[HTTP410] “Die Welt der DB” – Eine Kampagne für… wen genau? Kampagnenziel unklar!

Die Deutsche Bahn ist irgendwie mehr, als ein normales Unternehmen: Sie ist Quasi-Monopolist des deutschen Schienentransportwesens und fährt jedes Jahr fast 2 Milliarden Menschen und über 400 Millionen Tonnen Güter quer durchs und aus dem Land. Im Grunde ist die DB eine hochkomplexe, deutsche Institution – und genau darin liegt eines ihrer Hauptprobleme in der Öffentlichkeitsarbeit: Denkt man an die Bahn, denkt man an Züge, allenfalls an Bahnhöfe und daran, dass die Züge “oft” nicht rechtzeitig in den Bahnhöfen ankommen. Selten an ihre Rolle als Logistikmotor. Und als Arbeitgeber? Der Traumberuf des Lokführers wird mit 10 Jahren durch den das Fußballers abgelöst. Die Vielfältigkeit und die besondere Rolle der Bahn macht sich der Durchschnittsbürger in den folgenden Jahrzehnten nur noch selten bewusst.

Idee

Das soll eine kleine Mitmachkampagne ändern, die vorgestern in einer gemütlichen Runde Hamburger Marketing- und Digitalmenschen vorgestellt wurde: “Die Welt der DB”. Das Konzept ist recht schnell erklärt: Über eine Facebook-App sollen Geschichten eingereicht werden, die Nutzer in Zusammenhang mit der Bahn erlebt haben oder gerne erzählt haben würden. Die Vorschläge können in der App kommentiert und bewertet werden und eine Jury unter der Leitung des DB-Vorstandsvorsitzenden Grube wählt sich dann ihre Favoriten für die Umsetzung aus. Umsetzung bedeutet in diesem Fall: Die Szenarien werden in der Miniaturwelt LOXX in Berlin nachgestellt bzw. -gebaut. Dort können sie von Besuchern live (oder via Facebook und YouTube in Bildern und Videos) bestaunt werden. Verlost werden täglich fünf Eintrittskarten für das LUXX. Klingt nett…

Probleme? Kampagnenziel?

…aber für wen? Ich sehe für den Ablauf der Aktion zwei große Hindernisse. (Das übliche Problem mit Nutzervotings, die dann nochmal von einer Jury kontrolliert und “korrigiert” werden, lasse ich mal außer Acht)

1) Wer nimmt an der Aktion teil?

Wie gesagt: Die Rolle des DB-Konzerns im Leben des Durchschnittsdeutschen ist den wenigsten bewusst. Dementsprechend werden aus den Normalos nun nicht die tollen, emotionalen und fesselnden Geschichten sprudeln. Klar, echte Bahnfreaks werden mitmachen und sich Schnellzugtests, Tunnelbohrungen, Schwertransporte und anderes N24-Reportagenmaterial ausdenken. Ich bezweifle aber, dass sich damit für andere neue Welten auftun werden. Wenn die DB Pech hat, nährt sie damit nur ein Eisenbahn-Nerdklischee. Ein paar Pufferküsser und Trainsprotter spielen eben mal wieder Eisenbahn – schön. Und die Eintrittskarten für eine Modellbaulandschaft aktiviert nun auch keine neuen Zielgruppen.

2) Wer bekommt es mit?

