Gehalt: Wie transparent darf’s denn sein?

Bei Gehaltstransparenz gilt: Andere Länder, andere Sitten. In Österreich etwa sind Unternehmen seit 2011 verpflichtet, in ihren Stellenanzeigen Angaben zur Mindestentlohnung zu machen. Arbeitgeber in Island müssen Männer und Frauen in gleicher Position gleich bezahlen und brauchen ab 25 Mitarbeiter:innen ein Zertifikat für ihr Gehaltssystem. Und in Schweden kann man direkt die Gehaltsinformationen jeder beliebigen Person beim Einwohnermeldeamt abfragen. Hierzulande wird dagegen über das Gehalt lieber geschwiegen.

Wollmilchsau-Datenerhebung: Wenige Stellenanzeigen enthalten konkrete Summen

Dementsprechend enthalten kaum Stellenanzeigen eine Gehaltsangabe, wie unsere Datenerhebung mit mehr als 250.000 Stellenanzeigen in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt. Wir wollten wissen, wie viele Anzeigen eine konkrete Gehaltsangabe in Euro machen. Das Ergebnis: Über alle Branchen hinweg enthalten lediglich gut zwölf Prozent der Stellenanzeigen eine konkrete Gehaltshöhe.

Gehaltstransparenz Infografik - Nur jede achte Stellenanzeige enthält eine Gehaltsangabe

Am größten ist der Anteil bei den Hilfstätigkeiten – insgesamt 21,3 Prozent der Stellenanzeigen enthalten entweder eine konkrete Tarif- oder Gehaltsangabe, klären Bewerbende also genau darüber auf, was sie finanziell erwartet. Daraus lässt sich schließen, dass Gehaltsangaben vor allem im Niedriglohnbereich gemacht werden. Insgesamt zeigen die Daten außerdem, dass bei Tarifbindung eher eine konkrete Angabe gemacht wird als bei Jobs ohne. In Branchen mit hohem Verdienst, etwa in Finanzen oder IT, sind die Zahlen hingegen sehr gering.

>>>Methodik und Datenerhebung<<<

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Bewerbungsprozess: Wer sagt’s zuerst?

Häufig sollen Bewerbende ihre Vorstellungen nennen und Unternehmen gleichen diese mit ihren Möglichkeiten ab, anstatt andersherum. Im Grunde geht es darum, wer zuerst seine Deckung aufgibt und dabei möglicherweise „den Kürzeren zieht“, also nicht den besten Deal macht. Entweder besteht also für potenzielle Mitarbeiter:innen die Gefahr, sich unter Wert zu verkaufen oder Unternehmen hätten den Job auch günstiger besetzen können oder schrecken geeignete Kandidat:innen durch zu geringe Gehaltsangaben direkt ab.

Quelle: https://www.linkedin.com/posts/harshitagrwa_interviewexperience-recruitment-activity-6808580782978826240-PTxy

Das kann für beide Seiten frustrierend sein. Denn Bewerber:innen machen sich die Mühe, ihre Unterlagen einzureichen und Unternehmen sichten, obwohl es möglicherweise allein an den Entgeltvorstellungen schon scheitert.

GEHEIMNIS GEHALT

Doch die Geheimniskrämerei wird auch im Privaten fortgeführt: Fast jede:r Dritte spricht nicht mal mit Partner oder Partnerin über das Gehalt. Nur 40 Prozent teilen diese Informationen mit Freund:innen, wie eine Studie des Karrierenetzwerks Xing aus dem Jahr 2017 zeigt.

Gehaltstransparenz Infografik: Wer spricht über das Gehalt

Über das Gehalt zu sprechen ist hierzulande also ein Tabu, das in Stellenanzeigen beginnt und sich bis in Familie und Freundeskreis fortsetzt.

DEUTSCHLAND MIT HOHEM GENDER PAY GAP

Dabei sind vor allem die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen (Gender Pay Gap) in Deutschland so hoch wie in wenigen anderen europäischen Ländern, wie Daten von Eurostat zeigen.

Gehaltstransparenz Infografik: Wieviel Frauen weniger verdienen

Abhilfe schaffen soll das 2017 eingeführte Entgelttransparenzgesetz, ein erster (zaghafter) rechtlicher Schritt für mehr Transparenz in punkto Bezahlung. Es gibt Frauen die Möglichkeit das Durchschnittsgehalt ihrer männlichen Kollegen zu erfahren – aber nur in Unternehmen ab 200 Mitarbeitenden und eben auch nur in der genannten Konstellation. Es kann also nicht jede:r das Gehalt von jede:m erfahren.

Anders wurde das Thema Gehaltstransparenz in Dänemark angegangen. 2006 führte das Nachbarland den Equal Pay Act ein. Ein Gesetz, das für gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen soll. Es besagt, dass Unternehmen ab 35 Beschäftigten geschlechtsbezogene Statistiken über die gezahlten Gehälter in ihrer Firma führen und den Beschäftigten zugänglich machen müssen.

Eine Studie rund um Forscher:innen der Universität Kopenhagen hat die Auswirkungen des Gesetzes untersucht – mit positivem Ergebnis. So verringerte sich die Entgeltlücke in Dänemark zwischen 2003 und 2008 durch die eingeführte Transparenz um sieben Prozent. Allerdings: Auch im Jahr 2019 lag der Gender Pay Gap in Dänemark bei noch 14 Prozent, also etwa im europäischen Durchschnitt, wie die Grafik weiter oben zeigt.

Das heißt, der bereinigte Gender-Pay-Gap konnte verringert werden, der unbereinigte, der zum Beispiel dadurch entsteht, dass „typische Frauenberufe“ generell schlechter bezahlt werden oder Frauen häufiger in niedrigeren Positionen tätig sind, bleibt trotz Gehaltstransparenz bestehen.

UNTERNEHMEN PUNKTEN MIT TRANSPARENZ

Für Unternehmen können sich transparente Gehälter lohnen, sie punkten bei Jobsuchenden: Umfragen, wie etwa die folgende der Jobsuchmaschine Adzuna, zeigen, dass Beschäftigte Gehaltstransparenz befürworten, vor allem, wenn diese als Verhandlungsgrundlage in Stellenanzeigen steht.

Gehaltstransparenz Infografik: Einstellung zu Gehaltsangaben

Der Nachteil für Arbeitgeber: Potenzielle Bewerber:innen schicken ihre Unterlagen erst gar nicht ab, wenn die Höhe nicht stimmt. Der Nachteil für Arbeitnehmer:innen: Beschäftigte auf sehr gut bezahlten Positionen können möglicherweise für sich nicht das Optimum herausholen, weil die Summe öffentlich gemacht wird.

PRO GEHALTSTRANSPARENZ: FAIRNESS UND ENTWICKLUNG

Für eine Studie der Unternehmensberatung Kienbaum im Jahr 2020 wurden 140 Unternehmen zum Thema Gehaltstransparenz befragt, die keinem Tarifvertrag unterliegen oder Positionen ohne Tarifvertrag besetzen, aber ein hohes Maß an Transparenz aufweisen. Die Gründe für die Einführung der Transparenz sind deutlich: Mit Abstand am ausschlaggebendsten ist die Motivation der Mitarbeitenden, die durch die Klarheit bei den Entwicklungsmöglichkeiten gefördert wird. Außerdem bewerten die Befragten die Transparenz im Bewerbungsverfahren und bei Mitarbeitergesprächen als nützlich.

Gehaltstransparenz Infografik: Zustimmung der Unternehmen zur Wirkung von Vergütungstransparenz

KONTRA GEHALTSTRANSPARENZ: VORBEHALTE UND DATENSCHUTZ

Die Argumente gegen Entgelttransparenz weisen in der Umfrage deutlich geringere Werte auf, was dafür spricht, dass die Unternehmen insgesamt zufrieden mit ihrem transparenten Vorgehen sind. Am häufigsten werden Vorbehalte im Management genannt, gefolgt von datenschutzrechtlichen Bedenken. Ebenfalls gegen die Einführung von Gehaltstransparenz spricht, dass der aktuelle Zustand bei der Höhe der Gehälter zu wenig einer Systematik folgt und die Ergebnisse darum nicht frei zugänglich gemacht werden sollen. Dass gar nichts dagegen spricht, gab jedes fünfte Unternehmen an.

NEW WORK = NEW PAY?

Unsere Arbeitswelt ist im Umbruch und das nicht erst seit Corona. Vor allem in Start-Ups gelten heute andere Regeln als in traditionellen Großkonzernen. Sie haben den Begriff New Work geprägt, den es zwar bereits seit den 70er-Jahren gibt, der aber vor allem durch die Digitalisierung an Aktualität gewonnen hat. Im Grunde handelt es sich um einen Sammelbegriff für alternative Arbeitsmodelle, wobei sich auch New-Pay-Modelle herausgebildet haben, die ihren Fokus auf andere Kriterien legen als es in der klassischen Gehaltsbestimmung der Fall ist.

Aus dem System der Tariflöhne übernommen haben diese Modelle die Mitbestimmung, also das gemeinsame Aushandeln von Gehältern durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen auf ein Unternehmen bezogen, aber ohne involvierte Gewerkschaft. Einen solchen Prozess beschreibt das Startup Einhorn in seinem Unternehmensblog. Weitere Modelle finden sich in einem Artikel von Haufe. Gemeinsam haben diese New Pay-Modelle die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bezahlung für alle Beteiligten.

FAZIT

Bei Gehaltstransparenz geht es um Information: Wer weiß, wie viel andere verdienen, kann sich selbst besser in Bezug dazu setzen – im Guten wie im Schlechten. Ein Argument gegen das Offenlegen von Gehältern lautet: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Beschäftigte könnten unzufriedener mit ihrem Gehalt werden, wenn sie wissen, was die anderen verdienen.

Die Frage ist nur, ob die Lösung dann nicht eher sein sollte, einfach gerecht und nach offengelegten nachvollziehbaren Kriterien zu entlohnen, anstatt Gehälter geheim zu halten. Außerdem bietet ein durchdachtes Gehaltssystem im Recruiting die Möglichkeit, Bewerber:innen von Anfang an aufzuklären, welche Entwicklungen im Unternehmen möglich sind.

Durch Gehaltstransparenz entsteht mehr Augenhöhe zwischen Beschäftigten untereinander, aber auch zwischen Beschäftigten und Unternehmen – angesichts einer Entwicklung weg vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt ein logischer Schritt. Unternehmen können sich mit Gehaltsangaben in Stellenanzeigen positionieren und ihren Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen eine Gesprächsgrundlage und zusätzliche Motivation liefern, was zur Mitarbeiterbindung beiträgt.

Und schlussendlich ist Gehaltstransparenz ein wichtiges Instrument gegen die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen: Wenn die Bezahlung bekannt ist, schließt sich die Lücke.

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Methodik: Woher kommen unsere Daten und wie haben wir sie ausgewertet?

Für unsere Untersuchung zur Gehaltstransparenz haben wir vom 2. bis 8. August 258.247 Stellenanzeigen aus der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit analysiert. Je Branche haben wir mindestens 100 Stellenanzeigen, in der Regel aber zehn Prozent des Stellenvolumens als Datengrundlage gewählt.

Warum die Jobbörse der BA?
Alle Jobbörsen und Jobsuchmaschinen haben eins gemeinsam – sie lassen sich ungern scrapen. Web Scraping bezeichnet das gezielte Abgreifen von Websiteinhalten. Geschieht dies automatisiert, handelt es sich um einen Web Scraping Bot (Dazu sei gesagt, dass Webscraping rechtliche Grenzen hat und man sich vorab informieren sollte, ob man bereits im rechtlichen Graubereich handelt). Möchte man sich die Mühe sparen, einen eigenen Bot zu programmieren, stellen die Plattformen oftmals selbst Alternativen bereit. Jobbörsen wie Indeed bieten eigene API-Schnittstellen an. Allerdings bestehen Limitierungen, was die Ausgabe der Stellenanzeigen betrifft. Für eine großflächige und repräsentative Datenerhebung also der falsche Weg.
Anders sieht die Lage aus bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit. Die Branchen, die wir in diesem Artikel verwenden liegen als Filteroption bereits bei der Jobbörse vor. Gleichzeitig gewährt uns die Seite unbeschränkten Zugang zu allen aktuellen Anzeigen mit zusätzlichen Informationen in standardisiertem Format. Grund genug für uns, diesen Ansatz einem externen Analysetool vorzuziehen.
Allerdings: Repräsentativ für den gesamten Stellenmarkt in Deutschland sind die Daten nur bedingt, da einige Branchen überrepräsentiert sind und andere Jobs, vor allem die mit Mangelprofil, nicht unbedingt in der BA-Jobbörse landen. Trotzdem sind wir der Meinung, dass die Datenbasis ausreichend ist, um abzubilden, wie die Lage beim Thema Gehaltstransparenz aktuell auf dem Arbeitsmarkt aussieht.

