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Nerds, Geeks und Freaks – so stereotyp die Vorurteile über die Menschen in der ITK-Branche sind, so vielfältig sind die Jobprofile am Ende tatsächlich – und die entsprechenden Spezialist*innen und Expert*innen werden händeringend gesucht. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr gut 14.000 Stellen unbesetzt. Und das sind nur die offiziellen Zahlen der Behörde, denn längst nicht jeder Job wird überhaupt gemeldet. Der Branchenverband Bitkom hat rund 850 Unternehmen über alle Branchen hinweg befragt und schätzte die Zahl der unbesetzten Stellen für IT-Expert*innen Ende 2020 gar auf 86.000. Aber warum ist die Suche nach Bewerber*innen in den Informatik- und ITK-Berufen so schwierig? Ein Blick in die Arbeitsmarkt-Daten gibt Aufschluss. [promotional-banner id=”56702″]
1. IT JOBS: VIELE STELLEN, WENIG ARBEITSLOSE
In den Informatik- und ITK-Berufen waren hierzulande im Jahr 2020 fast 900.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt – ein Plus von 4,8 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr und das trotz Corona. Der Bedarf steigt also. Das wird vor allem deutlich im Vergleich zum gesamten Arbeitsmarkt.
Die Zahl der Beschäftigten sank über alle Branchen hinweg um 0,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote im Gesamtmarkt lag 2020 bei 5,9 Prozent – die der IT lediglich bei 3,2 Prozent. Der Bedarf in der Branche ist also groß und wächst weiter, während die Zahl der Arbeitslosen unterdurchschnittlich ist. Es gibt in den Informatik- und ITK-Berufen also wenige qualifizierte Arbeitskräfte und viele freie Stellen. Das schlägt sich auch in den Vakanzzeiten der Jobs und in der Arbeitslosen-Stellen-Relation nieder. Ein Job auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleibt durchschnittlich 131 Tage unbesetzt, in der IT sind es durchschnittlich 137 Tage.
Das klingt erst einmal nach keinem allzu großen Unterschied, allerdings reichen die Vakanzen im IT-Bereich bis zu durchschnittlich 196 Tagen für Expert*innen in der Softwareentwicklung und Programmierung – länger als ein halbes Jahr also. Noch deutlicher werden die Unterschiede bei der Arbeitslosen-Stellen-Relation: Auf eine freie Stelle im gesamten Arbeitsmarkt kommen 6,32 Arbeitslose – die Zahl der potenziellen Bewerber*innen ist also relativ hoch. Bei den Berufen in der Informatik- und ITK-Branche sind es lediglich 2,11 Arbeitslose je Stelle. Die Zahl der potenziellen Bewerber*innen ist deutlich niedriger als im Durchschnitt aller Branchen und die Zahl kann noch als zuversichtlich betrachtet werden, denn die Arbeitslosenzahlen werden der Arbeitsagentur in jedem Fall gemeldet – die freien IT Stellen aber eben nicht. Qualifizierte Arbeitskräfte müssen also aus bestehenden Arbeitsverhältnissen abgeworben werden, was den Recruitingprozess schwieriger macht.
2. DAS ANFORDERUNGSNIVEAU IST HOCH
Der Gesamtarbeitsmarkt in Deutschland setzt sich zusammen aus gut 15 Prozent Helferstellen, den Löwenanteil machen mit knapp 58 Prozent die Fachkräfte aus. Die restlichen gut 25 Prozent sind Spezialist*innen und Expert*innen.
Ganz anders sieht der Markt für Informatik- und andere ITK-Berufe aus: Es gibt keinerlei Helferjobs und mit 17 Prozent auch vergleichsweise sehr wenig Fachkräfte, wie die Grafik zeigt. Der größte Teil der Beschäftigten arbeitet mit 43 Prozent als Spezialist*in, weitere knapp 40 Prozent sind gar Expert*innen. Das heißt, Unternehmen suchen sehr gut ausgebildete Bewerber*innen und können nicht auf Helfer*innen und kaum auf Fachkräfte zurückgreifen. Das zeigt sich auch beim Anteil der Zeitarbeitsstellen. Diese werden bei der Arbeitsagentur gesondert erfasst. Durch Zeitarbeit können Recruiting-Prozesse ausgelagert werden und Arbeitskräfte auch kurzfristig oder projektbezogen angeworben werden.
