[HTTP410] Die ARD-ZDF-Onlinestudie 2013

Alle Jahre wieder: Die ARD-ZDF-Onlinestudie 2013 ist draußen! 1800 Telefoninterviews mit Onlinenutzern ab 14 Jahren aus der deutschsprachigen Bevölkerung (bis 2010 waren es deutsche Bürger) werden nun wieder den Weg in viele Vorträge und Präsentationen finden. Noch immer zählt sie zu den meist respektierten Nutzerstudien in Deutschland (so zumindest mein Eindruck), schon alleine deswegen sollten wir mal einen kurzen Blick darauf werfen.

Merken kann man sich:

1. Mobile, Mobile, Mobile!

Man hat es bereits vernommen: Die mobile Nutzung nimmt rasant zu und hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 23% auf 41% fast verdoppelt. Etwa 45% der 14-29jährigen surfen täglich mobil, bei den 30-39jährigen sind es schon 23%. Eine interessante Zahl dazu versteckt sich noch in einem ganz anderen Bereich der Studie: Der Anteil der Haushalte, die mit einem Smartphone ausgestattet sind hat sich ebenfalls verdoppelt (iPhone: von 12% auf 22%, anderes Smartphone: 21% auf 42%).

2. Generation X und Babyboomer

Jetzt sind die Alten am Zug! Bei der GenY tut sich nicht mehr viel. Mit durchschnittlich vier Stunden Onlinenutzung am Tag und einer Social-Network-Nutzungsrate von rund 85% kann man (abgesehen von der mobilen Nutzung) keine großen Steigerungen erwarten. Kräftig Gas geben aber die älteren Semester: Bei den 40-49jährigen hat sich zum Beispiel der Anteil an mobilen Surfern von 15% auf 42% fast verdreifacht. Und die über 70jährigen? Die haben ihren Anteil an Onlinern in einem Jahr von 20% auf 30% gehoben!

3. Web 2.0

Nach wie vor mit spitzen Fingern wird dieses Thema angefasst: Was genau das Web 2.0 ist, wird klar definiert: Wikipedia, Communities (private, berufliche, Bewegtbild), Blogs und Twitter. Punkt. Dass inzwischen fast alle großen Webseiten ähnliche Angebote haben, wird hier wohl eher nicht berücksichtigt. Insgesamt nimmt die Nutzung auf breiter Ebene zu, aber genau an dieser Stelle bekomme ich die meisten Probleme mit den Angaben, bzw. mit der Erhebung durch Telefoninterviews. Am Beispiel Blogs: Die Nutzung ist hier von 8% auf 16% gestiegen. Ich persönlich bezweifle erstens, dass der Anteil an Bloglesern so gering ist/war und zweitens, dass sich die Nutzung von Blogs zum Vorjahr plötzlich verdoppelt haben soll. Zumindest sehe ich dafür keine deutlichen Indikatoren (Ihr?). Mein Verdacht eher: Die Kenntnis darüber, was ein Weblog ist, hat sich verbreitet, so dass immerhin 16% in der Lage sind, zu erkennen, dass eine genutzte Seite ein Blog ist. Jan-Peter Kleinhans hat das auf Netzpolitik an ein paar anderen Beispielen festgemacht. (Letzter Absatz)

Und genau das ist mein jedes Jahr mein Problem mit dieser Studie, zumindest in jenen feineren Bereichen. Hier kann man einfach nicht davon ausgehen, dass die Befragten wissen, wonach sie gefragt werden, dazu ist der theoretische Kenntnisstand einfach zu niedrig. Kleiner Querverweis dazu: Auf der Internationalen Funkausstellung wurde gerade von den Fernsehanstalten die Kampagne “Auf rot geht’s los!” vorgestellt, die Fernsehzuschauer an das Thema Smart-TV heranführen soll. Michael Albrecht, ARD-Koordinator Digital Video Broadcast dazu gestern in der Tagesschau:

“Viele Zuschauer haben das längst im Wohnzimmer stehen, aber noch gar nicht mitbekommen, das sie das auch nutzen können. Und insofern die Kampagne (…) damit wir das dem Fernsehzuschauer nahe bringen.”

[HTTP410] Von Werten und Unwerten: Wiesenhof als Arbeitgeber

Gestern lief eine Dokumentation auf ARD, die bereits im Vorfeld für Aufsehen gesorgt hatte. “Das System Wiesenhof” zeigt eines der größten Unternehmen der deutschen Lebensmittelindustrie, und dessen Arbeitsweisen in der Geflügelzucht und -verarbeitung. Hinter der Marke Wiesenhof steht die PHW-Gruppe mit über 5000 Mitarbeitern. Wir haben heute Empörung in den Medien und den sozialen Netzwerken auf der einen, Bemühungen, die Vorwürfen zu entkräften auf der anderen Seite. Und – das vermute ich – einige Mitarbeiter, die heute mit gemischten Gefühlen zur Arbeit gehen werden.

Kurzfristige Folgen werden sein: Anzeigen und Verkaufseinbußen. Doch ein Produktimage ist vergleichsweise schnell wieder aufgebaut. Nächsten Sommer werden vermutlich genauso viele Wiesenhof “Bruzzler” auf den Grills liegen wie immer. Was jedoch mittel- und langfristig Schaden nimmt, ist das Image des Unternehmens als Produktions- und Werbepartner und nicht zuletzt als Arbeitgeber. Ein Konzern, der in der Öffentlichkeit als industrieller Tierquäler gesehen wird? Dort schicken die jungen Talente ihre erste Bewerbung definitiv nicht hin – egal was ihnen dort geboten wird.

Beim Employer Branding wird viel von Werten gesprochen. Angaben zur Corporate Social Responsibility (CSR) dürfen auf keiner Karrierepage fehlen. Zur Not werden schnell ein paar Bäume auf dem Parkplatz gepflanzt und das Ganze dann als Ökobewusstsein verkauft. Noch einfacher geht es mit der Aufzählung abstrakter Prinzipien: “Qualität, Sicherheit und Transparenz” bietet Wiesenhof auf seiner Unternehmensseite, PHW übernimmt angeblich “Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt”.

Kürzlich wurde Prof. Dr. Niels van Quaquebeke auf FAZ.net zu seiner Studie “Two Independent Value Orientations: Ideal and Counter-Ideal Leader Values and Their Impact on Followers’ Respect for and Identification with Their Leaders” (.pdf) interviewt. Zusammengefasst: Unternehmen sollten klarmachen wofür sie nicht stehen, was sie nicht tun, womit der eigene Name nicht in Verbindung gebracht werden kann. Große Ideale zu haben ist einfach, diese nicht zu erreichen nur menschlich und fast schon verzeihlich. Doch:

“Einen Standard zu definieren, unter den man nicht fallen will, beziehungsweise einen Unwert, der bei Erreichen klares Scheitern signalisiert, das trauen sich die wenigsten.”

Quaquebeke weiter:

“Stellen Sie sich vor, Sie werden mit schönen Idealen einer Firma gelockt, fangen dort an und stellen dann aber fest, dass in dieser Firma leider ebenso einige Ihrer persönlichen Unwerte gelebt werden. Sie werden dort nicht glücklich und verlassen im Zweifel das Unternehmen wieder. (…) Deshalb hat man bessere Chancen, Leute dauerhaft zu binden, wenn man ihnen nicht nur konkret sagt, worauf sie hoffen dürfen, sondern auch, was sie nicht zu fürchten brauchen.”

“Unsere Mitarbeiter brauchen keine Angst haben, dass ihnen bei einer Dokumentation über ihre Arbeit vor Scham und Ekel schlecht wird.” – Das wär doch mal was, oder?

[HTTP410] Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 – Wo beginnt das “Mitmach-Netz”?

Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010 wurde gerade veröffentlicht. Die Bedeutung von Online-Videos und Mediatheken nimmt demnach drastisch zu, das Bewegtbild sei “ein tragender Pfeiler für die Internetnutzung der Zukunft.”, sagt ZDF-Intendant Markus Schächter. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. 😉 Spaß beiseite: Diese Studie liefert seit Jahren recht valide Ergebnisse; Grund genug, sie sich einmal genauer anzuschauen und dabei nach Indikatoren Ausschau zu halten, die für Personalmarketing und Employer Branding interessant sein könnten.

49 Millionen Deutsche nutzen zumindest gelegentlich das Internet, womit fast 70% der Bevölkerung zur Gruppe der “Onliner” gezählt werden dürfen. 65% schauen Online-Videos, 40% nutzen Communities, wobei “das Anschauen von Online-Videos für die meisten Nutzer weitaus wichtiger ist als viele Web-2.0-Aktivitäten.”

Was genau in der Studie unter Web 2.0-Aktivitäten verstanden wird, ist unklar. So heißt es in einem späteren Teil der Zusammenfassung:

“Die Zuwachszahlen für Web-2.0-Anwendungen fallen geringer aus als in den Vorjahren. Auch sinkt das Interesse an aktiver Teilhabe an Blogs, twitter & co. vor allem bei der jüngeren und mittleren Generation. Das “Mitmach-Netz” bleibt so weiterhin beschränkt auf eine kleine Gruppe von Aktiven, die publizieren und kommunizieren, was von vielen abgerufen wird.”

Nachdem 40% der deutschen Onliner Communities nutzen und 58% auf YouTube und Co Zeit verbringen, frage ich mich, wie diese Prognose zustande kommt. Jeder zehnte Deutsche (on- und offline) ist alleine bei Facebook aktives Mitglied.  Die 73%, die sich auf Wikipedia mit Informationen versorgen, scheinen auch nicht dazu gezählt worden zu sein. Aber selbst wenn man nur Twitter und Blogs als “Web 2.0” bezeichnen würde: Dass 93% aller deutschen Internetnutzer nie Blogs nutzen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und nicht einmal 1% täten dies täglich? Ich vermute vielmehr, dass vielen Befragten nicht bewusst ist, dass sie Blogleser sind.

web2.0-Nutzung nach Alter und Geschlecht

Hier zeigt sich zwar, dass ein Großteil der Nutzung von den Kernzielgruppen, den 14-39jährigen Männern und Frauen ausgeht…

Nutzungsfrequenz von web2.0-Angeboten

…aber diese Werte lassen sich nur durch eine Fehlinterpretation der Fragen oder einen speziellen Begriff der “Nutzung” erklären.

Die Lösung liegt eventuell auch in der von der Studie selbst aufgestellten “Online-Nutzer-Typologie“. Diese unterscheidet grundsätzlich die “aktiv-dynamischen” Nutzer von den “selektiv-zurückhaltenden”. Und so wurde vermutlich nur der als Web 2.0-Teilnehmer klassifiziert, der selbst aktiv Inhalte produziert, publiziert und verbreitet. Blogleser und -kommentierer, Wiki- und YouTube-Nutzer, Diskutanten in Online-Foren und selbst all diejenigen, die Social Media Inhalte in ihrem Netzwerk wie auch immer weiterverbreiten, würden somit nicht als Nutzer gezählt? Die ARD-ZDF-Onlinestudie 2010 täte ihnen und dem Web 2.0 damit Unrecht.

Nichtsdestotrotz ist die Studie wie immer einen Blick wert und liefert interessante Einblicke in Mediennutzung und Online-Verhalten der Deutschen – zumindest aus der Sicht des öffentlich rechtlichen Fernsehens.

UPDATE: Linus Neumann hat sich auf netzpolitik.org die Mühe gemacht, die Studie und ihre Zahlen genauer zu überprüfen und mit denen der letzten Jahre zu vergleichen.