Chemiker sind die neuen Biologen, las ich irgendwo während meiner Recherche für diesen Artikel. Warum? Weil offenbar sehr viele Biologen arbeitslos sind. Studieren auf Taxischein nannte man das früher bei uns in der Germanistik.
Ein Blick in unsere Studie zu Arbeitsmarktdaten und Online Recruiting für Chemie und Pharmazie verrät: Richtig – die Chancen, als Spezialist:in im Bereich Chemie einen Job zu finden sind nicht allzu rosig. Auf 100 offene Stellen kommen 869 Arbeitslose, womit wir uns weit im Bereich eines Fachkräfteüberschusses bewegen.Auf dem Anforderungsniveau der Fachkraft sieht es etwas besser aus, hier streitet man immerhin nur mit durchschnittlich 4,19 Konkurrent:innen um die nächste freie Position. Kein Wunder also, dass Unternehmen es meist binnen drei Monaten oder weniger schaffen, ihre Vakanzen zu besetzen.
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Im Bereich der pharmazeutischen Berufe ist die Lage aus Unternehmenssicht etwas angespannter, hier finden wir immerhin schon einen leichten Fachkräfteengpass vor. Die Arbeitsagentur schätzt die Chance für Bewerber:innen, eine Beschäftigung zu finden dennoch als hoch ein. In Zahlen ausgedrückt: Auf jede offene Stelle für Pharmazeutisch-technische Assistent:innen kommen 2,51 Arbeitslose. Auf Expertenniveau (z.B. Pharmazeut:in oder Regulatory Affairs Manager:in) sind es 2,41 Arbeitslose.
Es scheint ganz so, als ob Unternehmen aus den Bereichen Chemie und Pharmazie offenbar wirklich GAR KEINE Not haben, passende Bewerber:innen zu finden, denn anders lassen sich die Ergebnisse im Online Recruiting-Abschnitt unserer Studie kaum erklären.
Generation Z will sich mobil bewerben
Wir wissen, dass mittlerweile rund die Hälfte aller Zugriffe auf Stellenanzeigen über mobile Endgeräte stattfinden. Das wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich noch verstärken, schließlich sind die ersten Geburtenjahrgänge der Generation Z (ab 1997) bereits auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterwegs. Diese präferieren laut einer Studie zu 53,5 Prozent die mobile Bewerbung gegenüber der traditionellen Bewerbung vom Desktop-Rechner aus. Zum Vergleich: In der Generation Y fällt das Verhältnis bei 38,1 zu 61,9 Prozent zugunsten der traditionellen Bewerbung aus.
Wir sehen bei unserer Untersuchung der Online Candidate Journey, dass zwar fast alle der über 100 untersuchten Unternehmen eine mobiloptimierte Karriereseite haben, 91 Prozent auch noch eine mobiloptimierte Stellenbörse, dass aber bei nur noch mageren 41 Prozent auch das Bewerbungsformular mobiloptimiert ist.
Ein echter Conversion-Killer, denn sobald die Bedienung dem User zu lästig wird, bricht dieser den Prozess häufig ab. In die gleiche Kategorie fällt der Login-Zwang, bei dem die Branchen ebenfalls einen Negativrekord von 45 Prozent vorweisen können. Diese Erkenntnis ist aus zwei Gründen schade:
Ganz offensichtlich wird hier ein dringend notwendiger Schritt der Digitalisierung verpasst, der vielen Unternehmen eventuell in nicht allzu ferner Zukunft auf die Füße fällt.
Eine derart unternehmenszentrierte Sicht zeugt davon, dass sich knapp die Hälfte der Unternehmen in ihrem Arbeitgebermarkt so sicher fühlt, dass sie es nicht für notwendig hält, einen Blick auf potenzielle Arbeitnehmer:innen zu werfen und eine möglichst nutzerfreundliche Candidate Journey zu gestalten.
Recruiting für Chemie & Pharma: Angst vor zu vielen Bewerbungen?
Vielleicht sind diese Hürden aber auch bewusst gesetzt, falls sich in vielen Personalabteilungen Post & Pray eher darauf bezieht, nicht ZU VIELE Bewerbungen zu erhalten. Allerdings gibt es auch hierfür Maßnahmen, die keine Bewerbervermeidung darstellen, sondern darauf abzielen, Profile und Jobtitel zu schärfen und gezielt passende Kandidat:innen anzusprechen.
Tatsächlich kommt das großer ABER auch erst jetzt zum Schluss: Wirft man mithilfe unseres Jobspreader Marktdaten Checkers einen Blick auf die Arbeitsmarktdaten der jüngeren Vergangenheit, zeichnet sich ein anderes Bild. Die Quoten in den übergeordneten Berufsgruppen sehen gut aus. Auf der Ebene der Fachkräfte – also der breiten Masse der Gesuchten – zeigen sich aber sehr wohl Engpass- und Mangelprofile. Bei Chemielaborant:innen bewegte sich die Arbeitslosen-Stellen-Relation in den vergangenen sechs Monaten beständig unter der Marke von 2,5, bei Pharmazeutisch-technischen Assistent:innen durchgehend unter 3. Umso schlimmer sind vor diesem Hintergrund die Ergebnisse der Online Recruiting Studie.
