld reichen in unserem Geschäft zumindest bis jetzt offenbar nicht aus, um in Start-Up Geschwindigkeit den Markt auf den Kopf zu stellen.

Recruiting und Disruption mögen sich nicht besonders. Und evtl. gilt das auch nicht exklusiv für Deutschland. Google Hire ist leider, wie nicht wenige andere Projekte davor, nun ein weiterer Grabstein auf Googles Friedhof der guten Ideen. Zum Abschluss sei uns noch ein Querverweis und Gedankenspiel aus gegebenem Anlass erlaubt. “Google for Jobs” ist die zweite vermeintliche Recruiting-Disruption, die gerade in Deutschland viel Staub aufwirbelt. Wir erkennen aktuell zwei Ähnlichkeiten mit Google Hire, die nun Fragen aufwerfen.

Erstens hat Google in zwei Jahren seit dem Start nichts an der Usability der Oberfläche verbessert. Wenn man den Markennamen “Google” weg denkt, ist die Lösung aus meiner Sicht nach wie vor einfach nur schlecht für den Nutzer. Der König ist also nackt, sozusagen. Warum sollte sich das in Zukunft erheblich ändern?! Um ehrlich zu sein, ärgert mich das sogar ein wenig. Was für eine Verschwendung. Da ginge gerade mit den Mitteln von Google so viel mehr. Zweitens, das weltweite Interesse an Google for Jobs verhält sich sehr ähnlich zum Fall Google Hire. Es stagniert bzw. nimmt tendenziell ab. (Die Daten für Deutschland zeigen einen krassen Sprung nach oben, der aber inzwischen wieder zurück auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist.) Google Hire und Google for Jobs im Trends-Vergleich In Summe kommt es so vor, als ob wir die größte Disruption schon hinter uns haben. Google hat keine Leidenschaft für das Recruiting. Mit Google Hire wurde auf die schnelle was ausprobiert und wegen Totalversagen wie eine kleine Start-Up-Wette glatt gestellt, obwohl noch im August an der Software geschraubt wurde. “While Hire has been successful, we’re focusing our resources on other products in the Google Cloud portfolio.”, ja.., klar, macht total Sinn. Google for Jobs ist eine halbherzige Lösung, die schon vor 10 Jahren an der Oberfläche lag und in der jetzigen Form sehr bedingten Mehrwert bietet. Vielleicht wird Google noch versuchen Geld damit zu verdienen, vielleicht auch nicht. Denn sie verdienen schon Geld mit Jobs über ganz normale Ads, die eben noch vor der Google for Jobs Box auftauchen und damit eigentlich attraktiver sind.

Die Unterzeichner der EU-Petition gegen Google for Jobs täuschen sich vermutlich, wenn sie in diesem Kontext eine ernsthafte geschäftliche Absicht Googles hinter ihren davon schwimmenden Fällen sehen. Reiner Kollateralschaden. Der Job-Markt ist Google egal. Er ist (gerade in Deutschland) zu klein und viel zu schwer, um ihn schnell im ausreichenden Maße an sich zu reißen. Oder hat doch eben diese Petition der tapferen europäischen Jobbörsen, die übrigens auch vor Google Jobs Era ihre Existenzberechtigung  ausschließlich dem kostenlosen organischen Google Traffic zu verdanken haben, Google Recruiting Ambitionen den entscheidenden Todesstoß verpasst? Naja…

Die Teilnehmer unseres kürzlich gehaltenen Google for Jobs Webinars kennen unsere aktuelle Verschwörungstheorie bezüglich der wahren Interessen hinter Google for Jobs. Schlicht und einfach: die einmalige Möglichkeit zur Vervollständigung der Werbeprofile durch Gehaltsdaten bzw. berufliche Präferenzen (was auf das gleiche hinausläuft). Mit zuverlässigen Information, wo sich in etwa Euer Gehalt bewegt, lässt sich unserer Meinung nach mit Google Ads viel mehr, schneller und einfacher Geld verdienen (als explizit mit dem lästigen Stellenanzeigen Geschäft). Viel Spaß beim Grübeln.

[HTTP410] Google Hire: Bewerbermanagementsystem? Scheint so!

Seit Mitte April sorgt Google Hire für Spekulationen in der HR- und Business-Welt. Viele Fragen sich, was sich wirklich hinter dem Projekt verbirgt und welchen Einfluss das Ergebnis auf den Recruiting-Markt haben könnte. Auch wir haben uns im Zusammenhang mit den ersten Hinweisen auf die “Google Jobsuchmaschine” erst kürzlich diese Frage gestellt.

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Beta-Tester & ihre Jobbörsen

Viele konkrete Hinweise findet man aktuell in der Tat nicht. Im Crunchbase Blog tauchte im April eine Liste mit Unternehmen auf, die am geschlossenen Beta-Test teilnehmen sollen. Über die folgenden Links erreicht man die jeweiligen Listen mit Jobs, die offensichtlich im Rahmen von Google Hire angelegt wurden.

Inzwischen sind noch ein paar mehr Tester dazu gekommen, wie wir herausfinden konnten.

Schauen wir uns das Ganze mal genauer an. Die Jobbörsen oder Job-Listen sind an sich nicht besonders spektakulär. Eher schlicht, Google eben.

Die Tatsache, dass es sie in dieser Form überhaupt gibt, nährt natürlich die Vermutung, dass es im Hintergrund ein Bewerbermanagementsystem geben muss. Wie sollen die Jobs sonst angelegt worden sein.

