Einstiegsgehalt: Wer hat die besten Verdienstaussichten?

Die Azubis sind knapp, die Fachkräfte werden knapper und gleichzeitig winken in einigen Berufen hohe Gehälter, während andere chronisch unterbezahlt sind. Wie sieht das zu Beginn des Berufslebens aus, wo liegt das Einstiegsgehalt? Eine interaktive Grafik des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, wie sich das Gehaltsniveau in Deutschland innerhalb verschiedener Kategorien unterscheidet – und gibt Berufseinsteigern damit eine Orientierung.

 

Innerhalb der Grafik lässt sich unterscheiden zwischen Berufseinsteiger:innen und Erfahreneren, nach Geschlecht, Region und Branche. Aber auch nach Abschluss. So ergeben sich für Fachkräfte, Beschäftigte mit Fortbildung/Bachelor oder einem höheren Universitätsabschluss verschiedene Top-Berufe, was das Gehalt angeht. Für Einsteiger:innen sind vor allem Berufe in Technik, Pharma, IT und Medizin lukrativ, wie unsere Grafik zeigt.

Infografik Einstiegsgehalt lukrativste Berufe unter 30 Jahren nach Abschluss

Einstiegsgehalt: Berufe mit Azubimangel locken selten mit guten Gehälter

In einem perfekten Markt würden Angebot und Nachfrage die Gehälter regeln. Tun sie aber nicht. Im vergangenen Jahr blieben viele Ausbildungsstellen unbesetzt – bei den Fleischer:innen war es fast jede zweite Stelle, wie der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung zeigt. Und das liegt auch am Gehalt, denn mit einer guten Bezahlung locken die Mangelberufe nicht. Hinzu kommt eine hohe körperliche Belastung, was gemeinsam zu Schwierigkeiten bei der Berufsberatung führt.

Infografik Einstiegsgehalt Berufe mit Azubimangel

Auf der anderen Seite sind auch die beliebtesten Ausbildungsberufe nicht die, die mit einem guten Gehalt winken: Die Top 3 Berufe, auf die sich 2020 die meisten Bewerber:innen erfolglos bewarben, sind Kosmetiker:in, Gestalter:in für visuelles Marketing und Tierpfleger:in, wie unser Artikel über den Azubi-Mangel zeigt. In allen drei Berufen verdienen Einsteiger:innen wenig: das mittlere Monatsbrutto liegt zwischen 1.700 und knapp 2.300 Euro. Dafür bieten diese Berufe den Auszubildenden kreative Möglichkeiten oder erfüllen Kriterien der Selbstverwirklichung.

Geringere Bezahlung, aber mehr Sicherheit?

Wer sich stärker spezialisiert, kann ein höheres Einstiegsgehalt erwarten, das zeigt die Grafik des IW Köln ebenfalls. Die Größe der Bubble gibt das Beschäftigungsvolumen der Jobs wieder. Denn vor allem in „Massenberufen“, also Jobs, von denen es sehr viele gibt, wird teilweise weniger gut gezahlt. Allerdings bieten diese Berufe dann eben im Gegenzug Sicherheit, weil die Wahrscheinlichkeit, eine Anstellung zu finden, verhältnismäßig höher ist.

Infografik Einstiegsgehalt in Massenberufe in Deutschland

 

Fazit: Gehalt ist nicht alles, aber ein wichtiger Hebel

Das Gehalt ist bei der Berufswahl ein wichtiges Kriterium, aber nicht das einzige. Ein hoher Bildungsgrad und Spezialisierung treiben das Gehalt häufig in die Höhe – Spezialisierung führt aber auch dazu, dass die angebotenen Stellen knapper sind.

Für die Berufsberatung kann das Einstiegsgehalt ein Faktor sein, denn gerade gut bezahlte Jobs sind häufig weniger bekannt, als Berufe, die in großer Zahl benötigt werden. Andererseits sind viele Mangelberufe nicht gut bezahlt, sodass für junge Menschen der Anreiz wegfällt, den Beruf zu erlernen. Mangelnde Karriereaussichten, geringe Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und schlechte Arbeitsbedingungen tun dann ihr übriges.

Für die Berufsberatung und die Branchen, die mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, gilt es, die richtige Mischung in der Außendarstellung zu finden: Bei einigen Jobs, etwa in der Pflege, ist die Jobsicherheit ein großer Faktor, den es herauszustellen gilt. In anderen Jobs, gerade im technischen Bereich, müssen spezialisierte und unbekannte Berufe mehr Sichtbarkeit bekommen, denn sie bieten ein gutes Einstiegsgehalt und Karrieremöglichkeiten.

Schlussendlich ist es die Mischung, die einen Beruf attraktiv macht – das Gehalt ist dabei eine Stellschraube, um einem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

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Unsere weiterführenden Artikel zum Thema:

Was ist eine faire Bezahlung? Wie wird diese bestimmt? Wo verdient man wieviel und ist es wirklich sinnvoll, in Regionen zu arbeiten, wo zwar die Gehälter hoch, aber die Lebenshaltungskosten noch höher sind? Wir geben einen Überblick in Daten: Was ist eigentlich ein faires Gehalt?

Unsere Datenerhebung zeigt: Nur wenige Stellenanzeigen enthalten eine konkrete Gehaltsangabe. Was bringt Gehaltstransparenz?

2020 gab es in Deutschland erstmals mehr Erstsemester-Studierende an Hochschulen und Universitäten als Neu-Azubis. Was sind die Gründe für den Azubimangel?

Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt sinken immer weiter. Wie erreicht man diese jungen Leute heute noch? Wir zeigen die Trends im Azubi-Recruiting.

 

Auftragsstau am Bau: Wenn Material und Fachkräfte fehlen

Firmen in der Baubranche haben so volle Auftragsbücher wie lange nicht mehr. Der Umsatz im Bauhauptgewerbe stieg im August 2021 um 8,5 Prozent gemessen am Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Zahlen mitteilte – und das trotz des anhaltenden Materialmangels.

In der Baubranche erschweren gleich zwei Mängel gleichzeitig den Arbeitsalltag: der Material- sowie der Fachkräftemangel. Vor allem im Hochbau verschärft sich die Lage immer weiter. Laut Umfrage des ifo-Instituts im Oktober 2021 klagten 34 Prozent der Unternehmen über einen ausgeprägten Fachkräftemangel. Mehr als jedes dritte Unternehmen findet nicht genügend Personal, während die Nachfrage weiterhin steigt. Im Tiefbau haben die Auftragsbestände eine Reichweite von 3,8 Monaten – im Hochbau sind es sogar 5,2 Monate. So lange dauert es im Schnitt, bis neue Aufträge bearbeitet werden können. Doch woran liegt das?

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Überalterte Belegschaft und schrumpfende Bevölkerung

Der Fachkräftemangel im Baugewerbe hat vielerlei Gründe. Die Bauwirtschaft ist geprägt von körperlicher Betätigung und Arbeitnehmer:innen stehen nicht selten unter einer hohen Arbeitsbelastung. Daher kommt es nicht selten vor, dass Arbeitnehmer:innen ihren Job auf dem Bau nicht bis zum offiziellen Renteneintritt ausüben können und gesundheitsbedingt bereits früher ausscheiden.

Schaut man in die Daten des Statistischen Bundesamtes, erkennt man schnell, dass insgesamt der Teil der erwerbstätigen Beschäftigten ab 2025 stetig sinken wird. Während im Jahr 2021 noch 64 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen der erwerbsfähigen Bevölkerung angehören, besteht laut jetziger Prognose die Bevölkerung im Jahr 2060 nur noch aus 56 Prozent potenziell Erwerbstätigen.

Lebenserwartung und Altersstruktur Fachkräftemangel Bau

Im Jahr 2008 waren bereits mehr als 33 Prozent der Arbeitnehmer:innen und Selbstständigen im Baugewerbe mindestens 50 Jahre alt. Das bedeutet, dass seitdem fast eine Million Erwerbstätige durch jüngere Nachwuchskräfte ersetzt werden mussten. Doch auch das ist nicht so einfach.

Azubimangel und fehlender Nachwuchs

Nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung konnten Betriebe im vergangenen Jahr 30 Prozent ihrer Ausbildungsplätze für Betonbauer:innen, Bodenleger:innen und Gerüstbauer:innen nicht besetzen. Laut der IG Bau blieben in Hamburg dieses Jahr sogar 70 Prozent aller Hamburger Ausbildungsplätze auf dem Bau, die am 1. August 2021 starteten, zu diesem Stichtag noch unbesetzt.

Doch Nachwuchskräfte fehlen in fast allen Regionen – dabei ist die Bezahlung vergleichsweise gut. Im ersten Lehrjahr liegt die Vergütung bei 850 Euro, im vierten sogar bei 1.580 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Frisör:innen bekommen im ersten Lehrjahr im Durchschnitt 524 Euro im Monat.

Das mangelnde Interesse an Jobs auf dem Bau erklärt Andre Grundmann, Regionalleiter der Gewerkschaft im Norden, vor allem mit den unattraktiven Arbeitsbedingungen. Die körperlich anstrengende Arbeit an der frischen Luft bei egal welchem Wetter wirkt auf viele junge Menschen abschreckend. Etwa die Hälfte der Fachkräfte verlassen binnen fünf Jahren nach der Ausbildung die Branche und wechseln in andere Berufe, so die IG Bau.

Doch laut der Gewerkschaft gibt es auch noch einen anderen Grund für mangelnde Bewerbungen und hohe Abbruchquoten: Die langen und unbezahlten Fahrtwege zur Baustelle. Durch tägliches Pendeln kann eine nicht unerheblich hohe Anzahl an unbezahlten Fahrtstunden auf Arbeitnehmer:innen zukommen. Im Schnitt kommen auf jeden Mitarbeitenden etwa 400 unbezahlte Stunden pro Jahr. Die Gewerkschaft spricht sich dafür aus, Wegezeit zusätzlich zur Arbeitszeit dazuzurechnen, um die Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen und noch mehr (jüngere) Bewerber:innen anzusprechen.

Zu wenig Frauen im Baugewerbe

Die Hagedorn Unternehmensgruppe hat sich ebenfalls hohe Ziele gesteckt. Der Fullservice-Dienstleister mit Sitz in Gütersloh hat den Schwerpunkt seiner aktuellen Recruiting-Kampagne auf Frauen gelegt. Mit ihrer Aktion „Frau am Bau“ soll vor allem der weibliche Nachwuchs für die (vermeintlich) männliche Branche begeistert werden.

Bis in die 90er Jahre war es Frauen in Westdeutschland nicht einmal erlaubt, auf dem Bau zu arbeiten – diese Berufe seien zu hart und zu dreckig für das weibliche Geschlecht. Genau dieser Ruf eilt der Branche immer noch voraus und sorgt dafür, dass Frauen Berufe in der Baubranche gar nicht erst auf dem Schirm haben. Die Hagedorn Unternehmensgruppe zeigt anschaulich, dass es tolle Frauen da draußen gibt, die Bock auf Bau und große Maschinen haben.

In unserem Interview, das wir im Mai 2021 geführt haben, hat uns Personalreferentin Luisa Paehler drei Tipps gegeben, die dabei helfen können, auch Frauen auf offene Stellen am Bau aufmerksam zu machen, sie dafür zu begeistern und im besten Fall zu rekrutieren:

  1. Weibliche Vorbilder zeigen, die mit der Öffentlichkeit und den Medien stärker in den Dialog treten
  2. Aufhören, in Klischees zu denken und diese Geschlechterklischees nicht für das Recruiting nutzen
  3. Klar machen, dass es aufs Köpfchen ankommt sowie Leidenschaft, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder dem Alter

Mehr Informationen rund um den Arbeitsmarkt und den Status Quo der Online Candidate Journey findest Du in unserer aktuellen Branchenstudie mit Schwerpunkt Bau.

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Azubi-Recruiting 2021: 6 Gründe für den Azubi-Mangel

2020 gab es in Deutschland erstmals mehr Erstsemester-Studierende an Hochschulen und Universitäten als Neu-Azubis. Natürlich hat das mit der Corona-Pandemie zu tun, denn ein Studium ließ sich digital besser umsetzen als eine praktische Berufsausbildung. Doch der Trend zeigt sich bereits seit Jahren: Die Zahl der Auszubildenden sinkt und es gibt einen Azubi-Mangel. Oft wird letzteres vor allem auf den demografischen Wandel zurückgeführt, aber gleichzeitig steigt eben die Zahl der Studierenden – es gibt sie also, diese jungen Leute, nur immer seltener im dualen Ausbildungssystem. Woran liegt das?

