[HTTP410] Bye Bye “Arbeitnehmer” – Auf der Suche nach einem besseren Begriff

Wir hatten Euch vor ein paar Wochen nach neuen Begriffen gefragt, die sich an Stelle des alten “Arbeitnehmers” einsetzen ließen. Der Hintergrund: Das klassische (Macht)verhältnis “Arbeitgeber gibt dem Arbeitnehmer Arbeit” wird durch neue Formen des unternehmerischen Arbeitens stetig weiter aufgelöst, und die alten Begriffe beschreiben die neuen Gefüge oft nur noch unzureichend. Dabei soll nicht vergessen werden, dass nach wie vor viele Menschen in sehr festen, traditionellen Arbeitsverhältnissen stehen. Das mag gewollt und praktikabel sein, kann aber auch missbräuchlich und zum Nachteil der Arbeitnehmer eingesetzt werden. Im traditionellen Betrieb genauso, wie im hippen Start-Up mit angeblich flachen Hierarchien. Wir wollten also keine schöne neue Arbeitswelt herbeischreiben, uns aber auch nicht in das alte sprachliche Korsett zwängen lassen.

Unsere Leser steuerten in kurzer Zeit eine überwältigende Menge an neuen und alten Begriffen bei, die ich Euch hier einfach mal unkommentiert (und umgeändert) aufzähle. Manche doppelte oder sehr ähnliche Nennung habe ich mir erlaubt zusammenzufassen.

Eure Vorschläge für neue Begriffe des Wortes “Arbeitnehmer”:

  • Wertschaffender
  • Solution-Expert (f/m)
  • Sicheinbringer
  • Vertragspartner
  • Leistungsgeber
  • Arbeitgeber
  • Talentbringer
  • Kompetenzcharakter
  • Mitarbeiter
  • Leistungsträger
  • Professional
  • Kompetenzträger
  • Macher
  • BeitragendeR oder MitwirkendeR
  • Talent
  • Wertschöpfer
  • WertEschöpfer
  • Qualifikationsmerkmalsträger (m/w)
  • Betriebsangehöriger
  • Teammitglied
  • Kollege
  • Mensch
  • Mitarbeitende
  • Investment
  • Stelleninhaber
  • Nimm-Geber
  • ManOnDuty
  • Denk-Macher
  • Dienstleister(in)
  • Arbeiter
  • Leistungserbringer
  • Humankraft
  • Expertisengeber
  • Arbeitsanbieter
  • Beteiligter
  • Mitwirkender
  • Beitragende
  • Performer

Ich finde sie alle bemerkenswert! Vielen Dank dafür. Auch dafür, dass hier nochmal eine ganz neue Vielfalt und andere Blickwinkel in unsere Diskussion kam. Nun möchte ich nicht den einen Begriff auswählen, es gibt aber Tendenzen bzw. Begriffsgruppen, die ich sehr spannend finde.

Die/Der Wertschaffende: Die Betrachtung aus der großen, wirtschaftlichen Perspektive. Jeder Mitarbeiter, der seine Arbeitskraft einbringt schafft einen Wert – innerhalb des Unternehmens, des Projektes oder der Idee. Dass Wert geschaffen wird, so kann man es sehen, ist Grundlage jedes unternehmerischen Prozesses. Insofern würde diese Bezeichnung dem Arbeitnehmer nicht weniger als diesen Respekt zukommen lassen.

Der/Die Kompetenzträger(in): Etwas persönlichere Sicht. Nicht das Ergebnis der Arbeit steht im Vordergrund, sondern die jeweiligen Eigenschaften, die den Mitarbeiter für das Projekt wertvoll machen. Fähigkeiten sind nach meinem Gefühl etwas individueller, weniger austauschbarer als der wirtschaftliche Wert, der am Ende einer Arbeit entsteht. So geht es nicht nur um Erfolg oder Misserfolg, sondern auch auch um das Wie. Bringt dem Arbeitnehmer eine individuellere Wertschätzung.

Das Teammitglied: Nimmt wiederum etwas Individualität raus. Der Arbeitnehmer ist zwar kein beliebiges, arbeitsübernehmendes Wesen, aber Teil eines komplexen Gefüges – das vielzitierte “Rad im Getriebe”. Dieser Begriff flacht in meinen Augen Hierarchrien ab und schafft das Bild einer arbeitenden, solidarischen Gemeinschaft. Ich kann mich persönlich oft ganz gut mit diesem Begriff identifizieren, aber er birgt auch die größte Missbrauchsgefahr: Schnell wird das Teammitglied so zum Soldaten, der sich selbstaufopfernd zurückstellt und für ein höheres Ziel (die Anderen) arbeitet – die tun es ja schließlich auf für ihn. Oder..?