Wie haben wir ermittelt, ob die Anzeigen eine Gehaltsangabe enthalten?
In einigen Stellenanzeigen sind die Gehaltsdaten mit einem Eintrag im dafür vorgesehenen Feld bereits angegeben. In diesem Fall ist unsere Arbeit schon erledigt und wir können einen Vermerkt anlegen (Gehaltsangabe: Ja). Andernfalls unterteilen wir den Text jeder Stellenanzeige in seine einzelnen Sätze und prüfen jeden Satz auf das Vorkommen des Wortes “Gehalt” (oder weiteren Synonymen, darunter “Tarif”) im Zusammenhang mit dem Wort “Euro” (ausgeschrieben oder als “€” Zeichen). Ist die Prüfbedingung erfüllt, enthält die Anzeige eine Gehaltsangabe, andernfalls nicht.

Datenerhebung und Methodik: Polichronis Muratidis

Karriereblog der Techniker Krankenkasse:
“Menschen folgen Menschen, nicht Unternehmen”

Eine Karriereseite ist heutzutage unverzichtbar für Unternehmen, die erfolgreich recruiten wollen. Aber es ist nicht immer leicht, den Kandidat:innen hier eine tatsächliche Innenansicht des Unternehmens zu präsentieren. Eine tolle Alternative kann dafür – sofern er gut gepflegt wird – ein Karriereblog sein. Wir haben mit dem HR-Marketing Team der Techniker Krankenkasse gesprochen, das seit einigen Jahren einen sehr erfolgreichen Karriereblog betreibt.

Karriereblog Technikerkrankenkasse - Lara und Julia

1. Seit wann habt Ihr den Karriereblog und mit welchem Ziel wurde er aufgesetzt?

Julia Böttcher:
Wir haben unseren Karriereblog 2014 gestartet, damals noch mit dem Ziel vorrangig Schülerinnen und Schülern einen umfassenden Blick hinter die Kulissen der TK als Arbeitgeber zu geben. Seit 2019 sprechen wir mit unseren Beiträgen auf dem Karriereblog neben Berufseinsteigern auch gezielt Berufserfahrene mit einem Mix aus Beiträgen zu Karriere- und Arbeitgeberthemen, Erfahrungsberichten und Experteninterviews von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an.

2. Ihr seid in den sozialen Medien sehr aktiv und nutzt nebenbei noch einen Karriereblog. Wieso habt Ihr Euch zusätzlich für diesen Kanal entschieden?

Julia Böttcher:
Ein Karriereblog kann zusätzlich zu den sozialen Medien nochmal einen individuellen Mehrwert bieten und umfassende Einblicke bieten, die man auf keiner anderen Plattform bekommt. Dazu gehören bei uns Berichte von Auszubildenden, dualen Studenten und Professionals zu Veranstaltungen oder Seminaren, aber auch “Hinter den Kulissen”-Stories von Videodrehs und Fotoshootings, deren Ergebnisse wir dann auf den Social Media Kanälen der TK spielen. In Abwechslung mit sehr textlastigen Berichten funktionieren auch Beiträge mit ausschließlich visuellem Content, wie ein Video, ein Foto oder eine Infografik auf unserem Karriereblog sehr gut.

3. Welche Vorteile seht Ihr in einem Karriereblog, die andere Plattformen nicht bieten können?

Karriereblog Technikerkrankenkasse- Zitat Julia Böttcher

 

Julia Böttcher:
Ein Karriereblog hat den Vorteil, dass die Beiträge dort immer über die sachlich vermittelnde Unternehmensdarstellung der Karriereseite/Homepage des Unternehmens hinausgehen und weitere Facetten des Unternehmens und des Arbeitsalltages innerhalb des Unternehmens detaillierter vorstellen können, als es in kurzen Posts auf den Social Media Kanälen der Fall ist. Da ein Karriereblog von den Beiträgen von und über Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lebt, beinhaltet ein gelungener Karriereblog auch immer die Mitarbeiterperspektive. Denn niemand kann ein Unternehmen nach Außen so authentisch und facettenreich präsentieren, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst.
Zusammengefasst ist der Vorteil eines Karriereblogs gegenüber anderen Plattformen, dass er ausführliche und vor allem authentische Einblicke in das Unternehmen und/oder den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Es werden dabei Informationen vermittelt, die den Leserinnen und Lesern in dieser Detailtiefe von anderen Social Media Plattformen oder der Karriereseite/Homepage noch nicht bekannt sind.

4. Wie erreicht Ihr Eure Zielgruppe und wie bekommt Ihr sie auf Euren Blog?

Lara Schenkel:
Wir erreichen unsere Zielgruppe hauptsächlich über unsere Social Media Kanäle. Dazu zählen LinkedIn, XING, Twitter, Facebook und seit Anfang August 2021 auch unser neuer Instagram Kanal @tk.karriere für die Azubi-Kommunikation. Unsere Artikel auf dem Karriereblog verlinken wir thematisch passend auf den Social Media Kanälen und haben so die Möglichkeit, den Karriereblog zu pushen und gleichzeitig guten Content mit Mehrwert für unsere Follower zur Verfügung zu stellen.

5. Bei welcher Zielgruppe funktioniert der Karriereblog am besten: Berufseinsteiger oder Professionals? Oder merkt Ihr hierbei keinen Unterschied?

Lara Schenkel:
Unser Karriereblog wird sowohl von Berufseinsteigern als auch von Professionals gut besucht. Je nachdem, welche Zielgruppe wir mit dem Blogbeitrag ansprechen wollen, verfassen wir für die jeweilige Zielgruppe relevante Beiträge. Wir veröffentlichen für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger zum Beispiel Interviews mit Auszubildenden, unsere sogenannten “Azubi-Talks” sowie Beiträge zu den Vorteilen und Benefits der TK als Arbeitgeber. Beiträge für Professionals sind zum Beispiel Interviews oder Gastbeiträge von und mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen der TK oder allgemeine Beiträge zur TK als Arbeitgeber, wie FAQs, Bewerbungstipps oder “Einblicke hinter die Kulissen”.

6. Für welche Unternehmen ist ein eigener Karriereblog Eurer Meinung nach interessant und würdet Ihr diese hauseigene Plattform für Recruiting-Zwecke und Employer Branding weiterempfehlen?

Karriereblog Technikerkrankenkasse - Zitat Lara

Lara Schenkel:
Ein eigener Karriereblog ist für alle Unternehmen interessant. Sowohl Unternehmen mit Produkten, die gezeigt werden als auch für Unternehmen, die nichts in der Hand haben, aber trotzdem zeigen können, wie die Arbeit in dem Unternehmen realistisch aussieht. Wir würden allen Unternehmen diese Plattform für Recruiting-Zwecke und Employer Branding empfehlen. “Menschen folgen Menschen, nicht Unternehmen”, sagen wir immer. Das gilt vor allem für das Employer Branding. Mit dem Karriereblog haben wir eine Plattform, auf der wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Wort kommen lassen können. Sie berichten von der Arbeit bei der TK, ihren Karrierewegen oder Sabbaticals – so können wir Interessierten einen Einblick in die TK-Arbeitswelt geben.

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7. Waren Eure Mitarbeiter:innen und Auszubildenden von Anfang an gerne im Blog sichtbar oder wurden die Formate eher schleppend aufgenommen?

Julia Böttcher:
Unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen uns seit der ersten Stunde tatkräftig bei der Gestaltung des Karriereblogs, in Form von Experteninterviews und Gastbeiträgen zu aktuellen Projekten und der TK als Arbeitgeber. Dieses Engagement ist stetig gewachsen, da der Karriereblog über die Jahre bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer bekannter geworden ist und so inzwischen nicht nur für Bewerberinnen und Bewerber, sondern auch für TK-Mitarbeitende eine wertvolle Informationsplattform darstellt.

8. Konntet Ihr mit dem Blog bereits messbare (Recruiting-)Erfolge erzielen?

Julia Böttcher:
Wir erheben monatlich die wichtigsten Kennzahlen für unseren Karriereblog und schauen uns dabei neben den gesamten Visits des Karriereblogs und den einzelnen Aufrufen der Beiträge auch die Verweildauer und die weiteren Aktivtäten der Nutzerinnen und Nutzer auf dem Karriereblog an. Daher wissen wir beispielsweise, dass unser Format “Azubitalks”, in dem unsere Auszubildenden fachliche, persönliche und lustige Fragen beantworten, sehr gut ankommt. Auch unsere Experteninterviews zu aktuellen Projekten, wie beispielweise den Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz oder agilen Arbeitsmethoden, werden häufig aufgerufen und führen dazu, dass Interessenten direkt vom Karriereblog weiter auf unsere Homepage klicken, um sich dort die Stellenanzeigen der TK anzuschauen. Dies verzeichnen wir definitiv als Erfolg unseres Karriereblogs, dessen Content messbar dazu beiträgt, die Bewerbungsbereitschaft von Interessenten zu steigern.

9. Das Schreiben von Artikeln und das Drehen von Videos für einen Blog können sehr zeitintensiv sein: Wer hat bei Euch den Kanal in der Hand und wie viel Zeit muss man für diesen Job einplanen, um regelmäßigen Output zu haben?

Lara Schenkel:
Der Karriereblog wird bei uns vom HR-Marketing betreut. Aktuell veröffentlichen wir einmal die Woche einen Blogbeitrag auf unserem Karriereblog. Der Zeitaufwand kommt natürlich immer auf das Thema und die Details des Artikels an. Von der Idee bis zum fertigen Blogartikel mit Interview, Foto oder Video kann gut ein Tag Arbeit eingeplant werden. Wenn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beitrag involviert sind, sollte der Abstimmungsaufwand (gerade in großen Unternehmen) nicht unterschätzt werden – da kann es schnell zu einem höheren Zeitaufwand kommen. Das Gute ist, dass sich der zeitliche Aufwand lohnt und gleichzeitig Content für die Social Media Kanäle entsteht.

10. Welche Stolperfallen gibt und was sollte bei einem eigenen Karriereblog auf jeden Fall beachtet werden?

Lara Schenkel:
Der zeitliche Aufwand sollte nicht unterschätzt werden. Einen eigenen Karriereblog zu betreuen, ist keine Aufgabe, die mal eben nebenbei erledigt werden kann. Eine regelmäßige und sinnvolle Redaktionsplanung mit ausreichender Vorlaufzeit und Fokus auf das, was die Zielgruppen lesen möchten, ist für einen eigenen Karriereblog ausschlaggebend.

Link zum Karriereblog der TK: https://karriereblog.tk.de/

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Kurzvita Julia Böttcher:
Nach meinem Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften begann meine berufliche Laufbahn in einer Marketing- und Werbeagentur in Hamburg, mit dem Schwerpunkt Onlinekommunikation. 2012 wechselte ich zur Techniker Krankenkasse, um den Social Media Auftritt im HR-Marketing der TK aufzubauen. Seitdem verantworte ich diesen Bereich und bin vor allem für die strategische Weiterentwicklung sowie das Monitoring und Reporting zuständig.

Kurzvita Lara Schenkel:
Innerhalb meines Studiums der Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation habe ich meine Leidenschaft für gute Kommunikation entdeckt. Mein Masterstudium der Medienkonzeption hat mir wertvolle Einblicke in die Entwicklung von Kommunikationsformaten ermöglicht. Seit April 2021 unterstütze ich nun redaktionell den Social Media Bereich im HR-Marketing bei der Techniker Krankenkasse.

