[HTTP410] Amazon startet eine Jobbörse

Heute sind ja alle am Scherzen. April, April, huhu. Ein gewisser guter Freund, nennen wir ihn mal Marc, informierte mich heute über einen möglichen Einbruch in meine Wohnung. Ganz toll, Marc, ganz toll! 🙂

Auch in der HR-Szene wird gescherzt. Das Gute daran ist, dass so manch ein HR-Scherz sich als eine Sammlung interessanter Ideen entpuppt, über die man durchaus nachdenken könnte/sollte. Das gefällt mir. Hätten wir jeden Monat einen 1. April wären wir womöglich ein innovativeres (HR-)Land.

Ich möchte diese aufgeschlossene Stimmung nutzen, um eine kleine, gerne auch große, ernst gemeinte Diskussion über die mögliche Zukunft der Online-Stellenanzeige anzuzetteln. In einem kürzlich geführten Gespräch am HR-Barcamp Vorabend wurde die Frage diskutiert, ob Nutzerdaten, die im Bereich Produktmarketing seit längerer Zeit fleißig gesammelt werden, zur effizienteren Platzierung von Stellenangeboten verwendet werden könnten. Könnten wir genau der richtigen Person genau die richtige (Stellen-)Anzeige genau da, wo die Person sich gerade im Netz aufhält, zum richtigen Zeitpunkt unaufgefordert einblenden lassen?

Ich persönlich würde sagen, ja klar, zumindest perspektivisch. Ansonsten verlangt diese spannende Frage nach ausführlicheren Analysen, die ich hoffentlich hier demnächst liefern kann. Zum Einstig ein kleiner Vorgeschmack mit der Bitte um Eure Einschätzungen und Meinungen. Was wäre, wenn Euch heute bei Amazon oder einem anderen Shop Eures Vertrauens folgendes Bild geboten würde?

Amazon Jobbörse

Die Idee einer Amazon-Jobbörse ist einfach: Vorschlag-Algorithmen analysieren unsere Käufe und schlagen uns thematisch verwandte Produkte vor oder aber Produkte, die Menschen mit einem ähnlichen Verhaltensmuster erworben haben. Wie weit ist der Schritt zum Vorschlag von Produkten aus anderen Bereichen, wozu letzten Endes auch Stellenangebote gehören?!

Wenn die folgende Logik funktioniert:

WENN Sie Bücher über PHP kaufen, DANN könnten Sie sich auch für MySQL interessieren. 

Warum dann nicht auch die folgende:

WENN Sie Bücher über PHP kaufen, DANN könnten Sie ein PHP-Entwickler sein.

Oder die folgende:

WENN Sie Bücher über PHP und Management kaufen UND sich sonst für große Autos und teure Uhren interessiern, DANN zeigen wir Ihnen nur Jobs ab einem bestimmten Führungs- und Gehaltslevel. 

Was haltet Ihr von diesem Gedanken?  Warum gibt’s es diese “Jobbörse” noch nicht? Wie würdet Ihr einen Job-Vorschlag auf diesem Wege finden? Glaubt Ihr, dass man anhand unseres Kaufverhaltens treffsichere Persönlichkeitsprofile erstellen kann, die sich für treffsicheres Personalmarketing einsetzen ließen?

[HTTP410] Keine Angst vor Shitstorms

Was für spannende Wochen: Amazon, bayrische Polizisten, Pferdefleisch – ein Aufreger jagt den nächsten. Und natürlich macht sich der moderne Wutbürger auch online Luft. Die Folge: Vernichtende Shitstorms. Ist das wirklich so?

Blicken wir mal zurück: Damals, 2009… Sich als “Social Media Berater” zu bezeichnen, zog noch keine belustigte Häme nach sich und Shitstorms konnten verwendet werden, um Unternehmen die Notwendigkeit zu verdeutlichen, einen solchen Berater zu konsultieren. Diese Argumentation lief etwa so:

“Unternehmen X war nicht in Social Media aktiv. Unternehmen X dachte also, es wäre sicher vor Anfeindungen und Schmähungen, bis es einen kleinen, aber folgenschweren Fehler machte, der sich via Twitter und Facebook wie ein Lauffeuer um die ganze Welt verbreitete. Die Folgen: Sinkende Aktienkurse, herber Imageverlust, Frustration bei den eigenen Mitarbeitern. Unternehmen X ist am Ende, geben Sie ihm noch 6 Monate!”

Und heute?

United Airlines fliegt nach wie vor, trotz des unachtsamen Umgangs mit einer Gitarre, ich habe diesen Winter so viele Jack Wolfskin-Jacken gesehen wie nie zuvor und Vodafone zieht als Telko-Anbieter genau so viel Hass auf sich wie eh und je – ob mit oder ohne Shitstorm. Irgendwann kam dann auch die Gegenreaktion: “Shitstorms sind völlig egal”, schrieb Nico Lumma letztes Jahr und meint:

Das, was derzeit als Shitstorm bezeichnet wird, ist letztendlich nur eine geballte Anzahl von Unmutsäußerungen irgendwo online.

Sehr richtig. Natürlich sind Shitstorms unangenehm, eben weil sie ein (vermeintliches) Problem des Unternehmens an die Öffentlichkeit zerren und u.U gar Medieninteresse wecken. Aber genau das war es in der Regel auch schon. Im schlimmsten Fall gehen die Umsätze kurzfristig zurück – dauerhaften Schaden haben Unternehmen aber nie genommen. (Für Gegenbeispiele bin ich offen. Bitte in die Kommentare posten.) Ich für meinen Teil wette, dass mindestens 99% derer, die vor 4 Wochen bei Amazon bestellten oder Tiefkühllasagne kauften, es auch auch in 6 Monaten wieder tun werden.

Völlig zu ignorieren sind Shitstorms als Phänomen natürlich nicht, zumal sie innerhalb der betroffenen Organisationen für erhebliche Unruhe sorgen können. Gerade hier schlägt das Halbwissen über den vermeintlichen Schaden am heftigsten ein. Und plötzlich wird der arme Praktikant, der die Facebook-Page betreuen durfte zum gescheiterten Krisenmanager, weil er in Panik geriet und ein paar Kommentare löschte.

Grundsätzlich gilt: Weder begünstigt noch verhindert ein eigener Social Media-Auftritt einen Shitstorm. Und gerade im HR-Bereich muss man ehrlich sagen: Von einer Relevanz, die einen erzürnten Mob mit sich bringen könnte, können die meisten Arbeitgebermarken nur träumen. Da muss noch viel Grundlagenarbeit geleistet werden, bevor wir uns ernsthaft mit sogenannten “Krisen” auseinandersetzen müssen.

Die Shitstorms als Kalkül

Noch mehr Schrecken verliert der Online-Mob in meinen Augen, seitdem er bewusst in Marketing-Kampagnen und Entertainment-Angeboten eingesetzt wird. Christians Ulmens Show “Who wants to fuck my girlfriend” fiel mitten in die #aufschrei-Debatte um Alltagssexismus und nutze diese gekonnt als Trampolin. In Hamburg werden wir seit zwei Tagen Zeuge einer Kampagne für ein “sauberes, schöneres und vor allem obdachlosenfreies Hamburg”, die verdächtig an die Kampagne zur Rettung der Troy Library in Michigan erinnert: Kalkulierte Provokation mit einer “Book Burning Party”: