[HTTP410] (M)ein Weg von vielen – Berufsorientierung aus persönlicher Sicht

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Jo hat zu einer Blogparade aufgerufen. Thema: Berufsorientierung. Eine schöne Idee! Dazu hat natürlich jeder aus der HR-Suppe einiges an Fachlichem zu sagen – und hat es auch schon getan. (Siehe Liste unter Jos Artikel.) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um aus der ganz persönlichen “Gegenperspektive” zu erzählen. Mein Weg an die Tastatur, an der ich heute diesen Text schreibe, glich nämlich eher einer Schnitzeljagd als einer aktiven Orientierung. Dass ich heute Konzepte für digitale Arbeitgeberkommunikation gestalte, mag ironisch scheinen – vielleicht ist es aber auch einfach das logische Ende dieser Entwicklung.

In welchen Phasen hätte meine Berufsorientierung stattfinden können? Woran ist das jeweils gescheitert und was hätte mir damals eventuell geholfen?

Frühkindliche Prägung

Eine familiäre Vorbestimmung gab es bei mir weniger. Meine Familie war väterlicherseits eher technisch/mathematisch orientiert, die meiner Mutter war in pädagogischen Berufen. Beides kam für mich nicht in Frage. Als Kind fand ich den klassischen Wissenschaftler spannend, in meiner Vorstellung eine Person zwischen aufregenden Apparaturen im Labor und abenteuerlichen Entdeckungsreisen in der ganzen Welt. So etwas wollte ich sein. Unter dem Eindruck von Museumskatalogen meines Großvaters und der Disney-Version von Indiana Jones habe ich im Kindergarten in irgendein Poesiealbum “Archäologe” (vermutlich falsch geschrieben) als Berufswunsch eingetragen. Lacht nicht, das wird noch mal relevant.

Ich glaube nicht, dass ich hier viel verpasst habe. Ich war ein Kind, hatte dafür vielleicht sogar ein überdurchschnittliches Interesse an Büchern und daran, was ich darin verstehen konnte. Eine gesunde Entwicklung hängt in diesem Alter – so glaube ich – noch nicht mit einer fachlichen Orientierung zusammen. Klar, gewisse Sozialkompetenzen kann man hier schon erlernen, musische Begabungen behutsam fördern, etwas Lesen und Schreiben kann auch vor der ersten Klasse nicht schaden, genau wie erste Fremdsprachenkontakte. Berufliche Orientierung sollte aber freiwillig sein.

Schulzeit

In meiner frühen Schulzeit gab es dann auch wenig Erweckungserlebnisse. In Heimat- und Sachkunde (so hieß das damals) glänzte ich mit großem Fachwissen, in allen anderen Fächern eher durch Ablenkung oder vergessene Hausaufgaben und Turnbeutel. Diesem Engagement Rechnung tragend, bekam ich gegen Ende meiner Grundschulzeit eine (damals verbindliche!) Empfehlung für die Hauptschule – ein Schicksal, das ich durch einen Aufnahmetest für die Realschule abwenden konnte. Eines war mir aber schon damals bewusst: Alle Berufswege, die ich mir grob vorstellen konnte, waren mehr oder weniger akademisch. Und da ich mir zudem alle Möglichkeiten offen halten wollte, gab es nur einen sinnvollen Weg: Abitur. Ich gab mir also ein Jahr wirklich Mühe und konnte zur sechsten Klasse dann auf ein Gymnasium wechseln. Nun war ich dort wo ich sein wollte, hatte mich aber noch lange nicht diszipliniert. Eine Ehrenrunde in der achten Klasse, in Verbindung mit einem Umzug in das schulisch weniger fordernde Hamburg, brachte mich dann entspannt und mit wenig Mühen zum Abitur. Ich genoss die Zeit, wählte meine Fächer aber meist nach dem Prinzip des geringsten Widerstands. Leistungskurs Deutsch und Geschichte liebte ich von Herzen, durch die anderen “Laberfächer” schlängelte ich mich auch noch ganz elegant und alles andere war rückblickend eine ziemliche Katastrophe. Aber ich konnte ja ausgleichen.

Hier würde ich heute dringend ansetzen: Bis auf wenige Ausnahmen wurde in meinen Schulen nach Lehrplan gepaukt. Der Unterricht selbst war zwar meist nicht schlecht, eine Einbettung in die Lebensrealität “da draußen” fand aber kaum statt. Allenfalls mal die schwammige Drohung “Was Ihr jetzt verpasst, müsst Ihr sonst während des Studiums nachholen!”. Da zittert der 16-jährige Tobias natürlich. Es gab dann noch ein Schulpraktikum, und eine Berufsinformationswoche mit Tagesexkursionen in unterschiedliche Betriebe. Danach wusste ich immerhin, wohin ich nicht wollte. Ich habe in der Schule so gut wie gar nichts über konkrete Berufe gelernt, nichts über Unternehmen, deren Funktionsweise, nichts über Dienstleistungen und Produkte – das bisschen Volkswirtschaft nur aus rein systemischer Sicht. Wer hätte es uns auch lehren sollen? Alle Lehrer waren nun mal Lehrer und hatten darüber hinaus keinerlei außerschulische Erfahrung. Dieses Problem besteht bis heute.

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Nach der Schule

Nach dem Abitur hatte ich keine Ahnung was ich machen sollte. Ich war froh, dass ich aus der Schule raus war, mit dem Abitur gefühlt “alle Möglichkeiten” hatte und genoss diesen Zustand erst mal ausgiebig. Da ich aufgrund des obligatorischen Knieschadens inkl. Sehschwäche ausgemustert wurde, fehlte mir allerdings auch die Zivildienst-Zeit zum finanzierten Überlegen. Also erst mal arbeiten. “Was Richtiges”, auf die Lieferjobs die ich als Schüler gemacht habe, hatte ich keine Lust mehr. Ich arbeitete dann im Versandlager einer Soft- und Hardwarefirma für Musikproduktion und hatte dort einen Heidenspaß. Ich wurde schnell voll eingesetzt, mit eigenen Verantwortungsbereichen und – darauf war ich damals sehr stolz – einem eigenen Schreibtisch mit Telefon, Computer und Stempeln! Wir waren ein tolles Team, leider wohl nicht kostendeckend genug, so dass die gesamte Abteilung im zweiten Jahr geschlossen und outgesourced wurde. Der Job war weg.

Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht wird dieses Problem in meinem männlichen Bekanntenkreis noch deutlicher: Die Schule ist vorbei und man “steht auf der Straße”. Natürlich gibt es manche, die schon jetzt genau wissen, dass sie Ophthalmolog_in werden wollen, aber andere wissen es eben nicht. Wenn ich heute mit Schulabgängern spreche, bleibt für die Unentschlossenen die Option FSJ oder Ausland – oder beides. An dieser Stelle lässt sich allerdings wenig am System drehen, hier muss man selbst aktiv werden. Und Unternehmen könnten natürlich auch schon diese Phase nutzen, ihre Arbeitsplätze vorzustellen und entsprechende Berufsbilder zu bewerben.

“Ich muss jetzt was studieren.”

Also klopfte die Frage nach dem Studium wieder an. Ich hatte mich zwischenzeitlich mal bei einer Hamburger Kunstschule für Illustrationsdesign beworben (Ich konnte leidlich zeichnen, und gab da dem Drängen von Freunden und Familie nach) dann aber darauf verzichtet, zur letzten Bewerbungsrunde anzutreten. Ich zeichnete gerne, Designs nach Wunsch auf Abruf zu produzieren fiel mir unglaublich schwer. Und es machte mir keinen Spaß.