Vier-Tage-Woche: Wie viel Arbeit brauchen wir?

In Island sind knapp 200.000 Menschen berufstätig. Mehr als 2.500 von ihnen, also über ein Prozent, nahmen seit 2015 an einer mehrteiligen Studie teil: Verkürzte Arbeitszeit bei gleichem Gehalt. Die Teilnehmer:innen reduzierten ihre Wochenarbeitszeit von 40 auf 36 oder 35 Stunden und arbeiteten eine Vier-Tage-Woche.

Eine erste Auswertung des Experiments fällt durchweg positiv aus – die Leistung und Produktivität blieb gleich oder hat sich sogar verbessert. Vor allem stieg aber das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen, sie hatten mehr Zeit für ihr Privatleben, waren weniger gestresst und erkrankten seltener an einem Burnout. Die Ergebnisse der Studie hatten bereits Folgen: 86 Prozent der Isländer:innen haben durch Verhandlungen der Gewerkschaften und Verbände mit Arbeitgebern zwischen 2019 und 2021 nun das Recht auf dauerhaft verkürzte Arbeitszeiten.

Wie sieht es hierzulande aus? Wie viel arbeiten die Beschäftigten in Deutschland? Wie viel wollen sie arbeiten? Und wer soll das alles bezahlen?

1. IST-Zustand: Wie viel arbeiten wir?

2. Wunsch und Wirklichkeit von Arbeitszeit

3. Was kürzere Arbeitszeiten bringen

4. Welche Modelle gibt es?

5. Arbeitszeitreduzierung: Wer soll das alles bezahlen?

6. Fazit

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IST-Zustand: Wie viel arbeiten wir?

John Maynard Keynes, der berühmte britische Ökonom, sagte eine Zukunft voraus, in der der Wohlstand so groß ist, dass wir nur mehr 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten. Das war im Jahr 1930. Knapp 100 Jahre später sind wir davon noch weit entfernt. Die Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten im Durchschnitt 34,8 Stunden pro Woche – im europäischen Vergleich ist das zumindest auf dem Papier unterdurchschnittlich. Allerdings fließen in diese Zahl von Eurostat auch alle Beschäftigten ab 15 Jahren mit ein, die mindestens eine Stunde pro Woche gegen Lohn oder Entgelt arbeiten.

Vier-Tage-Woche: Infografik - Durchschnittlich geleistete Erwerbsarbeitszeit in den EU-Ländern

Dass die Deutschen also unterdurchschnittlich abschneiden, liegt an Mini- und Teilzeitjobs und nicht daran, dass man sich hierzulande schon mehrheitlich von der 40-Stunden-Woche verabschiedet hätte. Geringer sind die Werte etwa in Dänemark oder den Niederlanden, wo ebenfalls die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten sehr hoch ist.

Das Gesamtarbeitsvolumen steigt hierzulande dagegen seit Jahren, wie aus Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht.

Vier-Tage-Woche: Infografik - Arbeitsvolumen in Deutschland

In einer Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstitut heißt es: „Es lässt sich bisher festhalten, dass die Arbeitszeit in Europa in erster Linie aufgrund des steigenden Anteils der Teilzeitbeschäftigung kürzer wird. Diese Teilzeitbeschäftigung ist zuallererst frauendominiert, in den unteren Bereichen der Karriereleiter angesiedelt, hat wenige berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und zeigt einen überproportionalen Anteil an flexiblen Arbeitsverträgen.“

Zwar arbeiten Frauen also heute mehrheitlich, allerdings ist jede zweite in Teilzeit tätig, bei den Männern ist es nur rund jeder neunte. Damit sind die Frauen dem keynesianischen Traum zwar zeitlich näher – nur der Wohlstand stimmt eben nicht.

Vier-Tage-Woche: Infografik zum Beschäftigungsumfang in Deutschland

Wer in Vollzeit tätig ist, arbeitet als Mann im Durchschnitt 41,5 Stunden, bei Frauen sind es 39,9 Stunden – im Vergleich zum Jahr 1991 hat sich also kaum etwas getan in punkto Arbeitszeit, wie die Grafik zeigt.

Vier-Tage-Woche: Infografik zur durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitszeit

Doch während also die wöchentliche Arbeitszeit bei vollem Gehalt etwa gleich bleibt, wird unser Arbeitsleben laut Eurostat immer länger. Eine 15-jährige Person hatte im Jahr 2011 durchschnittlich 37,4 Jahre Arbeit vor sich. Im Jahr 2020 sind es bereits 39,1 Jahre ihres Lebens, die sie der Arbeit widmen wird – Tendenz steigend. Denn wir werden immer älter, während die Zahl der Jüngeren abnimmt, die den Ruheständler:innen ihren Lebensabend finanzieren könnten.

Vier-Tage-Woche: Infografik zur Dauer des Arbeitslebens

WUNSCH UND WIRKLICHKEIT VON ARBEITSZEIT

Wir arbeiten also viel und perspektivisch müssen wir das auch immer länger, weil wir älter werden. Den Acht-Stunden-Arbeitstag gibt es seit etwas mehr als 100 Jahren, allerdings lange an sechs Tagen pro Woche. Der Deutsche Gewerkschaftsbund warb ab 1956 mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir“ für die Einführung der Fünf-Tage- bzw. 40-Stundenwoche, also in einer Zeit, als ein Hauptverdiener für eine ganze Familie arbeitete.

In der klassischen Kleinfamilie sind heute meist beide Elternteile berufstätig und müssen es finanziell auch sein. Je Familie wird also neben Haus- und Fürsorgearbeit mehr Erwerbsarbeit geleistet, statt sich sowohl die 40-Stunden-Arbeitswoche als auch die Zuhause anfallende Arbeit aufzuteilen. Und dieses Mehr an Arbeit zeigt sich womöglich auch in der Zunahme von Stress und psychischen und körperlichen Erkrankungen der Erwerbstätigen.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen

In einer Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) gibt jede:r zweite Befragte:r an, die Arbeitszeit gerne verkürzen zu wollen, trotz Gehaltseinbußen. Im Durchschnitt möchten die Befragten neun Stunden pro Woche weniger arbeiten. Weitere 39 Prozent sind zufrieden und 12 Prozent wollen verlängern, durchschnittlich um acht Stunden. Gefragt nach ihrer favorisierten Arbeitszeit gibt fast jede zweite Frau an, zwischen 20 und 34 Stunden arbeiten zu wollen. Bei den Männern sind es 40 bis 47 Stunden, gefolgt von 35 bis 39 Stunden. Auch hier spiegelt sich also die hohe Teilzeitquote der Frauen und die Vollzeittätigkeit von Männern wider.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu gewünschten wöchentlichen Arbeitszeiten

Wer angibt, mehr arbeiten zu wollen, will im Grunde mehr Geld verdienen und nicht unbedingt mehr Zeit mit Erwerbsarbeit verbringen. So sind es vor allem Beschäftigte im Niedriglohnbereich, die diesem Wunsch zustimmen. Wer finanziell abgesichert ist, hat eher den Wunsch, seine Arbeit zu verringern, wie eine andere Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) zeigt. Demnach sind unter denjenigen mit Wunsch nach Arbeitszeitverlängerung überdurchschnittlich viele Frauen und der Bruttostundenlohn liegt deutlich unter dem der Befragten mit Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung.

Vier-Tage-Woche: Infografik zu Merkmalen der Befragten zu Arbeitszeitwünschen

Was kürzere Arbeitszeiten bringen

Eine Abkehr von der 40-Stundennorm hat einige deutliche Vorteile: Es stellt eine Möglichkeit dar, sich an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen, etwa den demografischen Wandel, ist aber auch ein Instrument für mehr Gerechtigkeit.

KÜRZERE ARBEITSZEITEN ALS BEITRAG ZUR GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT

Nach wie vor verbringen Frauen mehr Zeit mit Fürsorge- und Hausarbeit – Zeit, die ihnen fehlt, um Erwerbsarbeit zu leisten, weshalb der Frauenanteil in Teilzeitjobs hoch ist. Eine Absenkung der Arbeitszeit hin zu einem Modell mit 30 oder 35 Wochenstunden als Vollzeit würde also die Erwerbsarbeit von Frauen aufwerten und zumindest theoretisch mehr Lebenszeit von Männern für Fürsorge- und Hausarbeit zur Verfügung stellen. Außerdem würde sich die Schere bei der Altersarmut verringern, weil Frauen mehr in die Rentenkasse einzahlen könnten. Wer den Gender Pay Gap angehen will, kommt an dieser Stellschraube kaum vorbei.

ALTERSGERECHTES ARBEITSLEBEN

Wer immer länger arbeitsfähig bleiben soll, muss frühzeitig dafür sorgen, dass er oder sie das auch möglichst lange bleibt. Wenn ein Arbeitsleben immer länger dauert, sollten also die Rahmenbedingungen der Erwerbstätigkeit so gestaltet sein, dass Körper und Geist möglichst gesund bleiben. Dafür sind kürzere Arbeitszeiten unerlässlich. Ohne eine umfassende Neugestaltung der Arbeitszeit ist eine Ausdehnung der Lebensarbeitszeit nicht wirklich möglich, so eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

AUFWERTUNG VON TÄTIGKEITEN

Eine Arbeitszeitreduzierung bei gleichem Gehalt in gutbezahlten Akademikerjobs würde auch schlechter bezahlte Teilzeitjobs aufwerten, weil sie näher an Vollzeitjobs rücken würden. Insofern ist Arbeitszeitreduzierung ein wichtiges politisches Instrument für mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem stellt die Arbeitszeitverkürzung (bei gleichem Gehalt) eine Möglichkeit dar, die zunehmend ungleich verteilten Unternehmensgewinne weiterzugeben – in Freizeit, nicht in Geld.

KLIMASCHUTZ DURCH ARBEITSZEITREDUZIERUNG?

Die Klimakrise zeigt einmal mehr, dass das grenzenlose Wachstum unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht möglich ist. Eine Reduzierung der Arbeitszeit und damit eine Fokusverschiebung von maximaler Produktivität hin zu mehr Freizeit, kann Klima und Ressourcen schonen, indem Menschen anders konsumieren, weil sie mehr Zeit haben und der Ressourcenverbrauch durch Arbeit gedrosselt wird. Wer mehr Zeit hat, kann zum Beispiel anders reisen, anders Nahrung zubereiten, mehr Zeit aufwenden, um Dinge zu reparieren, statt neu zu kaufen und mehr Zeit in demokratische Diskurse oder gesellschaftliches Engagement investieren. Das setzt aber einen anderen Fokus im Denken aller voraus.

VIER-TAGE-WOCHE, FÜNF-STUNDEN-TAG: WELCHE MODELLE GIBT ES?

Grundsätzlich kann sich eine geringere Arbeitszeit auf unterschiedliche Zeiträume beziehen:

Kürzerer Arbeitstag: Zum Beispiel Sechs- oder sogar nur Fünf-Stunden-Tage. Das eine wurde in einem Pilotprojekt in einem schwedischen Krankenhaus getestet, das andere von einer Bielefelder Agentur.

Kürzere Arbeitswoche: Der eingangs erwähnte Versuch in Island hatte eine Vier-Tage-Woche als Ergebnis, mit vier längeren Arbeitstagen und einem zusätzlichen Tag Wochenende. Dieses Modell eignet sich besonders, wenn nur wenig Zeit reduziert wird, aber das Pensum etwa gleich bleibt.

Kürzerer Arbeitsmonat: z.B. drei Wochen Arbeitszeit an je sechs Tagen, dann eine Woche frei oder ähnliche Konstrukte, bei denen sich jeweils Arbeit und freie Zeit in Intervallen abwechseln.

Kürzeres Arbeitsjahr oder anders gesagt: Mehr Urlaubstage zur freien Verfügung, was für längere Erholungsphasen sorgt, aber auch Familien mit Kindern eine bessere Betreuung in den Ferien ermöglicht.

Kürzeres Arbeitsleben: Wird erreicht durch früheren Rentenbeginn oder berufliche Auszeiten wie z.B. Sabbaticals. Aufgrund steigender Lebenserwartung scheint dieses Konzept eher nicht geeignet, weil der Trend dahingeht, dass wir länger arbeiten müssen.

