Zappos schafft die Stellenanzeige ab

Zappos, das erfolgreiche und viel beachtete eCommerce Unternehmen aus den USA, beschreitet zukunftsweisende Wege im Recruiting. Es wird ab sofort komplett auf Stellenausschreibungen verzichtet, sowohl auf der eigenen Karriereseite als auch anderswo. Genau, Ihr habt richtig gelesen. Ein Unternehmen, das aktuell 1500 Menschen beschäftigt und im laufenden Jahr noch weiter 450 einstellen möchte, hat entschieden, dass es ohne Stellenanzeigen besser auskommen wird.

Überlegungen, die zur Abschaffung der Stellenanzeige geführt haben:

  • Stellenanzeigen verursachen eine Flut von unpassenden Bewerbungen.
  • Recruiter sind mit Sachbearbeitung überfordert und haben nicht wirklich Zeit, sich ausführlich mit jedem Bewerber zu beschäftigen.
  • Es wird nur ein Bruchteil der Bewerber eingestellt (1.5% von 31.000 Bewerbungen).
  • Der Rest bekommt standardisierte Absagen (das sind ca. 30.000), ohne dass eine echte Grundlage zwecks zukünftiger Interaktionen aufgebaut wird. Im Grunde ein enormer Aufwand ohne Ergebnis.
  • Die Karriereseite weist eine Absprungrate von 80% auf. Das bedeutet, dass dem Unternehmen womöglich tolle Kandidaten verloren gehen, nur weil es keine passende Ausschreibung zum Zeitpunkt ihres Besuches gibt.

Die Alternative:

Zappos setzt nun auf einen langfristig angelegten Prozess des Beziehungsaufbaus mit potentiellen Kandidaten, die an dem Unternehmen grundsätzlich interessiert sind und zu dem Unternehmen passen. Die Karriereseite dient zum Einstieg in die Unternehmenswelt und zur Kontaktaufnahme mit Vertretern bestimmter Themenbereiche und mit potentiellen zukünftigen Kollegen.

Einfacher gesagt, Zappos führt ein internes Soziales Netzwerk für zukünftige Mitarbeiter ein. Anstatt sich auf eine bestimmte Stelle zu bewerben, kann jeder Besucher der Karriereseite zum “Insider” eines bestimmten Unternehmensbereichs werden. Die Vorteile der Anmeldung werden wie folgt formuliert:

  • Get top consideration for openings as they become available
  • See who you know at Zappos and ask for a referral
  • Stay in-the-know about the latest news and happenings
  • Chat with your Zappos Ambassador
  • Gain exclusive access to online events and REAL Zappos employees

zappos_insider

Es wird also Zeit in den Aufbau einer Beziehung mit den passenden Leuten investiert, anstatt in die Bearbeitung unpassender Bewerbungen. Interessiert sich jemand für die Arbeit in einem Unternehmens Bereich von Zappos, hat er oder sie die Möglichkeit zum offenen Austausch mit dem Unternehmen, bei dem sich beiden Seiten erst einmal kennen lernen. Der Plan scheint einfach. Wenn nun eine Position im Unternehmen offen wird, hat man idealerweise eine volle Pipeline von Kandidaten von der Tür, die man bereits wesentlich besser kennt, und die wiederum das Unternehmen viel besser kennen, als das im Fall der klassischen “Jobausschreibung führt zur Bewerbung” Routine möglich ist. Unpassende Bewerbungen und der damit verbundenen Verwaltungsaufwand wir dagegen vermieden.

Damit lässt sich das von dem Zappos HR-Chef auf den Punkt gebrachte Problem des heutigen Personalmarketings “We spam them, they spam us back” lösen. Ein überfälliger Vorstoß in die richtige Richtung, wie ich finde.