Also: Auch wenn es auf dem aktuellen Arbeitsmarkt für Pharmazie und Chemie (noch) wenig Mangel an potenziellen Bewerber:innen gibt, sollten Unternehmen aktuelle Entwicklungen nicht ignorieren. Vielmehr sollten sie den Zeitpunkt nutzen, ihr Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting anzupassen, um sich für einen möglichen War for Talents zu wappnen. Denn aktuell – auch das zeigen die Marktdaten – scheint sich die Branche zu erholen und wieder vermehrt Stellen auszuschreiben. Und die müssen dann auch besetzt werden!
Eine Studie von Linkedin bietet erneut Einblicke in die Trends, die Talent Professionals weltweilt dieses Jahr auf dem Vormarsch sehen. Dieses Mal Trend-Thema Nr. 1: die Soft Skills. Befragt wurden über 5.000 Personaler in 35 Ländern, zudem sind weitere Daten von Linkedin eingeflossen.
Wir fassen für Euch zusammen, was die Studie über zwei der vier Top-Trends zu sagen hat.
Die Top Trends: Soft Skills und Flexibilität bei der Arbeit
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Prozent der Teilnehmer zustimmten, dass die benannten Trends sehr wichtig für die Zukunft des Recruitings und der HR-Branche im Allgemeinen sind:
Angeführt wird die Liste von den berühmten Soft Skills, mit 91% Zustimmung der Befragten. Auf dem zweiten Platz findet sich das Thema flexibles Arbeiten, das für 72% der Teilnehmer sehr wichtig ist. Fast ebenso wichtig (71%) ist für sie aber auch die Thematik der Belästigungen am Arbeitsplatz, beziehungsweise die Verhinderung solcher. Den vierten Platz belegt mit 53% Zustimmung das Thema der Gehaltstransparenz.
Da wir hier nicht weiter auf den Aspekte der Belästigung am Arbeitsplatz und die Gehaltstransparenz eingehen, nur am Rande ein kleiner Fun Fact: Ratet mal, welche Befragten diese beiden Themen am wenigsten wichtig für die Zukunft des Recruiting/HR von allen Nationen finden? Jap, die Deutschend sind’s. Das ist jetzt schon irgendwie bezeichnend…
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In der Tech-Branche herrscht Mangel: Qualifizierte Arbeitskräfte werden händeringend gesucht, wie unsere Branchenstudien der vergangenen Monate zeigen. Und der Bedarf wird weiter steigen, denn die Digitalisierung ist in vollem Gange und „dieses Internet“ und die damit verbundenen Technologien werden wohl entgegen einiger Meinungen übermorgen nicht wieder verschwunden sein. Auffällig an der Branche ist nicht nur der Mangel an Arbeitskräften generell, sondern vor allem an weiblichen. Wo sind die Frauen in der IT-Branche?
Der Anteil an IT-Spezialistinnen liegt hierzulande seit Jahren unverändert bei etwa 16 Prozent – 2020 waren es laut Bundesagentur für Arbeit 16,8. Diese geringe Zahl kann sich in Anbetracht des Bedarfs eigentlich niemand leisten. Trotzdem haben Unternehmen Schwierigkeiten, Frauen für ihre Jobs zu finden.
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FRAUEN SIND IN MINT-FÄCHERN UNTERREPRÄSENTIERT
Das Problem beginnt bereits vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt: Im Jahr 1990 gab es in Deutschland gut 136.400 Studierende in den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). 22,8 Prozent davon waren Frauen. 2019 hat sich die Zahl der Studierenden fast verdreifacht – der Frauenanteil stieg im selben Zeitraum um etwa 12 Prozentpunkte auf rund 34 Prozent – eine magere Steigerung in Anbetracht des Bedarfs.
Dabei sind die MINT-Fächer noch einmal breit gefächert. Das Statistische Bundesamt zählt insgesamt 19 Studiengänge in den MINT-Bereich, sie reichen von Fächern wie Pharmazie, das bei Frauen sogar beliebter ist als bei Männern, bis hin zu Verkehrstechnik/Nautik, in dem die Frauen am stärksten in der Unterzahl sind.
Im Wintersemester 2019/20 sahen die Top und Flop 5 der MINT-Studiengänge bei Frauen wie folgt aus:
SO (UN)WEIBLICH IST DIE INFORMATIK-AUSBILDUNG
Die Informatik-Studiengänge gehören also zu denen im MINT-Bereich, die den größten Frauenmangel verzeichnen. Lediglich 21,8 Prozent der Erstsemester-Studierenden im Wintersemester 2019/20 waren weiblich.
Auch innerhalb der Informatik-Studiengänge zeigen sich noch einmal deutliche Differenzen. So liegt der Anteil der Frauen laut Daten des Statistischen Bundesamtes in Bioinformatik und Medizinischer Informatik bei über 40 Prozent. Am geringsten ist der Anteil in Ingenieursinformatik. Auch hier zeigt sich, dass es bestimmte Bereiche sind, die Frauen offenbar meiden: Je technischer, desto geringer ihr Anteil.
Noch deutlicher wird der geringe Frauenanteil bei den dualen Informatik-Ausbildungen, wie die Grafik zeigt. Hier ging die Zahl laut Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung in den vergangenen 20 Jahren sogar deutlich zurück. Im Jahr 2019 lag der Frauenanteil an allen neu unterschriebenen IT-Ausbildungsverträgen bei gerade einmal 8,6 Prozent.