Status Quo: Der Ausbildungsmarkt in Deutschland

Im Jahr 2011 kamen laut Bundesagentur für Arbeit noch 106 Bewerber:innen auf 100 Azubi-Stellenausschreibung. Zehn Jahre später sind es nur mehr 84 – schon rein rechnerisch lässt sich heute also nicht jede Ausbildungsstelle besetzen. Zusätzlich bleiben viele potenzielle Azubis ohne Vertragsabschluss: 2021 kamen auf 100 unbesetzte Stellen 55 unversorgte Ausbildungsplatz-Suchende. Diese Zahl ist zwar deutlich rückläufig, 2011 waren es noch 96, aber gerade in Anbetracht des Nachwuchs-Mangels, kommen damit immer noch zu viele junge Menschen und Unternehmen nicht zusammen.

Azubi-Mangel Infografik: Ausbildungsmarkt in Deutschland

Es gibt also einerseits zu wenig Auszubildende und gleichzeitig gehen viele Bewerber:innen leer aus, während die Zahl der Studierenden steigt. Verantwortlich dafür sind viele Gründe, wir zeigen sechs davon.

1. Trend zur Akademisierung: Mehr Schüler:innen machen Abitur

2. Die Qual der Wahl: Immer mehr Auswahl, aber vor allem an Hochschulen

3. Unternehmen bieten weniger Ausbildungsplätze an

4. Steigende Anforderung an Auszubildende

5. Steigende Anforderungen an Ausbildung: Was junge Leute wollen

6. Geringere Verdienstmöglichkeiten

Fazit

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1. Trend zur Akademisierung: Mehr Schüler:innen machen Abitur

Die Berufsausbildung ist traditionell ein Karriereweg für nicht-akademische Bildungsabschlüsse. Aber was, wenn die seltener werden und ein immer größerer Teil der jungen Menschen eine Hochschulzugangsberechtigung in der Tasche hat?

Azubi-Mangel Infografik: Ausbildungsmarkt in Deutschland

In Deutschland hat im Schuljahr 2019/20 rund ein Drittel der Schüler:innen Abitur gemacht – der Akademisierungstrend setzt sich (mit leichten Schwankungen) fort. Am deutlichsten rückläufig sind Hauptschulabschlüsse, wie die Grafik mit Daten des Statistischen Bundesamtes zeigt.

Gleichzeitig sinkt die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge immer weiter. Im Jahr 2020 gab es erstmals mehr Erstsemestler:innen als Auszubildende – die Zahlen nähern sich bereits seit etwa einem Jahrzehnt an.

Azubi-Mangel Infografik: Mehr Studierende als Azubis

2. Die Qual der Wahl: Immer mehr Auswahl, aber vor allem an Hochschulen

Aus über 20.000 Studiengängen und über 300 Ausbildungen haben Schulabgänger:innen die Qual der Wahl – dabei steigt die Zahl der akademischen Angebote, während die Zahl der Ausbildungsberufe sinkt.

Azubi-Mangel Infografik: Zahl der Studiengänge nimmt zu

Im Jahr 2014 konnten laut Centrum für Hochschulentwicklung die Schulabgänger:innen noch zwischen 9.400 grundständigen Studiengängen wählen. 2019 waren es bereits 10.300.

Azubi-Mangel Infografik: Zahl der Ausbildungsberufe sinkt

Die Zahl der Ausbildungsberufe stieg laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hingegen bis 2009 auf 349 und sank seitdem kontinuierlich bis auf 324 im Jahr 2021.

3. Unternehmen bieten weniger Ausbildungsplätze an

Insgesamt ist das Ausbildungsplatzangebot von deutschen Unternehmen innerhalb eines Jahrzehnts um 50.000 Plätze gesunken, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seiner jährlichen Studie zu Auszubildenden schreibt. Das heißt, es gibt nicht nur weniger Auszubildende, es gibt eben auch weniger angebotene Azubi-Stellen von Unternehmen.

Azubi-Mangel Infografik: Ausbildungsplatzangebot sinkt

Das heißt, nicht nur die Zahl der Ausbildungsberufe sinkt, auch das tatsächliche Angebot an Stellen.

4. Steigende Anforderungen an Auszubildende

Wenn mehr Schulabgänger:innen ein Abitur in der Tasche haben, zieht es davon zwar viele an die Uni, aber dennoch entscheiden sich auch einige für eine Berufsausbildung und verdrängen dann junge Menschen mit geringer qualifiziertem Schulabschluss.
Eine Auswertung der Bundesagentur für Arbeit für die Jahre 2019/20 zeigt, dass für 100 Hauptschüler:innen lediglich 65 Stellen zur Verfügung standen. Bei den Abiturient:innen sind es 425.

Azubi-Mangel Infografik: Abschlüsse

So werden einerseits Berufe aufgewertet, andere aber stetig abgewertet. Das zeigt sich auch bei den Bewerbungszahlen. So bleiben vor allem in Berufen mit hohem Anteil an Beschäftigten mit Hauptschulabschluss die Plätze unbesetzt und die Nachfrage ist gering.

 

Quelle: Berufsbildungsbericht 2021

Doch selbst ein Abitur garantiert keinen Ausbildungsplatz, wie die Daten von unversorgten Bewerber:innen zeigt. 28 Prozent von ihnen haben eine Hochschulzugangsberechtigung in der Tasche.

Azubi-Mangel Infografik: Unversorgte Bewerber

Laut Berufsbildungsbericht der Bundesregierung liegt das vor allem an der „eher einseitigen Fokussierung von Studienberechtigten auf wenige Berufe und der stärkeren Konkurrenzsituation“ in eben diesen.

5. Anforderungen an Ausbildung: Was junge Leute wollen

Was der vorangegangene Punkt zeigt: Die Anforderungen an Arbeit haben sich verändert. Die wenigsten streben noch Berufe an, in denen schwer körperlich gearbeitet wird. Beliebt sind hingegen Berufe, die ein hohes Maß an Kreativität vorweisen, Medien sind beliebt oder die Arbeit mit Tieren – zumindest, wenn es darum geht, auf welche Stellen die meisten Bewerber:innen kommen, die leer ausgehen. Das liegt aber auch daran, dass es in den Berufen oft wenige Angebote gibt.

Azubi-Mangel Infografik: Beliebte Berufe

Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) gibt fast jedes zweite Unternehmen an, leichter Azubis finden zu können, wenn diese realistischere Berufsvorstellungen hätten. Das zeigt sich auch in den Abbruchquoten der verschiedenen Ausbildungsberufe. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) hat im Jahr 2019 mehr als jede:r zweite Gerüstbau-Azubi seine Ausbildung hingeschmissen und den Vertrag vorzeitig gelöst. Bei Friseur:innen sind es fast genauso viele. Es folgen Berufskraftfahrer:innen und Gebäudereiniger:innen.

Azubi-Mangel Infografik: Vertragslösungsquote

Die geringsten Vertragslösungsquoten verzeichnen Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste und Verwaltungsfachangestellte. In beiden Berufen lösten 2019 auf die vergangenen vier Jahre betrachtet nur vier Prozent der Auszubildenden ihre Verträge vorzeitig auf.
Wenn es darum geht, was junge Menschen von ihrer Ausbildung erwarten, fallen die Antworten tatsächlich eher konservativ aus: Einer Umfrage des BIBB zufolge wünschen sie sich einen potenziell langfristigen Arbeitgeber, gute Rahmenbedingungen während der Ausbildung, einen Betrieb mit gutem Image und flexible Ausbildungsmöglichkeiten.

 

Azubi Mangel Wünsche der Bewerber

Mit der Realität stimmen diese Erwartungen dann nicht immer überein. Laut der jährlichen Auszubildendenbefragung des DGB von 2020 wusste etwa nur rund ein Drittel der Befragten zum Zeitpunkt der Erhebung, dass sie übernommen werden.

Azubi-Mangel Infografik: Wirklichkeit von Berufsausbildungen

6. Geringere Verdienstmöglichkeiten

Wer einen akademischen Abschluss in der Tasche hat, verzichtet zwar während der Lehrzeit auf ein Einkommen aus eben dieser, verdient im Verlauf des Lebens aber besser. Das zeigt eine Studie der Universität Tübingen im Auftrag des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages aus dem Jahr 2019.

Azubi-Mangel - Bruttolebenseinkommen

Wer sich in einem Ausbildungsberuf kontinuierlich weiterbildet und einen Meister- oder Technikertitel erlangt, liegt zwar fast gleichauf mit dem akademischen Abschluss, eine Ausbildung ohne weitere Abschlüsse bedeutet im Schnitt auf ein gesamtes Arbeitsleben gerechnet aber eine halbe Million Euro weniger Bruttoerwerbseinkommen, was wiederum eine Erklärung für den Akademisierungstrend ist.

Fazit

Der demografische Wandel wird dem Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren einiges abverlangen. Besonders die Fachkräfte werden fehlen, vor allem, wenn die Zahl der Auszubildenden weiterhin sinkt. Betriebe stehen heute in direkter Konkurrenz mit Universitäten, weil mehr junge Leute Abitur machen. Es gilt also, die Vorteile einer Ausbildung herauszustellen und vor allem Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen. Wer sich weiterbildet, kann auch mit einer Berufsausbildung nahezu gleich viel verdienen wie ein:e Akademiker:in. Zumal ein Studium nicht für jede:n das Richtige ist. Die Stärken der dualen Berufsausbildung liegen in ihrer Praxisnähe und dem direkten Berufseinstieg, das sollte Schüler:innen frühzeitig klargemacht werden.

Insgesamt verschiebt sich auch der Ausbildungsmarkt weg vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt. Zwar sinkt auch die Anzahl der angebotenen Azubi-Stellen, die Zahl der Bewerber:innen nimmt aber noch mehr ab. Auszubildende haben also mehr Auswahl. Trotzdem fokussieren sich viele auf einige wenige Berufe. Wem die Azubis fehlen, sollte also seine Berufsbilder bekannter machen und, wie oben bereits erwähnt, die Entwicklungsmöglichkeiten in punkto Karriere hervorheben.

Was den zukünftigen Azubis außerdem wichtig ist: Ein sicherer Arbeitsplatz und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wer junge Menschen für sich gewinnen will, sollte an diesen Stellschrauben drehen – und die Azubis nicht als billige Hilfskraft ansehen. Aktuell kommen viele Azubis laut einer DGB-Studie mit ihrem Gehalt nicht hin und im Laufe ihres Berufslebens verdienen sie als Fachkräfte weniger als Akademiker:innen. Wer junge Menschen für eine Berufsausbildung begeistern will, sollte also von Anfang an das Gehalt im Auge behalten.

Eine weitere Entwicklungsmöglichkeit wäre, immer mehr Berufe zu akademisieren, um sie aufzuwerten und den immer höher werdenden Anforderungen, vor allem durch die Digitalisierung, Rechnung zu tragen. Auch so könnten Gehälter steigen und Berufe für Abiturient:innen attraktiver werden. Dann würde die duale Berufsausbildung in Betrieben und Berufsschulen zum Auslaufmodell, was den Fachkräftemangel weiter verschärfen und die Kluft zwischen Abiturient:innen und anderen Schulabschlüssen vertiefen würde.

Wie auch immer sich der Ausbildungsmarkt in Zukunft entwickelt: Junge Menschen sollten möglichst früh über ihre Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten informiert werden. Im Recruiting bedeutet das für Unternehmen, sowohl künftige Azubis, Studierende, ihre Eltern als auch Lehrkräfte anzusprechen. Junge Menschen sollten gewissenhaft ausgebildet und ausreichend bezahlt werden, um neben dem Studium attraktiv zu bleiben. Und gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass Corona nicht noch einen Ausbildungsjahrgang schmälert.

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Arbeitsmarktstudie 2021: Arbeitsmarkt in Deutschland erholt sich weiter

Der Arbeitsmarkt in Deutschland bleibt stabil. Auch wenn diese Nachricht für viele Menschen, die aufgrund der Corona-Krise ihre Beschäftigung verloren haben, immer noch in Kurzarbeit oder erfolglos auf Jobsuche sind, sehr höhnisch klingen mag. Es ist aber vor allem erstmal eins: eine gute Neuigkeit.