Der Mensch: Crazy. Mensch. Am Ende des Tages sind wir alle Menschen die für ihr Leben sorgen – oder das Leben ihrer Lieben. Wer das nicht aus den Augen verliert, der wird auch Themen wie Work-Life-Balance, faire Behandlung und den nötigen Respekt voreinander im Blick behalten. Allerdings hat jeder sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was das Mensch-sein so ausmacht. Im kommunikativen Alltag nicht der einfachste, im Grundsatz aber fast der spannendste Begriff.

Welche Begriffe gefallen Euch und warum? Oder habt ihr angesichts dieser Liste noch einen Nachtrag?

[HTTP301] “Employer Branding” – Plädoyer für einen Begriff

Vorweg die mehrheitlich durchgesetzte Definition in der deutschen Wikipedia:

Employer Branding (dt. Arbeitgebermarkenbildung) ist eine unternehmensstrategische Maßnahme, bei der Konzepte aus dem Marketing – insbesondere der Markenbildung – angewandt werden, um ein Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben. (Wikipedia)

Employer Branding wird diskutiert. Inhaltlich? Auch, aber vor allem der Begriff selbst ist vielen ein Dorn im Auge. Während sich die einen daran stören, dass dieser Begriff angelsächsischen Ursprungs ist und unsere schöne deutsche Sprache dadurch verwässert würde, versuchen andere, Employer Branding vom guten, alten Personalmarketing abzugrenzen: Wo überschneidet es sich, ist EB nicht ein Teil Von PM? Oder umgekehrt? Wie kann sich Firma X erdreisten etwas anzubieten, das Firma Y so ähnlich schon länger unter anderen Namen im Angebot hat? Oder so:

“Employer Branding gehört für uns eindeutig zu den größten Marketing-Unwörtern der letzten Jahre” (…) “Das ist alles eine Erfindung von eifrigen Personalberatern, die damit die Vorstände und Geschäftsführer in den Industrieunternehmen über den Tisch ziehen wollen.” (Quelle)

Ach wie schön. Könnten wir ein paar Jahrzehnte in der Zeit zurück reisen, dann könnten wir uns streiten, ob denn diese “Werbung” wirklich nötig ist, und warum sie nicht “Reklame” genannt wird. Und dann dieses neue, denglische “Marketing” – ist das jetzt Teil von Werbung, oder ist Werbung nur eine Marketingaktivität? Und ist das alles nicht nur Abzocke?

Wozu ein “neuer” Begriff?

Sprache entwickelt sich und neue Begriffe werden geschaffen, wenn die Notwendigkeit besteht, sich mit neuen Gegebenheiten sprachlich auseinanderzusetzen. Eine solche Gegebenheit haben wir heute: Produkte und Dienstleistungen haben verstanden, dass nicht nur Preis, Qualität und Verfügbarkeit über den Kauf entscheiden, sondern auch diverse subjektive Eindrücke. All das bildet eine Einheit: Das Bewusstsein für das eigene Image, die Marke, wuchs. Und irgendwann haben Unternehmen gemerkt, dass sie auch als Arbeitgeber ein Image haben, das über feste Größen wie Gehalt und Urlaubstage hinausgeht. Was also, wenn man sich über dieses Thema professionell austauschen will? Der Homo loquens schafft einen Begriff, der diesen Themenkomplex beschreibt. In diesem Fall: Employer Branding.

Warum nicht Personalmarketing?

Weil zu viele Menschen unter Personalmarketing (leider) in erster Linie Dinge verstehen, die mit der Kommunikation einer Marke rein gar nichts zu tun haben. Effektiver Austausch ist so nicht möglich.

Und warum nicht auf Deutsch?

Abeitgebermarkenaufbau oder -bildung ist mir persönlich einfach zu lang und sperrig, um mit diesem Begriff zu arbeiten. Der Ausdruck “Employer Brand” tauchte wohl Mitte der 90er das erste Mal in einem englischsprachigen Buchtitel auf und wird seitdem auch in anderen Sprachräumen so verwendet. Für mich kein Problem; das Thema ist nun mal international relevant, da kann man sich auch auf einen internationalen Begriff einigen – zumindest wenn die Inhalte im Vordergrund stehen sollen. Und welche Inhalte das im jeweiligen Fall sind, das wird ruckzuck klar – dazu muss man nur einmal anfangen zu arbeiten, anstatt nur drüber zu reden.

Ich bin ein großer Freund von sorgfältiger Begriffsklärung, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Manche Begriffe jedoch, sind inhaltlich so weit gefasst, dass diese Basis ständig neu erarbeitet werden muss. (“Kunst”, “Leben”, …) Das Ganze erinnert mich an asta-Sitzungen, in denen 2/3 der Zeit darauf verwendet wurde, zu klären welchen Titel das momentan stattfindende Zusammentreffen denn nun tragen soll. Sitzung? Planung? Meeting? Beratung? Begegnung? Über die Effektivität solcher Treffen muss ich wohl nicht viel sagen …