Bespitzelung oder fehlendes Monitoring? Daimler im Kreuzfeuer

Am Dienstag ging durch die Medien, dass Daimler Mitarbeiter zum Personalgespräch gebeten hat, die in der Facebook-Gruppe “Daimler-Kollegen gegen S21” einen Beitrag geliket haben, in welchem Konzernchef Zetsche, zusammen mit Merkel und Mappus als “Spitze des Lügenpacks” bezeichnet wurde. Im Verlauf der letzten Tage wurden in Folge dessen sehr gegensätzliche Vorwürfe gegen Daimler laut: Von Mitarbeiterbespitzelung auf der einen, bis zu mangelhaftem Social-Media-Monitoring auf der anderen Seite.

Die Fakten:

Bestätigt ist, dass fünf Mitarbeiter zum Gespräch in die Personalabteilung geladen wurden. Im Beisein des Betriebsrates wurden sie darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der getätigten Äußerung um eine Beleidigung handle und diese, egal ob online oder im Betrieb öffentlich ausgesprochen, nicht tolerierbar sei. Weitere Konsequenzen habe es keine gegeben. Tatsache ist auch, dass die Facebook-Gruppe inzwischen nicht mehr aufzufinden ist, sie also entweder gelöscht oder versteckt wurde. Ob von Facebook oder vom Gründer der Gruppe selbst (was ich für wahrscheinlicher halte), sei dahingestellt. Bei Facebook zumindest, sei dazu nichts bekannt.

Der Rest…

…ist reichlich absurd. Auslöser des ganzen Zirkus war ein Text der Marxistisch-Lenistischen Partei Deutschlands, der bereits letzte Woche die Behauptung aufstellt, Daimler hätte “eine Art hauseigene Stasi-Abteilung aufgebaut.” Diese soll “Äußerungen aufspüren, die das „Daimler-Image“ schädigen und dazu unter Anwerbung von Denunzianten auch die Daimler-Kollegen in- und außerhalb des Betriebes bespitzeln.“. Golem.de fragte nach, fand die Geschichte (teilweise, in Bezug auf die Facebook-Gruppe) bestätigt und so setzte sich diese fort; mit immer skandalträchtigeren Überschriften, von denen Uwe Knaus in einem Artikel auf dem hauseigenen Daimler-Blog einige gesammelt hat. Dort geht er nochmal auf die Selbstverständlichkeit ein, die Mitarbeiter zu einem klärenden Gespräch zu bitten und widerspricht der Behauptung, dass diese bespitzelt worden seien. Ebenso widerspricht er den gegenteiligen Vermutungen, dass Daimler kein funktionierendes Monitoring-System habe.

Übrigens: Für Facebook Gruppen (das war es nämlich, keine Page!) gibt es drei Privacy-Einstellungen: Geheim, Privat (der voreingestellte Standard) und Öffentlich. Nur wenn die Gruppe öffentlich gewesen sein sollte, dann hätte ein (regelkonformes) automatisiertes Monitoring überhaupt greifen können. Und auch dann wäre in der Konsequenz genau das Gleiche passiert. Unternehmensschädigende Aktivitäten solcher Gruppen (Pages, Threads, Accounts, Seiten etc…) kann nur durch problembewusste, aufgeklärte Mitarbeiter verhindert werden – wenn überhaupt.

Weitere Lesetipps zum Thema:

Maximilian Splittgerber, Leiter Communications Strategy & News Management bei der Daimler AG zum Thema Monitoring (Januar 2011):
Monitoring ist mehr als das Finden von Daten
(Monitoring ist bei Daimler durchaus kein Fremdwort, ganz im Gegenteil.)

Die juristische Sicht von Dr. Carsten Ulbricht zu diesem Fall:
Daimler AG gegen Beleidigungen auf Facebook – Unternehmensstrategien zwischen unzulässiger Rufschädigung und zulässiger Meinungsäußerung

Robert Basic fragt dazu
Facebook ganz privat: Einmal Mitarbeiter, immer Mitarbeiter?

Pic: aj82 (CC BY-SA 2.0)