Jobsuche mit Facebook – wissenschaftlich betrachtet

Seid ihr gerade auf der Suche nach einem neuen Job? Oder kennt ihr jemanden, der gerade einen sucht? Soziale Netzwerke wie Facebook, auf denen wir in den Online-Kontakt mit unserem persönlichen Netzwerk treten können, spielen bei der Suche nach einem neuen Job eine immer größere Rolle. Entscheidend ist allerdings, wie genau sie dabei eingesetzt werden.

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung von Facebook in Zusammenarbeit mit der Carnegie Mellon University unterstreicht die Bedeutung des Kontakts zu den engen Freunden für die Erfolgsaussichten der Jobsuche in sozialen Netzwerken. Entgegen der “strength of weak ties” (die Stärke schwacher Beziehungen) Theorie erhöht offenbar gerade der verstärkte Kontakt zu den engsten Freunden deutlich die Wahrscheinlichkeit eines neuen Jobs.

Enge Kontakte als Vorteil

Mögliche Erklärungen für dieses Ergebnis sind der höhere Wille zu helfen und eine höhere Treffsicherheit der Tipps und Empfehlungen. Enge Freunde kennen einen sehr gut und haben ein vitales Interesse an der Verbesserung der Situation. Die Kehrseite der Medaille kann allerdings das erhöhte Stress-Level sein, den enge Freunde mit ihren aufdringlichen und ungeduldigen Anfeuerungen tendenziell eher erzeugen.

Austausch mit Freunden kann zu erhöhtem Stress-Level führen

Das beste Rezept dürfte also sein: bei der Jobsuche die engsten Freunde konstant auf dem Laufenden zu halten, die besonders stressigen darunter eher vermeiden. Bzw. sich auf den möglichen Stress im Vorfeld bewusst vorbereiten. Von nichts kommt ja bekanntlich nichts.

Das komplette Paper kann übrigens hier heruntergeladen werden.

Letztendlich belegt auch diese Studie die Tatsache, dass soziale Netzwerke online nach den gleichen Prinzipien funktionieren wie unsere sozialen Netzwerke offline. Eine interessante Untersuchung zum Thema der Rolle der Kontakte bei der Jobsuche, die übrigens auch bereits eine kritische Betrachtung der Rolle der schwachen Kontakte enthält, gibt es z.B. von Peter Preisendörfer und Thomas Voss aus dem Jahr 1988 (Arbeitsmarkt und soziale Netzwerke: Die Bedeutung sozialer Kontakte beim Zugang zu Arbeitsplätzen). So viel hat sich wirklich nicht verändert.

Und so verwundert es mich mal wieder, dass bedeutende Teile unserer Gesellschaft in diesem und anderen Kontexten die “Sozialen Netzwerke” immer noch als etwas Unergründliches wahrnehmen.

Dienst ist Schnaps und Schnaps ist Dienst

So lautet wohl die Zukunftsversion dieses bekannten Sprichworts, wenn es das 21. Jahrhundert überleben will. Denn eine Untersuchung beruflicher Facebook-Verflechtungen von 4400 Personen zeigt einmal mehr, das sich die Trennung von Privat- und Berufsleben zunehmend auflöst. Ziel der vom Software-Anbieter AVG in 11 Ländern durchgeführten Befragung, war wohl ursprünglich uns mit den Ergebnissen ordentlich Angst einzujagen und Sicherheitssoftware zu verkaufen. Aufgezogen haben sie das auch richtig gut, mit eigenem “Digital Diaries” genannten Kamapagnenblog und passenden aber leider ziemlich stumpfen Angsmachfilmchen bei YouTube. Der älteste Sales-Trick der Welt. Aus meiner Sicht ging dieser Schuss allerdings mächtig nach hinten los, denn die Daten lassen sich auch ganz anders interpretieren. Das Märchen vom bösen Boss und den hinterhältigen Kollegen, die sich bei Facebook Stasi-like mit einem anfreunden, um einen zu bespitzeln lässt sich nämlich kaum aufrechterhalten. Denn das sich bei Facebook sogar im paranoiden skeptischen Deutschland 19 Prozent mit Ihrem Vorgesetzten vernetzen und 51 Prozent Ihren Kollegen dieselben Inhalte zeigen, wie ihren Freunden, ist nicht als Warnsignal zu verdammen, sondern als Vorbote eines Kulturwandels zu begrüßen. Es ist ja nicht so, als wüssten die alle nicht,was sie tun. Die Ursache liegt wohl viel eher darin, das moderne Arbeitsbeziehungen von Vertrauen und einer offenen Kommunikationskultur geprägt sind. Wer will schon bei einer Firma arbeiten, deren Führungskultur dadurch gekennzeichnet ist, das man das Privatleben gegen sie verwendet? Ihr vielleicht?