Die Arbeitslosigkeit befindet sich trotz der Pandemie weiterhin auf einem so niedrigen Niveau, wie es zuletzt vor 40 Jahren der Fall war. Auch die Pandemie-Jahre 2020 und 2021 werden an diesem Abwärtstrend nichts ändern.

Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen auch im September erneut eine Erholung gegenüber dem Vormonat: Die Zahl der Arbeitslosen sank um 114.000 auf 2.465.000. Im Juli und August lag die Arbeitslosenquote bei 5,6 Prozent und sank im September um 0,2 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent. Das sind 0,8 Prozentpunkte niedriger als noch im September 2020.

Der Fachkräftemangel sorgt in zahlreichen Branchen für eine verlängerte Suche nach geeignetem Personal. Doch Mangelberufe sind schon lange nicht mehr ausschließlich auf Expert:innen- oder Spezialist:innenniveau zu finden: Auch Arbeitskräfte wie Berufskraftfahrer:innen, Verkäufer:innen oder Reinigungskräfte sind nicht in ausreichender Menge vorhanden.

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Zahl der Erwerbstätigen sinkt ab 2021

Detlef Scheel, Chef der Bundesagentur für Arbeit, prophezeite im August diesen Jahres, dass Deutschland eine Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften im Jahr benötige, um die Lücken am Arbeitsmarkt schließen zu können. Die Hürden für eine Zuwanderung aus Ländern außerhalb der EU sind aber sehr hoch und es werden auch in Zukunft nicht ausreichend Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kommen, um unseren zunehmenden Arbeitskräftemangel halbwegs eingrenzen zu können.

Erschwerend hinzu kommt, dass die Zahl der Erwerbstätigen spätestens ab 2025, mit Renteneintritt der Babyboomer-Generation, stetig sinkt.

Lebenserwartung und Altersstruktur 2021 bis 2020

Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass in diesem Jahr 64 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen der erwerbstätigen Bevölkerung angehören.
Im Jahr 2060 besteht laut jetziger Prognose bei einer moderaten Zuwanderung die Bevölkerung nur noch aus 56 Prozent Erwerbstätigen. Das sind ganze 12 Millionen Menschen weniger, als noch in diesem Jahr. 12 Millionen Menschen weniger, die für die Besetzung von Stellen zur Verfügung stehen.

Die Befürchtungen vieler Unternehmen, sie würden in Zukunft wichtige Positionen nicht mehr besetzen können, ist also nicht unbegründet. Viele Firmen kämpfen bereits heute gegen die sinkende Anzahl an Bewerber:innen oder resignieren und gefährden dadurch nicht selten ihre Konkurrenzfähigkeit.

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Zahl der Auszubildenden im Rekordtief

Die sinkende Anzahl an Azubis sorgt bei vielen Unternehmen ebenfalls für Kopfzerbrechen, da immer weniger Schulabgänger:innen die berufliche Ausbildung dem Studium vorziehen. Aber Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: Einige Ausbildungsberufe sind ungemein beliebt bei jungen Leuten, wie zum Beispiel Kosmetiker:innen, Mediengestalter:innen oder Tierpfleger:innen. Hier gingen bis zu 50 Prozent der Bewerber:innen leer aus.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Studie Akademisierung

Beim Lesen des Berufsausbildungsberichts 2021 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird allerdings schnell klar, dass zahlreiche andere Berufe durchaus größere Probleme beim Besetzen ihrer Ausbildungsplätze haben.

Weniger beliebte Berufe wie Klempner:in oder Traditionsberufe wie Fleischer:in kämpfen mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen. 47 Prozent der in diesen Bereichen zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze konnten im Jahr 2020 nicht besetzt werden. Die Corona-Pandemie sorgte dafür, dass auch die Anzahl an zu besetzenden Stellen im Bereich Kurier-, Express-, und Postdienstleistungen explodierten und nicht mehr besetzt werden konnten. Dazu zählen auch die Ausbildungsplätze – hier blieben ganze 46 Prozent der verfügbaren Anstellungen unbesetzt.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Ausbildungsstellen

Der Corona-Arbeitsmarkt in Deutschland

Im Grunde ist der gesamte Arbeitsmarkt aktuell noch ein Corona-Arbeitsmarkt. Der befürchtete Wirtschafts-Einbruch im letzten Jahr blieb weitestgehend aus – der massive Einsatz von Kurzarbeit konnte stärkere Anstiege bei der Arbeitslosigkeit verhindern. Auch wenn die Wirtschaft sich dieses Jahr vermutlich nicht ganz so stark erholen wird, wie anfangs prognostiziert, wird der Arbeitsmarkt vor allem 2022 kräftig angeschoben werden. Laut Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kann Deutschland 2022 mit einem Wachstum von fast 5% rechnen – das größte seit der Wiedervereinigung.

Für den Arbeitsmarkt heißt das: Die Zahl der Arbeitslosen könnte nach einer diesjährigen Stagnation in 2022 um 270.000 Menschen fallen. Die Zahl der Erwerbstätigen würde um gut 500.000 Menschen steigen. Bei den Zahlen für 2021 und 2022 handelt es sich lediglich um eine Prognose – die genauen Zahlen können erst im darauf folgenden Jahr erfasst werden.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Arbeitslosenquote

Auswertungen der Arbeitsmarktstudie 2021

In unserer Studie haben wir uns alle zum Zeitpunkt der Auswertung aktuellen Zahlen, Daten und Fakten zu den vier Eckpfeilern des deutschen Arbeitsmarktes 2021 angeschaut:

  • Demografischer Wandel
  • Berufsausbildungsmarkt
  • Stellenmarkt und Arbeitslosigkeit
  • Corona-Arbeitsmarkt

Neben Arbeitslosenzahlen, der Bevölkerungsentwicklung und dem Akademisierungstrend berichten wir unter anderem über die Betroffenheit der Betriebe, die Einstellungen und Entlassungen in den vergangenen Wochen sowie die allgemeine Fachkräftenachfrage.

Wenn Du außerdem wissen möchtest, wie sich der Arbeitsmarkt im Vergleich zum Vorjahr gewandelt hat und wie optimistisch Du sein kannst, lad’ Dir doch kostenlos die Arbeitsmarktstudie 2021 herunter. Auch die neueste Arbeitsmarktstudie 2022 findest Du bei uns.

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Wiedervereinigung: So steht es um den Arbeitsmarkt in Ost und West

„Blühende Landschaften“ versprach der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1990 durch die Wiedervereinigung für die ostdeutschen Bundesländer. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sollte es sich „zu leben und zu arbeiten lohnen“.
Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall, unterscheiden sich die Bundesländer in ihrer Wirtschaftsleistung und Lebensrealität noch immer, werden immer noch unterschieden in „alt“ und „neu“, stehen sowohl politisch als auch sozial unterschiedlich da.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt entwickelt in Ost und West? Wo gleichen sich die Bundesländer an, wo zeigen sich bis heute die Differenzen? Und was können Ost und West bis heute voneinander lernen?

1. Demographie – Der Osten ist älter

2. Arbeitslosigkeit in Ost und West nähert sich an

3. Ökonomische Situation – Weniger Einkommensreiche im Osten

4. Gleichstellung – Vor allem Mütter sind im Osten häufiger erwerbstätig

5. Atypische Beschäftigung ist in Ostdeutschland seltener

6. Weniger gering qualifizierte in Ostdeutschland

7. Fazit: Wieviel Wende braucht es noch?

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1. Demographie – Der Osten ist älter

Demografisch ging es lange bergab – die Ostdeutschen wurden immer älter, weil die Jüngeren ihre Zukunft woanders sahen. Jährlich zogen deutlich mehr Menschen aus dem Osten fort als hinzogen. Im Jahr 2017 kam dann die Wende nach der Wende: Mehr Menschen zogen nach Ostdeutschland, das Wanderungssaldo war erstmals seit der Wiedervereinigung positiv (Ein großartiges Datenjournalismus-Stück gibt es dazu bei der Zeit).

Die Auswirkungen dieser Veränderung sind allerdings noch nicht spürbar. Mit einem durchschnittlichen Alter von 47,9 Jahren war Sachsen-Anhalt im Jahr 2019 das älteste der 16 deutschen Bundesländer. Stadtstaat Hamburg ist durchschnittlich fast sechs Jahre jünger. Auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 66 Jahren kommen hier 25 Menschen über 67 Jahre. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es jeweils 41.

Ost und West Infografik: Durschnittsalter der Bevölkerung nach Bundesland

Diese Zahlen machen sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar: Die Zahl der Erwerbstätigen in den ostdeutschen Bundesländern ist seit der Wende deutlich gesunken, wie die Grafik zeigt. Im Jahr 1991 waren hierzulande 38,9 Millionen Menschen erwerbstätig. Bis zum Jahr 2020 stieg die Zahl auf 44,8 Millionen. Doch in den ostdeutschen Bundesländern sanken die Zahlen zum Teil deutlich: Spitzenreiter im negativen Sinne ist Sachsen-Anhalt, wo im Gegensatz zu 1991 knapp 33 Prozent weniger Menschen Erwerbsarbeit leisten.

Ost und West Infografik: Erwerbstätige in Ostdeutschland

In den anderen neuen Bundesländern sieht der Trend nicht anders aus. Hier zeigen sich die beiden Effekte deutlich: Die einen werden älter und scheiden aus dem Arbeitsmarkt aus, die anderen wandern ab, um ihr Arbeitsglück woanders zu suchen. Den deutlichsten Zuwachs an Erwerbstätigen verzeichneten über den gewählten Zeitraum Bayern mit 9,6 Prozent und Hamburg mit 9,1 Prozent.

Bezogen auf den gesamten Arbeitsmarkt sind die meisten im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen tätig: Jede:r fünfte Erwerbstätige hierzulande arbeitet in NRW. Bayern folgt mit gut 17 Prozent, Baden-Württemberg mit rund 14 Prozent. Auf dem sechsten Rang folgt Sachsen mit 4,6 Prozent.

2. Arbeitslosigkeit in Ost und West nähert sich an

Im Westen der Bundesrepublik sind insgesamt 5,6 Prozent der Erwerbsbevölkerung arbeitslos. Im Osten sind es 7,3 Prozent. Damit schließt sich die Lücke allmählich. Nach der Wende wurden in den ostdeutschen Bundesländern viele Betriebe geschlossen oder von der Treuhand abgewickelt und Mensch und Wirtschaft mussten den Umstieg von der Plan- auf die Marktwirtschaft schaffen – viele wurden dadurch arbeitslos. Bis zum Jahr 2005 stieg die Zahl auf 18,7 Prozent, wie die Grafik zeigt. Davon hat sich der Arbeitsmarkt mittlerweile erholt. Bis 2019 sank in Ost und West die Arbeitslosenquote stetig, einzig Corona führte zu einem Anstieg im vergangenen Jahr.

Ost und West Infografik: Arbeitslosigkeit in Ost und West

3. Ökonomische Situation – Weniger Einkommensreiche im Osten

Zwar ist der Lebensstandard in Ostdeutschland in den vergangenen dreißig Jahren deutlich gestiegen, aber er liegt bis heute unter dem in Westdeutschland.

Auch die wirtschaftliche Leistung liegt unter der der alten Länder: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde belegen die ostdeutschen Bundesländer im Vergleich die hintersten Ränge. Spitzenreiter Hamburg liegt bei gut 67 Euro, Schlusslicht Thüringen kommt lediglich auf rund 43 Euro. Der bundesweite Durchschnitt lag im Jahr 2020 bei knapp 56 Euro.

Ost und West Infografik: BIP je Bundesland

Auch im Gehalt unterscheiden sich die alten und die neuen Bundesländer bis heute. Im Jahr 2005 verdienten Erwerbstätige im Osten 80 Prozent des Gehalts westdeutscher Erwerbstätiger. Die Lücke schloss sich bis 2020 etwas weiter und liegt heute bei 86 Prozent, wie aus einem Bericht des Wirtschaftsministeriums hervorgeht. Laut Bundesagentur für Arbeit lag das Mediangehalt im Westen im vergangenen Jahr bei gut 3.500 Euro, im Westen waren es rund 2.800 Euro.

Ost und West Infografik: Monatsverdienste im Osten

Doch nicht nur das Gehalt unterscheidet sich, auch die Zahl der Gutverdiener:innen ist im Westen deutlich höher. Als Anteil der Bevölkerung sehen die Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wie folgt aus: Galten im Jahr 1991 noch 3,6 Prozent der Bevölkerung in den ostdeutschen Bundesländern als einkommensreich (hatten also ein verfügbares Einkommen von mehr als 200 Prozent des Medians aller Erwerbstätigen), waren es in den westdeutschen Ländern 5,3 Prozent. Die beiden Zahlen stiegen bis 2016 auf 4,8 und 7,8 Prozent.

Ost und West Infografik: Wo die Gutverdienenden Wohnen

Wie ungleich die Verteilung aber ist, zeigt sich, wenn man die Gesamtheit der Armen und Reichen betrachtet. Die bundesdeutsche Bevölkerung verteilt sich zu 17,2 Prozent auf die ostdeutschen Bundesländer und zu 82,8 Prozent auf die westdeutschen.

Von den als arm definierten Bürger:innen leben allerdings 23,4 Prozent im Osten und 76,6 im Westen. Bei den Reichen ist die Verteilung noch deutlicher: 93,5 Prozent der reichen Deutschen lebten 2017 im Westen und nur 6,5 im Osten des Landes.

Ost und West Infografik: Verteilung von Armut und Reichtum in Ost und West

4. Gleichstellung – Vor allem Mütter sind im Osten häufiger erwerbstätig

Was die Geschlechtergleichstellung angeht, kann sich der Westen beim Osten eine Scheibe abschneiden. Auf alle Frauen bezogen zeigt sich bei der Erwerbstätigkeit für das Jahr 2019 laut Daten des Statistischen Bundesamts zwar erst einmal nur ein geringer Unterschied von 2,3 Prozentpunkten zwischen Frauen auf dem ostdeutschen (73,9 Prozent) und dem westdeutschen Arbeitsmarkt (71,6 Prozent). Sehr viel deutlicher fällt allerdings der Unterschied bei der Erwerbstätigkeit von Müttern aus.

Ost und West Infografik: Erwerbstätigkeit von Müttern im Osten

In den ostdeutschen Bundesländern sind Mütter mit Kindern unter 18 Jahren häufiger und umfangreicher erwerbstätig als in den westdeutschen. So arbeiteten im Westen der Republik im Jahr 2018 laut Bundesfamilienministerium nur 28 Prozent der Mütter mehr als 28 Stunden, im Osten waren es 59 Prozent, wie die Grafik zeigt. Dass Mütter häufiger und mehr arbeiten, liegt an einer generell höheren Betreuungsquote. So gingen im Osten laut einer Studie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) knapp 85 Prozent der Kleinkinder zwischen 2 und 3 Jahren in Krippe oder Kindergarten, im Westen waren es lediglich gut 58 Prozent.

Ost und West Infografik: Kinderbetreuung in Ost und West

Außerdem fällt der Gender Pay Gap in Ostdeutschland deutlich geringer aus, was aber auch an einem generell geringeren Gehaltsniveau liegt. Das hängt unter anderem mit den vertretenen Branchen zusammen: Während Bundesländer mit besonders hohem Verdienst eine starke Industrie vorweisen (traditionell Männerberufe), ist in den ostdeutschen Bundesländern der Dienstleistungssektor stärker vertreten – traditionell eher Frauenberufe.

Ost und West Infografik: Gender Pay Gap im Osten deutlich geringer

5. Atypische Beschäftigung ist in Ostdeutschland seltener

Zwar ist im Osten des Landes die Arbeitslosigkeit noch immer höher als im Westen, aber diejenigen, die Arbeit haben, stehen von den Rahmenbedingungen oft besser da – es gibt deutlich weniger befristete Arbeitsverträge, weniger Minijobs und geringfügige Beschäftigung als im Westen.

Ost und West Infografik: Weniger atypische Beschäftigung im Osten

Damit ist ein unbefristeter Vollzeitjob im Osten eher zu haben als im Westen. In Brandenburg macht die atypische Beschäftigung nur 14 Prozent aller Jobs aus. In Bremen sind es mit 26,2 Prozent fast doppelt so viele. Wie weiter oben ausgeführt, liegt die hohe Quote im Westen auch an der geringeren Erwerbstätigkeit der Frauen, die häufig geringfügig oder in geringer Teilzeit tätig sind, wenn sie Kinder haben. Ebenfalls häufiger von atypischer Beschäftigung betroffen sind Erwerbstätige mit geringem Bildungsabschluss.

6. Weniger gering Qualifizierte in Ostdeutschland

Was eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Studienberechtigung angeht, stehen ostdeutsche Bundesländer besser da als westdeutsche. Laut Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die anlässlich der jährlichen OECD-Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick“ veröffentlicht wurden, gibt es im Osten des Landes deutlich weniger Menschen zwischen 25 und 64 Jahren, die keinen Abschluss im sekundären Bildungsbereich haben.

Ost und West Infografik: Bildungsstand der 25- bis 64-Jährigen nach Bundesland

7. Fazit: Wieviel Wende braucht es noch?

Bis heute unterscheiden sich die ostdeutschen und die westdeutschen Bundesländer voneinander. Einiges resultiert aus gemachten Fehlern bei der Einführung der Marktwirtschaft im Osten. Anderes ist einfach eine Konsequenz dieser Umstellung oder bedingt durch unterschiedliche Bevölkerungsstrukturen und wieder anderes durch kulturelle Unterschiede.

Allerdings wächst die Bundesrepublik weiter zusammen, das zeigen nicht zuletzt die Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes. Es gilt noch immer, den Wohlstand im Land besser zu verteilen und die ökonomische Situation in den neuen Bundesländern zu verbessern. Die demographische Entwicklung zeigt sich heute im Osten deutlicher – die Überalterung trifft aber früher oder später das ganze Land. Und was die Beteiligung von Frauen im Erwerbsleben und die Jobsicherheit angeht, kann der Westen möglicherweise sogar noch vom Osten lernen.

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Arbeitsmarkt und Recruiting im Einzelhandel: Traditionsberufe in der Krise

Recruiter wissen längst, dass es im Einzelhandel nicht DEN Arbeitsmarkt gibt; das hat die Corona-Krise mehr als deutlich gezeigt. Während der Supermarkteinzelhandel boomte, musste im Non-Food-Bereich die Kurzarbeit die schlimmsten Auswirkungen verhindern. Und doch blieb die Zahl der Beschäftigten innerhalb der gesamten Branche trotz Pandemie stabil: Zum Stichtag am 31. Dezember 2020 waren laut Bundesagentur für Arbeit 3,1 Millionen Menschen im Einzelhandel tätig.

Im Juni 2021 lag die Zahl der Kurzarbeiter:innen mit über 100.000 Beschäftigten weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, was mit der Tatsache einhergeht, dass viele Non-Food-Händler immer noch um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen. Supermärkte und Drogerieketten hingegen suchten in Pandemie-Zeiten so viele helfende Hände, dass Beschäftigte in Kurzarbeit kurzerhand die Branche wechselten. Der Arbeitsmarkt im Einzelhandel ist insbesondere heute ein zweischneidiges Schwert und wir haben uns die Frage gestellt, wo die Mitarbeiter:innen tatsächlich fehlen und was Firmen tun können, um mehr Bewerber:innen zu erreichen.

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In unserer aktuellen Branchenstudie mit dem Schwerpunkt „Einzelhandel“ haben wir uns die Arbeitsmarktzahlen etwas genauer angeschaut. Dabei haben wir herausgefunden, dass Verkaufsberufe ohne Produktspezialisierung (dazu zählt der Einzelhandel ohne KFZ sowie Einzelhandel und Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln) laut aktueller Zahlen der Bundesagentur für Arbeit keinen Fachkräftemangel aufweisen. Die Arbeitslosen-Stellen-Relation liegt hier aktuell bei 6,5.

Filialleiter:innen oder Verkaufsstellenleiter:innen ohne bestimmte Produktspezialisierung kommen hingegen mit einer sehr niedrigen Arbeitslosen-Stellen-Relation daher. Auf 100 offene Stellen kamen im Juli 2021 lediglich 163 gemeldete Arbeitslose. Hierzu zählen auch Leiter:innen im Handel oder Fachhandel.

Die damit zusammenhängende Vakanzzeit lag im Juli 2021 durchschnittlich bei 147 Tagen. Noch vor einem Jahr, mitten im ersten Lockdown, lag die durchschnittliche Vakanzzeit zwischenzeitlich sogar bei 261 Tagen. Diese Zahl muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Offene Stellen für Filialleiter:innen blieben bis zu acht Monate unbesetzt.

Recruiting im Einzelhandel: Kaum Bewerber:innen im Lebensmittelhandwerk

Doch im Lebensmittelhandwerk sieht es noch düsterer aus: Fachverkäufer:innen im Lebensmittelhandwerk mit Schwerpunkt Fleischerei sind in Deutschland absolute Mangelware. In den letzten sechs Monaten kamen auf 100 offene Positionen als Fleischerei-Fachverkäufer:in  lediglich 54 Arbeitslose.
Um ganz genau zu sein: Im Juli 2021 standen 1.717 Arbeitslose 3.205 offenen Positionen gegenüber.

Fachverkäufer:innen im Lebensmittelhandwerk mit Schwerpunkt Bäckerei kommen auf eine Arbeitslosen-Stellen-Relation von 1,45. Der Schwerpunkt Konditorei auf 1,41. Für Supermärkte dürfte die zeitige Besetzung ihrer Verkaufsstellen im Nahrungsmittelhandwerk auch abseits der Corona-Krise ein erhebliches Problem darstellen, denn auch der Nachwuchs hat immer weniger Interesse an diesen Traditionsberufen.

Viele Ausbildungsstellen unbesetzt

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlichte im aktuellen Berufsausbildungsbericht eine interessante Statistik, die Berufe mit einem hohen Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen am betrieblichen Gesamtangebot in Deutschland zeigt. 2020 blieb fast jede zweite Ausbildungsstelle im Beruf “Fleischer:in” unbesetzt. Ähnlich sieht es im Ausbildungsberuf “Fachverkäufer:innen im Lebensmittelhandwerk” aus, der mit den Schwerpunkten Fleischerei, Bäckerei oder Konditorei ausgeübt werden kann.

Ausbildungsstellenmarkt Fleischerei Fachverkäuferin

Um all diese offenen Positionen besetzen und eine angemessene Zahl an Bewerber:innen und Auszubildenden für diese Bereiche akquirieren zu können, bedarf es in erster Linie mehr Sichtbarkeit. Selbst stark frequentierte Corporate Pages von Supermärkten, Drogerieketten und anderen Einzelhändlern mangelt es an niedrigschwelligen Maßnahmen, um Besucher:innen der Unternehmensseite auf die Karriereseite zu bringen.

Kaum Sichtbarkeit auf Unternehmensseiten mit Sales-Schwerpunkt

Es ist verständlich, dass vor allem im B2B- und B2C-E-Commerce der Verkauf von Waren und Dienstleistungen an erster Stelle steht, um die unternehmerischen Ziele zu erreichen. Den Verantwortlichen sollte aber auch bewusst sein, dass Karrieremöglichkeiten, Jobchancen und Employer Branding ein ebenso wichtiger Teil des Unternehmens sind.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den Besucher:innen der Corporate Page auch passiv Wechselwillige oder Absolventen befinden, ist groß. Alle Besucher:innen der Corporate Page sind potenzielle Bewerber:innen – man muss sie nur dorthin führen. Egal, ob aktiv Jobsuchende oder passiv Wechselwillige: Durch direkte Verlinkungen und eine prominente Platzierung des Karrierebereichs oder offener Stellen können Unternehmen zusätzlich auf sich als Arbeitgeber aufmerksam machen. Eine gute Auffindbarkeit des Karrierebereichs ermöglicht eine schnelle Orientierung und somit eine schnellere Entscheidung seitens der Bewerber:innen. Und das ganz ohne zusätzliche Kosten!

Bei der Auswertung von 130 Corporate Pages aus dem Bereich des Einzelhandels wurde sehr schnell deutlich, dass viele Unternehmen diesen Sachverhalt noch nicht verstanden haben: Ganze 55 Prozent der Unternehmensseiten nutzen keine direkte Verlinkung des Karrierebereichs direkt auf der Startseite oder im Headermenü.