Gehen wir mal davon aus, dass hier ein paar richtig tolle Stories entstehen und im LOXX nachgebaut werden: Das sieht dort bestimmt geil aus. Aber eben nur dort. Modellbau kann (überraschend) spannend sein, wenn der Besucher vor den Modellen steht. Er kann entdecken und hat Zeit, nach Details zu suchen und zu staunen. Das geht durch Fotos und Videos weitestgehend verloren. Auch wenn sich in gefilmten Modellwelten nette Geschichten erzählen lassen, dass man so Leute abholen kann, die sich für das Thema bis jetzt nicht interessieren, kann ich mir nicht so recht vorstellen. Ein Video > eines Modells > einer Geschichte > eines Eisenbahnfans > die der DB-Jury gefallen hat…

Crowdsourcing ist “total social” – nur wenn es keine Crowd gibt, aus der man sourcen kann, dann wird das schnell “socially awkward”. Und Eisenbahn-Enthusiasten sind nun mal – so fürchte ich – nicht die idealen Markenbotschafter. Ich hoffe ehrlich, dass ich mich täusche. Wie André Vatter schreibt, ein sicherer Gewinner der Aktion wird das Luxx sein. Und auch Nico Lumma hat etwas weitergedacht: Viel spannender sind Bahngeschichten doch, wenn man selbst und mit Freunden daran teilhaben kann. Ich habe Railroad Tycoon geliebt und wäre sofort dabei!

Ich bin gespannt. (Sobald die Aktion losgeht (15.8), poste ich hier nochmal den Link.) Es geht los: https://www.facebook.com/deutschebahn/app_273511669422110

[HTTP410] Deutsche Bahn: Die Zielgruppe im Zugabteil

Ich hatte eine Woche Urlaub und natürlich konnte ich es nicht wirklich lassen, nach Blog-Themen Ausschau zu halten. Da ich im tiefsten Süden Deutschlands war, fanden zwei Umstände zueinander. Erstens: Ich durfte mit der Bahn quer durch Deutschland fahren. Zweitens: Mobiles Netz war während der Fahrt (wenn überhaupt vorhanden) kein Vergnügen. Also musste ich auf Zeitungen ausweichen und als diese gelesen waren, folgte irgendwann der Griff zur altbekannten Fahrgastzeitung: “mobil – Das Magazin der Deutschen Bahn”

Nachdem ich gerade kürzlich die Infozeitung der Hamburger S-Bahn erwähnte, die in ihrem Leitartikel für den Beruf der Lokführerin warb, dachte ich mir: Es wäre doch verschenktes Publikum, wenn nicht auch die Deutsche Bahn ihre Fahrgastzeitung nutzen würde, um sich als Arbeitgeber zu präsentieren. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Natürlich huldigt das gesamte Magazin der Bahn im Allgemeinen und im Besonderen. Bahnreisen und Reiseziele, aber auch die Geschichte der Bahnfahrt (dieses Jahr 175 Jahre in Deutschland), Bahnhöfe, Züge, Lokomotiven und Lokfüher werden in den unterschiedlichsten Facetten beschrieben. Wer da keine Lust bekommt, mit der Bahn zu fahren, der bekommt vielleicht Lust, bei der Bahn zu arbeiten?

Aber die Bahn geht noch weiter: Auf zwei ganzseitigen Anzeigen sucht sie High Professionals für konkrete Positionen. Einen erfahrenen Projektleiter (w/m) für den Strecken- und Stationsausbau im Regionalbereich Süd und sogar einen Senior Berater (w/m) für das Inhouse-Consulting der Deutschen Bahn, mit “mindestens 4 Jahren Erfahrung in einer renommierten Top-Management-Beratung” – jeweils mit Verweis auf die DB-Karrierepage für weitere Informationen.

Wenn ich mich hier gerade so umsehe, sind diese beiden Anzeigen gut positioniert. Die Dichte an Anzugträgern und aufgeklappten Laptops hier im ICE ist hoch und auf den ersten Blick lässt sich feststellen: In diesem Magazin wird mindestens geblättert. Darüber hinaus ist das Setting ideal: Die momentane “Customer-Experience” im Zug wird um den Faktor “mögliche Arbeitsstelle und Mitgestaltungsmöglichkeit” erweitert.

Auch wenn Printanzeigen nicht unser Metier sind, die passgenaue Zielgruppenansprache ist es um so mehr. Und von dieser Warte aus betrachtet: Gute Arbeit, Deutsche Bahn!