WENIG FRAUEN IN DER AUSBILDUNG – WENIG FRAUEN AUF DEM ARBEITSMARKT
Entsprechend wenig Frauen kommen im IT-Bereich überhaupt auf dem Arbeitsmarkt an. Die Verteilung innerhalb der Informatik-Studiengänge setzt sich im Berufsleben fort und reicht laut Bundesagentur für Arbeit von 36,7 Prozent Frauenanteil in Bio- und Medizininformatikjobs bis hin zu 10,5 Prozent in der IT-Systemadministration. Hinzu kommt, dass es sich bei den Berufen mit hohem Frauenanteil auch um diejenigen handelt, in denen die Beschäftigtenzahlen geringer sind. So waren 2020 in der Softwareentwicklung knapp 230.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, in der Bio- und Medizininformatik lediglich knapp 1.500.
Genauso gering ist der Anteil von Frauen in Informatik und anderen IKT-Führungspositionen.
Es ist also kein Wunder, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Stellen mit Frauen zu besetzen – weibliche Fachkräfte sind schlicht nicht da.
Doch woran liegt das?
DAS GENDER EQUALITY PARADOX
Eine Studie der Leeds Becket University aus dem Jahr 2018 prägte mit ihren Ergebnissen einen Begriff zum Frauenanteil in MINT-Berufen: Das Gender Equality Paradox.
Eigentlich sollte man meinen, dass in Ländern, in denen das Geschlechterverhältnis gesellschaftlich gleichberechtigter ist, auch ein höherer Anteil an Frauen „typische Männerberufe“ ausübt. Die Studie konnte diesen Zusammenhang nicht bestätigen, sondern fand sogar eher das Gegenteil heraus: In Ländern, die weniger gleichberechtigt sind, ist der Anteil von Frauen in der IT zum Teil deutlich höher. Verglichen wurden dabei PISA-Ergebnisse von Ländern weltweit mit dem Global Gender Gap Index des World Economic Forum, also einem Gradmesser für die Geschlechtergleichstellung in den Ländern.
Eine These der Autor*innen der Studie lautete daraufhin, dass in wirtschaftlich schlechter gestellten Ländern ein IT-Job größere Aufstiegschancen biete und Frauen darum weniger geschlechterstereotype Berufe wählten als in Ländern, in denen auch die weniger gut bezahlten „frauentypischen“ Berufe einen gewissen Lebensstandard ermöglichen. Diese These untermauert das Stereotyp, dass Frauen, wenn sie die Wahl haben, nicht in techniklastigen Berufen arbeiten – und genau dieses Vorurteil ist viel eher das Problem, wie auch Folgestudien kritisierten.
GENDER EQUALITY HUI, FRAUEN IN DER IT PFUI?
Zunächst einmal bleibt es bei der Feststellung, dass die Anzahl der Frauen in der Informatik und anderen MINT-Fächern nicht automatisch steigt, wenn die Rahmenbedingungen in Ländern gleichberechtigter werden. Auf die EU übertragen bestätigt sich diese Erkenntnis, wenn man den Frauenanteil in IKT-Jobs mit dem jeweiligen Gender Equality Index der Europäischen Union vergleicht. Der Gender Equality Index misst, wie es um die Gleichstellung in einem Land steht. Mit einbezogen werden etwa die Verteilung der politischen Macht, Gesundheit, aber auch Finanzen oder Bildung und die Verteilung von Care-Arbeit.
Es zeigt sich, dass nicht jene Länder mit ausgeprägter Geschlechtergleichstellung auch die höchste Anzahl an Frauen in IT-Berufen haben. Schweden kommt im Jahr 2020 mit 83,8 Punkten EU-weit auf den höchsten Gleichstellungswert. Beim Frauenanteil in der IT liegt das Land mit 20,1 Prozent allerdings nicht in der Spitzengruppe. Diese setzt sich zusammen aus Bulgarien, Litauen und Lettland, gefolgt von Rumänien und Estland. Alle fünf Länder schneiden beim Gender Equality Index unterdurchschnittlich ab.
Die nicht vorhandene Korrelation zeigt sich in der Grafik in dem leeren weißen Feld rechts oben und der Häufung von Ländern mit hohem Equality Index im mittleren oberen Bereich und der Verteilung von Ländern mit geringem Equality Index im unteren Bereich.
YOU CAN’T BE WHAT YOU CAN’T SEE
Die bereits genannten Folgestudien machen soziale Faktoren für das Paradox verantwortlich: Fehlende Vorbilder und vermittelte Stereotype, nach denen Frauen im Feld der Mathematik schlechter seien, werden für die Geschlechterlücke im MINT- und damit IT-Bereich verantwortlich gemacht. Bei der Informatik kommt erschwerend hinzu, dass es an Schulen kein Pflichtfach ist, im Gegensatz zu Mathematik oder Naturwissenschaften. Die Tech-Branche ist stattdessen stark geprägt vom Stereotyp des männlichen Nerds, das Apple und Microsoft in den 80er-Jahren prägten.
Doch auch historische Gründe spielen eine Rolle beim Geschlechterunterschied: In den Ländern mit verhältnismäßig hohem IT-Frauenanteil wurde zur Zeit der Entstehung der Branche ein anderes politisches und wirtschaftliches System gelebt. Während hierzulande die so genannte Versorgerehe üblich war, waren berufstätige Mütter und Frauen in vielen osteuropäischen Ländern der Normalfall. Sie entwickelten die Tech-Branche mit und sind dadurch Vorbilder für die nachfolgenden Generationen geworden, so die These der amerikanischen Wissenschaftlerin Kristen R. Ghodsee, die an der University of Pennsylvania Russische und Osteuropäische Studien lehrt.