Ich grübelte lange. Ich war bestimmt drei oder vier Nachmittage im BIZ und schaute mir dort Berufsvideos auf seltsamen Datenträgern an (Internet als Informationsquelle war damals noch nicht wirklich überzeugend). Ich machte Skill-Tests und hatte sogar ein persönliches Beratungsgespräch. Dabei war es gar nicht so, dass ich keine interessanten Berufe fand, ganz im Gegenteil. Alles schien mir durchaus aushaltbar, selbst meinen Logistikjob hätte ich noch gut weiter machen können. Finanziell hatte ich damals keine großen Ansprüche. Ich war ja eher antikapitalistisch eingestellt und auf ressourcenarme Selbstverwirklichung gepolt. Was mich abschreckte, war der oft ellenlange Weg zum Job. Mich durch Studiengänge zu quälen, die mich schon auf dem Papier langweilten, nur um dann nach durchschnittlich 5 Jahren (Bachelor gab es damals noch nicht) irgendwann tatsächlich ergebnisorientiert zu arbeiten – die Vorstellung war für mich der reine Horror. Eine Ausbildung war mir aber wiederum zu schulisch, dazu war ich viel zu froh, aus der Schule draußen zu sein. Und natürlich muss ich zugeben, dass ich auch einen gewissen akademischen Anspruch an mich selbst hatte. Ja, Eitelkeit und Faulheit sind zwei hässliche Schwestern.

Und so entschloss ich mich das zu tun, was mich 1. schon als Kind interessiert und von dem ich 2. eine recht klare Berufsvorstellung hatte: Ich nahm ein Studium der Vor- und frühgeschichtlichen Archäologie auf. To make a long story short: Ich studierte mit großem persönlichem Interesse, beendete noch mit einigem Elan das Grundstudium. Als es dann jedoch einige Semester später in Richtung Abschluss und Berufsrichtung ging wurde mir klar, dass ich nicht in diesem Bereich arbeiten würde. Zudem hatte ich in diesen Jahren, die Gelegenheit viel “mit Medien” zu arbeiten. Ich habe Musik gemacht und “vermarktet”, wobei ich für Grafik, Text und Rechweite selber sorgen mußte. Bald folgte mein erster Job als Online-Redakteur bei einem Verlag. Ich fühlte mich in diesem Bereich schnell wohl und zu Hause. Ich machte mich selbstständig, arbeitete viel und mein Studium litt darunter zusehends. An einem gewissen Punkt entschloss ich mich, mein Studium abzubrechen und begann ein Praktikum in einer Werbeagentur.

Nun, diese Entwicklung war abzusehen. Es dauerte eben, bis ich “mein Ding” gefunden hatte. Und zwar durch zwei Faktoren: 1. praktische Erfahrung und 2. ein WWW, das mir eine Fülle von Antworten auf meine Fragen lieferte. Das in Kombination hat mich Berufsbilder und Unternehmen verstehen lassen. Und zwar so gut, dass ich mir sicher war, mit dem Studienabbruch keinen schwerwiegenden Fehler zu machen. An dieser Stelle also mein Plädoyer an Unternehmen: Stellt Euch vor, beschreibt was ihr tut, wie Ihr es tut und wie andere dabei mitmachen können! Und dabei reicht es nicht aus, Flyer ans schwarze Brett zu hängen oder hier und da mal auf einer Hochschul-Messe aufzutauchen. Baut Kampagnen und Informationsangebote, die so gut sind, dass sie junge Menschen auf neue Ideen bringen. Ihr müsst nicht auf die fertigen Bewerber in eurer Branche warten, ihr könnt sie euch selbst heranziehen.

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Heute

Seit fast vier Jahren arbeite ich hier bei der Wollmilchsau GmbH. Ich liebe Werbung, Unternehmens- und Online-Kommunikation. Und der Themenbereich HR ist mir als Anti-Held dieses Bereichs quasi auf den Leib geschneidert. 😉 Ich habe etwas gefunden, was mir wirklich Spaß macht, in dem ich gute Leistung bringen kann und was dabei sogar meinen Lebensunterhalt sichert. Und genau das ist es, was mich auch an den Erfolg meiner Arbeit glauben lässt. Für dieses ganze Hin-und-Her meiner Berufsorientierung kann ich niemandem die Schuld geben außer mir selbst, hätte ich aber früher Zugang zu besseren oder attraktiveren Informationen bekommen, dann wären die entscheidenden Aha-Erlebnisse vermutlich früher da gewesen.

