Eine Personalsoftware, die subjektive Vorurteile bei der Besetzung neuer Stellen ausmerzen und so für mehr Heterogenität in der Zusammensetzung von Teams sorgen soll, hat der Softwarekonzern SAP nun auf den Markt gebracht.
Schon früher haben wir darüber gesprochen, wie Computer basierte Tools Personalentscheidern bei der Besetzung offener Stellen helfen können. Auch, ob anonyme Bewerbungen den Auswahlprozess gerechter gestalten können, war bereits Thema bei uns.
Letze Woche war nun in einem Artikel der FAZ zu lesen, dass SAP eine Software entwickelt hat, die mit einem Algorithmus Personaler bei der Suche nach Talenten unterstützen soll. Successfactor heißt sie und wird bei SAP schon seit einem Jahr intern genutzt. Die Aufgabe der Software besteht vor allem darin, objektive Entscheidungen zu fördern. Personaler sollen so weniger durch ihre persönlichen Vorurteile (z.B. hinsichtlich Geschlecht, Alter oder Herkunft) geleitet werden.
Personalvorstand Stefan Ries sagt dazu:
“Der Einsatz der Software soll sicherstellen, dass Aspekte, die nicht relevant für den Job sind, nicht in die Entscheidung einfließen.”
Objektive Vorschläge vs. subjektive Überzeugungen
Der Algorithmus scannt Lebensläufe und auch freigegebene Profile in sozialen Netzwerken anhand von Kriterien, die für den Job wichtig sind (und die der Personaler filtern kann). Anschließend schlägt die Software passende Kandidaten vor. Die Software kann auch intern eingesetzt werden: hier kann sie durch Messungen ermitteln, welche Mitarbeiter durch Schulungen oder Weiterbildungen noch gefördert werden können.
Hinter der Entwicklung der Personalsoftware steckt aber nicht der noble Anspruch, die HR-Welt zu einem besseren und gerechteren Ort zu machen, sondern der Wunsch von SAP-Kunden nach einem Programm, das ihnen dabei helfen kann, häufige demographische Vorurteile zu umgehen und so für mehr Vielfalt innerhalb der Mitarbeiterzusammensetzung zu sorgen.
Schon vor Jahren konnten Studien belegen, dass heterogene Teams zahlreiche Vorteile haben. Sie sind von sich aus innovativer und kreativer, bieten durch unterschiedliche Ansichten und Ansätze mehr Chancen auf neuen Märkten und tragen international zu einem besseren Image bei.
Über Diskriminierung im Bewerbungsprozess gibt es viel zu berichten. Anonymisierte Bewerbungen zum Beispiel, die durch nackte Fakten und ohne Fotos der Kandidaten mehr Chancengleichheit versprechen, werden hierzulande überwiegend abgelehnt. Erst kürzlich ergab eine aktuelle Studie von Indeed, dass 87% der deutschen Personaler sie nicht akzeptieren. Unternehmen, die Successfactor nutzen, könnten so also einen Schritt hin zu Prozessen gehen, in denen Effekte der Subjektivität ihrer Personaler abgeschwächt werden.
Mensch vs. Maschine
Wie immer, wenn es um Themen der Digitalisierung geht, wird aber auch schnell die Frage laut, ob die Software in Zukunft den Menschen, der sie bedient, überflüssig macht. SAP Personalvorstand Ries verneint, die Software solle lediglich die Qualität der Entscheidung verbessern, Personaler aber keinen Falls ersetzen. Dafür begrüßt er, dass Personalverantwortliche unter stärkerem Rechtfertigungsdruck stehen könnten, wenn sie sich gegen die Vorschläge des Algorithmus entscheiden, weil, so Ries, das eine Diskussionskultur fördern könnte.
Und was ist mit Bauchgefühl und der viel beschworenen Menschenkenntnis? Viele Personaler vertrauen ihrer Intuition. Aber diese ist nicht unfehlbar und direkt mit dem eventuell vorbelasteten Unterbewusstsein verknüpft. Und auch ein Algorithmus kann nicht sowas wie eine “Garantie” leisten, wenn es um Personalentscheidung geht. Vielleicht ist es also ein guter Weg, beide Faktoren nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten zu lassen.
Habt Ihr bereits Erfahrungen gesammelt, wenn es um Personalsoftware geht, die fakten-basierte Kandidatenvorschläge macht?