Diese These lässt sich auch am Beispiel Deutschlands belegen, das bis vor 30 Jahren politisch geteilt war. Bis 2011 wurden Beschäftigte im IT-Bereich unter der Kategorie „Datenverarbeitungsfachleute“ zusammengefasst. Darunter fielen etwa Computerfachmann oder -fachfrau, Datenverarbeiter*innen oder EDV-Fachkräfte. Der Anteil an Frauen in der IT war in den ostdeutschen Bundesländern deutlich höher als in den westdeutschen.
Seit 2013 fasst die Bundesagentur für Arbeit IT-Jobs im Bereich „Informatik und andere IKT-Berufe“, zusammen. Darunter fallen etwa Fachinformatiker*innen, Programmierer*innen oder System-Administrator*innen. Die Daten zeigen, dass der Anteil an Frauen in IT-Jobs in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung deutlich zurückgegangen ist, aber, trotz der Annäherung, bis heute leicht über dem Wert von Westdeutschland liegt. Durch die Umstellung bei der Klassifizierung der Berufe lassen sich die beiden Zahlenreihen nur bedingt vergleichen. Ein Trend wird aber dennoch deutlich.
WENN DIE VORBILDER FEHLEN
Auch aktuelle Umfrageergebnissen zeigen, dass sich die Abneigung von Frauen gegenüber MINT-Studiengängen im Laufe der Schulzeit herausbildet: Die Wirtschaftsprüfung PwC befragte 2018 für ihren „Women in Tech“-Report Schüler*innen und Student*innen nach ihren Einstellungen zu MINT-Fächern. Wenn es um Vorbilder im Bereich Technologien und Wissenschaft geht, können nur elf Prozent der Befragten Frauen nennen, dagegen fällt 25 Prozent ein berühmter Mann aus dem Bereich ein.
Auch bei den Beispielen zeigen sich Unterschiede. So fallen unter den einflussreichen Männern die Namen von Mark Zuckerberg oder Elon Musk – Persönlichkeiten, die heute in dem Bereich tätig sind und als Unternehmer in Erscheinung treten. Unter den Frauen werden Ada Lovelace, Marie Curie und Lise Meitner genannt. Angela Merkel ist die einzige lebende Person und den meisten wohl eher als Bundeskanzlerin mit einem Doktor in Physik bekannt, denn als Wissenschaftlerin.
DIE EINSTELLUNG ZU MINT VERÄNDERT SICH WÄHREND DER SCHULLAUFBAHN
Interessant ist auch der Unterschied bei den Schüler*innen und Student*innen, wenn es um die Einschätzung der eigenen Neigung in Bezug auf MINT-Fächer geht: Die befragten Schülerinnen haben keinen Spaß an MINT-Fächern, sehen aber seltener eine mangelnde Neigung bei sich und halten die Fächer noch seltener für zu schwierig als die befragten Jungs.
Bei den Studierenden verändert sich das Bild: Zwar haben noch mehr Frauen keinen Spaß an MINT-Fächern, allerdings nimmt die Zahl derer zu, die keine Neigung bei sich sehen, während diese Zahl bei den Männern abnimmt. Auch halten deutlich mehr Studentinnen MINT-Fächer für zu schwierig als noch bei den Schülerinnen. Bei den Studenten nimmt der Anteil im Gegensatz zu den Schülern ab. Im Laufe der Schulzeit verändert sich also die Einstellung von Männern und Frauen zu MINT-Fächern, vor allem was Schwierigkeitsgrad und persönliche Neigungen angeht. Frauen wenden sich ab, Männer hin.
Allerdings kann man an der Umfrage bemängeln, dass vor allem die Fallzahlen für die Schüler*innen gering sind. Eine Studie des Internetgiganten Microsoft aus dem Jahr 2018 bestätigt allerdings, dass „ein entscheidender Faktor für die spätere Berufswahl, aber auch grundsätzlich für den Werdegang“ ist, ob Mädchen Vorbilder haben. Demnach ist das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern zwischen 11 und 15 Jahren am höchsten, danach nimmt es ab. Befragt wurden 11.500 Mädchen in 12 europäischen Ländern. 60 Prozent gaben an, sie würden eine Karriere im MINT-Bereich verfolgen, wenn sie wüssten, dass zu gleichen Teilen Männer und Frauen darin beschäftigt wären. 56 Prozent sagen, sie könnten sich eine Karriere vorstellen, wenn sie ein Vorbild hätten.
WAS BEDEUTET DAS FÜR UNTERNEHMEN?
Wer weiblichen IT-Nachwuchs fördern will, sollte früh anfangen: Mädchen interessieren sich sehr wohl für MINT-Fächer, kommen aber mit fortschreitender Schullaufbahn zu der Überzeugung, weniger für einen Beruf in der IT geeignet zu sein. Außerdem fehlen ihnen die Vorbilder. Es reicht für Unternehmen nicht, sich auf politische Maßnahmen und gesellschaftlichen Wandel zu verlassen. Das zeigt das Gender Equality Paradox. Natürlich muss die Gleichstellung in allen Bereichen gefördert werden, aber vor allem müssen stereotype Zuschreibungen gleichzeitig abgebaut werden, nur dann trauen sich mehr Mädchen und Frauen eine MINT-Karriere zu.