Pics: Les Haines (CC BY 2.0), Sascha Erni (CC BY 2.0) und Travis Ford ( CC BY 2.0)

[HTTP410] Glücklicher arbeiten!

Fühlt Ihr Euch bei der Arbeit unglücklich und wolltet schon immer wissen, woran das liegt? Sucht Ihr nach Lösungen und Wegen, glücklicher zu arbeiten? Dave Coplin, Chief Envisioning Officer bei Microsoft, nimmt in dem folgenden Video die Arbeitswelt auseinander und zeigt sehr detailreich die Was, Wieso und Warums sowie den Weg zum Glück auf. Die Moral zusammengefasst: Die Technologie hat uns unglücklich gemacht – die Technologie wird uns sehr glücklich machen. Wir müssen es “nur” zulassen.Vorhang auf.

Bei Klick wird dieses Video von den YouTube Servern geladen. Details siehe Datenschutzerklärung.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Post von Mirco Lange, “Das Scheitern der Social-Media-Enthusiasten”, möchte ich ein besonders gelungenes Zitat aus dem Video hervorheben, das sehr verständlich den aktuellen Stand der Veränderung der Arbeitswelt durch die Sozialen Medien sowie gleichzeitig den Grund für das bisherige “Scheitern” der Social-Media-Enthusiasten umschreibt.

“[…] Wenn wir Plattformen wie Facebook oder Twitter benutzen […] machen wir im Grunde alles öffentlich, außer die wenigen kleinen Stückchen, die wir als privat definieren. Im Gegensatz dazu stellt die Kultur in den meisten Organisationen das genaue Gegenteil dar. Alles was wir tun, ist absolut privat, bis auf die kleinen Stückchen, die wir nach außen lassen.”

Da brauchen wir uns nicht zu wundern, dass wir nach gerade mal 5 Jahren Social Media gefühlt nicht sehr weit gekommen sind. Fundamentaler kann der Unterschied kaum sein. Wir brauchen uns weiterhin nicht zu wundern, wenn die zunehmende Diskrepanz zwischen den privaten und den beruflichen Kommunikations-Gewohnheiten, also “Ich privat” vs. “Ich Firma”, zum Unglücklich-Sein beiträgt. Auf Kurz oder Lang wir sich hier etwas bewegen müssen. Und ich weiß, was sich nicht bewegen lässt…”Ich privat”.

LinkedIn: Sofa-Netzwerk oder Karriereplattform?

Der “Boolean Blackbelt” Glen Cathey hat über Zahlen zu LinkedIn gebloggt, die er mithilfe des Web-Analytic-Tools Quantcast gewonnen hatte. Neben genauer Aufschlüsselung der US-spezifischen Nutzerverteilung wird anhand anderer Graphen eines deutlich: LinkedIn ist noch immer eher ein Social Network für Berufstätige, als ein professionell eingesetztes Businesstool.

1. LinkedIn wird meistens vom heimischen Rechner genutzt.

Das mag nicht die freie Entscheidung des Nutzers sein, da in vielen Unternehmen das Nutzen von LinkedIn während der Arbeitszeit untersagt ist und so ein sinnvoller Einsatz im Berufsalltag verhindert wird. Sollte das Zahlenverhältnis nicht eher umgekehrt sein?

2. LinkedIn-Nutzer sind im mittleren Alter und sitzen beruflich fest im Sattel

Nur ein Viertel der LinkedIn-Nutzer ist zwischen 18 und 34 Jahren alt. Und knapp 70% verdienen bereits weit über 60.000 $ im Jahr. Gerade jene Berufsein- und Aufsteiger, die sich aktiv ein Netzwerk aufbauen sollten und jeden Kontakt gut gebrauchen können, halten sich hier zurück. Ist LinkedIn also eher ein Abbild des realen Netzwerks, eine Art Facebook für Berufskontakte?