Welche Form der Arbeitszeitverkürzung geeignet ist, ist von individuellen Lebenssituationen, aber auch von der Branche und Art der Arbeit abhängig und die Modelle haben ihre jeweils eigenen Vor- und Nachteile. So sind zusätzliche Urlaubstage für Familien mit schulpflichtigen Kindern möglicherweise sinnvoll, während Menschen mit Fernbeziehung das lange Wochenende vorziehen und wieder andere lieber früh in Rente gehen wollen. Kürzere Arbeitstage wiederum schaffen mehr Zeit für den Alltag mit Haus- und Sorgearbeit und Freizeit.

ARBEITSZEITREDUZIERUNG: WER SOLL DAS BEZAHLEN?

Weniger arbeiten ist schön und gut, allerdings muss eine Reduzierung der Arbeitszeit finanziert werden. Dabei gibt es drei Akteure, die direkt am Arbeitsverhältnis beteiligt sind. Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in sind die beiden direkten Vertragspartner:innen, der dritte Akteur ist der Staat. Dementsprechend können die Kosten im Grunde an diese drei Stellen adressiert werden – oder an niemanden.

DIE ARBEITNEHMER:INNEN ZAHLEN

Im simpelsten Fall tragen allein die Arbeitnehmer:innen die Kosten für die Verkürzung der Zeit, indem ihre Gehälter im Verhältnis zur Arbeitszeit sinken. Das ist aktuell der Fall bei Teilzeitarbeit und kann zu erheblicher finanzieller Belastung führen, vor allem im Niedriglohnbereich.

Ein anderer Fall ist die Verkürzung der Arbeitszeit ohne Gehaltsverlust, aber mit Verdichtung der Arbeitszeit, was zu gesundheitlichen Belastungen führen kann. Eine weitere Variante, die ebenfalls zulasten der Gesundheit der Erwerbstätigen gehen kann, ist die Verkürzung mit gleichzeitiger Flexibilisierung der Arbeitszeit, also etwa wenn die Laufzeiten von Maschinen ausgeweitet oder Öffnungszeiten angepasst werden. Dadurch wird weder Produktivität noch Gewinn von Unternehmen angetastet und für die Arbeitnehmer:innen sinkt die Zeit, die für Erwerbsarbeit aufgewendet wird, etwa auf 6-Stundenschichten. Allerdings rutschen Beschäftigte eben in eine Art Schichtarbeit, die die Vereinbarkeit von Freizeit und Familie mit der Arbeit beeinflussen und ebenfalls zu gesundheitlicher Belastung führen kann.

Eine weitere Variante ist die Vereinbarung eines Lohnstopps, Gehälter werden also über einen bestimmten längeren Zeitraum eingefroren und nicht weiter angepasst, während die Arbeitszeit aber sinkt.

DIE ARBEITGEBER ZAHLEN

Zahlen Arbeitgeber die Zeitverkürzung, bleiben die Gehälter konstant, obwohl weniger Zeit für die Erwerbsarbeit aufgewendet wird. Das kann zu niedrigeren Gewinnen oder niedrigerer Produktion oder aber zu höheren Preisen führen. Je preissensibler ein Markt ist, desto gravierender die Folgen. Sinkt die Wettbewerbsfähigkeit zu stark, kann es etwa zu Verlagerung des Produktionsstandorts oder einer Begrenzung künftiger Investitionen kommen.

DER STAAT ZAHLT FÜR VERKÜRZTE ARBEITSZEITEN

Wenn sich der Staat an der Arbeitszeitverkürzung beteiligt, kann das in Form von niedrigeren Sozialbeiträgen für die Arbeitnehmer:innen sein, sodass zwar der vom Arbeitgeber gezahlte Bruttolohn sinkt, bei den Erwerbstätigen aber derselbe Nettolohn ankommt. Oder die Sozialbeiträge für Arbeitgeber sinken, sodass die Nettolöhne gleichbleiben. Bei dieser Variante würde auch die Wahrscheinlichkeit von Neueinstellungen steigen. Wenn diese nicht im ausreichenden Maß erfolgen, sinkt allerdings die finanzielle Basis der Sozialversicherung.

UND WENN NIEMAND ZAHLEN MUSS?

Der beste Fall wäre, dass niemand zahlt und auch das ist möglich. Etwa, wenn durch die Verringerung der Arbeitszeit die Erholungszeiten der Arbeitnehmer:innen verlängert werden und diese produktiver und ausgeruhter sind, sodass Fehlerquoten und Unfallrisiko sinken. Außerdem fallen Fehlzeiten, Stress und Krankheit geringer aus. Weniger Arbeitszeit bedeutet außerdem nicht zwangsläufig weniger geleistete Arbeit, wenn zeitgleich Prozesse angepasst und effizienter gearbeitet werden kann.

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FAZIT

Arbeitszeitverkürzung ist ein wichtiges politisches Instrument für die Verteilung von Arbeit innerhalb einer Volkswirtschaft. Aber sie ist auch mit Vorsicht zu genießen und für Beschäftigte nur dann sinnvoll, wenn sie durch zusätzliches Personal und Zeitsouveränität der Beschäftigten ausgeglichen wird und für den Arbeitsmarkt nützlich, wenn sie Arbeitsplätze schafft. Kurze Arbeitszeiten bringen wenig, wenn sie nicht planbar sind oder aber sich die Arbeit so sehr verdichtet, dass zusätzlicher Stress entsteht. Das erhöht für Unternehmen nur Krankenstand und Fehlerquote.

UNTERNEHMEN KÖNNEN PROFITIEREN

Auf Unternehmensebene lassen sich Arbeitszeitverkürzungen realisieren, wenn gemeinsam mit den Beschäftigten Modelle ausgehandelt werden, die der Vereinbarkeit von Freizeit und Familie mit Erwerbsarbeit dienen. Gleichzeitig können Kompromisse für die Gehälter ausgehandelt werden. Aber selbst ohne Anpassung der Gehälter können Unternehmen von einer Verkürzung profitieren: Erholte Mitarbeiter:innen sind seltener krank, machen weniger Fehler und sind motivierter. Außerdem können sich Unternehmen vor allem bei den jetzt auf den Arbeitsmarkt drängenden Generationen positionieren, indem das Schlagwort „Work-Life-Balance“ wirklich ernst genommen wird und nicht bloß die Möglichkeit meint, die Mittagspause variabel zu legen.

WAS HAT CORONA VERÄNDERT?

In Anbetracht dessen, dass durch Corona viele Beschäftigte ihrem Arbeitgeber durch Home Office Platz in ihrem Zuhause einräumen und während ihrer Arbeitszeit anfallende Nebenkosten zahlen, während gleichzeitig das regelmäßige Socializen mit Kolleg:innen wegfällt, wäre Arbeitszeitverkürzung eine logische Konsequenz.
Auf staatlicher Ebene ist eine Orientierung hin zu kürzeren Arbeitszeiten ein wichtiger Schritt, um die Weichen zu stellen für mehr Gleichberechtigung und um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Die Kurzarbeit während Corona hat gezeigt, dass kürzere Arbeitszeiten Jobs erhalten können, warum sollten auf einem ähnlichen Weg nicht auch neue Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.

ZEIT FÜR VERÄNDERUNG

Seit gut 50 Jahren arbeiten wir in der Regel 40 Stunden an fünf Tagen die Woche. Mittlerweile sind Frauen in nahezu gleicher Zahl wie Männer auf dem Arbeitsmarkt vertreten, die insgesamt geleistete Arbeitszeit steigt. Mit der Erfindung des Computers und dem Aufkommen des Internets haben wir eine neue Kulturtechnik gelernt und in unser Arbeitsleben integriert, Informationen sind viel schneller verfügbar, müssen aber auch in viel größerer Masse von uns verarbeitet werden. Wir haben eine Pandemie durchlebt, die die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt hat und wir wissen, dass unser Wirtschaftssystem eine Gefahr für unser Ökosystem und künftige Generationen ist. Vielleicht ist es Zeit, mal wieder an den Rahmenbedingungen unserer Arbeit zu schrauben und statt mehr Konsum und Wachstum mehr Freizeit und Zeitsouveränität für die Menschen einzuführen.

 

 

Recruiting zwischen Tradition und Innovation: Fachkräftemangel in der Holz- und Kunststoffverarbeitung

Behauptung: (Fast) jeder weiß, was Zimmerleute machen. (Fast) jeder weiß, was Automechaniker:innen machen. Frage: Was machen Verfahrensmechaniker:innen? Zumindest reparieren sie wohl keine „Verfahren“…

Bei der Berufsbezeichnung Verfahrensmechaniker:in für Kautschuk- und Kunststofftechnik bekommt man zumindest eine Ahnung von den Werkstoffen, so richtig klar wird das Berufsbild aber immer noch nicht. Holzverarbeitung ist ein sehr altes Handwerk, Kunststoffverarbeitung steckt im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen. Eines eint beide Branchen jedoch – wie so viele andere im Handwerk: Der Fachkräftemangel.

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Sinkende Arbeitslosen-Stellen-RelationUnternehmen befinden sich im Aufschwung 

Im letzten Jahr lag die Arbeitslosen-Stellen-Relation in der Holz- und Kunststoffverarbeitung bei 2,87. Rund 48.000 Arbeitslose kamen auf 16.737 offene Stellen. Eine Zahl, die erst knapp im Mangelbereich liegt. Dieses Jahr verschärfte sich die Situation, es sind 23.200 Stellen ausgeschrieben, bei einer sinkenden Zahl von Beschäftigungssuchenden (39.250). Damit sinkt auch die Arbeitslosen-Stellen-Relation auf 1,69.

In unserer aktuellen Arbeitsmarkt- und Online Recruiting Studie haben wir uns die Branchen der Holz- und Kunststoffverarbeitung genauer angeschaut und versuchen nun zu erklären, warum die Branchen – beide auf unterschiedliche Weise – große Probleme im Recruiting haben.

Beide Branchen befinden sich im Wandel. Holz ist ein nachhaltiger und nachwachsender Rohstoff. Es verändern sich Techniken und Formen der Bearbeitung, damit verändern sich auch Aufgaben und Verantwortungen.

Dennoch: Die Orientierung zu Nachhaltigkeit, bewusstem Ressourceneinsatz und Ökologie machen den Beruf für die jüngeren Generationen attraktiv. Seit jeher zählt das Gewerk des Zimmerers/der Zimmerin zu einem der gefragtesten bei den traditionellen Handwerksberufen. Dinge mit den eigenen Händen aufbauen, konstruieren – auch Abiturient:innen entscheiden sich immer häufiger für diesen Ausbildungsweg.

An Nachwuchs mangelt es zumindest im Gewerk der Zimmerleute also nicht, seit 2010 steigt die Zahl der jährlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge sogar. 2020 waren es lt. Statista bereits knapp über 9.000. Dennoch ist das Berufsbild des Zimmerers/der Zimmerin nicht mehr nur ein Engpass-, sondern ein klares Mangelprofil, wie in der Grafik deutlich wird.

0,72 Arbeitslose kommen auf eine Stelle

Diese Entwicklung ist einerseits saisonal bedingt: Die Arbeitsmarktlage zeigt von Januar bis März jährlich jeweils deutlich mehr Arbeitslose als im restlichen Jahr. Andererseits erholen sich alle Segmente der Holzindustrie nach den negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie deutlich. Der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie (HDH) berichtet, dass Unternehmen in der Sägeindustrie und der Holzwerkstoffindustrie im baunahen Bereich der Holzindustrie, im Holzfertigbau und in der Holzverpackungsindustrie ihre aktuelle Geschäftslage positiv einschätzen. Auch die aktuelle Beurteilung der Geschäftslage in der Möbelindustrie falle vor dem Hintergrund der wieder anziehenden Möbelnachfrage im Inland und des guten Exportgeschäfts positiv aus.

Neue Branche – ähnliche Probleme

Auch im Bereich Kunststoff besteht ein ständiger Wandel. Themen wie Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Recycling sind in aller Munde. Der Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV) mahnt: Aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage und dem sich abzeichnenden demografischen Wandel sei die Kunststoffindustrie dringend auf ausreichenden Fachkräftenachwuchs angewiesen.