Für Unternehmen bedeutet das: Macht eure Mitarbeiterinnen sichtbar, schafft Repräsentanz und sprecht Mädchen und Frauen möglichst früh an. Schafft Mentorinnenprogramme, arbeitet mit Schulen zusammen, engagiert euch in Initiativen, die sich an Schülerinnen richten. Zeigt Mädchen und Frauen, dass MINT weiblich ist und Mädchen rechnen, programmieren, forschen und konstruieren können.
Und fangt bei euch selbst an: Welche Zuschreibungen habt ihr in Bezug auf Geschlecht? Wem traut ihr was zu und wem eher nicht? Welche Vorurteile habt ihr und was lebt ihr Mädchen und jungen Frauen vor?
Und schlussendlich: Schafft Arbeitsbedingungen, die Karriere und Familienleben vereinbaren, davon profitieren nämlich alle Geschlechter.
Der Recruiting-Prozess dürfte in den allermeisten Unternehmen ziemlich ähnlich aussehen. Im Fachbereich wird ein Bedarf erkannt, nach dem Briefing schreibt das Recruiting eine Stellenanzeige. Zu den Maßnahmen im Personalmarketing zählen vor allem die Schaltung der Anzeige und häufig noch ein wenig Werbung auf den gängigen Social-Media-Kanälen. Nach dem Eintreffen der Bewerbungen durchlaufen Kandidatinnen und Kandidaten dann einen mehrstufigen Auswahlprozess, am Ende bekommt jemand ein Angebot und etwas später beginnt das Onboarding.
Klingt vertraut?
In diesem klassischen Prozess tun sich allerdings zwei Probleme auf: Zum einen der enorme Aufwand, der vom Recruiting sowie den Fachbereichen aufgebracht werden muss und zum anderen ein Auswahlprozess, der von Bias und invaliden Methoden durchzogen ist. Besonders schlimm ist es, wenn sich nach einer aufwändigen Suche herausstellt, dass die falsche Wahl getroffen wurde und der Prozess von vorne starten muss. Für diese Probleme gibt es eine interessante Lösung, die in Deutschland bisher noch keine Anwendung findet: Open Hiring.
Beim Open Hiring wird das Potential und die Motivation des Menschen in den Vordergrund gestellt. Wenn eine Stelle ausgeschrieben wird, gibt es keinen Auswahlprozess. Vielmehr wird der Job nach dem Prinzip “First Come, First Serve” an den ersten gegeben, der ihn haben will (oder auf der Warteliste ganz oben steht). Wer arbeiten will, der tut es einfach. Ohne Vorstellungsgespräch oder Lebenslauf, unabhängig von Ausbildung und Erfahrungen.
Mindestkriterien gibt es nur für Berufe, in denen rechtliche Anforderungen gestellt werden. Wer Auto fahren will, braucht einen Führerschein. Wer Gabelstapler fährt, braucht einen Staplerschein. Der Fokus bei Neueinstellungen liegt also beim Onboarding und Training.
Weil so auch gesellschaftlich marginalisierte Menschen eingestellt werden, die Arbeit nicht gewohnt sind, bieten Unternehmen nicht nur eine fachliche Einarbeitung und Weiterbildung, sondern teilweise auch ein persönliches Coaching von Life Coaches an. Das Konzept kommt aus den USA und wurde dort 1982 von der Greyston Bakery entwickelt. Open Hiring entstand dort nicht aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern mit einem sozialen Gedanken im Hinterkopf.
Menschen haben aus verschiedensten Gründen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt: Wegen einer fehlenden Ausbildung, einer kriminellen Vergangenheit, einer Behinderung oder Obdachlosigkeit. Der Gründer Bernie Glassman glaubte aber, dass diese Menschen eine Chance verdienen und stellte sie einfach ein. Unternehmen haben so einen messbaren positiven Einfluss auf die Nachbarschaft und Gesellschaft, sorgen für Chancengerechtigkeit, Respekt und Wachstum – und profitieren auch selbst von Open Hiring.
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5 Gründe, die für Open Hiring sprechen
Geringere Kosten: Personalmarketing kostet Geld, Auswahlprozesse kosten Ressourcen. Durch Open Hiring kann der Cost-per-Hire dramatisch gesenkt werden. Diese Einsparungen können stattdessen ins Learning & Development investiert werden.
Schnellere Prozesse: Der Auswahlprozess bei The Body Shop hat vor der Einführung von Open Hiring etwa 30 Tage für die Kandidat*innen gedauert. Dank Open Hiring wurde der Prozess zwischen Bewerbung und Einstellung auf fünf bis zehn Tage verkürzt.
Höhere Retention: The Body Shop berichtet davon, dass der Turnover um 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesenkt werden konnte. Dadurch sei sogar die Produktivität im Lager um 13% gestiegen.
DEI: Open Hiring ermöglicht es, Bias aus dem Recruiting zu entfernen. Sehr schnell wird die Belegschaft diverser. Gruppen, die bisher strukturell benachteiligt waren, bekommen durch Open Hiring eine echte Chance.