Was haltet Ihr von diesem Ansatz? Glaubt Ihr, dass er schon bald viele Nachahmer finden wird? Welche Auswirkungen hätte ein Umdenken in diese Richtung auf das Personalmarketing? Welche Konsequenzen hätte das für weniger bekannte Unternehmen? Viel Stoff zum Nachdenken 🙂

Facebook und sein Einfluss auf unser soziales Leben

Die Studie “Social networking sites and our lives” vom PewResearchCenter untersucht den sozialen Einfluss, den Online-Netzwerke auf deren Nutzer, und dementsprechend wiederum auf die Gesellschaft haben. Sie ist Teil einer sehr interessanten Serie “The Social Impact of Technology”, die ich schon länger verfolge.  2.255 US-Bürger wurden telefonisch nach ihrem Online- und ihrem (sozialen) Offlineverhalten befragt. Bei dieser Studie sollte – wie immer – in besonderem Maße auf den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität geachtet werden. Zum Beispiel: Ist der Facebook-Nutzer ein eher vertrauensvoller Mensch, weil er Facebook nutzt, oder nutzt er Facebook, weil er ein vertrauensvoller Mensch ist. Oder gibt es gar keinen Zusammenhang?

So oder so: Interessante Zahlen und Gedanken!

An einem durchschnittlichen Tag auf Facebook…

  • updaten 15% ihren eigenen Status,
  • kommentieren 22% Posts anderer,
  • kommentieren 20% Fotos anderer,
  • liken 26% Inhalte anderer,
  • senden 10% anderen eine private Nachricht.

Facebook hält “schlafende” Beziehungen aufrecht

Die Teilnehmer dieser Umfrage hatten durchschnittlich 229(!) Freunde. Davon waren waren

  • 22% Schulkontakte,
  • 12% aus dem größeren Familienkreis,
  • 10% Arbeitskollgen,
  • 9% Studienkollegen,
  • 8% nahe Verwandte,
  • 7% aus Gruppen und Vereinen,
  • 2% Nachbarn,
  • 33% ließen sich keiner dieser Gruppen Zuordnen. 7% waren Personen, die man noch nie persönlich getroffen hat, 3% wurden nur ein Mal getroffen.

Facebook spiegelt die engsten Verbindungen wieder

40% geben an mit allen ihren engsten Kontakten bei Facebook befreundet zu sein.

Facebook-Nutzer sind vertrauensvoller

Wer sich mehrmals am Tag bei Facebook aufhält, der stimmt zu 43% eher der Aussage “Den meisten Menschen kann vertraut werden” zu, als andere Internet-Nutzer – und sogar drei Mal eher als Offliner.

Facebook-Nutzer sind politisch engagierter

Intensive Facebook-Nutzer nehmen, im Vergleich zu anderen Onlinern, mit zweieinhalb mal höherer Wahrscheinlichkeit an politischen Kundgebungen und Versammlungen teil.

Facebook-Nutzer erfahren mehr sozialen Rückhalt

Der duchschnittliche US-Bürger gibt den Grad an sozialer Unterstüzung (im Sinne von Hilfe bei Krankheit, Nähe, Zeit für Gespräche, Ratschläge bekommen etc.) mit rund 75 von 100 möglichen Punkten an. Bei Facebook-Nutzern lag der Grad der Zufriedenheit zwischen 3 und 6 Punkten höher.

Die vollständige Studie mit allen Erläuterungen gibt es hier.

Pic: joiseyshowaa (CC BY-SA 2.0)

HRinside vs. Wollmilchsau: Kann man sich online kennen lernen?