Jobs & Bewerbung

Klickt man sich aufmerksam durch die Unternehmen bzw. ihre Jobs durch, bemerkt man hier und da minimale Design- und Layout Unterschiede. Daraus lässt sich schließen, dass im Backend von Goolge Hire Customizing-Optionen zur Verfügung stehen. Der Design-Rahmen bleibt stets sehr “googlig”. Aaaber, die Bewerben-Button Farbe darf man z. B. schon gerne anpassen. Toll 🙂

 

Das Bewerbungsformular kommt auch sehr schlicht und einfach daher. Die Farben der Buttons können natürlich auch angepasst werden. Das Formular passt sich auf mobilen Geräten natürlich einwandfrei an und lässt sich einfach bedienen.

Hat man seine Bewerbung abgeschickt, erhält man eine Bestätigungsmail und muss der Vorgang nochmals selbst bestätigen. Sonst könnte sich ja sonst wer für einen bewerben. So hält man sich die eine oder andere Spam-Bewerbung (wie gerade eben von mir) vom Hals.

In den meisten Jobs habe ich noch eine Reminder-Funktion gefunden. Natürlich funktioniert sie auch auf mobilen Geräten.

Die E-Mail kommt auch tatsächlich an. Sie enthält die Position, das Unternehmen und einen Bewerben-Button. Wie nett.

Eine weitere nette Sache sind die Filter und die Stichwortsuche, die bei einigen der Tester in den Listen aktiviert sind. Toll finde ich die Geschwindigkeit der dynamischen Suche. Mit einem Feld durchsucht man die Titel, die Beschreibung und die Location. “Enter” muss der Bewerber dabei nicht klicken. Nach der Eingabe von drei ersten Zeichen in die Suche, werden die Ergebnisse blitzschnell eingekreist. Dazu ein kleines Video. Probiert es aber gerne selbst aus.


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Link zum Video

Es gibt offenbar aktuell noch Probleme mit der Reihenfolge der Suchbegriffe. Aber für diese Feinheiten wird es je den Beta-Test eben auch geben.

Analytics

Weiter geht’s. Selbstredend ist wohl die Tatsache, dass jede Job-Liste und jeder Job mit einem sauber integrierten Google Analytics Code versehen ist. Wir haben analysiert, was gemessen wird. Ja, Bewerbungen werden sauber gemessen, wie es scheint. Hier der Beweis für die Anaytics-Nerds. Der Job selbst sowie die Bestätigungsseite senden Tracking-Daten an Google Analytics.

Das kann man nur begrüßen. Überlegt mal, Ihr habt ein Bewerbermanagementsystem im Einsatz und habt NULL Stress, wenn Ihr vernünftig messen wollt. Alles ist quasi schon von alleine da. Nichts muss zusätzlich installiert, nichts muss eingerichtet werden. Woher kommen nochmal Eure Bewerbungen? Kein Problem für Euch! Nett von Google. Alles Andere hätte mich an dieser Stelle allerdings negativ überrascht.

Weitere mögliche Module und Funktionen

So, Ihr glaubt immer noch nicht, dass Google Hire sehr wahrscheinlich ein Bewerbermanagementsystem wird? Ok. Wir haben noch ein paar Feinheiten exklusiv für Euch herausgefunden. Durch eine glückliche Eingebung konnten wir uns die “verborgene” URL-Struktur der Software herauslesen. Dadurch bekommt man eine Idee davon, welche Funktionen/Module es aktuell im Rahmen des Beta-Tests bereits gibt.

Eine kennt Ihr schon. Die Job-Listen. Dieses Modul wird immer durch die URL:  hire.withgoogle.com/public/jobs/firma aufgerfufen. Google Hire verwendet durchgehend sprechende logische URLs. Schaut mal her:

Auf die gleiche Art und Weise (Keine russischen Hacker, sondern SimilarWeb) haben wir einige weitere Muster entdeckt. Interessant ist z. B. der Bereich “Candidates”. Wenn man sich die Parameter in den URLs genau anschaut, lässt sich erahnen, was dort jeweils passiert.

Es gibt wohl eine Liste mit Kandidaten. Man kann diese Liste nach Status sortieren. Natürlich kann man jeden Kandidaten einzeln aufmachen. In dem Profil findet man die interne Korrespondenz und Termine.

Ein weiteres interessantes Modul verbirgt sich unter “Applications”. Hier wird wohl der Bewerbunsprozess gesteuert. Kandidaten werden eingeladen, Termine werden verwaltet, Interview-Runden gezählt.

Dann gibt es noch das Modul Reporting. Dahinter verbergen sich Funktionen mit den Bezeichnungen “Candidate-Pipeline” und “Source-Efficiency”. Aha! Candidate Pipeline, denke ich, ist klar. Source-Efficiency wird Euch helfen zu verstehen, welche Quellen was bringen und welche nicht. Gut.

Zu guter Letzt möchte ich noch gerne auf das Modul “process-flows” bzw. die Funktion “process-flows-editor” verweisen. Ich habe das Gefühl, das Google sich womöglich gedacht hat, dass Recruiting-Prozesse in Unternehmen nicht immer gleich gestaltet sind. Es könnte ja Sinn machen, ein flexibles, anpassungsfähiges Bewerbermanagementsystem zu entwickeln.


An dieser Stelle reicht es auch, würde ich sagen. Ich hoffe, wir konnten etwas mehr Licht ins Dunkel bringen. Ob und wann Google Hire kommt, wissen wir weiterhin nicht. Es bestätigt sich für uns aber der Verdacht, dass es ein Bewerbermanagementsystem sein wird.

Was meint Ihr?