Sozialer Impact: Die Greyston Bakery ist im Grunde ein soziales Unternehmen. Sie backen keine Brownies, um Profite zu erzielen. Sie backen Brownies, um Leute zu beschäftigen. Insofern freut sich die Geschäftsführung zwar auch über grüne Zahlen, noch mehr aber über die vielen individuellen Geschichten ihrer Angestellten und den positiven Impact, den eine Beschäftigung bei der Firma hat.
Open Hiring, anonyme Bewerbungen und Diskriminierung
Unternehmen, die Menschen ohne Vorstellungsgespräch und Auswahlprozess einstellen, laufen keine Gefahr, unbewusste Biases anzuwenden oder (ungewollt) Gruppen zu diskriminieren. Beim Open Hiring spielt es keine Rolle, welches Geschlecht Interessierte haben, wo sie herkommen, welchen Bildungsgrad sie haben oder ob der Lebenslauf Lücken enthält.
Anonymisierte Bewerbungen sind daher anfangs vergleichbar. Bei solchen Bewerbungen wird das Alter, Name, Adresse, Foto und alle anderen Angaben, die Aufschluss über persönliche Merkmale geben könnten, geheim gehalten. Nur die fachlichen Skills und Erfahrungen können bewertet werden. Häufig werden diese Erfahrungen dann in einem ausführlichen Bewerbungsformular eingegeben und nicht in einem CV präsentiert. Denn auch die Frage, ob ein Lebenslauf schön designed ist oder nicht kann schon zu Vorverurteilungen führen.
Erst in späteren Stufen des Auswahlprozesses, bei einem telefonischen oder persönlichen Interview, wird die Anonymität gelüftet. Open Hiring geht im Vergleich zu anonymen Bewerbungen also noch ein Stück weiter, ist aber nicht in allen Fällen anwendbar.
Wann ist Open Hiring anwendbar?
High Volume Recruiting bietet perfekte Voraussetzungen
In den Sinn kommen zuerst einfache Tätigkeiten, vor allem im High Volume Recruiting: Lieferfahrer, Lagerarbeiterinnen, Einzelhandel, Kundenservice, Call Center Mitarbeiter. Jobs, bei denen fachliche Skills und Erfahrungen nur eine untergeordnete Rolle spielen oder schnell erlernt werden können.
Natürlich gibt es auch Berufe, bei denen Open Hiring nicht in Frage kommt. Dass Chirurginnen eine langjährige Ausbildung durchlaufen, ist schon in Ordnung. Auch Entwicklerinnen, Piloten und Lehrer dürfen fachlich fit sein. Und wenn ich mein Auto zur Werkstatt bringe, erwarte ich ebenfalls ein gewisses Maß an Ausbildung und Qualität.
Können White-Collar-Positionen per Open Hiring besetzt werden?
Es ist natürlich denkbar, auch andere Business-Funktionen per Open Hiring zu besetzen. Denn der Gedanke bleibt hier gleich: Wenn jemand motiviert ist und glaubt, dass er die Stelle gut ausfüllen kann, bekommt er eine Chance und extensives On-the-Job-Training. Dafür spricht zudem, dass es sowieso immer eine Onboarding-Phase gibt. Marketing-Stellen können in zwei Unternehmen grundverschieden sein, Prozesse und Strukturen müssen gelernt werden, Ton und Ansprache der Zielgruppe sind immer anders.
Arbeitsmarkt und Open Hiring
In welcher Arbeitsmarktlage macht Open Hiring überhaupt Sinn? Gibt es ein Überangebot an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, bekommt ein Unternehmen auf ausgeschriebene Stellen üblicherweise sehr viele Bewerbungen, die gesichtet und beantwortet werden müssen. Der Auswahlprozess wird so für das Recruiting und den Fachbereich sehr aufwändig. Open Hiring könnte hier helfen, um diesen Prozess abzukürzen. Das Recruiting würde sich in diesem Fall eher um die Pflege des Talentpools oder einer Warteliste kümmern und hätte für neue Positionen dann immer sofort einen Kandidaten parat.
Herrscht Fachkräftemangel, müssen Unternehmen um jeden Bewerber kämpfen. Im Auswahlprozess stehen sie dann vor der Entscheidung, die Stelle mit einer Kandidatin zu besetzen, die eventuell nicht perfekt auf die Anforderungen passt – oder noch weitere Wochen auf die perfekte Bewerberin zu warten. Open Hiring könnte hier zwei Dinge für das Unternehmen tun: Die Stelle wird schnell besetzt (dafür dauert das Onboarding u.U. länger), und das Unternehmen wird sicherlich im Employer Branding davon profitieren.
Es gibt immer wieder Unternehmen, die durch ihr ungewöhnliches Recruiting oder Personalmarketing auf sich aufmerksam machen. Sei es die Deutsche Familienversicherung, die Bewerbern Geld schenkt, die Glaserei Sterz mit ihrem berühmten Glas-kaputt-Video oder die Deutsche Bahn, die mit ihrem Verzicht auf Anschreiben für gute Presse sorgen konnte. Open Hiring wird – richtig beworben – sicherlich zu einiger Aufmerksamkeit führen.
Was musst Du dabei beachten?
Vielleicht findest Du das Konzept spannend, hast regelmäßig Positionen, die sich gut per Open Hiring besetzen lassen und kannst interne Stakeholder von Open Hiring begeistern. Was musst Du dabei jetzt beachten? Wo gibt es Unterschiede zum herkömmlichen Bewerbungsprozess und Auswahlverfahren?