 

pic: cc 2.0 by cane rosso

[HTTP410] Welcher Fisch ist das? Facebook als kollaboratives Werkzeug

Im Januar 2011 brach der Ichthyologe (Fischkundler) Brian Sidlauskas zu einer Forschungsreise in die Cuyuni-Region von Guyana auf. Dort dokumentierte er mit seinem Team mehr als 5.000 Fische, von denen er einige, teilweise völlig unbekannte Exemplare als Forschungsprobe mit in die Heimat Oregon bringen wollte. Die strengen Ausfuhrrichtlinien Guyanas verlangten allerdings, jede Probe genau zu identifizieren und zu katalogisieren. Bei dem engen Zeitplan einer solchen Forschungsreise kaum zu schaffen. Sidlauskas lud kurzerhand Fotos der 114 kniffligsten Proben auf seiner Facebook-Page hoch und bat seine Freunde (dem Umstand entsprechend ebenfalls viele Fischverrückte) um Hilfe: Nach 24 Stunden waren fast alle seiner Proben bestimmt.

Bei Klick wird dieses Video von den YouTube Servern geladen. Details siehe Datenschutzerklärung.

Ja, ein PR-Video aus Palo Alto. Dennoch ein schönes Beispiel dafür, wie Facebook als Kollaborationstool genutzt werden kann. Auch wenn hier viel oberflächliches Rauschen produziert wird, nirgendwo hat man so viele Kontakte handlungsfähig (!) an einem Ort digital vernetzt. Die Frage ist, was Du daraus machst.

[HTTP410] Egal ob “Freund” oder Fremder – Deutsche vertrauen kaum in Markenkommentare

Die zweite umfassende Studie “Digital Life” des Marktforschungsinstituts TNS Infratest, welche die Einstellungen und Verhaltensweisen von 72.000 Internet-Usern aus 60 verschiedenen Ländern im Alter von 16-65 Jahren erhoben hat, kam zu etlichen interessanten Resultaten. Einige Kernergebnisse sind hier in einem Video zusammengefasst:

Desweiteren kam die Digital Life Studie zu folgenden Ergebnissen:

  • 90 % der deutschen Onliner nutzen das Web für die Produktrecherche mit steigender Relevanz von Social Media
  • mehr als zwei Drittel suchen im Web nach Informationen zu einem im Fernsehen beworbenen Produkt
  • gut ein Drittel hat bereits per Smartphone während des Shoppens im Ladengeschäft online recherchiert, jedoch nur 13 Prozent der Waren werden mobil eingekauft
  • 85 % der Konsumenten recherchieren auf der Webseite der Marke, wenn das Interesse schon geweckt ist
  • 86 % der Konsumenten recherchieren dann auch auf Seiten, auf denen Dritte über Produkte schreiben und diese bewerten, wie z.B. soziale Netzwerke, Blogs, Microblogs wie Twitter, Konsumentenvideos (YouTube) und natürlich Review- und Preisvergleichsseiten

Warum kommentieren Konsumenten konkret eine Marke?

Nicht jeder Internet-User ist auch ein aktiver Markenkommentator: Weltweit sind es im Schnitt 47% und in Deutschland 31%.  Für diese Gruppe spielen dann ganz unterschiedliche Gründe eine Rolle, um regelmäßig etwas mit Bezug zu bestimmten Marken zu schreiben. Am häufigsten werden Kommentare verfasst, um Tipps und Hilfestellungen rund um die Nutzung eines Produktes zu geben (Welt & Deutschland: 46%), gefolgt von dem Anliegen eine Marke zu “sharen” (Welt 31%; Deutschland 29%) und – weit abgeschlagen – der Absicht ein Lob zu formulieren (Welt 13%; Deutschland 15 %).  Immerhin, nach den vorliegenden Ergebnissen wird online mehr gelobt als getadelt (global: 10%; Deutschland 11%).

Wer “und wenn ja, wie viele” vertrauen den Markenkommentaren?

Besonders interessant finde ich die Statistiken der Studie zum Aspekt des Vertrauens in Bezug auf Markenkommetare. Insbesondere die jüngeren Altersgruppen setzen dabei ein hohes Maß an Vertrauen in die Empfehlungen von Freunden – interessanterweise aber fast genauso viel in die Empfehlungen von Personen, die sie nicht kennen. Je älter die Verbraucher werden, desto kritischer eingestellt sind sie gegenüber solchen Kommentaren – egal ob sie von ihren digitalen “Freunden” oder von einem Fremden auf der anderen Seite der Erde kommen.