Einzelhändler sind gut darin, ihre eigenen Produkte auf der Webseite zu präsentieren, aber nicht ihre eigenen Stellen. Dabei ist die Trennung zwischen Kund:innen und potenzielle Bewerber:innen nicht immer sinnvoll. Warum sollten Kund:innen, die regelmäßig bei einem beliebten Unternehmen einkaufen, bei passenden Jobs nicht auch dort arbeiten wollen?

Mehr Informationen zum Arbeitsmarkt und zu unserer Auswertung von 130 Karriereseiten findest Du in unserer aktuellen Studie zum Einzelhandel.

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Vier-Tage-Woche: Wie viel Arbeit brauchen wir?

In Island sind knapp 200.000 Menschen berufstätig. Mehr als 2.500 von ihnen, also über ein Prozent, nahmen seit 2015 an einer mehrteiligen Studie teil: Verkürzte Arbeitszeit bei gleichem Gehalt. Die Teilnehmer:innen reduzierten ihre Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 oder 35 Stunden und arbeiteten eine Vier-Tage-Woche.

Eine erste Auswertung des Experiments fällt durchweg positiv aus – die Leistung und Produktivität blieb gleich oder hat sich sogar verbessert. Vor allem stieg aber das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen, sie hatten mehr Zeit für ihr Privatleben, waren weniger gestresst und erkrankten seltener an einem Burnout. Die Ergebnisse der Studie hatten bereits Folgen: 86 Prozent der Isländer:innen haben durch Verhandlungen der Gewerkschaften und Verbände mit Arbeitgebern zwischen 2019 und 2021 nun das Recht auf dauerhaft verkürzte Arbeitszeiten.

Wie sieht es hierzulande aus? Wie viel arbeiten die Beschäftigten in Deutschland? Wie viel wollen sie arbeiten? Und wer soll das alles bezahlen?

1. IST-Zustand: Wie viel arbeiten wir?

2. Wunsch und Wirklichkeit von Arbeitszeit

3. Was kürzere Arbeitszeiten bringen

4. Welche Modelle gibt es?

5. Arbeitszeitreduzierung: Wer soll das alles bezahlen?

6. Fazit

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IST-Zustand: Wie viel arbeiten wir?

John Maynard Keynes, der berühmte britische Ökonom, sagte eine Zukunft voraus, in der der Wohlstand so groß ist, dass wir nur mehr 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Das war im Jahr 1930. Knapp 100 Jahre später sind wir davon noch weit entfernt. Die Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten im Durchschnitt 34,8 Stunden pro Woche – im europäischen Vergleich ist das zumindest auf dem Papier unterdurchschnittlich. Allerdings fließen in diese Zahl von Eurostat auch alle Beschäftigten ab 15 Jahren mit ein, die mindestens eine Stunde pro Woche gegen Lohn oder Entgelt arbeiten.

Vier-Tage-Woche: Infografik - Durchschnittlich geleistete Erwerbsarbeitszeit in den EU-Ländern

Dass die Deutschen also unterdurchschnittlich abschneiden, liegt an Mini- und Teilzeitjobs und nicht daran, dass man sich hierzulande schon mehrheitlich von der 40-Stunden-Woche verabschiedet hätte. Geringer sind die Werte etwa in Dänemark oder den Niederlanden, wo ebenfalls die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten sehr hoch ist.

Das Gesamtarbeitsvolumen steigt hierzulande dagegen seit Jahren, wie aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht.

Vier-Tage-Woche: Infografik - Arbeitsvolumen in Deutschland

In einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstitut heißt es: „Es lässt sich bisher festhalten, dass die Arbeitszeit in Europa in erster Linie aufgrund des steigenden Anteils der Teilzeitbeschäftigung kürzer wird. Diese Teilzeitbeschäftigung ist zuallererst frauendominiert, in den unteren Bereichen der Karriereleiter angesiedelt, hat wenige berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und zeigt einen überproportionalen Anteil an flexiblen Arbeitsverträgen.“

Zwar arbeiten Frauen also heute mehrheitlich, allerdings ist jede zweite in Teilzeit tätig, bei den Männern ist es nur rund jeder neunte. Damit sind die Frauen dem keynesianischen Traum zwar zeitlich näher – nur der Wohlstand stimmt eben nicht.

Vier-Tage-Woche: Infografik zum Beschäftigungsumfang in Deutschland

Wer in Vollzeit tätig ist, arbeitet als Mann im Durchschnitt 41,5 Stunden, bei Frauen sind es 39,9 Stunden – im Vergleich zum Jahr 1991 hat sich also kaum etwas getan in punkto Arbeitszeit, wie die Grafik zeigt.

Vier-Tage-Woche: Infografik zur durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitszeit

Doch während also die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Gehalt etwa gleich bleibt, wird unser Arbeitsleben laut Eurostat immer länger. Eine 15-jährige Person hatte im Jahr 2011 durchschnittlich 37,4 Jahre Arbeit vor sich. Im Jahr 2020 sind es bereits 39,1 Jahre ihres Lebens, die sie der Arbeit widmen wird – Tendenz steigend. Denn wir werden immer älter, während die Zahl der Jüngeren abnimmt, die den Ruheständler:innen ihren Lebensabend finanzieren könnten.

Vier-Tage-Woche: Infografik zur Dauer des Arbeitslebens

WUNSCH UND WIRKLICHKEIT VON ARBEITSZEIT

Wir arbeiten also viel und perspektivisch müssen wir das auch immer länger, weil wir älter werden. Den Acht-Stunden-Arbeitstag gibt es seit etwas mehr als 100 Jahren, allerdings lange an sechs Tagen pro Woche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund warb ab 1956 mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir“ für die Einführung der Fünf-Tage- bzw. 40-Stundenwoche, also in einer Zeit, als ein Hauptverdiener für eine ganze Familie arbeitete.

In der klassischen Kleinfamilie sind heute meist beide Elternteile berufstätig und müssen es finanziell auch sein. Je Familie wird also neben Haus- und Fürsorgearbeit mehr Erwerbsarbeit geleistet, statt sich sowohl die 40-Stunden-Arbeitswoche als auch die Zuhause anfallende Arbeit aufzuteilen. Und dieses Mehr an Arbeit zeigt sich womöglich auch in der Zunahme von Stress und psychischen und körperlichen Erkrankungen der Erwerbstätigen.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen

In einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) gibt jede:r zweite Befragte:r an, die Arbeitszeit gerne verkürzen zu wollen, trotz Gehaltseinbußen. Im Durchschnitt möchten die Befragten neun Stunden pro Woche weniger arbeiten. Weitere 39 Prozent sind zufrieden und 12 Prozent wollen verlängern, durchschnittlich um acht Stunden. Gefragt nach ihrer favorisierten Arbeitszeit gibt fast jede zweite Frau an, zwischen 20 und 34 Stunden arbeiten zu wollen. Bei den Männern sind es 40 bis 47 Stunden, gefolgt von 35 bis 39 Stunden. Auch hier spiegelt sich also die hohe Teilzeitquote der Frauen und die Vollzeittätigkeit von Männern wider.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu gewünschten wöchentlichen Arbeitszeiten

Wer angibt, mehr arbeiten zu wollen, will im Grunde mehr Geld verdienen und nicht unbedingt mehr Zeit mit Erwerbsarbeit verbringen. So sind es vor allem Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die diesem Wunsch zustimmen. Wer finanziell abgesichert ist, hat eher den Wunsch, seine Arbeit zu verringern, wie eine andere Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) zeigt. Demnach sind unter denjenigen mit Wunsch nach Arbeitszeitverlängerung überdurchschnittlich viele Frauen und der Bruttostundenlohn liegt deutlich unter dem der Befragten mit Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu Merkmalen der Befragten zu Arbeitszeitwünschen

Was kürzere Arbeitszeiten bringen

Eine Abkehr von der 40-Stundennorm hat einige deutliche Vorteile: Es stellt eine Möglichkeit dar, sich an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen, etwa den demografischen Wandel, ist aber auch ein Instrument für mehr Gerechtigkeit.

KÜRZERE ARBEITSZEITEN ALS BEITRAG ZUR GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT

Nach wie vor verbringen Frauen mehr Zeit mit Fürsorge- und Hausarbeit – Zeit, die ihnen fehlt, um Erwerbsarbeit zu leisten, weshalb der Frauenanteil in Teilzeitjobs hoch ist. Eine Absenkung der Arbeitszeit hin zu einem Modell mit 30 oder 35 Wochenstunden als Vollzeit würde also die Erwerbsarbeit von Frauen aufwerten und zumindest theoretisch mehr Lebenszeit von Männern für Fürsorge- und Hausarbeit zur Verfügung stellen. Außerdem würde sich die Schere bei der Altersarmut verringern, weil Frauen mehr in die Rentenkasse einzahlen könnten. Wer den Gender Pay Gap angehen will, kommt an dieser Stellschraube kaum vorbei.

ALTERSGERECHTES ARBEITSLEBEN

Wer immer länger arbeitsfähig bleiben soll, muss frühzeitig dafür sorgen, dass er oder sie das auch möglichst lange bleibt. Wenn ein Arbeitsleben immer länger dauert, sollten also die Rahmenbedingungen der Erwerbstätigkeit so gestaltet sein, dass Körper und Geist möglichst gesund bleiben. Dafür sind kürzere Arbeitszeiten unerlässlich. Ohne eine umfassende Neugestaltung der Arbeitszeit ist eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit nicht wirklich möglich, so eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

AUFWERTUNG VON TÄTIGKEITEN

Eine Arbeitszeitreduzierung bei gleichem Gehalt in gutbezahlten Akademikerjobs würde auch schlechter bezahlte Teilzeitjobs aufwerten, weil sie näher an Vollzeitjobs rücken würden. Insofern ist Arbeitszeitreduzierung ein wichtiges politisches Instrument für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem stellt die Arbeitszeitverkürzung (bei gleichem Gehalt) eine Möglichkeit dar, die zunehmend ungleich verteilten Unternehmensgewinne weiterzugeben – in Freizeit, nicht in Geld.

KLIMASCHUTZ DURCH ARBEITSZEITREDUZIERUNG?

Die Klimakrise zeigt einmal mehr, dass das grenzenlose Wachstum unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht möglich ist. Eine Reduzierung der Arbeitszeit und damit eine Fokusverschiebung von maximaler Produktivität hin zu mehr Freizeit, kann Klima und Ressourcen schonen, indem Menschen anders konsumieren, weil sie mehr Zeit haben und der Ressourcenverbrauch durch Arbeit gedrosselt wird. Wer mehr Zeit hat, kann zum Beispiel anders reisen, anders Nahrung zubereiten, mehr Zeit aufwenden, um Dinge zu reparieren, statt neu zu kaufen und mehr Zeit in demokratische Diskurse oder gesellschaftliches Engagement investieren. Das setzt aber einen anderen Fokus im Denken aller voraus.

VIER-TAGE-WOCHE, FÜNF-STUNDEN-TAG: WELCHE MODELLE GIBT ES?

Grundsätzlich kann sich eine geringere Arbeitszeit auf unterschiedliche Zeiträume beziehen:

Kürzerer Arbeitstag: Zum Beispiel Sechs- oder sogar nur Fünf-Stunden-Tage. Das eine wurde in einem Pilotprojekt in einem schwedischen Krankenhaus getestet, das andere von einer Bielefelder Agentur.

Kürzere Arbeitswoche: Der eingangs erwähnte Versuch in Island hatte eine Vier-Tage-Woche als Ergebnis, mit vier längeren Arbeitstagen und einem zusätzlichen Tag Wochenende. Dieses Modell eignet sich besonders, wenn nur wenig Zeit reduziert wird, aber das Pensum etwa gleich bleibt.

Kürzerer Arbeitsmonat: z.B. drei Wochen Arbeitszeit an je sechs Tagen, dann eine Woche frei oder ähnliche Konstrukte, bei denen sich jeweils Arbeit und freie Zeit in Intervallen abwechseln.

Kürzeres Arbeitsjahr oder anders gesagt: Mehr Urlaubstage zur freien Verfügung, was für längere Erholungsphasen sorgt, aber auch Familien mit Kindern eine bessere Betreuung in den Ferien ermöglicht.