Stellenanzeigen beim Open Hiring
Stellenanzeigen müssen wohl deutlich ausführlicher formuliert werden, sowohl Unternehmen, Produkte, Aufgaben und Anforderungen genauer beschrieben werden. Die Anzeige dient nicht mehr nur als Marketinginstrument, das potentielle Bewerberinnen und Bewerber begeistern soll. Vielmehr muss die Stellenanzeige genau beschreiben, welche Aufgaben genau im Job anfallen werden. Bewerber müssen einschätzen können, ob sie die Stelle gut ausfüllen können.
Die Anforderungen dürfen dann auch wieder etwas ausführlicher sein: Was sind Ausschlusskriterien? Was muss die Kandidatin auf jeden Fall mitbringen? Gibt es Anforderungen hinsichtlich körperlicher Fitness, Arbeitszeiten, Arbeitsort, Sprachen?
Bewerbungsformular mit Knock-Out-Fragen
Das Bewerbungsformular darf im herkömmlichen Recruiting-Prozess keine Hürde darstellen, die One-Click-Bewerbung wird deswegen immer beliebter. Beim Open Hiring ist es denkbar, dass diese Entwicklung rückgängig gemacht wird. Der Kandidat darf hier gerne etwas Aufwand aufbringen und seine Motivation zeigen – immerhin steht am Ende ein sicherer Job. Im Bewerbungsformular sollten im Übrigen die Must-Have-Kriterien abgefragt werden. Muss die Kandidatin einen Führerschein haben und fließend Deutsch sprechen? Hier wäre der richtige Zeitpunkt, um tatsächlich unpassende Bewerber auszusortieren.
Indikatoren für beruflichen Erfolg
Führt das nicht zu totalen Katastrophen? Es ist doch so: In Personalauswahlverfahren ist der beste Indikator vom späteren Berufserfolg die Intelligenz des Kandidaten. Interessen des Kandidaten können den beruflichen Erfolg übrigens fast so gut vorhersagen wie Telefoninterviews und genauso gut wie Arbeitsproben (Bitte bei Jo Diercks mehr lesen!).
Im Open-Hiring-Bewerbungsprozess könnten also mit Intelligenz- und Interessenstests zusätzliche Hürden eingebaut werden, die ein Bewerber bestehen muss, um für Positionen in Frage zu kommen. Statt eines klassischen Auswahlverfahrens könnten Bewerberinnen also einfach einen Online-Test ihrer kognitiven Fähigkeiten absolvieren – bestehen sie diesen, könnten sie direkt eingestellt oder auf die Warteliste gesetzt werden. Im Ergebnis wirst Du im Zweifel sogar bessere Kandidaten bekommen als durch einen klassischen Auswahlprozess.
Job ohne Vorstellungsgespräch – Wer macht das 2023 schon?
Allerdings gibt es einige Unternehmen oder Jobs, bei denen das Auswahlverfahren dem Open Hiring schon ähnelt. Lieferfahrer:innen für Lieferando, Gorillas, Flink & Co. durchlaufen kein extensives Auswahlverfahren. Wer im Call Center arbeiten möchte, wird eher “eingewiesen” als ausgewählt. Und Lagerarbeiter:innen bei Amazon und Flaschenpost werden ebenfalls keine hohen Anforderungen gestellt. Auch wenn über diesen Verfahren nicht offiziell “Open Hiring” steht, so gibt es doch auffällige Überschneidungen.
Im März 2023 hat Deutschlandfunk Nova hörenswert über Open Hiring bei der Greyston Bakery berichtet.
Die Antarktis ist übrigens der einzige Kontinent auf diesem Planeten ohne Schienenpersonenverkehr. Ich verabschiede mich nun in den Feierabend und plane schon mal die erste echte ICE-Strecke. 🥶 #FunWithTracks Gute Nacht und bleibt gesund. Euer /ti
— Deutsche Bahn Personenverkehr (@DB_Bahn) March 23, 2021
Das letzte Jahr war geprägt von Unsicherheiten – das hat sich auch auf dem Arbeitsmarkt und den Neueinstellungen widergespiegelt. Lockdown, Kurzarbeit, Lieferengpässe und ein Virus, dessen wirtschaftliche Auswirkungen kaum einzuschätzen waren und immer noch sind. Unter anderem die Gastronomie, der Einzelhandel, die Tourismus- und Veranstaltungsbranche haben immer noch unter dem Lockdown zu leiden und werden die Folgen auch noch eine ganze Zeit spüren.
Viele andere Firmen, die nicht von den politischen Lockdown-Entscheidungen in Deutschland betroffen sind und im Laufe des letzten Jahres aufgrund von Unsicherheiten Neueinstellungen gescheut haben, nehmen zum Teil wieder an Fahrt auf. Auch die Geschäftserwartungen und die Beurteilung der Geschäftslage innerhalb der Unternehmen, festgehalten im ifo-Geschäftsklimaindex, stiegen nach einem pessimistischen Januar wieder an. Im März verbesserte sich die Stimmung nochmal deutlich: Von 92,7 Punkten im Februar, erhöhte sich das Klima auf 96,6 Punkte. Das ist der höchste Wert seit Juni 2019!