HRinside vs. Wollmilchsau – ein Thema, zwei Meinungen. In dieser Kolumne liefern wir uns einen Schlagabtausch zu wechselnden Themen. Zum Zankapfel wird heute die Frage: “Kann man Menschen online kennen lernen?”. “Natürlich geht das!” sagt die Wollmilchsau –  HRinside sieht das anders…

“Online-Kontakte” – das hat einen unguten Beigeschmack: Schnell kommt die Assoziation zum bleichen Kellerkind, das “da draußen” nicht zurecht kommt und sich deswegen in Internet-Bekanntschaften flüchtet, da es seine Unzulänglichkeiten dort hinter seinen Avataren verstecken kann. Eine persönliches Treffen hat Qualitäten, die durch nichts zu ersetzen sind, aber Online-Kontakte sollten in ihrer Tiefe nicht unterschätzt werden. Natürlich kann man andere Menschen online kennen lernen, sogar sehr gut. Ich gründe diese Behauptung auf einer Überlegung und Erfahrung:

Überlegung

Was heißt kennen lernen? Es fehlen online manche Eindrücke, die wir in einer Face-To Face-Kommunikation haben; auch die Geschwindigkeit der Informationsübermittlung ist eine andere, aber das schränkt die Intensität der gewachsenen Beziehung nicht ein. Auch die schiere Menge, die wir an Informationen sammeln können, ist online nicht wirklich begrenzt (Pheromone etc. klammere ich jetzt mal aus). Klar, manches ist verfälscht, durch die Möglichkeiten sich online besser oder anders darzustellen. Andererseits eröffnet das wiederum viele Möglichkeiten: Schüchterne Menschen können sich so in einen Personenkreis – wie man so schön sagt -“introducen”,  und positive und interessante Seiten an sich betonen, die nie jemand mitbekommen würde, da sie ihren Mund nicht aufmachen. Und wenn, würden sie lieber im Boden versinken, als zu sagen: “Ich bin übrigens auch sozial engagiert und habe eine sehr kreative Ader…”. Ich glaube sogar, dass ich den ein oder anderen Onlinekontakt besser und vielseitiger kenne, als manche aus dem Real-Life, die ich alle paar Wochen mal treffe.

Erfahrung

Ich habe Personen auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken kennen gelernt. Ich habe ihre Nachrichten über viele Monate verfolgt, bevor ich sie u.U. das erste Mal persönlich getroffen habe. Ich weiß, was sie arbeiten, wo sie arbeiten, ich kenne ihren Musikgeschmack und kulinarische Vorlieben. Ich kenne politische Einstellungen, viele andere Affinitäten und Antipathien und sogar die Familienfotos von Ostern. Selten war ich nach solchen Treffen von Personen enttäuscht, die mir sympathisch erschienen. Meist stellte sich heraus, dass sie auch in Fleisch und Blut sehr umgänglich sind. Manchmal entscheidet man sich auch dafür, dass der Kontakt online besser funktioniert und man es darauf beruhen lässt. Ein Mechanismus, der on- und offline gleich abläuft.

Ich habe im Jahre im 2008 einmal sechs Wochen Semesterferien bei Word of Warcraft verbracht. Meine Karriere dort fand mit Vorlesungsbeginn zwar wieder ein rasches Ende, in der Zeit habe ich mir aber – ja – “Freunde” gemacht. Nächtelang mit einem bayrischen Koch und einem Dortmunder Türsteher durch die Lande zu ziehen und für das Gute zu kämpfen, das schweißt zusammen – über das Spiel hinaus. Ich lernte die Mitspieler in Stresssituationen kennen und weiß, wie sie sich in einer Frührungsposition verhalten. Oft dachte ich zum Beispiel: “Den Typen würde ich sofort einstellen” – oft aber auch: “Warum du keinen Job lange behälst, ist mir schon klar”. Es wurde gelacht, diskutiert und gestritten, man war ein paar Tage eingeschnappt und hat sich dann wieder versöhnt. Auch wenn ich keinen meiner WoW-Kontakte je getroffen habe, so habe ich sie doch sehr gut kennen gelernt.

Reinen Online-Bekanntschaften (noch) nicht persönlich, kohlenstofflich begegnet zu sein, ist zwar nicht ersetzbar – spielt aber andererseits auch keine große Rolle. Es gibt Menschen die kenne ich nur online, aber so gut, dass ich sofort mit ihnen eine Woche mit in Urlaub fahren würde!