Wie soll ich mir den typischen LinkedIn-Nutzer also vorstellen? Ein Abteilungsleiter, Anfang 50, der nach Feierabend seine Kontakte durchklickt? Auf jeden Fall scheint es nicht der junge Absolvent oder Berufseinsteiger zu sein, der dort mit Begeisterung kontaktet und arbeitet. Auch in meinem persönlichen Umfeld mache ich häufig die Erfahrung, dass man mit dem Anlegen eines Xing-Profils häufig zögert, bis man dort “auch etwas vorzuweisen” hat: idealerweise einen festen Job. Das sollte natürlich nicht der Sinn einer Karriere-Plattform sein.

Pic: ghostdad

Personalsuche mit Twitter?!

Was ist Twitter?

Im selben Augenblick, in dem Du diese Zeilen liest, finden weltweit etwa 6,7 Mrd. weitere Aktionen statt. Ideen, Fragen, Träume, Sorgen und neue Ziele jagen Milliarden von Menschen jede Sekunde durch den Kopf. Jemand hat etwas Tolles gefunden, jemand sieht fern, jemand will ausgehen und jemand anderes hat gerade ein neues Auto gekauft oder im Lotto gewonnen. Eine junge Frau aus Ohio will den Rest des Tages einfach ausspannen. Ein junger Mann aus Berlin hat zum ersten Mal die Video Chat Anwendung von Google ausprobiert. Und ein kleines Start-Up aus Wanne-Eickel startet die kostenlose Beta Version einer zukunftsträchtigen Workflow-Management-Plattform und lädt alle zum Test ein. Vielleicht ist sogar jemand da draußen, der in dieser Sekunde genau dasselbe tut wie Du und Dir womöglich sogar in seiner Lebenseinstellung und seinen Interessen ähnelt.

Die Antwort liefert der faszinierende Micro-Blogging-Dienst Twitter, der seit seiner Einführung in 2006 weltweit und inzwischen auch in Deutschland immer größere Beliebtheit genießt. Die Idee ist einfach: Es gibt weltweit eine gewisse Zahl von Menschen, deren Alltag, Ideen oder Gedanken eine andere Zahl von Menschen aus verschiedensten Gründen (freundschaftlich, beruflich, politisch, ideologisch usw.) interessieren. Auf der Grundlage von 140 Zeichen langen Textnachrichten ermöglicht es Twitter jedem, an der Gedanken-Welt interessanter Menschen aus aller Welt teilzuhaben – ganz gleich ob von Zuhause, von der Arbeit, oder von unterwegs. Die ganze Welt im eigenen Wohnzimmer, Büro oder in der eigenen Hosentasche sozusagen.

Twitter zur Personalsuche einsetzen

Es würde den Rahmen sprengen, über alle Einsatzmöglichkeiten von Twitter zu berichten. Um die Möglichkeiten von Twitter im Bereich Personalsuche zu verstehen, stelle Dir einen einzigen großen Raum vor, in dem die komplette Weltbevölkerung (ok, zumindest ein Teil davon) versammelt ist, wild durcheinander redet und laut denkt. Das Gesprochene und das laut Gedachte bleibt für einige Momente in Raum hängen, bis aktuellere Informationen nachkommen und die älteren immer mehr verblassen lassen.  Verwirrend? Dann stelle Dir vor, dass Du imstande wärst, dieses Durcheinander zu speichern und anschließend nach Stichpunkten zu durchsuchen. Genau das ermöglicht nämlich Twitter. Das kollektive Gedächtnis mit einer Suchfunktion.

Twitter bietet daher selbstverständlich tolle Möglichkeiten für Personaler, um nach Kandidaten zu suchen. Bei vielen Menschen nimmt der Beruf unweigerlich einen bedeutenden Teil ihres Alltags ein. So kann man davon ausgehen, dass Themen rund um den Beruf ab und an in Form von  Mitteilungen (sog. Tweets) bei Twitter auftauchen. Du denkst laut nach. Es ist also möglich, gezielt Ausschau nach Menschen zu halten, die sich gerade eben oder zu einem früheren Zeitpunkt zu einem für Dich relevanten Thema mitteilen oder mitgeteilt haben. Einige Twitter-Nutzer geben bereits in ihrer Kurzbiographie (Bio) Anhaltspunkte zu ihrem Beruf. Manche Twitter-Nutzer teilen sogar offen mit, dass sie gerade nach einer neuen Herausforderung suchen – perfekt!