Kürzeres Arbeitsleben: Wird erreicht durch früheren Rentenbeginn oder berufliche Auszeiten wie z.B. Sabbaticals. Aufgrund steigender Lebenserwartung scheint dieses Konzept eher nicht geeignet, weil der Trend dahingeht, dass wir länger arbeiten müssen.

Welche Form der Arbeitszeitverkürzung geeignet ist, ist von individuellen Lebenssituationen, aber auch von der Branche und Art der Arbeit abhängig und die Modelle haben ihre jeweils eigenen Vor- und Nachteile. So sind zusätzliche Urlaubstage für Familien mit schulpflichtigen Kindern möglicherweise sinnvoll, während Menschen mit Fernbeziehung das lange Wochenende vorziehen und wieder andere lieber früh in Rente gehen wollen. Kürzere Arbeitstage wiederum schaffen mehr Zeit für den Alltag mit Haus- und Sorgearbeit und Freizeit.

ARBEITSZEITREDUZIERUNG: WER SOLL DAS BEZAHLEN?

Weniger arbeiten ist schön und gut, allerdings muss eine Reduzierung der Arbeitszeit finanziert werden. Dabei gibt es drei Akteure, die direkt am Arbeitsverhältnis beteiligt sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in sind die beiden direkten Vertragspartner:innen, der dritte Akteur ist der Staat. Dementsprechend können die Kosten im Grunde an diese drei Stellen adressiert werden – oder an niemanden.

DIE ARBEITNEHMER:INNEN ZAHLEN

Im simpelsten Fall tragen allein die Arbeitnehmer:innen die Kosten für die Verkürzung der Zeit, indem ihre Gehälter im Verhältnis zur Arbeitszeit sinken. Das ist aktuell der Fall bei Teilzeitarbeit und kann zu erheblicher finanzieller Belastung führen, vor allem im Niedriglohnbereich.

Ein anderer Fall ist die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Gehaltsverlust, aber mit Verdichtung der Arbeitszeit, was zu gesundheitlichen Belastungen führen kann. Eine weitere Variante, die ebenfalls zulasten der Gesundheit der Erwerbstätigen gehen kann, ist die Verkürzung mit gleichzeitiger Flexibilisierung der Arbeitszeit, also etwa wenn die Laufzeiten von Maschinen ausgeweitet oder Öffnungszeiten angepasst werden. Dadurch wird weder Produktivität noch Gewinn von Unternehmen angetastet und für die Arbeitnehmer:innen sinkt die Zeit, die für Erwerbsarbeit aufgewendet wird, etwa auf 6-Stundenschichten. Allerdings rutschen Beschäftigte eben in eine Art Schichtarbeit, die die Vereinbarkeit von Freizeit und Familie mit der Arbeit beeinflussen und ebenfalls zu gesundheitlicher Belastung führen kann.

Eine weitere Variante ist die Vereinbarung eines Lohnstopps, Gehälter werden also über einen bestimmten längeren Zeitraum eingefroren und nicht weiter angepasst, während die Arbeitszeit aber sinkt.

DIE ARBEITGEBER ZAHLEN

Zahlen Arbeitgeber die Zeitverkürzung, bleiben die Gehälter konstant, obwohl weniger Zeit für die Erwerbsarbeit aufgewendet wird. Das kann zu niedrigeren Gewinnen oder niedrigerer Produktion oder aber zu höheren Preisen führen. Je preissensibler ein Markt ist, desto gravierender die Folgen. Sinkt die Wettbewerbsfähigkeit zu stark, kann es etwa zu Verlagerung des Produktionsstandorts oder einer Begrenzung künftiger Investitionen kommen.

DER STAAT ZAHLT FÜR VERKÜRZTE ARBEITSZEITEN

Wenn sich der Staat an der Arbeitszeitverkürzung beteiligt, kann das in Form von niedrigeren Sozialbeiträgen für die Arbeitnehmer:innen sein, sodass zwar der vom Arbeitgeber gezahlte Bruttolohn sinkt, bei den Erwerbstätigen aber derselbe Nettolohn ankommt. Oder die Sozialbeiträge für Arbeitgeber sinken, sodass die Nettolöhne gleichbleiben. Bei dieser Variante würde auch die Wahrscheinlichkeit von Neueinstellungen steigen. Wenn diese nicht im ausreichenden Maß erfolgen, sinkt allerdings die finanzielle Basis der Sozialversicherung.

UND WENN NIEMAND ZAHLEN MUSS?

Der beste Fall wäre, dass niemand zahlt und auch das ist möglich. Etwa, wenn durch die Verringerung der Arbeitszeit die Erholungszeiten der Arbeitnehmer:innen verlängert werden und diese produktiver und ausgeruhter sind, sodass Fehlerquoten und Unfallrisiko sinken. Außerdem fallen Fehlzeiten, Stress und Krankheit geringer aus. Weniger Arbeitszeit bedeutet außerdem nicht zwangsläufig weniger geleistete Arbeit, wenn zeitgleich Prozesse angepasst und effizienter gearbeitet werden kann.

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FAZIT

Arbeitszeitverkürzung ist ein wichtiges politisches Instrument für die Verteilung von Arbeit innerhalb einer Volkswirtschaft. Aber sie ist auch mit Vorsicht zu genießen und für Beschäftigte nur dann sinnvoll, wenn sie durch zusätzliches Personal und Zeitsouveränität der Beschäftigten ausgeglichen wird und für den Arbeitsmarkt nützlich, wenn sie Arbeitsplätze schafft. Kurze Arbeitszeiten bringen wenig, wenn sie nicht planbar sind oder aber sich die Arbeit so sehr verdichtet, dass zusätzlicher Stress entsteht. Das erhöht für Unternehmen nur Krankenstand und Fehlerquote.

UNTERNEHMEN KÖNNEN PROFITIEREN

Auf Unternehmensebene lassen sich Arbeitszeitverkürzungen realisieren, wenn gemeinsam mit den Beschäftigten Modelle ausgehandelt werden, die der Vereinbarkeit von Freizeit und Familie mit Erwerbsarbeit dienen. Gleichzeitig können Kompromisse für die Gehälter ausgehandelt werden. Aber selbst ohne Anpassung der Gehälter können Unternehmen von einer Verkürzung profitieren: Erholte Mitarbeiter:innen sind seltener krank, machen weniger Fehler und sind motivierter. Außerdem können sich Unternehmen vor allem bei den jetzt auf den Arbeitsmarkt drängenden Generationen positionieren, indem das Schlagwort „Work-Life-Balance“ wirklich ernst genommen wird und nicht bloß die Möglichkeit meint, die Mittagspause variabel zu legen.

WAS HAT CORONA VERÄNDERT?

In Anbetracht dessen, dass durch Corona viele Beschäftigte ihrem Arbeitgeber durch Home Office Platz in ihrem Zuhause einräumen und während ihrer Arbeitszeit anfallende Nebenkosten zahlen, während gleichzeitig das regelmäßige Socializen mit Kolleg:innen wegfällt, wäre Arbeitszeitverkürzung eine logische Konsequenz.
Auf staatlicher Ebene ist eine Orientierung hin zu kürzeren Arbeitszeiten ein wichtiger Schritt, um die Weichen zu stellen für mehr Gleichberechtigung und um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Die Kurzarbeit während Corona hat gezeigt, dass kürzere Arbeitszeiten Jobs erhalten können, warum sollten auf einem ähnlichen Weg nicht auch neue Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.

ZEIT FÜR VERÄNDERUNG

Seit gut 50 Jahren arbeiten wir in der Regel 40 Stunden an fünf Tagen die Woche. Mittlerweile sind Frauen in nahezu gleicher Zahl wie Männer auf dem Arbeitsmarkt vertreten, die insgesamt geleistete Arbeitszeit steigt. Mit der Erfindung des Computers und dem Aufkommen des Internets haben wir eine neue Kulturtechnik gelernt und in unser Arbeitsleben integriert, Informationen sind viel schneller verfügbar, müssen aber auch in viel größerer Masse von uns verarbeitet werden. Wir haben eine Pandemie durchlebt, die die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt hat und wir wissen, dass unser Wirtschaftssystem eine Gefahr für unser Ökosystem und künftige Generationen ist. Vielleicht ist es Zeit, mal wieder an den Rahmenbedingungen unserer Arbeit zu schrauben und statt mehr Konsum und Wachstum mehr Freizeit und Zeitsouveränität für die Menschen einzuführen.

 

 

Azubi-Recruiting Trends 2021: Was ist Azubis auch nach
Corona wichtig?

Heute möchten wir Dir die spannenden Ergebnisse der aktuellen Studie Azubi-Recruiting Trends 2021 von u-form Testsysteme vorstellen.

Von Januar bis März 2021 nahmen insgesamt 6.893 Teilnehmer:innen, darunter Schüler:innen, Azubis und Ausbildungsverantwortliche, an der jährlichen Online-Befragung teil. Damit wurden die Daten zum ersten Mal während Pandemie-Zeiten erhoben und spiegeln nicht nur den normalen Wahnsinn wider, sondern auch das Pandemie-Stimmungsbild.

Starten wir zuerst mit einer unerfreulichen Entwicklung, die uns schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge ist: Angebot sowie Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt sinken immer weiter. 2020 lag die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Deutschland erstmals unter der Marke von 500.000. Das sind ganze 10 Prozent weniger als noch im Jahr 2019.

Die Antwort „Naja, Corona halt“ deckt hier nur die halbe Wahrheit ab, denn die Pandemie ist nicht die Ursache des Problems, sondern lediglich ein Verstärker.

Bewerbung und Ausbildung in Pandemiezeiten

Trotz einer lang anhaltenden weltweiten Ausnahmesituation lässt sich festhalten: Ja, die Welt dreht sich irgendwie weiter. Und das auch für zahlreiche Auszubildende. Ganze 62,6 Prozent der befragten Bewerber:innen gaben an, trotz Corona einen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf gefunden zu haben. 62,5 Prozent ist die Entscheidung für einen bestimmten Ausbildungsberuf sogar leichtgefallen. Besonders in solch unsicheren Zeiten eine erstaunlich positive Zahl. Nicht ganz so positiv ist dafür das Resümee der Unternehmen: Bei den Ausbildungsverantwortlichen gaben über die Hälfte an (54,5 Prozent), dass es im vergangenen Jahr schwieriger geworden sei, die angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen.

Azubi-Recruiting: Ausbildung trotz Corona Azubi Recruitingtrends 2021
Quelle: u-form Testsysteme – Studie Azubi-Recruiting Trends 2021

Doch nicht nur der Arbeitsmarkt und der Einstellungsprozess selbst unterlagen starken Veränderungen. Das mobile Arbeiten ist in Deutschland angekommen. Was vor Corona eher als eine Art Randerscheinung aufgetreten ist und in den Führungsebenen milde belächelt wurde, hat sich im Arbeitsalltag zahlreicher Unternehmen etabliert und wird vermutlich auch noch nach der allerletzten Virusvariante in vielen Firmen eine Rolle spielen.

Doch für Azubis gilt das mobile Arbeiten als eine rechtliche Grauzone. Die ständige Betreuung durch Ausbilder:innen und Ausbildungsverantwortliche konnte im letzten Jahr nicht immer gewährleistet werden. Wie hat sich diese neue Form der Arbeit auf die Berufseinsteiger ausgewirkt?

40,5 Prozent der befragten Auszubildenden gaben an, dass die Möglichkeit der mobilen Arbeit die Qualität ihrer Ausbildung weder positiv noch negativ beeinflusst hat. 31,3 Prozent konnten eine positive Entwicklung feststellen.

Während bei Auszubildenden sogar der Wunsch nach Gesetzesänderungen bezüglich Homeoffice in der Ausbildung geäußert wurde, gaben knapp die Hälfte der Ausbildungsverantwortlichen an, dass sie ihren Auszubildenden nach der Pandemie kein Homeoffice ermöglichen wollen.

Azubi-Recruiting: HomeOffice in der Pandemie Azubi Recruiting Trends 2021
Quelle: u-form Testsysteme – Studie Azubi-Recruiting Trends 2021

Interviews über Video-Call eher unbeliebt

Zusammen mit dem mobilen Arbeiten kamen auch die Videokonferenzen und die Digitalisierung des Bewerbungsprozesses. Das persönliche Bewerbungsinterview vor Ort wurde in vielen Fällen zum Video-Call, konnte aber nur wenige Auszubildende überzeugen. 87,1 Prozent der Befragten möchten das Bewerbungsgespräch in Zukunft lieber wieder persönlich vor Ort führen. Am einfachsten wäre hier die Lösung, es den Bewerber:innen (wenn möglich) freizustellen. Die digitalen Bewerbungsprozesse haben nämlich in Hinblick auf die zeitliche Komponente nicht nur Nachteile.