Allerdings konnten im vergangenen Jahr nur 2.358 neue Ausbildungsverträge zum Verfahrensmechaniker/zur Verfahrensmechanikerin für Kunststoff- und Kautschuktechnik abgeschlossen werden – einem der wichtigsten Fachberufe. Der fehlende Nachwuchs überträgt sich somit auch auf den Rest der Branche: Mit einer Arbeitslose-Stellen-Relation von 1,68 ist dieses Berufsbild ebenfalls von einem Fachkräfteengpass geprägt, Tendenz steigend.

Ein stärkerer Fokus auf gezieltes Ausbildungsmarketing kann hier ein großer Schritt in die richtige Richtung sein, denn mutmaßlich kennen viele Schulabgänger:innen neuere Berufsbilder noch gar nicht, können somit also auch nicht nach diesen suchen, geschweige denn, sich auf die offenen Stellen bewerben.

Schlusslicht im Online Recruiting

21 Prozent der Unternehmen lassen Bewerbungen ausschließlich per Mail zu

Neben dem Mangel an Fachkräften bzw. an Nachwuchs in beiden Branchen zeigen sich in der Untersuchung der Online-Auftritte von 139 Unternehmen im Bereich Holz- und Kunststoffverarbeitung jedoch weitere eklatante Mängel.

Diese können durchaus zu Problemen beim Recruiting führen: Gleich zu Beginn der Online Candidate Journey zeigt sich, dass nur 69 Prozent der Unternehmen einen Link zu ihren Karriereseiten im Headermenü führen. Dabei ist die Startseite häufig erster Anlaufpunkt von potenziellen Kandidat:innen. Im weiteren Verlauf der Journey zeigt sich die Mobiloptimierung auf einem soliden Stand, allerdings stürzt diese – wie in allen untersuchten Branchen – bei der Mobiloptimierung der Bewerbungsformulare stark ab.

Diese Entwicklung gipfelt in einem absoluten Negativrekord aller bisher untersuchten Branchen: Ganze 21 Prozent der Unternehmen bieten eine Bewerbung AUSSCHLIESSLICH per E-Mail an. Heutzutage und gerade auf der Suche nach Auszubildenden ein absolutes No-Go. Denn 53,5 Prozent der Generation Z präferieren laut einer 2020 von Monster in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg durchgeführten Studie eine Bewerbung per Smartphone, recherchieren auch von unterwegs mit dem mobilen Endgerät (60,5 Prozent) oder nutzen Chatbots für kurzfristige Antworten (23,4 Prozent).

Und am Ende bleibt es dann doch unerheblich, ob es sich um einen sehr bekannten Traditionsberuf oder um einen neuen, vielleicht nicht selbsterklärenden Berufszweig handelt. Auf einem leergefegten Arbeitsmarkt hat das Unternehmen die Nase vorn, welches seine potenziellen Kandidat:innen auf den richtigen Kanälen findet, anspricht und ihnen eine möglichst reibungslose Candidate Journey bietet.

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Nur schlechtes Image? 3 Gründe, warum es in Versicherungen und Finanzen an Bewerbungen mangelt

Nüchterne Zahlen, windige Geschäftsmodelle, lange Bürotage in Verwaltungsgebäuden und spießige Kleidung – die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche hat bei vielen nicht den besten Ruf.

Und das macht sich bemerkbar auf dem Arbeitsmarkt: Im Jahr 2020 waren bei der Bundesagentur für Arbeit mehr als 11.000 unbesetzte Stellen gemeldet, gleichzeitig waren knapp 27.000 Beschäftigte arbeitslos, macht eine Arbeitslosen-Stellen-Relation von 2,37. In diesem Jahr verschärfte sich die Situation sogar noch einmal, sodass die Zahl im Mai bei nur noch 1,55 lag. Wo liegen die Schwierigkeiten der Branche?

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1. DIE BRANCHE HAT EIN SCHLECHTES IMAGE

In der Bevölkerung genießen Berufsbilder aus dem Bereich kein gutes Ansehen, wie aus einer jährlichen Umfrage des dbb Beamtenbundes hervorgeht. Vor allem Versicherungsvertreter:innen haben einen schlechten Stand und landen im Ranking von 2021 im Ansehen der Befragten mit nur acht Prozent auf dem letzten Rang.

Bewerbermangel Finanzbranche: Infografik - Berufe und ihr Ansehen

Bankangestellte kommen lediglich auf 23 Prozent, Steuerberater:innen landen bei 36 Prozent. Zum Vergleich: Die am besten angesehenen Berufsgruppen sind Feuerwehrleute mit 93 Prozent und Ärzte und Ärztinnen mit 87 Prozent.

Zudem hat das Ansehen des Finanzsektors durch die Finanzkrise im Jahr 2008 gelitten, was sich bis heute im Vertrauen der Bevölkerung in die Branche niederschlägt. Das Edelman Trust Barometer untersucht jährlich, wie groß das Vertrauen der Menschen weltweit in verschiedene Industriesektoren ist. Die Finanzdienstleistungen schneiden am schlechtesten ab, wie die Grafik zeigt.

Finanzen und Versicherungen - Infografik zum Vertrauen in die Branche

Hinzu kommen auch jüngste Entwicklungen im digitalen Bankenbereich, etwa rund um Finanzdienstleister Wirecard, die für den Ruf der Branche und das entgegengebrachte Vertrauen nicht förderlich sein dürften.

2. DER BRANCHE RENNT DER NACHWUCHS WEG

Der Branche fehlt der Nachwuchs: Der Anteil der unter 25-Jährigen ist in der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche geringer als im gesamten Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu 2016 hat er sich sogar noch einmal verringert (-0,5 Prozentpunkte), während er im gesamten Arbeitsmarkt stabil geblieben ist. Auch der Anteil der 25- bis unter 35-Jährigen fällt geringer aus als im gesamten Arbeitsmarkt, wie die Grafik mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigt.

Versicherungen und Finanzen: Infografik - Absolvent:innen der Branche

Insgesamt fehlen vor allem Fachkräfte, also Beschäftigte mit Berufsausbildung. Doch die Zahl der Auszubildenden in der Branche ist in den vergangenen Jahren deutlich zurück gegangen, wie Daten des Bundesinstituts für Berufsausbildungen zeigen. So gab es im Jahr 2000 noch 31.000 Absolvent:innen in Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung, im Jahr 2019 waren es nur mehr knapp 18.000.

Versicherungen und Finanzen: Infografik: Immer weniger Azubis

3. DIE DIGITALISIERUNG VERÄNDERT DIE BRANCHE

Einerseits schließen immer mehr Menschen online Versicherungen ab, andererseits bietet die Digitalisierung auch neue Versicherungsmöglichkeiten im Bereich Cyberschutz. Die Tätigkeiten werden dadurch komplexer, vielen Beschäftigten fehlen aber die IT-Kenntnisse.

Dasselbe zeigt sich bei den Finanzdienstleistungen. So gab es im Jahr 2019 laut einer Studie des Ifo-Instituts hierzulande 694 FinTechs – ein Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015. Als FinTech definiert werden in dem Zusammenhang Unternehmen, die „technologiegetriebene Finanzinnovationen verfolgen, die zu neuen Geschäftsmodellen, Anwendungen, Prozessen oder Produkten führen können, die wiederum wesentliche Auswirkungen auf Finanzmärkte und Finanzinstitute sowie die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen haben“.

Mit 147 boten die meisten der untersuchten Unternehmen Dienstleistungen rund um Zahlungsverkehr an. 59 wurden dem Bereich Versicherungen zugeordnet (InsurTechs).
Zeitgleich zu diesen Entwicklungen schließen immer mehr Banken Filialstandorte. Im Jahr 2004 gab es hierzulande noch knapp 48.000 Bankfilialen. 2019 lag die Zahl nur noch bei gut 28.000. Laut Schätzung der Unternehmensberatung Oliver Wyman wird die Zahl der Filialen in Deutschland weiter bis auf 15.800 im Jahr 2030 schrumpfen.

Versicherungen und Finanzen: Infografik - Filialsterben in Deutschland

Damit fällt den Berufen der direkte Kundenkontakt weg, was ihren trockenen Ruf verstärken könnte. Außerdem werden die Berufe dadurch digitaler, was wiederum mehr technologische Skills bei Bewerber:innen erfordert.
Diese digitalen Geschäftsmodelle sind nötig, um die Branche zu modernisieren, gleichzeitig verschärfen sie den Fachkräftemangel, denn IT-Personal wird hierzulande ebenfalls händeringend gesucht, wie unsere Branchenstudien der vergangenen Monate und unser Branchenschwerpunkt zeigen.

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WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN?

Insgesamt hängen die drei aufgezeigten Probleme in Versicherungen und Finanzdienstleistungen zusammen und bedingen sich: Ein schlechtes Image hält den Nachwuchs fern, der wiederum die dringend benötigten technischen Fähigkeiten mitbringen würde, um die Branche weiterzuentwickeln und so das angestaubte Image zu überwinden, um wiederum mehr Nachwuchs anzulocken.

Eine Umfrage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer zeigt allerdings auch: So abgeneigt sind diese jungen Leute Jobs in Versicherungen und Co. gar nicht. So gaben acht Prozent der Befragten zwischen 18 und 30 Jahren im Februar dieses Jahres an, sich eine Versicherungskarriere vorstellen zu können, für 33 Prozent wäre es prinzipiell denkbar, aber nicht die erste Wahl – potenziell ließen sie sich also überzeugen, was die Wichtigkeit einer guten Arbeitgeberpositionierung unterstreicht.

Eine verbesserte Ansprache und Zusammenführung von Unternehmen und künftigen Azubis könnte also Abhilfe schaffen. Außerdem müssen die Ausbildungen und Studiengänge digitaler werden und so die Technologisierung der Branche abbilden.

Wo ohnehin ein Mangel herrscht, sollten interessierte Bewerber:innen außerdem nicht auch noch von einer wenig überzeugenden Unternehmenspräsentation abgeschreckt werden. Vor allem in der Versicherungs- und Finanzbranche gilt es, die richtige Mischung aus seriös und nahbar zu finden und die Vorteile der Jobs herauszustellen.

Am Ende geht es aber auch darum, den Bewerbungsprozess möglichst schlank und unkompliziert zu halten und die richtigen Kandidat:innen auf den richtigen Kanälen anzusprechen. Wie unsere aktuelle Studie zum Recruiting in Versicherungen- und Finanzdienstleitungen zeigt, klappt das aktuell eher durchwachsen.

Nur 63 Prozent der Unternehmen haben ihre Karrierewebseite gut sichtbar auf der Startseite verlinkt. 51 Prozent verfügen nicht über ein mobiloptimiertes Bewerbungsformular und das, wo im Grunde kaum noch über Desktops gesurft wird. Außerdem ist bei rund jedem dritten Unternehmen eine Bewerbung nur mit Login-Zwang möglich.

Was ist eigentlich eine faire Bezahlung?

Über Geld spricht man nicht, darüber scheint man sich hierzulande einig zu sein. Dementsprechend auch lieber nicht über das Gehalt. Das zeigt sich auch in Stellenausschreibungen: Bei fast keiner Vakanz wird direkt angegeben, was Bewerber:innen eigentlich finanziell erwartet – und das, obwohl Geld verdienen, seien wir mal ehrlich, in den meisten Fällen der Hauptantrieb für Erwerbsarbeit ist. Stattdessen wird häufig erwartet, dass der oder die Bewerber:in selbst eine Gehaltsvorstellung nennt. Arbeitnehmer:innen sind also mehr oder weniger auf sich gestellt, den Wert der eigenen Arbeit einzuschätzen.

Aber auch Personalabteilungen müssen, vor allem bei Jobs mit Mangelprofilen, wissen, wie die Konkurrenz zahlt und welche Gehälter üblich sind. Mittlerweile gibt es diverse Onlineportale, um Gehaltsvergleiche anzustellen. Und es gibt Tarifverträge, die offiziell regeln, wer wieviel verdient. Aber der Anteil an Unternehmen und Arbeitnehmer:innen mit Tarifbindung sinkt stetig und ist zudem branchenabhängig.