Sehr spannend sind dabei auch die geographischen Unterschiede, die durch die “Digital-Life-Studie” belegt wurden. Hier jeweils Deutschland im Vergleich zu den Extrem- und Globalwerten:

Grafik: Vertrauen in die Kommentare von Freunden

Grafik: Vertrauen in die Kommentare von Fremden

Während in Deutschland im Schnitt nur 43% den Markenkommentaren ihrer “Freunde” trauen, sind es in Saudi Arabien ganze 87% – mehr als doppelt so viel. Der gleiche auffallende Unterschied besteht zwischen dem Vertrauen gegenüber den Kommentaren von Fremden – hier sind es 79% bei den saudi-arabischen Social-Networkern und 33% bei den deutschen.

Für diese Gegensätze können Gründe, wie z.B. die unterschiedlichen Mentalitäten oder die Angst einem viralen Marketingkonzept auf den Leim zu gehen (oder gar die Zensur wie in Saudi Arabien), eine Rolle spielen. Ich glaube es liegt u.a. daran, dass die Verbraucher in schnell wachsenden Märkten gegenüber Marken in sozialen Netzwerken viel offener eingestellt sind, als in den entwickelten wie z.B. in Deutschland,  wo sich nach Infratest auch 50% der Social Networker gestört fühlen, sobald Markenaktionen in sozialen Medien zu aufdringlich sind.

Was meint Ihr? Warum vertrauen wir nicht einmal unseren “Freunden” im Netz?

Frühjahrsputz in der Facebook-Freundesliste: Pro und Contra

Facebook Frühjarsputz

Wer erinnert sich noch an Burger Kings “Whopper Sacrifice“? Meiner Meinung nach, bis heute eine der besten Facebook-Kampagnen ever! Über eine App konnte man Anfang 2009 zehn seiner Facebook-Freunde löschen, um dafür mit einem Gutschein für einen Whopper belohnt zu werden. Nachdem so in kürzester Zeit 233.000 Freundschaften beendet wurden, machte Facebook dem Spuk ein Ende und erklärte die App als nicht regelkonform. (Was sie aus verschieden Gründen auch tatsächlich nicht war)

Wieviel ist so eine Facebook-Freundschaft also wert? Nach einer aktuellen Untersuchung von Pew-Research wurden 2011 deutlich mehr virtuelle Verbindungen gelöst, als noch zwei Jahre davor:

Auch wenn diese Studie in erster Linie Sorgen um die Privatsphäre als Ursache sieht, glaube ich, dass wir es mit einem viel grundlegenderen Wandel zu tun haben. Die Begeisterung der ersten Jahre ist verflogen und nach und nach wird auch dem Letzten klar, dass die Kindergartenfeunde inzwischen nichts mehr mit dem eigenen Leben zu tun haben. Und je mehr – das sagt auch Pew Research – Facebook und andere soziale Netzwerke zum zentralen Kommunikationsknoten werden, desto wichtiger wird es für alle Nutzer, diese organisatorisch in den Griff zu bekommen.

Also, sollten wir nun die ganzen Karteileichen rauswerfen? Warum sich nicht einmal die Zeit nehmen und all die Kontakte aus den Listen streichen, die man damals nur aus Höflichkeit oder längst vergangenem Interesse aufgenommen hat?

Pro

  • Ein aufgeräumter Newsfeed: Wer nicht jede Stunde einen Meter Statusupdates zum Durchscrollen bekommt, hat 1. weniger Stress und 2. verpasst weniger. So bleibt zudem auch noch etwas Platz um ein paar Pages mehr zu liken, die ja im Alltag meist für die interessanteren News sorgen.
  • Kontrolle über die eigenen Inhalte: Gerade wer sich nun nicht so viele Sorgen macht, dass er seine Freunde in Listen mit unterschiedlichen Privacy-Einstellungen sortiert, kann sich so vergewissern, dass das Gesagte in erster Linie in seinem engeren Social Graph bleibt. Ein “Passt-für-alle”-Mainstreamprofil ist ja auch sehr viel langweiliger für die echten Freunde und Kontakte.

Contra

  • Macht die Facebook-Filterbubble noch kleiner: Dass Facebooks Algorithmen mich nur mit den Informationen versorgen, die sie als für mich relevant einstufen, ist nichts Neues. Durch einen möglichst heterogenen Freundeskreis kann ich dem wenigstens ein wenig entgegensetzen. Aber ich halte mir manche Facebook-Freunde nicht nur um Facebook zu verwirren. Auch meine eignen Filter kann ich so überlisten: Ich behalte so einen Kontakt zu teilweise völlig fremden Lebenswelten und -formen. Das ist für mich Teil meiner beruflichen “Marktforschungs-Routine”, gibt aber aber auch Einblicke, die privat nicht missen möchte. 😉

Wir seht ihr das? Haltet Ihr Euch auch Kontakte, auf die Ihr verzichten könntet? Oder habt Ihr eh strikte Regeln, was das An- und Entfreunden bei Facebook angeht?