Man sollte ja meinen, dass die Generation TikTok auch ein Faible für selbstgedrehte Bewerbungsvideos hat. Allerdings finden Videos im Arbeitskontext bei den Jugendlichen scheinbar keinen Anklang. Während Video-Bewerbungs-Tools in den sozialen Medien stark gehyped werden, möchten sich nur rund 2 Prozent darüber bewerben.

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Stattdessen ist weiterhin das klassische Online-Formular das Tool der Wahl, um sich auf einen Job zu bewerben. Knapp 50 Prozent bewerben sich am liebsten über ein gut aufgebautes und kurzes Bewerbungsformular.

Das „kurz“ möchte ich hier nochmal betonen! Denn wie wir auch immer wieder thematisieren, scheint vielen Firmen die Bedeutung eines übersichtlichen Bewerbungsformulars noch nicht bewusst zu sein. Doch jetzt haben wir es nochmal schwarz auf weiß: Zwei von drei Befragten gaben an, dass ihnen ein übersichtliches Bewerbungsformular sehr wichtig ist. Für knapp die Hälfte ist es außerdem wichtig, dass sich dieses schnell ausfüllen lässt und mitsamt den einzureichenden Unterlagen schnell hochgeladen werden kann.

Azubi-Recruiting: Bewerbungsmöglichkeiten Azubi Recruiting Trends 2021
Quelle: u-form Testsysteme – Studie Azubi Recruiting Trends 2021

Azubi-Recruiting funktioniert nur mit der richtigen Karriereseite

Seit Jahren predigen wir die Bedeutung einer gut aufgebauten Karriereseite, um erfolgreich zu rekrutieren. Für Auszubildende ist dieser Schritt in der Candidate Journey sogar nochmal wichtiger als für Berufserfahrene, da sie mehr Fragen und mehr Unsicherheiten haben.

Warum sollte ich mich für dieses Unternehmen entscheiden? Was macht eine Ausbildung hier einzigartig? Wie genau sehen die Aufgaben der Azubis aus? Wie stehen überhaupt die Chancen einer Übernahme? All diese Fragen stellen sich interessierte Schulabgänger:innen und je eher und verständlicher diese beantwortet werden, desto zufriedener ist der potenzielle Azubi und erwägt eine Bewerbung.

Doch welche Fragen möchten Auszubildende konkret auf der Karriereseite beantwortet haben und wie viele Unternehmen beantworten diese Fragen bereits?

Azubi-Recruiting: Informationen auf Karriereseite Azubi Recruiting Trends 2021
Quelle: u-form Testsysteme – Studie Azubi-Recruiting Trends 2021

Vier von fünf Bewerber:innen möchten vorab wissen, wie hoch die Übernahmequote nach der Ausbildung ist. Doch nur knapp über 40 Prozent der Unternehmen liefern auf ihrer Seite bisher Informationen dazu.

Auch das Thema Rückmeldung ist für Auszubildende ein wichtiger Punkt. Das ist nur verständlich, denn man darf nicht vergessen, dass Schulabgänger:innen keinerlei Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt haben. Woher sollen sie wissen, wie lange sie auf eine Reaktion warten müssen und welche Schritte danach auf sie warten? Für das Erwartungsmanagement ist es super, ihnen von Anfang an die nötigen Informationen mit an die Hand zu geben. Damit ist nicht nur den Bewerber:innen geholfen, sondern auch den Recruiter:innen, die weniger Nachfragen zu erwarten haben und sich voll und ganz auf die Auswahl konzentrieren können.

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Fazit

Das Ende der Schulzeit und der Start in die Berufsausbildung sind auch ohne Corona eine Herausforderung. Mit Einarbeitung im Homeoffice, digitalen Bewerbungsprozessen, Unsicherheiten und einem schwächelnden Arbeitsmarkt, sind die Bedingungen nicht gerade ideal, um unbeschwert ins Berufsleben zu starten. Unternehmen sollten hier ihre Verantwortung ernst nehmen und so gut unterstützen, wie es es geht. Das hilft den Bewerber:innen ebenso wie den Unternehmen, die einem immer kleiner werdenden Pool an potenziellen Azubis gegenüber stehen. Wer die Jugendlichen ansprechen will, sollte ihnen vorher zuhören.

Weitere Studienergebnisse zu Themen wie E-Learning, Azubi-Recruiting mit Google oder der Rolle der Eltern im Bewerbungsprozess, findest Du in der Studie Azubi- Recruiting Trends 2021. Unterstützung im Recruiting-Prozess bieten unsere Checklisten.

Trends und Berufe von morgen: Das HR Zukunftslab der Deutschen Bahn im Interview

Wie sieht die Arbeit von morgen aus?

Diese Frage stellt sich das Deutsche Bahn HR Zukunftslab, um grundlegende Antworten zu finden. Wie werden sich die Berufe und Tätigkeiten verändern und wie werden wir zusammenarbeiten?

In einem interdisziplinären Team werden Zukunftsbilder aktueller Berufe gezeichnet und bereits heute ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt. Wir haben mit dem Team der Deutschen Bahn gesprochen, um zu erfahren, wie das in der Praxis funktioniert.

1. Eines der spannendsten HR-Projekte bei der DB ist aktuell wohl das HR Zukunftslab. Das HR Zukunftslab ist ein interdisziplinäres und hierarchiefreies Team mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit dem Ziel, zukünftige Veränderungen für aktuelle Tätigkeiten und Jobs vorauszusagen. Kannst Du diese etwas theoretische Beschreibung mit Leben füllen? Was ist das Ziel des HR Zukunftslab?

Die Digitalisierung und weitere Megatrends stellen die Arbeitswelt – stellt unser aller Arbeitsleben – weiterhin auf den Kopf, verändert sie radikal. Veränderungen mitzumachen genügt schon lange nicht mehr. Wir wollen bei dieser großen technischen, aber auch gesellschaftlichen Entwicklung Trendsetter sein, nicht nur Trendsurfer.

Das HR Zukunftslab, oder auch LAB 1, beschäftigt sich deshalb mit den Berufen der Zukunft.

Wir wollen Antworten auf grundlegende Fragen finden: Wie werden sich die Berufe und Tätigkeiten verändern? Wie werden wir zusammenarbeiten? Wenn wir diese Fragen beantworten können, sind wir in der Lage, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu planen, was beispielsweise Recruiting, Ausbildung, Qualifizierung und das Steuern der Einstellungszahlen angeht.

Wir befinden uns in einer Extremsituation. Und in einer solchen helfen die üblichen Methoden nicht. Wer weiterkommen will, muss improvisieren, mutig sein, kreativ sein, Neues ausprobieren. Das machen wir im Lab 1!

Zitat: Wer weiterkommen will, muss improvisieren

2. Welche interdisziplinären Funktionen bzw. Rollen vereint Ihr innerhalb des Zukunftslab-Teams?

Entscheidend ist: Wir treffen uns silo- und hierarchieübergreifend. Das Lab setzt sich aus einem ca. 15-köpfigen Team zusammen, das interdisziplinär aus dem gesamten DB-Konzern kommt. Die Mitglieder des sogenannten Kernteams kommen aus den verschiedensten Ebenen, von der Referenten- bis zur Geschäftsführer- und Vorstandsebene. Vertreten sind auch verschiedene Konzernbereiche wie DB Regio (Nahverkehr), DB Netz (Infrastruktur), DB Engineering & Consulting und DB Fahrzeuginstandhaltung sowie Konzernfunktionen wie HR. Dabei gibt es keine Ausschlusskriterien, das Lab ist für jeden zugänglich, nicht nur innerhalb des Konzerns.

HR-Zukunftslab: Darstellung des Lab 1 Lead-Teams
Das Lab 1 Team

Eine der wichtigsten Punkte für uns ist Co-Creation. Das ist eine Philosophie, die unsere Arbeit bestimmt und leitet. Die Grundüberzeugung: Die Zeit von Einzelkämpfern ist vorbei. Wir holen uns Partner:innen mit ins Boot. In unserem Fall sind das zum Beispiel neben den genannten Bereichen und Geschäftsfeldern der DB das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Hochschulen, Vertreter:innen der Wissenschaft und natürlich die Bundesagentur für Arbeit. Und zusätzlich bekommen wir Impulse von Unternehmen, die auch im Umbruch sind und das Thema bearbeiten.

Durch die Inspirationen von unseren unterschiedlichen Kooperationspartnern erhalten wir sehr unterschiedliche und spannende Blickwinkel. Und wir möchten Synergien erzeugen. Wir sind eine Plattform, die Wissen sammelt und weiterverarbeitet. Wir sind viele, und das macht uns stark.

3. „Nur zu wissen, dass sich etwas verändert, reicht nicht aus“. Deshalb leitet die Bahn aus dem gewonnen Wissen Maßnahmen für die Arbeit der Zukunft vor Ort ab. Wie sehen solche Maßnahmen in einem konkreten Beispiel aus?

Wir haben im Lab die Methode Back-to-the-Future entwickelt.

Dabei denken wir von der Zukunft ins Jetzt. Wir haben Antworten auf Fragen gefunden, d.h. Zukunftsbilder aktueller Berufe gezeichnet und bereits heute ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt.

Die Methode kurz beschrieben: Zunächst wertet das Lab alle vorhandenen Informationen zu den Berufsbildern/Jobprofilen aus, die wir im Lab unter die Lupe nehmen und führt persönliche Interviews mit Kolleginnen und Kollegen, die den Beruf derzeit ausüben. Dabei geht es um aktuelle Herausforderungen und Zukunftsannahmen. Dann erstellen Trend-Expert:innen basierend auf den vorliegenden Informationen Zukunftshypothesen. Heißt: Welche Skills wird es geben, welche Qualifikationen, wie hoch ist der Bedarf? Wie sehen zukünftige Berufsbilder aus? Daraus leiten wir dann gemeinsam mit den Expert:innen aus den verschiedenen Fachdisziplinen konkrete Maßnahmen ab, die wir anschließend in die Umsetzung bringen.

Zitat: Welche Skills wird es geben?

Einer der Berufe, die wir uns bereits angeschaut haben, ist der:die Bauüberwacher:in, am Markt bekannt als Bauleiter:in – Ingenieur:innen, deren Job es u.a. ist, auf Baustellen für Sicherheit zu sorgen und zwischen den Bauunternehmen und den Auftraggeber:innen zu vermitteln. Für die Deutsche Bahn ist das eine systemrelevante Tätigkeit!

Die Methodik erzielt bereits spannende Ergebnisse, wie zum Beispiel:

  • Kompetenzen verändern sich insbesondere im Hinblick auf digitales Arbeiten, digitale Tools, Informations- und Datenkompetenz sowie Veränderungsbereitschaft
  • Die Digitalisierung ermöglicht eine flexible, individuelle und ortsunabhängige Ausgestaltung der Tätigkeit
  • Die Attraktivität des Berufsbildes steigt: Kernkompetenzen der Bauüberwacher:innen rücken in den Vordergrund; die Tätigkeiten werden zunehmend digitaler und smarter
  • Es entstehen neue Aufgabenfelder, dazu gehört die Datenauswertung von Drohnenflügen und Auftragsklärungen mit Drohnenpilot:innen

Einige Skill-Veränderungen wurden bereits im Recruiting-Profil aufgenommen: zum Beispiel das Thema Selbstorganisation, oder Fähigkeiten bezüglich der Datenvisualisierung und -auswertung, Verständnis für Sensorik und Robotik. Bereits funktionierende und etablierte Maßnahmen wie Online- und klassische Lernformate wurden angepasst. Die Berufsveränderung wird in die Strategie der DB-Tochter „Engineering and Consulting“ eingebettet. Außerdem setzen wir auf eine noch engere Verbindung zwischen angehenden Bauüberwacher:innen an den Unis und den aktuellen Kolleg:innen. Wir wollen den Austausch und damit den Wissenstransfer fördern. In einem Future-Hub sollen sich zukünftig die Beteiligten über Digitalisierungsthemen austauschen und informell weiterbilden können.