Was ist also eine faire Bezahlung? Wie wird diese bestimmt? Wo verdient man wieviel und ist es wirklich sinnvoll, in Regionen zu arbeiten, wo zwar die Gehälter hoch, aber die Lebenshaltungskosten noch höher sind? Wir geben einen Überblick in Daten.

STATUS QUO: WER VERDIENT WAS?

WIE HOCH IST MEIN BEDARF?

WO STEHE ICH IM VERGLEICH ZU ANDEREN?

FAZIT: SO SIEHT EINE FAIRE BEZAHLUNG AUS

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STATUS QUO: WER VERDIENT WAS?

Vollzeit-Beschäftigte in Deutschland verdienen laut Daten der Bundesagentur für Arbeit im Mittel 3.526 Euro in den westdeutschen und 2.827 Euro in den ostdeutschen Bundesländern. Es macht also einen Unterschied, wo man wohnt, wenn es um den Gehaltszettel geht.


Aber noch weitere Faktoren haben Einfluss: Etwa das Anforderungsniveau und das Geschlecht.
Bei Stellen mit Helfer:innen-Profil lag das mittlere monatliche Entgelt im vergangenen Jahr bei 2.334 Euro. Ein:e Expert:in verdient mit 5.566 Euro mehr als das Doppelte. Außerdem spielt das Geschlecht eine Rolle: Frauen verdienten 2019 im Mittel 3.117 Euro, Männer 3.560 Euro.

Faire Bezahlung – Infografik: Wer verdient was?

Aber auch die Branche hat großen Einfluss auf den Betrag im Geldbeutel. So gehören Beschäftigte in der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mit durchschnittlich knapp 6.700 Euro monatlichem Bruttogehalt zu den Gutverdiener:innen, im Gastgewerbe sind die Gehälter mit nur 2.142 Euro im Durchschnitt sehr viel niedriger.

Infografik: Welche Branche verdient am besten?

Allerdings handelt es sich bei diesen Daten vom Statistischen Bundesamt um das arithmetische Mittel, das heißt, aus allen Gehaltsdaten wird die Summe gebildet und durch die Zahl der Beschäftigten geteilt. So „schlucken“ einige wenige sehr hohe Gehälter viele kleine. Die Daten der Bundesagentur für Arbeit geben hingegen den Median wieder, also den Mittelwert. Dabei handelt es sich um das Gehalt, bei dem genauso viele Beschäftigte weniger und genauso viele mehr verdienen, unabhängig von der tatsächlichen Höhe.

Beim Branchenvergleich kommt es natürlich auch auf die darin tätigen Berufe an. Aber selbst bei Berufen, die branchenübergreifend gebraucht werden, etwa Personalleiter:innen, Geschäftsführer:innen oder Systemadmins macht die Branche einen Unterschied und Beschäftigte können von einem Wechsel profitieren – oder eben im Gehalt absteigen, wie eine Untersuchung der Vergütungsplattform Compensation Partners zeigt.

Faire Bezahlung: Ein Branchenwechsel kann sich lohnen

Im Allgemeinen profitieren Beschäftigte außerdem davon, ob in ihrem Betrieb ein Tarifvertrag Anwendung findet. Laut Daten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung liegen die Löhne und Gehälter mit Tarifbezahlung deutlich über denen ohne Tarif.

Faire Bezahlung: Tarifverträge

Allerdings geht der Trend seit Jahren dahin, dass immer weniger Unternehmen eine Tarifbindung haben. Das liegt auch daran, dass durch die Entwicklungen im Bereich Technologie ganze Branchen neu geschaffen wurden – und diese sind selten einem Tarif verpflichtet, während klassische gewerkschaftlich organisierte Branchen an Bedeutung verlieren.

WIE HOCH IST MEIN BEDARF?

Wenn es um das Einkommen und die damit zu begleichenden Lebenshaltungskosten geht, gibt es verschiedene Faustregeln. Wer zum Beispiel eine Mietwohnung sucht, hat vermutlich schonmal gehört, dass die Kaltmiete nicht mehr als ein Drittel des Nettogehalts ausmachen sollte. An anderer Stelle sind es 40 Prozent des Jahresbruttos.

Eine andere grobe Regel zur Aufteilung des Netto-Einkommens lautet: 50/30/20. Das heißt 50 Prozent des Gehalts sollen für Fixkosten wie Wohnen, Nahrungsmittel und Transportkosten eingerechnet werden. 30 Prozent stehen für die Freizeit zur Verfügung und 20 Prozent werden gespart. Die 50/30/20-Regel wird eigentlich als Faustregel angewendet, wenn Sparer:innen Rücklagen aufbauen möchten. Genauso gut kann man sie aber eben auch andersherum nutzen und sich seinen persönlichen Mindest-Gehaltsbedarf ausrechnen.

Infografik: 50-30-20-Regel

An dieser Stelle wird schon deutlich, dass nicht nur die Höhe des Gehalts eine Rolle spielt, sondern eben auch die weiteren Stellschrauben: Wenn der Preis für Wohnraum dort, wo ich lebe, besonders hoch ist, übersteigen meine Fixkosten schnell die 50 Prozent. Wie viel kann ich mir also noch leisten, wenn das lebensnotwendige abgezogen ist?

Eine Untersuchung der Onlineplattform Stepstone zeigt: Am Ende sind die Gewinner:innen beim Gehalt nicht unbedingt die, die viel verdienen, sondern diejenigen, die das beste Verhältnis bei den genannten Kriterien haben. Denn ein Gehaltszettel in zum Beispiel Hamburg oder München überzeugt zwar auf den ersten Blick, aber die hohen Lebenshaltungskosten sorgen dafür, dass Beschäftigten am Ende nicht viel bleibt, während andere Regionen zwar auf den ersten Blick nicht mit dem großen Geld winken, am Ende aber ein deutlich gefüllteres Sparschwein bieten.

 

Faire Bezahlung: Wie viel vom Einkommen übrig bleibt

WO STEHE ICH IM VERGLEICH ZU ANDEREN?

Bei fairer Bezahlung geht es aber nicht nur um den eigenen Bedarf, sondern auch um den Vergleich zu anderen. Da hierzulande in den meisten Fällen Bewerber:innen Gehaltsvorstellungen angeben, anstatt dass Unternehmen sagen, was sie zahlen wollen, bietet sich eine Vorrecherche auf beiden Seiten an. Das kann auch sinnvoll sein, wenn es in bestehenden Arbeitsverhältnissen um Gehaltserhöhungen geht. Dafür gibt es mittlerweile eine Fülle von Portalen, wir zeigen eine Auswahl:

– Einen guten Überblick zur Einschätzung einer spezifischen Stelle bietet der Gehaltsrechner des Statistischen Bundesamts (nicht-kommerziell).

– Das Portal „Berufe auf einen Blick“ der Bundesagentur für Arbeit gibt einen Überblick zum gesamten Arbeitsmarkt mit der Möglichkeit zur Spezifizierung nach Branche und Berufsbild (nicht-kommerziell).

– Das Portal lohnspiegel.de der Hans-Böckler-Stiftung bietet verschiedene Informationen und Gehaltsvergleiche. Allerdings sind hier an manchen Stellen die Daten schon älter und darum nur bedingt vergleichbar mit dem aktuellen Gehalt. Beim Gehaltsvergleich mit eigenen Angaben zu Stelle und Stelleninhaber:in kommt allerdings eine fortlaufende Umfrage zum Einsatz. Als Teilnehmer:in werden die Angaben mit denen der anderen verglichen. Hier kann man auch prüfen, was zum Beispiel das Alter, Geschlecht oder der Wechsel in ein kleineres/größeres Unternehmen durchschnittlich für Auswirkungen hätte (nicht-kommerziell).

Gehalt.de ist eine Onlineplattform rund um alle Gehaltsthemen. Hier kann man sein Gehalt vergleichen (unter Angabe einer E-Mail-Adresse), bekommt aber auch eine Schätzung zur Höhe des Gehalts zu aktuell ausgeschriebenen Stellen (kommerziell).

FAZIT: SO SIEHT EINE FAIRE BEZAHLUNG AUS

Generell kann man sagen: Ein faires Gehalt ist ein angemessenes Gehalt und ein angemessenes Gehalt ist eines, das die Arbeitsbelastung und -leistung widerspiegelt, Ausbildung, Berufserfahrung und Spezialisierung mit einbezieht und die Lebenshaltungskosten und den weiteren Bedarf eines Beschäftigten abdeckt.

In der Praxis kommen weitere Faktoren hinzu, etwa das generelle Gehaltslevel in einer Branche oder in einer Region, Alter und Geschlecht. Diese Faktoren sind objektiv betrachtet nicht unbedingt fair, resultieren aber aus gewachsenen Strukturen und bilden zum Beispiel ab, wieviel Kapital in einer Branche steckt, wie Angebot und Nachfrage aussehen und welche Kriterien zur Bewertung einer Stelle herangezogen werden und nicht unbedingt nur die eigentliche Arbeitsbelastung oder -leistung der Berufe.

Grundsätzlich sind Gehaltsmodelle fairer, die nachvollziehbar sind, denn sie geben dem oder der Einzelnen die Möglichkeit einzuschätzen, was nötig ist, um das eigene Gehalt zu steigern, also ob es etwa sinnvoll ist, eine Weiterbildung zu machen, ob das Gehalt mit der Länge der Unternehmenszugehörigkeit steigt oder ob ein Wechsel nötig ist.

Um all das einschätzen zu können, sind Informationen unerlässlich, denn nur dann können Vergleiche angestellt werden, um einschätzen zu können: Werde ich fair bezahlt? Gleichzeitig ist es für Unternehmen wichtig zu wissen, wie Bewerber:innen und Beschäftigte im Vergleich verdienen. Der Jobspreader bietet dazu seit kurzem einen eigenen Gehaltschecker, um einschätzen zu können: Wie bezahlen wir im Vergleich?

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Trends und Berufe von morgen: Das HR Zukunftslab der Deutschen Bahn im Interview

Wie sieht die Arbeit von morgen aus?

Diese Frage stellt sich das Deutsche Bahn HR Zukunftslab, um grundlegende Antworten zu finden. Wie werden sich die Berufe und Tätigkeiten verändern und wie werden wir zusammenarbeiten?

In einem interdisziplinären Team werden Zukunftsbilder aktueller Berufe gezeichnet und bereits heute ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt. Wir haben mit dem Team der Deutschen Bahn gesprochen, um zu erfahren, wie das in der Praxis funktioniert.

1. Eines der spannendsten HR-Projekte bei der DB ist aktuell wohl das HR Zukunftslab. Das HR Zukunftslab ist ein interdisziplinäres und hierarchiefreies Team mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit dem Ziel, zukünftige Veränderungen für aktuelle Tätigkeiten und Jobs vorauszusagen. Kannst Du diese etwas theoretische Beschreibung mit Leben füllen? Was ist das Ziel des HR Zukunftslab?

Die Digitalisierung und weitere Megatrends stellen die Arbeitswelt – stellt unser aller Arbeitsleben – weiterhin auf den Kopf, verändert sie radikal. Veränderungen mitzumachen genügt schon lange nicht mehr. Wir wollen bei dieser großen technischen, aber auch gesellschaftlichen Entwicklung Trendsetter sein, nicht nur Trendsurfer.

Das HR Zukunftslab, oder auch LAB 1, beschäftigt sich deshalb mit den Berufen der Zukunft.

Wir wollen Antworten auf grundlegende Fragen finden: Wie werden sich die Berufe und Tätigkeiten verändern? Wie werden wir zusammenarbeiten? Wenn wir diese Fragen beantworten können, sind wir in der Lage, Veränderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu planen, was beispielsweise Recruiting, Ausbildung, Qualifizierung und das Steuern der Einstellungszahlen angeht.

Wir befinden uns in einer Extremsituation. Und in einer solchen helfen die üblichen Methoden nicht. Wer weiterkommen will, muss improvisieren, mutig sein, kreativ sein, Neues ausprobieren. Das machen wir im Lab 1!