Sobald Du passende Beiträge entdeckt hast, kannst Du im zweiten Schritt die “Mitteilungsverläufe” der gefunden Personen genauer nach relevanten Hinweisen analysieren. Unter Umständen lassen sich mit den bereits gewonnen Daten auch weitere Informationen zu den Personen im Internet recherchieren. So gewinnst Du schnell ein Eindruck davon, ob interessant erscheinende Personen tatsächlich für eine konkrete Aufgabe in Deinem Unternehmen in Frage kommen könnten.

Ist dies der Fall, hat man die Optionen der “Verfolgung” und/oder Kontaktaufnahme bei Twitter oder, wenn weiterführende Daten auffindbar sind, Kontaktaufnahme über E-Mail oder Telefon mit dem Ziel einer weitergehenden Analyse. Für eine diskrete Kontaktaufnahme steht Ihnen bei Twitter die direkte Mitteilung (Message) zur Verfügung. Da Dir wie bei normalen Tweets nur 140 Zeichen zur Verfügung stehen, bringe Dein Anliegen auf den Punkt – z.B. kurze Vorstellung und Link auf Unternehmensseite oder Stellenausschreibung. Um eine direkte persönliche Nachricht verschicken zu können, muss die Person allerdings zu Deinen “Followern” gehören.

Neben der aktiven Suche nach Kandidaten besteht für Unternehmen selbstverständlich die Möglichkeit, eigene Stellenangebote bei Twitter anzukündigen. Über den Erfolg Deiner Stellenanzeigen-Mitteilung entscheiden neben der Nachfrage auch die Größe und die Qualität Deines Netzwerkes. Dieses hat nämlich Einfluß auf die Verbreitung bzw. Reichweite Deiner Nachrichten bei Twitter. Als Neuling wirst Du zunächst natürlich gar kein Netzwerk haben. Doch denke daran, dass allein die Auffindbarkeit Deiner Anzeige über das Twitter-Suchsystem die Chancen auf die Besetzung erhöht.

Bitte betrache Twitter nicht als eine reine Kandidaten-Quelle, in die Du im Rahmen der Personalsuche mal ganz nebenbei eintauchen kannst, um anschließend schnell wieder zu verschwinden. Die besten Ergebnisse erreichst Du bei Twitter mit einem langfristigen Engagement. Der Aufbau eines eigenen Twitter-Netzwerks und regelmäßige Kommunikation kann Dir dabei helfen, Dein Unternehmen zu präsentieren und ganz nebenbei das Interesse von potentiellen Mitarbeitern zu wecken.

Wie Du Twitter durchsuchst

Für die Suche nach Hinweisen auf interessante Personen bei Twitter können einige integrierte und externe Tools verwendet werden. Die zwei, aus unserer Sicht, effektivsten Optionen sollen hier kurz vorgestellt werden. (Wir erheben dabei ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Twitter-Umfeld entstehen nämlich wöchentlich neue spannenden Anwendungen.)

search.twitter.com

search.twitter.com ist wohl die im Moment populärste und effektivste Suchmaschine für Twitter. Ursprünglich unter dem Namen Summize entstanden, wurde das Angebot im Juli 2008 von Twitter Inc. aufgekauft und ist heute in eine integrierte Twitter-Anwendung umgewandelt worden.

search.twitter.com ist imstande, alle Mitteilungen aller Twitter-User zu durchsuchen und die Ergebnisse chronologisch zu ordnen. Ähnlich einer gewöhnlichen Suchmaschine lassen sich mit Hilfe dieses Tools Suchabfragen unterschiedlicher Komplexität durchführen. Für die spontane Schnellsuche eignet sich die Standardsuche. Sollen die Ergebnisse verfeinert werden, stehen unter “Advanced Search” mehrere Einschränkungskriterien zur Verfügung. Darüber hinaus können im Rahmen der Standardsuche Boolesche Operatoren (AND, OR, NOT, “”) und spezielle Twitter-Operatoren miteinander kombiniert werden. Eine Übersicht der Twitter Operatoren findest Du hier:

 

OPERATOR

twitter search

Finde Beiträge (tweets), die…

sowohl “twitter” als auch “search” enthalten.

happy hour die exakte Phrase “happy hour” enthalten.
HSV OR St.Pauli “HSV” oder “St.Pauli” enthalten.
beer root “beer” jedoch nicht “root” enthalten.
#haiku das hashtag (Twitter Tag) “haiku” entalten.
from:wollmilchsau vom Nutzer “wollmilchsau” gesendet wurden.
to:techcrunch die an den Nutzer “techcrunch” gesendet wurden.
@wollmilchsau in einem Bezug zum Nutzer “wollmilchsau” stehen.
“happy hour” near:“Hamburg” die konkrete Phrase “happy hour” enthalten und vin einem Nutzer in der Nähe von “Hamburg” gepostet wurden.
near:NYC within:15mi aus einem Umkreis von 15 Meilen um “NYC” kommen.
superhero since:2008-05-01 “superhero” enthalten und seit dem “2008-05-01” gesendet wurden.
ftw until:2008-05-03 “ftw” enthalten und bis zum Datum “2008-05-03” gesendet wurden.
movie -scary 🙂 “movie” jedoch nicht “scary” enthalten (und positiv gelaunt sind).
flight 🙁 “flight” enthalten (und negativ gelaunt sind).
traffic ? eine Frage zum Thema “traffic” enthalten.
lustig filter:links “lustig” und weiterführende URL – Links enthalten.

 

Für den Fall, dass die gewünschten Ergebnisse nicht gleich oder nicht in erhoffter Anzahl gefunden werden (z.B. weil es noch keine oder nur unpassende Beiträge zum gesuchten Thema gab) und eine wiederholte Suche zu einem späteren Zeitpunkt in Betracht gezogen wird, ermöglicht search.twitter.com die Einrichtung von Suchagenten auf Grundlage eines ATOM- oder RSS-Feeds. Ein Suchagent (Such-Feed) hat den Vorteil, dass die Suche nach einmaliger Einrichtung “automatisch” durchgeführt wird. Neue Ergebnisse werden, sobald sie verfügbar sind, bequem im Feed-Reader angezeigt. Ein Suchagent wird über den Klick auf das Feed-Symbol bzw. Link (“Feed for this query”) und anschließendes Abonnieren mit einem beliebigen Feed-Reader eingerichtet.


Google

Neben search.twitter.com läßt sich auch die Google Suche zum “Scannen” von Twitter nutzen. Denn Twitter wird seit einiger Zeit von Google indiziert. Mit den flexiblen Suchmöglichkeiten von Google kann man ohne zusätzliche Tools sehr spezifische Suchabfragen bei Twitter durchführen. Die erzielten Resultate sind nach unserer Erfahrung besser als bei search.twitter.com. Zumal search.twitter.com auschließlich Posts und keine Profilangaben (Bios) durchsucht. Außerdem ist die Googlesuche wesentlich schneller.

Die Suchergebnisse lassen sich übrigens über Google-Alerts als RSS-Feed oder E-Mail abonnieren. Hier zwei kleine und einfache Beispiele zum ausprobieren einer solchen Suche.

Bsp 1: Einfache Suche über die Profilbeschreibung (Bio) nach einem Programmierer:

site:twitter.com -inurl:statuses Bio * programmierer

Bsp 2: Suche nach Leuten aus Hamburg, die sich mit Java oder Python auskennen. Brauchbare Ergebnisse könnte diese Suchkette bringen:

site:twitter.com Location * Hamburg intext:(python | java)

Tipp: Wenn Du einzelne Suchergebnisse aufrufen willst, nutzt Du am besten die “Cache“-Funktion.

Wir hoffen, dass dieser Artikel bei dem einen oder anderen zu interessanten Anregungen geführt hat. Wie immer freuen wir uns auf Fragen und Kommentare zu dem Thema. Hast Du Twitter schon professionell eingesetzt? Vielleicht tatsächlich für die aktive Suche nach potentiellen Mitarbeitern?