HRinside vs. Wollmilchsau: Kann man sich online kennen lernen?

HRinside vs. Wollmilchsau – ein Thema, zwei Meinungen. In dieser Kolumne liefern wir uns einen Schlagabtausch zu wechselnden Themen. Zum Zankapfel wird heute die Frage: “Kann man Menschen online kennen lernen?”. “Natürlich geht das!” sagt die Wollmilchsau –  HRinside sieht das anders…

“Online-Kontakte” – das hat einen unguten Beigeschmack: Schnell kommt die Assoziation zum bleichen Kellerkind, das “da draußen” nicht zurecht kommt und sich deswegen in Internet-Bekanntschaften flüchtet, da es seine Unzulänglichkeiten dort hinter seinen Avataren verstecken kann. Eine persönliches Treffen hat Qualitäten, die durch nichts zu ersetzen sind, aber Online-Kontakte sollten in ihrer Tiefe nicht unterschätzt werden. Natürlich kann man andere Menschen online kennen lernen, sogar sehr gut. Ich gründe diese Behauptung auf einer Überlegung und Erfahrung:

Überlegung

Was heißt kennen lernen? Es fehlen online manche Eindrücke, die wir in einer Face-To Face-Kommunikation haben; auch die Geschwindigkeit der Informationsübermittlung ist eine andere, aber das schränkt die Intensität der gewachsenen Beziehung nicht ein. Auch die schiere Menge, die wir an Informationen sammeln können, ist online nicht wirklich begrenzt (Pheromone etc. klammere ich jetzt mal aus). Klar, manches ist verfälscht, durch die Möglichkeiten sich online besser oder anders darzustellen. Andererseits eröffnet das wiederum viele Möglichkeiten: Schüchterne Menschen können sich so in einen Personenkreis – wie man so schön sagt -“introducen”,  und positive und interessante Seiten an sich betonen, die nie jemand mitbekommen würde, da sie ihren Mund nicht aufmachen. Und wenn, würden sie lieber im Boden versinken, als zu sagen: “Ich bin übrigens auch sozial engagiert und habe eine sehr kreative Ader…”. Ich glaube sogar, dass ich den ein oder anderen Onlinekontakt besser und vielseitiger kenne, als manche aus dem Real-Life, die ich alle paar Wochen mal treffe.

Erfahrung

Ich habe Personen auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken kennen gelernt. Ich habe ihre Nachrichten über viele Monate verfolgt, bevor ich sie u.U. das erste Mal persönlich getroffen habe. Ich weiß, was sie arbeiten, wo sie arbeiten, ich kenne ihren Musikgeschmack und kulinarische Vorlieben. Ich kenne politische Einstellungen, viele andere Affinitäten und Antipathien und sogar die Familienfotos von Ostern. Selten war ich nach solchen Treffen von Personen enttäuscht, die mir sympathisch erschienen. Meist stellte sich heraus, dass sie auch in Fleisch und Blut sehr umgänglich sind. Manchmal entscheidet man sich auch dafür, dass der Kontakt online besser funktioniert und man es darauf beruhen lässt. Ein Mechanismus, der on- und offline gleich abläuft.

Ich habe im Jahre im 2008 einmal sechs Wochen Semesterferien bei Word of Warcraft verbracht. Meine Karriere dort fand mit Vorlesungsbeginn zwar wieder ein rasches Ende, in der Zeit habe ich mir aber – ja – “Freunde” gemacht. Nächtelang mit einem bayrischen Koch und einem Dortmunder Türsteher durch die Lande zu ziehen und für das Gute zu kämpfen, das schweißt zusammen – über das Spiel hinaus. Ich lernte die Mitspieler in Stresssituationen kennen und weiß, wie sie sich in einer Frührungsposition verhalten. Oft dachte ich zum Beispiel: “Den Typen würde ich sofort einstellen” – oft aber auch: “Warum du keinen Job lange behälst, ist mir schon klar”. Es wurde gelacht, diskutiert und gestritten, man war ein paar Tage eingeschnappt und hat sich dann wieder versöhnt. Auch wenn ich keinen meiner WoW-Kontakte je getroffen habe, so habe ich sie doch sehr gut kennen gelernt.

Reinen Online-Bekanntschaften (noch) nicht persönlich, kohlenstofflich begegnet zu sein, ist zwar nicht ersetzbar – spielt aber andererseits auch keine große Rolle. Es gibt Menschen die kenne ich nur online, aber so gut, dass ich sofort mit ihnen eine Woche mit in Urlaub fahren würde!