Zitat: Wer weiterkommen will, muss improvisieren

2. Welche interdisziplinären Funktionen bzw. Rollen vereint Ihr innerhalb des Zukunftslab-Teams?

Entscheidend ist: Wir treffen uns silo- und hierarchieübergreifend. Das Lab setzt sich aus einem ca. 15-köpfigen Team zusammen, das interdisziplinär aus dem gesamten DB-Konzern kommt. Die Mitglieder des sogenannten Kernteams kommen aus den verschiedensten Ebenen, von der Referenten- bis zur Geschäftsführer- und Vorstandsebene. Vertreten sind auch verschiedene Konzernbereiche wie DB Regio (Nahverkehr), DB Netz (Infrastruktur), DB Engineering & Consulting und DB Fahrzeuginstandhaltung sowie Konzernfunktionen wie HR. Dabei gibt es keine Ausschlusskriterien, das Lab ist für jeden zugänglich, nicht nur innerhalb des Konzerns.

HR-Zukunftslab: Darstellung des Lab 1 Lead-Teams
Das Lab 1 Team

Eine der wichtigsten Punkte für uns ist Co-Creation. Das ist eine Philosophie, die unsere Arbeit bestimmt und leitet. Die Grundüberzeugung: Die Zeit von Einzelkämpfern ist vorbei. Wir holen uns Partner:innen mit ins Boot. In unserem Fall sind das zum Beispiel neben den genannten Bereichen und Geschäftsfeldern der DB das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Hochschulen, Vertreter:innen der Wissenschaft und natürlich die Bundesagentur für Arbeit. Und zusätzlich bekommen wir Impulse von Unternehmen, die auch im Umbruch sind und das Thema bearbeiten.

Durch die Inspirationen von unseren unterschiedlichen Kooperationspartnern erhalten wir sehr unterschiedliche und spannende Blickwinkel. Und wir möchten Synergien erzeugen. Wir sind eine Plattform, die Wissen sammelt und weiterverarbeitet. Wir sind viele, und das macht uns stark.

3. „Nur zu wissen, dass sich etwas verändert, reicht nicht aus“. Deshalb leitet die Bahn aus dem gewonnen Wissen Maßnahmen für die Arbeit der Zukunft vor Ort ab. Wie sehen solche Maßnahmen in einem konkreten Beispiel aus?

Wir haben im Lab die Methode Back-to-the-Future entwickelt.

Dabei denken wir von der Zukunft ins Jetzt. Wir haben Antworten auf Fragen gefunden, d.h. Zukunftsbilder aktueller Berufe gezeichnet und bereits heute ganz konkrete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt.

Die Methode kurz beschrieben: Zunächst wertet das Lab alle vorhandenen Informationen zu den Berufsbildern/Jobprofilen aus, die wir im Lab unter die Lupe nehmen und führt persönliche Interviews mit Kolleginnen und Kollegen, die den Beruf derzeit ausüben. Dabei geht es um aktuelle Herausforderungen und Zukunftsannahmen. Dann erstellen Trend-Expert:innen basierend auf den vorliegenden Informationen Zukunftshypothesen. Heißt: Welche Skills wird es geben, welche Qualifikationen, wie hoch ist der Bedarf? Wie sehen zukünftige Berufsbilder aus? Daraus leiten wir dann gemeinsam mit den Expert:innen aus den verschiedenen Fachdisziplinen konkrete Maßnahmen ab, die wir anschließend in die Umsetzung bringen.

Zitat: Welche Skills wird es geben?

Einer der Berufe, die wir uns bereits angeschaut haben, ist der:die Bauüberwacher:in, am Markt bekannt als Bauleiter:in – Ingenieur:innen, deren Job es u.a. ist, auf Baustellen für Sicherheit zu sorgen und zwischen den Bauunternehmen und den Auftraggeber:innen zu vermitteln. Für die Deutsche Bahn ist das eine systemrelevante Tätigkeit!

Die Methodik erzielt bereits spannende Ergebnisse, wie zum Beispiel:

  • Kompetenzen verändern sich insbesondere im Hinblick auf digitales Arbeiten, digitale Tools, Informations- und Datenkompetenz sowie Veränderungsbereitschaft
  • Die Digitalisierung ermöglicht eine flexible, individuelle und ortsunabhängige Ausgestaltung der Tätigkeit
  • Die Attraktivität des Berufsbildes steigt: Kernkompetenzen der Bauüberwacher:innen rücken in den Vordergrund; die Tätigkeiten werden zunehmend digitaler und smarter
  • Es entstehen neue Aufgabenfelder, dazu gehört die Datenauswertung von Drohnenflügen und Auftragsklärungen mit Drohnenpilot:innen

Einige Skill-Veränderungen wurden bereits im Recruiting-Profil aufgenommen: zum Beispiel das Thema Selbstorganisation, oder Fähigkeiten bezüglich der Datenvisualisierung und -auswertung, Verständnis für Sensorik und Robotik. Bereits funktionierende und etablierte Maßnahmen wie Online- und klassische Lernformate wurden angepasst. Die Berufsveränderung wird in die Strategie der DB-Tochter „Engineering and Consulting“ eingebettet. Außerdem setzen wir auf eine noch engere Verbindung zwischen angehenden Bauüberwacher:innen an den Unis und den aktuellen Kolleg:innen. Wir wollen den Austausch und damit den Wissenstransfer fördern. In einem Future-Hub sollen sich zukünftig die Beteiligten über Digitalisierungsthemen austauschen und informell weiterbilden können.

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4. Wenn ich das richtig sehe, untersucht Ihr alle Berufe der 330.000 DB-Mitarbeitenden. Wie viele habt Ihr denn da genau unter die Lupe zu nehmen?

Die DB hat 500 Berufsbilder, und letztlich müssen diese alle fit für die Zukunft gemacht werden. Im Lab 1 haben wir uns erstmal für fünf typische Berufe entschieden, die wir pilotieren: Bauüberwacher:in, Data Analyst:in, Signalmechaniker:in und Elektriker:in, Mechaniker:in in der Instandhaltung und Disponent:in.

Für die anderen 495 Berufsbilder müssen wir unsere Back-to-the-Future-Methode so weiterentwickeln, dass sie einfach und ohne großen Aufwand anzuwenden ist. Dabei wird uns auch die Digitalisierung helfen, um ein eine moderne Plattform zu erarbeiten, mit der wir alle Berufe schnell analysieren können. Durch dieses Vorgehen können wir unsere Geschwindigkeit erhöhen und uns schneller fit für die Zukunft machen.

5. Die aktuelle Ausrichtung des Labs scheint von außen vor allem auf Personalentwicklung bzw. Internal Mobility abzuzielen. Angesichts des angespannten Arbeitsmarktes und der existierenden Fachkräfteengpässe wäre eine solche Analyse natürlich auch aus einer Recruiting-Perspektive spannend. Denn wenn ich die Wollmilchsau nicht bekomme, kann ich ja das Wollmilchferkel rekrutieren und entsprechend nachschulen ;). Denkt Ihr auch schon in diese Richtung?

Natürlich!

Wichtige Bausteine unserer Methodik sind sowohl das frühzeitige Erkennen von neuen, zukünftigen Skills, die erlernt werden müssen, als auch die entsprechenden Recruitingmaßnahmen.
Konkret: Durch die Methode können wir das zukünftige Berufsbild inklusive der notwendigen Kompetenzen klar beschreiben. Durch einen Abgleich mit dem Status Quo können wir den Entwicklungsbedarf über die nächsten Jahre sehen. Daraus können wir dann gezielt Maßnahmen ableiten, die auch die Bereiche Personalmarketing und Recruiting umfassen.

Zitat: Frühzeitiges Erkennen von Skills

Die enge Verzahnung mit der Personalgewinnung ist sehr sinnvoll, denn wir sehen in unserer täglichen Arbeit die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, bekommen Entwicklungen von neuen Berufen und Skills hautnah mit. Diese relevanten Impulse können wir in unsere Arbeit im Lab ideal einbringen.

Übrigens: Laut IAB können bis zum Jahr 2025 rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. Und in der gleichen Zeit rund 1,5 Millionen neue entstehen! Und wir als DB wollen sicherstellen, dass wir dabei sind, wenn neue Profile entstehen, um die passenden Kanditat:innen für den Konzern zu gewinnen.

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Klimaschutz und Digitalisierung gehen Hand in Hand Richtung MINT-Fachkräftemangel

Die deutsche Wirtschaft steht mit dem Abklingen der Corona-Pandemie weiterhin vor zwei großen Herausforderungen: Klimaschutz und Digitalisierung. Beide Bereiche bedingen sich, wie aus dem aktuellen MINT-Frühjahrsreport des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht – und befeuern gemeinsam den MINT-Fachkräftemangel. Die Unternehmen rechnen laut der Studie vor allem im Bereich IT mit einem noch höheren Bedarf an qualifizierten Beschäftigten, nicht zuletzt, weil der Bereich Künstliche Intelligenz für den Klimaschutz einen großen Beitrag leisten kann.

Aktuell liegt die Zahl der zu besetzenden Stellen laut IW im gesamten MINT-Bereich bei rund 360.000, während knapp 230.000 Personen auf der Suche nach einem MINT-Job arbeitslos gemeldet waren – bleiben gut 131.000 Stellen, die allein rein rechnerisch nicht besetzt werden können. Werden dann noch die “qualifikatorischen Mismatches” herausgerechnet, gab es im April 2021 für gut 145.000 Stellen keine geeigneten Kandidat:innen. Vom Anforderungslevel her fehlten vor allem Expert:innen (72.000), gefolgt von Facharbeiter:innen (60.200) und 13.000 Spezialist:innen (inklusive Meister- und Technikerberufe). Die größten Lücken zeigen sich in Energie-/Elektroberufen mit 48.200 unbesetzten Stellen, in den Bauberufen sind 31.000 Stellen unbesetzt und in den IT-Berufen 29.000.

WO FACHKRÄFTE FÜR DEN KLIMASCHUTZ GEBRAUCHT WERDEN

Auch eine Studie der Grünen im Bundestag sieht den Klimaschutz als Jobmotor – erst einmal nicht verkehrt für den deutschen Arbeitsmarkt. Zwischen 2015 und 2050 werden die notwendigen Investitionen für eine klimaneutrale Wirtschaft demzufolge auf 2.150 Milliarden Euro geschätzt.

MINT - Infografik zu Klimaschutzinvestitionen

Dabei entsteht ein Bedarf von knapp 800.000 Arbeitskräften bis ins Jahr 2035 – und das vor allem in den Bereichen, in denen schon jetzt ein Fachkräftemangel herrscht (Warum es schon jetzt schwer ist, IT-Stellen zu besetzen, haben wir bereits beleuchtet).

So geben im MINT-Frühjahresreport vor allem die großen Unternehmen an, in Zukunft mit einem steigenden Bedarf an MINT-Fachkräften zu rechnen, um klimafreundliche Technologien und Produkte zu entwickeln – vor allem im Bereich IT.

MINT - Infografik Fachkräftebedarf Klimaschutz

DIGITALISIERUNG KANN KLIMA SCHÜTZEN

Der Branchenverband Bitkom hat in einer Studie geschätzt, wie groß das Einsparpotenzial bei klimaschädlichen Emissionen durch den Einsatz digitaler Technologien ist: Im Jahr 2030 beläuft sich die Zahl auf 102 bis 151 Megatonnen CO₂e – je nach Schnelligkeit der Digitalisierung. Dabei entfällt das größte Potenzial auf Fertigung und Mobilität, gefolgt von den Anwendungsbereichen Energie und Gebäude.

MINT - Infografik zum technologischen Potenzial für den Klimawandel

VOR ALLEM KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IST GEFRAGT

Beim Einsatz von Technologien zum Schutz des Klimas kann vor allem Künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle spielen. Laut MINT-Frühjahrsreport suchen die Unternehmen am häufigsten Beschäftigte mit Kompetenzen in den Bereichen Machine Learning, Big Data und Programmieren. Die gefragtesten Abschlüsse kommen dabei aus den Fachrichtungen (Wirtschafts-)Informatik und Mathematik, wie eine Auswertung von knapp 12.000 KI-Stellenanzeigen im ersten Quartal 2020 zeigt.