Im gesamten Arbeitsmarkt lag der Anteil der Zeitarbeitsstellen an allen ausgeschriebenen Stellen 2020 bei knapp 30 Prozent. In den Informatik- und ITK-Berufen ist der Anteil mit 11,8 Prozent deutlich geringer. Das liegt am beschriebenen Spezialisierungslevel: Während es sich bei den meisten Zeitarbeiter*innen um Hilfs- oder Fachkräfte handelt (90 Prozent), sind die meisten Beschäftigten in der IT höher qualifiziert (87 Prozent), sodass wenig Einsatzgebiete für Zeitüberlassung entstehen. Zum Vergleich: In Gesundheits- und Krankenpflegeberufen, in denen ebenfalls ein großer Arbeitskräftemangel herrscht, lag der Anteil 2020 bei 25,6 Prozent. In den ebenfalls technischen Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik machte Zeitarbeit gar die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen aus.
3. Die Altersstruktur der Beschäftigten: Die Jungen und Alten sind unterrepräsentiert
Aktuell liegt der Anteil der unter 25-Jährigen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf dem gesamten Arbeitsmarkt bei 9,8 Prozent. Gut jede*r Fünfte ist zwischen 25 und 34 Jahre alt. Die größte Altersgruppe sind die 35- bis 54-Jährigen mit 46,1 Prozent. Die Beschäftigten über 55 Jahren machen 21,9 Prozent aus, wie die Grafik zeigt.
Unter den Beschäftigten in der IT ist sowohl der Anteil der ganz Jungen, vor allem aber der Anteil der Beschäftigten über 55 Jahren geringer. Eine hohe Spezialisierung fordert eine hohe Bildung – und die ist zeitaufwändig: Sehr junge Mitarbeiter*innen befinden sich also noch in Ausbildung und Studium und steigen erst später ein, ältere Mitarbeiter haben häufig nicht die passende Aus– und Weiterbildung, weil es viele digitale Bereiche erst seit kurzem gibt. Somit ballt sich der IT-Arbeitsmarkt im Alter von 25 bis 54 Jahren. Das mag erst einmal nicht besonders problematisch klingen. Betrachtet man allerdings die Bevölkerungspyramide des Statistischen Bundesamtes, wird deutlich, warum durch diese Altersstruktur ein Engpass entsteht.
Im Jahr 2019 waren 38 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 25 und 53 Jahren alt. Die über 54-Jährigen machten ebenfalls 38 Prozent aus. Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenzahl und Lebenserwartung und einem niedrigen Wanderungssaldo werden sich die Anteile so verschieben, dass im Jahr 2030 die 25- bis 53-Jährigen nur noch einen Anteil von 36 Prozent der Bevölkerung darstellen, der Anteil der über 54-Jährigen wird dann bei 41 Prozent liegen. Im Jahr 2040 liegen die Anteile dann bei 34 und 43 Prozent. Das heißt, aktuell schöpft der IT-Markt das Potenzial der Älteren nicht aus und wenn er es künftig weiterhin nicht tut, weil die digitale Entwicklung rasanter verläuft als die Weiterbildung der Beschäftigten, wird der Kreis der potenziell qualifizierten Arbeitskräfte immer kleiner.
4. Hohe Nachfrage führt zu hohen Gehältern
Auch in der IT-Branche gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wenige qualifizierte Arbeitskräfte kommen auf viele Stellen, was die Gehälter nach oben treibt. Das Median-Bruttogehalt der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland lag im Jahr 2020 bei 3.401 Euro. Beschäftigte in Informatik- oder anderen ITK-Berufen verdienten im Mittel 5.144 Euro und damit deutlich mehr.