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4. Wenn ich das richtig sehe, untersucht Ihr alle Berufe der 330.000 DB-Mitarbeitenden. Wie viele habt Ihr denn da genau unter die Lupe zu nehmen?

Die DB hat 500 Berufsbilder, und letztlich müssen diese alle fit für die Zukunft gemacht werden. Im Lab 1 haben wir uns erstmal für fünf typische Berufe entschieden, die wir pilotieren: Bauüberwacher:in, Data Analyst:in, Signalmechaniker:in und Elektriker:in, Mechaniker:in in der Instandhaltung und Disponent:in.

Für die anderen 495 Berufsbilder müssen wir unsere Back-to-the-Future-Methode so weiterentwickeln, dass sie einfach und ohne großen Aufwand anzuwenden ist. Dabei wird uns auch die Digitalisierung helfen, um ein eine moderne Plattform zu erarbeiten, mit der wir alle Berufe schnell analysieren können. Durch dieses Vorgehen können wir unsere Geschwindigkeit erhöhen und uns schneller fit für die Zukunft machen.

5. Die aktuelle Ausrichtung des Labs scheint von außen vor allem auf Personalentwicklung bzw. Internal Mobility abzuzielen. Angesichts des angespannten Arbeitsmarktes und der existierenden Fachkräfteengpässe wäre eine solche Analyse natürlich auch aus einer Recruiting-Perspektive spannend. Denn wenn ich die Wollmilchsau nicht bekomme, kann ich ja das Wollmilchferkel rekrutieren und entsprechend nachschulen ;). Denkt Ihr auch schon in diese Richtung?

Natürlich!

Wichtige Bausteine unserer Methodik sind sowohl das frühzeitige Erkennen von neuen, zukünftigen Skills, die erlernt werden müssen, als auch die entsprechenden Recruitingmaßnahmen.
Konkret: Durch die Methode können wir das zukünftige Berufsbild inklusive der notwendigen Kompetenzen klar beschreiben. Durch einen Abgleich mit dem Status Quo können wir den Entwicklungsbedarf über die nächsten Jahre sehen. Daraus können wir dann gezielt Maßnahmen ableiten, die auch die Bereiche Personalmarketing und Recruiting umfassen.

Zitat: Frühzeitiges Erkennen von Skills

Die enge Verzahnung mit der Personalgewinnung ist sehr sinnvoll, denn wir sehen in unserer täglichen Arbeit die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, bekommen Entwicklungen von neuen Berufen und Skills hautnah mit. Diese relevanten Impulse können wir in unsere Arbeit im Lab ideal einbringen.

Übrigens: Laut IAB können bis zum Jahr 2025 rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. Und in der gleichen Zeit rund 1,5 Millionen neue entstehen! Und wir als DB wollen sicherstellen, dass wir dabei sind, wenn neue Profile entstehen, um die passenden Kanditat:innen für den Konzern zu gewinnen.

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Recruiting im Anlagen- und Maschinenbau: Unternehmen sorgen sich um Fachkräftemangel

Der Anlagen- und Maschinenbau gilt als größter Arbeitgeber und zweitgrößter Industriezweig Deutschlands. Insgesamt zählt diese Branche knapp 6.700 Unternehmen, in denen rund eine Million Menschen beschäftigt sind. Und doch ist der Mangel an entsprechend ausgebildeten Fachkräften hoch und zahlreiche Stellen, vor allem in der Produktion, bleiben unbesetzt.

Die Berufsbilder sind ebenso vielseitig wie die verschiedenen Fachbereiche der Branche: Techniker:innen, Mechaniker:innen, Ingenieur:innen und Mechatroniker:innen werden sowohl in der Agrartechnik, Fördertechnik, Robotik, Automation als auch im Sektor der Bau- und Verpackungsmaschinen gesucht. Und damit sind noch längst nicht alle Berufsbilder und Fachbereiche abgedeckt.

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Bis zu 0,5 Arbeitlose pro Stelle: Im Anlagen- und Maschinenbau bleibt das Recruiting kompliziert

International wird Deutschland aufgrund seiner mittelständischen Marktstruktur auch als Nation mit „Hidden Champions“ bezeichnet. Als heimliche Gewinner bezeichnet man mittelständische bis größere Unternehmen, die in ihrer Branche zwar Weltmarktführer, aber trotzdem weitestgehend unbekannt sind. Im Recruiting sind viele dieser Mittelständler wegen ihrer fehlenden Arbeitgeberbekanntheit zwar „hidden“, aber auf der Suche nach Bewerber:innen häufig keine Champions. Laut Mittelstandsbarometer 2021 kann ein Drittel aller Mittelständler im produzierenden Maschinen- und Anlagenbau aus Mangel an geeigneten Bewerber:innen ihre Stellen nicht besetzen.

In unserer aktuellen Online Recruiting Studie mit Schwerpunkt Maschinen – und Anlagenbau haben wir uns die Arbeitsmarktdaten der Branche etwas genauer angeschaut. Während die Bundesagentur für Arbeit für den Maschinenbau und die Betriebstechnik auf Expert:innen-Niveau (z.B. Ingenieur:innen Maschinenbau oder Verfahrenstechnik) eine recht erfreuliche Arbeitslosen-Stellen-Relation von 4,16 im Jahr 2020 angibt, gibt die Detailansicht der letzten 6 Monate im Jobspreader Marktdaten Checker ganz andere Einblicke: Die Marktdaten für „Ingenieur:innen für Verfahrenstechnik“ zeigen, dass in diesem Bereich lediglich 1,6 Arbeitslose auf eine Stelle kommen.

Noch härter trifft es Unternehmen auf der Suche nach Techniker:innen in der Fachrichtung Mechatronik: In den vergangenen sechs Monaten kamen im Durchschnitt 0,5 Arbeitslose auf eine Stelle.

Quelle: Jobspreader Marktdaten Checker

Und das, obwohl sich der gesamte Industriezweig immer noch fest im Corona-Würgegriff befindet.
Auch Ingenieur:innen im Bereich Automatisierungstechnik sind schwer zu finden. Die Arbeitslosen-Stellen-Relation liegt hier bei 0,8 und zeigt deutlich, in was für einer misslichen Lage sich nicht nur Mittelständler befinden dürften.

Doch warum ist es gerade im Anlagen- und Maschinenbau so schwierig, (qualifizierte) Fachkräfte zu finden?

Mangel an geeigneten Bewerber:innen durch Digitalisierung

In unserer Auswertung wird deutlich, dass vor allem Fachbereiche in der Automatisierung oder Mechatronik mit einem Bewerber:innen-Mangel zu kämpfen haben. Auch in der Produktion bleiben zahlreiche Stellen unbesetzt, da in den letzten Jahren die Digitalisierung Prozesse und sogar ganze Berufsfelder verändert hat. An der Schnittstelle zwischen IT und Ingenieurwesen entstehen zusätzlich neue Jobprofile – ebenso wie in den Bereichen Industrie 4.0, erneuerbare Energien, KI, autonomes Fahren und Robotik.

Die digitale Transformation bringt große Veränderungen der Industrie- und Ingenieur-Jobs mit sich und lässt Aufgaben und Systeme komplexer werden. Die Ingenieurbranche wird in Zukunft vermehrt Expert:innen benötigen, die in vielen gesellschaftlichen Bereichen Prozesse digital planen, steuern und kontrollieren können. Zahlreichen Kandidat:innen fehlen hierfür allerdings noch die notwendigen Kenntnisse wie beispielsweise für die Datenanalyse oder Automatisierung, die zuvor für die jeweiligen Berufe keine große Rolle gespielt haben. Egal ob für die Planung, Herstellung oder Instandhaltung technischer Produkte und Prozesse: Bei vielen potenziellen Bewerber:innen besteht digitaler Upskilling-Bedarf.

Für Firmen wird es außerdem zunehmend wichtiger, junge Menschen so früh wie möglich für sich zu gewinnen, ans Unternehmen zu binden und ihnen die nötigen Anforderungen zu vermitteln. Doch auch das wird aktuell immer schwieriger: Wie wir in unserem letzten Artikel bereits thematisiert haben, warnt das Institut der deutschen Wirtschaft vor einem verschärften MINT-Fachkräfte-Engpass durch die Bildungsausfälle im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Nicht nur die Qualität der Bildung habe in Schulen und Universitäten gelitten, sondern auch die Möglichkeit für Schüler:innen und Student:innen, praktische Erfahrung sammeln zu können. Zudem ist der Anteil ausländischer Studierender gesunken, die in den MINT-Fächern sonst einen hohen Anteil haben.

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Berechtigte Sorgen des Mittelstands auf der Suche nach Ingenieur:innen

Obwohl die Arbeitslosenzahlen in der Corona-Pandemie gestiegen sind, finden vor allem deutsche Mittelständler laut Mittelstandsbarometer keine ausreichend qualifizierten Bewerber:innen. 54 Prozent der befragten Unternehmen sehen die größte Gefahr der eigenen unternehmerischen Entwicklung darin, nicht genügend geeignete Bewerber:innen finden.

Der ausgeprägte Kandidat:innen Mangel ist für alle Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau ein Problem. Für unbekanntere, mittelständische Unternehmen allerdings ein ein ernsteres, als beispielsweise für Größen wie Siemens, thyssenkrupp oder Airbus. Während sich viele MINT-Absolvent:innen nach ihrem Abschluss vorrangig bei den Big Playern im Markt umschauen wollen, sind weltweit führende Firmen in der Verpackungs- oder Fördertechnik als interessante Arbeitgeber oft unbekannt. Um für potenzielle Bewerber:innen attraktiv zu werden, sollten Unternehmen in erster Linie darauf achten, sichtbar zu sein.

Reichweite erhöht die Sichtbarkeit und gibt unbekannteren Firmen die Chance, sich als ein Arbeitgeber zu präsentieren, der es durchaus mit den großen am Markt aufnehmen kann. In unserer Online Recruiting Studie mit Schwerpunkt Maschinen- und Anlagenbau haben wir 141 Unternehmen auf ihre Candidate Journey untersucht und festgestellt, dass hier durchaus noch Luft nach oben ist.

Candidate Journey bei über 140 Firmen: Luft nach oben

Um Kandidat:innen direkt von der allgemeinen Corporate Page auf die Karriereseite und die offenen Stellen zu locken, ist eine prominente Platzierung des Links “Karriere” oder “Jobs” direkt im Headermenü auf der Startseite empfehlenswert. In der Maschinenbau-Branche geben allerdings nur 69 Prozent der Firmen den Website-Besucher:innen die Chance, ohne langes Suchen direkt auf den Stellenangeboten zu landen.

Link zur Karriereseite Maschinenbau Anlagenbau

Auch die Mobiloptimierung der Karriereseiten, Jobbörsen, Stellenanzeigen und Bewerbungsformulare ist ein wichtiger Teil auf der Suche nach mehr Bewerber:innen. Durch den Wandel der Mediennutzung sind immer mehr Jobsuchende mit ihrem Smartphone unterwegs. Ganz besonders ärgerlich sind nicht mobiloptimierte Stellenanzeigen, wenn zuvor Werbung über Soziale Medien geschaltet wurden: Instagram, TikTok, YouTube oder Facebook werden zum Großteil über Smartphones genutzt. Wer im Internet auf der Suche nach Kandidat:innen ist, sollte auch auf das Internet vorbereitet sein – und das findet heute hauptsächlich auf den Smartphones statt.

Allerdings bieten nur 52 Prozent der untersuchten Unternehmen die Möglichkeit, über ein gut nutzbares mobiles Formular Bewerbungen abzuschicken. 27 Prozent der Firmen zwingen die interessierten Kandidat:innen sogar dazu, für das Abschicken ihrer Daten oder Unterlagen einen Account anzulegen. Insbesondere bei Mangelberufen wie Ingenieur:innen und Techniker:innen ist es fahrlässig, diesen Prozess zu erschweren.

Egal ob Mittelständler, Hidden Champion oder Weltmarktführer: Wer auf einem abgegrasten Markt auf der Suche nach guten Bewerber:innen ist, sollte in seiner Candidate Journey für einen reibungslosen Ablauf sorgen. Was auf dem Arbeitsmarkt los ist und wie Du Deine Karriereseite hierauf besser vorbereitest, erklären wir Dir in unserer aktuellen Studie:

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