Laut ifo-Institut sei insbesondere das Verarbeitende Gewerbe zunehmend optimistisch: Ihre Erwartungen waren zuletzt im November 2010 so positiv. Das Institut hält fest, dass laut ihrer Konjunkturumfragen in allen Industriebranchen ein Aufschwung prognostiziert wird. Bei den IT-Dienstleistern liefen die Geschäfte im März besonders gut. Im Gastgewerbe und der Tourismusbranche ist die Lage aufgrund des derzeitigen Lockdowns leider weiterhin sehr schlecht.
Die Geschäftserwartungen liegen mit 100,4 Punkten so hoch wie zuletzt im Jahr 2018. Wo dieser Optimismus herkommt, ist nicht ganz klar. Wie sich der weiterhin anhaltende Lockdown auch nach Ostern auf die weiteren Prognosen und Erwartungen im April auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Die Bundesagentur für Arbeit meldet ebenfalls eine trotz Lockdown stabile Fachkräftenachfrage. Aufgrund der pandemiebedingten wirtschaftlichen Einschränkungen macht der Kräftebedarf im Durchschnitt keine großen Sprünge, bleibt aber zumindest stabil. Dieses Pendel lässt sich zurückführen auf die vom Lockdown besonders betroffenen Branchen wie das Gastgewerbe oder personenbezogene und wirtschaftliche Dienstleister (z.B. Friseurbetriebe oder Reisebüros) auf der einen Seite, die wirtschaftlichen “Gewinner” der Pandemie auf der anderen.
Trotz Lockdown Aufwärtstrend bei Neueinstellungen
Eine Auswertung der Jobbörse StepStone zeigt, dass auch die geschalteten Stellen wieder steigen. Die Plattform wertete ganz aktuell die Anzahl neu veröffentlichten Anzeigen von Januar 2020 bis Mitte März 2021 aus. Hier liegt die Zahl der neu ausgeschriebenen Jobs wieder knapp über dem Niveau von Anfang März 2020. Das Vor-Corona-Niveau entsteht auch hier vor allem durch die Jobs, deren Bedarf in der aktuellen Zeit besonders steigt. Hierzu gehören laut StepStone beispielsweise das Handwerk, die Pflege aber auch die Verwaltung und Logistik.
Die Anzahl an offenen Stellen im Handwerk ist um 132 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Doch auch Mitarbeiter*innen im Bereich Bildung und Soziales werden händeringend gesucht und verzeichnen einen Anstieg von 126 Prozent, ebenso wie Mitarbeiter*innen der Verwaltung und Logistik.
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Da StepStone als Jobbörse ausschließlich sehr kostenintensive Anzeigenschaltungen mit fester Laufzeit anbietet, sollte man sich für einen umfassenderen Überblick auch die Schaltungen anderer Jobbörsen und Suchmaschinen anschauen. Weitere Zahlen zur Entwicklung auf dem Stellenmarkt bekommen wir zusätzlich von der Plattform Jobfeed. Die Kolleg*innen bieten eine tagesaktuelle Übersicht über neu geschaltete Stellenanzeigen. Die Auswertungen beinhalten Jobportale wie die kostenlose Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit, Xing, Ebay Kleinanzeigen oder auch Monster. Schon der kostenlose Chart auf ihrer Startseite ist sehr hilfreich für eine Einschätzung der Lage, die ein recht freundliches Bild vom aktuellen Stellenmarkt zeigt.
Doch natürlich ist auch hier besonders auf die Unterschiede der Branchen zu achten. Schaut man sich unseren Mix an Branchen-Beispielen an, wird eine Erholung der Neuschaltungen im Gesundheitswesen sowie in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie deutlich. Beide haben sogar einen deutlichen Sprung gemacht und dieses Jahr mehr Stellen ausgeschrieben als noch im selben Monat des Vorjahres. Transport und Verkehr sowie Produktion bleiben vergleichsweise stabil. Das Bauwesen verzeichnet einen minimalen Anstieg im Januar und Februar 2021.
Die aktuelle Situation und der mittlerweile lang anhaltende Lockdown hinterlassen weiterhin ihre Spuren auf dem Arbeitsmarkt und sorgen auch im Februar für eine leicht steigende Anzahl an Arbeitslosen. Während die Arbeitslosenquote im Februar 2020 bei 5,3 Prozent lag, ist sie mittlerweile bei 6,3 Prozent. Kurzarbeit sichert auch weiterhin Beschäftigungen und verhindert schlimmeres.
Während es einigen Arbeitgebern an Personal mangelt, können andere ihres nicht mehr halten. Das Thema Mitarbeitergewinnung war noch nie so unausgeglichen und stark branchenabhängig wie in dieser Zeit. Das wirkt sich auch auf das Interesse an ausgeschrieben Stellen aus: StepStone verzeichnet einen Anstieg der Bewerbungen seit April 2020 um ein Drittel. Das Interesse an Jobs ist groß und viele Arbeitnehmer*innen sind auf der Suche nach krisensicheren Anstellungen.
Diese Ein- und Ausblicke sind lediglich Ausschnitte und können sich jederzeit wieder in die eine sowie in die andere Richtung entwickeln. Wir behalten den Arbeitsmarkt weiterhin im Auge, sind aber vorsichtig optimistisch, dass die positiven Geschäftserwartungen der Industrie, aber auch die anziehenden Stellenausschreibungen ein positives Zeichen für die weitere Entwicklung sind.