Nicht jedes Unternehmen bleibt da wettbewerbsfähig. Vor allem Unternehmen mit Tarifbindung oder sehr kleine Unternehmen können im Zweifelsfall nicht mithalten. In einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom gaben die befragten Unternehmen an, dass die Gehaltsvorstellungen der Bewerber*innen die häufigste Schwierigkeit bei der Besetzung von IT Stellen sind. Eine Gehaltsauswertung der Vergütungsdatenbank Compensation Partner zeigt, dass die Spitzenverdiener*innen der Branche in der Beratung, Analyse und Konzeption arbeiten. Sie verdienen durchschnittlich knapp 79.000 Euro pro Jahr. IT-Führungskräfte liegen gar im sechsstelligen Bereich. Die „Geringverdiener*innen“ der Branche sind Webdesigner*innen mit rund 53.500 Euro pro Jahr.
5. Die IT hat ein Geschlechterproblem
Im vergangenen Jahr waren hierzulande über alle Branchen hinweg 46,3 Prozent der Beschäftigten Frauen und 53,7 Prozent Männer. Der deutsche Arbeitsmarkt ist also nahezu paritätisch zwischen den Geschlechtern aufgeteilt.
Unter den Beschäftigten in Informatik- oder anderen ITK-Berufen lag der Frauenanteil dagegen bei gerade einmal 16,8 Prozent. Warum das so ist, haben wir in unserem Beitrag zu Frauen in der IT genauer beleuchtet. Für Unternehmen schränkt diese Geschlechterverteilung die Auswahl an potenziellen Bewerber*innen deutlich ein: Wenn sie Fachkräfte suchen, ist der durchschnittliche Bewerber mittelalt und männlich. Zudem zeigt sich auch in der IT der so genannte Gender Pay Gap, also eine schlechtere Bezahlung von Frauen.
Die aktuellsten verfügbaren Daten für das Jahr 2019 zeigen: Während das monatliche Medianentgelt der Männer bei 5.237 Euro pro Monat lag, verdienten Frauen nur 4.614 Euro. Der Gender Pay Gap in der IT liegt also bei knapp 12 Prozent.
Fazit
Wenig Arbeitslose, viele unbesetzte Stellen, hohe Spezialisierung, wenig Jüngere und Ältere, kaum Frauen und hohe Gehälter – die Strukturen in der IT-Branche machen es Unternehmen schwer, geeignetes Personal zu finden. An welchen Stellschrauben können sie also selbst drehen?
Beim Gehalt müssen Unternehmen wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und akzeptieren, dass Arbeitskräfte mit Mangelprofil am längeren Hebel sitzen und sich ihren Job aussuchen können – das heißt, die Konditionen müssen stimmen. Allerdings fallen unter die Konditionen eben nicht nur die Gehälter, auch das Unternehmensimage kann ausschlaggebend sein, genauso wie die angebotenen Benefits. Vor allem jüngeren Arbeitnehmer*innen sind zunehmend andere Dinge wichtig als den Älteren, dazu gehören flexible Arbeitszeiten, Selbstverwirklichung und eine sinnvolle Tätigkeit. Bei diesen Themen können sich Unternehmen durch gute Kommunikation nach außen positionieren und potenzielle Bewerber*innen anziehen.
Auch der Bereich Aus- und Weiterbildung, den Unternehmen selbst in der Hand haben, fällt in den Bereich der Konditionen. Jüngere Arbeitskräfte früh anzuwerben und in Ausbildung und Schulung zu investieren, kann sich ebenso lohnen, wie älteres Personal weiterzubilden. Außerdem birgt der geringe Frauenanteil ein Potenzial, das Unternehmen bisher nicht ausschöpfen können.
Schlussendlich sollten Unternehmen bei der Suche nach Mangelprofilen den Bewerbungsprozess möglichst einfach halten. Beim Thema Bewerbungsmanagement und Recruiting gibt unsere aktuelle Branchenstudie Aufschluss, wie der Prozess ablaufen muss, damit Interessierte nicht schon verloren gehen, bevor der Lebenslauf überhaupt auf den Schreibtischen von Recruitern landet – denn das darf bei einem Arbeitskräftemangel wie in den Informatikberufen schlicht nicht passieren.
Wir haben daher untersucht, wie die Candidate Journey bei über 100 Unternehmen der ITK-Branche aussieht: Sind die Anzeigen mobiloptimiert, gibt es einen Login-Zwang, kann man sich auch per Mail bewerben und umfasst die Bewerbung endlose Pflichtfelder, bevor die Bewerbung überhaupt abgeschickt werden kann?
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