MINT - Infografik zu künstlicher Intelligenz

WOHER SOLLEN DIE FACHKRÄFTE KOMMEN?

Die große Frage bleibt: Woher sollen die MINT-Fachkräfte kommen? Das Institut der deutschen Wirtschaft warnt vor einem verschärften MINT-Fachkräfte-Engpass durch die Bildungsausfälle im Zusammenhang mit der Coronapandemie. Nicht nur die Qualität der Bildung habe in Schulen und Universitäten gelitten, sondern auch die Möglichkeit für Schüler:innen und Student:innen, praktische Erfahrung zu sammeln. Zudem ist der Anteil ausländischer Studierender gesunken, die in den MINT-Fächern sonst einen hohen Anteil haben.

Doch auch schon ohne Corona steht dem deutschen Arbeitsmarkt durch den demografischen Wandel der Abgang der so genannten Babyboomer bevor – der geburtenstärksten Generation. Diese Lücke im Arbeitsmarkt kann nur geschlossen werden, wenn frühzeitig in Bildung und Digitalisierung investiert wird. Das IW fordert, die digitale Infrastruktur auszubauen und zur Unterstützung von Lehrkräften, Lernsoftware zu entwickeln und IT-Administrationsstellen an Schulen zu schaffen. Zudem sollte die Vermittlung digitaler Kompetenzen einen größeren Stellenwert in der Bildung bekommen und dementsprechend auch IT als Schulfach eingeführt werden.

Der MINT-Bereich birgt außerdem ein hohes Potenzial bei weiblichen Fachkräften (Dem Thema Frauen in der IT haben wir uns bereits gewidmet). Das IW fordert dementsprechend klischeefreie Studien- und Berufsorientierung und eine Stärkung von Feedbacksystemen und Mentor:innenprogrammen. Außerdem muss die qualifizierte Zuwanderung gestärkt werden, damit der Klimaschutz schlussendlich nicht an mangelnden Fachkräften scheitert.

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Active Sourcing auf GitHub per Repo-Suchmaschine?

Der Recruiting Newsletter von Hung Lee hat unsere Aufmerksamkeit letzte Woche auf ein GitHub-Recruiting-Tool gelenkt: Eine Suchmaschine, die Repositories von GitHub durchforsten kann. Active Sourcing auf GitHub gehört fast zum Standard. Kann diese Suchmaschine beim GitHub Recruiting unterstützen?

Was genau GitHub eigentlich ist und wofür Repositories da sind, könnt Ihr hier und hier nachlesen. Die technischen Feinheiten sollen hier auch gar keine große Rolle spielen. Nur so viel: GitHub wird von Entwicklern u.a. zur Kollaboration und Versionskontrolle genutzt. In den Repos steht der Code.

Jeder Active Sourcer, der nach IT-Fachkräften sucht, dürfte regelmäßiger Besucher von GitHub sein (genau wie Stack Overflow). Die GitHub-User haben dort nämlich auch öffentliche Profile, auf denen Repos und Projekte festgehalten werden. In den Profilen verraten einige der Entwickler dann auch noch, welche Programmiersprachen sie beherrschen, wo sie wohnen und wie ihre E-Mail-Adresse lautet.

Screenshot: Ein User-Profil auf GitHub Recruiting

Was die Repo-Suchmaschine kann

Die Repo-Suchmaschine greg.app durchforstet also die GitHub-Repositories (den Code!) nach einem Suchbegriff und zeigt entsprechende Funde in der Ergebnisliste an. Ein Use Case: Ein Entwickler möchte einen Überblick darüber haben, in welchen Projekten und für welche Zwecke ein bestimmtes Framework genutzt wird. Filterbar sind diese Ergebnisse dann nach den verschiedenen Repositories, Ordnern und Programmiersprachen.

Ergebnisliste greg.app Repo-Suchmaschine

Im Active Sourcing kann diese Suchmaschine ebenfalls eingesetzt werden. Wenn der Fachbereich sehr konkrete Vorstellungen hat, nicht nur hinsichtlich Programmiersprachen, sondern vor allem auch über Frameworks oder Tools, mit denen ein Kandidat schon gearbeitet haben muss, dann können wir hier entsprechende Repositories und User finden. Im o.g. Beispiel mit dem Python-Framework Scrapy stoßen wir so auf ein Repo von dem User tdamdouni und wissen, dass der User Scrapy in mindestens einem seiner Projekte schon verwendet hat. Super – nur noch die Kontaktdaten herbeizaubern oder ein Social-Media-Profil finden und wir können in die Ansprache gehen.

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GitHub Recruiting: Active Sourcing geht auch einfacher

Der Artikel könnte an dieser Stelle enden und die Sourcing-Welt hätte ein neues, innovatives GitHub-Recruiting-Tool gefunden. Das Problem: Active Sourcing auf GitHub geht auch deutlich einfacher, schneller und besser. Die Funktion, die diese Repo-Suchmaschine nämlich anbietet, gibt es auch auf GitHub selber. Das im Recruiting Newsletter erwähnte “coole Tool” tut zwar das, was es soll – ist im Active Sourcing aber ein unnötig komplizierter Umweg, um ans Ziel zu kommen. GitHub bietet selbst eine Suche an, die sogar noch deutlich umfangreicher und deren Ergebnisse besser filterbar sind.

Screenshot der GitHub Suche

Bei der Nutzung der GitHub-eigenen Suchfunktion werden zusätzlich zu den Repositories auch “Code” (was auch immer damit gemeint sei), Diskussionen, Wikis – und User durchsucht. Passend für unsere Sourcing-Zwecke wird zudem eine Sortierung angeboten. So lassen sich zum Beispiel User priorisiert anzeigen, die neu auf der Plattform sind, also vielleicht etwas junioriger sind und ganz sicher noch nicht so viele Recruiting-Nachrichten bekommen haben.

Also: Warum auf externe Suchmaschinen (außer Google) zurückgreifen, wenn die Ergebnisse viel schlechter sind? Manchmal kommt es mir so vor, als ob Sourcer in einem inoffiziellen Wer-nutzt-die-meisten-und-nischigsten-Tools-Wettbewerb stünden. Spezielle Suchmaschinen, Branchenforen, zweckentfremdete Software und Browsererweiterungen – es gibt nur wenige technische Hilfsmittel, die nicht schon von einem Sourcer ausprobiert wurden.

Dabei geht es in 2023 doch weniger darum, passende Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. Die echte Herausforderung ist es, ansprechende und persönliche Ansprachen zu formulieren, eine Antwort zu erhalten und einen ersten Austausch zu vereinbaren. Dafür reichen die gängigen Portale, eine Google-Suche und Verständnis für die Zielgruppe. Alles andere ist Spielerei, die zwar hin und wieder erfolgreich ist und zu Innovation und mehr Effizienz führt, meistens aber von der Sache ablenkt. Deswegen mein Aufruf: Keep it Simple!

Mythen und Vorurteile in der Pflege: Knochenjob mit Sinn?

Systemrelevant, unterbezahlt, verheizt – Beschäftigte in Pflegeberufen arbeiten unter schweren Bedingungen, so das Image. Fakt ist: Sie sind unverzichtbar für unsere Gesellschaft und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Und werden oft nicht genug wertgeschätzt.

Der Job ist verbunden mit einer hohen Verantwortung für andere Menschen und fordert nicht zuletzt durch Schichtarbeit viel von den Beschäftigten. Und selbst wenn wir Corona in irgendeiner Zukunft überwunden oder zumindest in den Griff bekommen haben, steht die Pflege (und unsere gesamte Gesellschaft) immer noch vor den Herausforderungen, die der demographische Wandel mit sich bringt.

Immer mehr von uns werden immer älter, während immer weniger Junge nachkommen. Wir brauchen also in der Zukunft mehr Pflege, während es potenziell immer weniger Menschen gibt, die diesen Job ausführen können – der Pflegekräftemangel wird sich also noch weiter verschärfen. Einen schlechten Ruf aufgrund von strukturellen Mängeln kann sich da niemand leisten.

Auch die Politik hat das Thema auf ihre Agenda gesetzt. Sowohl Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen, dass Pflegekräfte künftig nach Tarif bezahlt werden.

Anlässlich des Internationalen Tags der Pflegenden am 12. Mai machen wir darum den Daten- und Fakten-Check rund um Mythen und Vorurteile in der Pflege.

Mythos 1: Pflege ist ein Knochenjob

Mythos 2: Niemand will in der Pflege arbeiten

Mythos 3: In der Pflege arbeiten nur Frauen

Mythos 4: Pflegekräfte sind schlecht bezahlt

Mythos 5: Als Pflegekraft findet man immer einen Job

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Mythos 1: Pflege ist ein Knochenjob

Korrekterweise müsste es heißen: Pflege ist kein Knochenjob, die Bedingungen sind es. Der Deutsche Bundesverband für Pflegeberufe (DBfK) schreibt dazu: „Die pflegerische Versorgung ist in Deutschland gekennzeichnet von Arbeitsverdichtung und hohem Zeitdruck, Priorisierung bzw. Rationierung von Leistung und einem Trend zur Dequalifizierung, meist aus ökonomischen Gründen.“

Eine Umfrage der Arbeitnehmerkammer Bremen unter Pflegekräften, die in Teilzeit arbeiten oder ganz aus dem Job ausgestiegen sind, zeigt unter welchen Bedingungen sie zurückkehren würden. Grundsätzlich, so das Ergebnis der Studie, zeigte ein Großteil der Befragten eine hohe Bereitschaft zur Aufstockung der Stunden oder zur Rückkehr. Das heißt, der Job an sich ist nicht das Problem, sondern das, was strukturell bedingt daraus wird.

Was sich in der Pflege verbessern muss: Bedingungen

Im vergangenen Jahr hat die Bundesagentur für Arbeit erstmals wieder steigende Arbeitslosenzahlen in der Pflege verzeichnet – und das, als eigentlich jede:r Einzelne dringend gebraucht wurde.

Vorurteile in der Pflege: Zahl der Arbeitslosen

Über die Gründe für die steigenden Zahlen lässt sich nur mutmaßen: In ambulanten Pflegediensten könnten etwa Dienste überflüssig geworden sein, weil Familienangehörige die Aufgaben aus dem Home Office selbst übernehmen, so eine Vermutung des DGB. Zudem kursierten im Netz Daten zu 20 angeblich geschlossenen Krankenhäusern, die aber zu großen Teilen lediglich verlegt oder teilweise geschlossen wurden, wie eine Correctiv-Recherche zeigt. Auswirkungen kann das aber natürlich trotzdem haben.

Die steigenden Zahlen ziehen sich allerdings durch alle Bundesländer. Naheliegend ist daher schlicht auch, dass Pflegekräfte aufgrund der Corona-Pandemie gekündigt haben. Weil die Bedingungen vorher schon nicht gestimmt haben und sich die Lage weiter zugespitzt hat.

So gaben in einer Umfrage des DBfK 30 Prozent der befragten Krankenpflegekräfte an, im Corona-Jahr über den „Pflexit“ nachgedacht zu haben. Teilgenommen haben rund 3.500 Befragte bis Dezember 2020. Mehr als jede:r zweite Befragte fühlte sich demnach bei der Arbeit während der Pandemie nicht ausreichend vor Infektionen geschützt. Knapp 14 Prozent gaben an, dass sie in ihrer Einrichtung nicht auf Corona getestet werden.

Mythos 2: Niemand will in der Pflege arbeiten

Stimmt nicht. Die Zahl der Pflegekräfte hierzulande nimmt seit Jahren zu, wie Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen.

Vorurteile in der Pflege: Zahl der Pflegekräfte steigt

Was bei den Zahlen allerdings zu beachten ist: Nahezu jede zweite beschäftigte Person in der Pflege arbeitet in Teilzeit. Dementsprechend sind die Zahlen umgerechnet in Vollzeitäquivalente niedriger: Laut Statistischem Bundesamt gab es 2018 umgerechnet in Vollzeit 476.000 Beschäftigte in der Altenpflege (2012: 369.000) und 809.000 in der Krankenpflege (2012: 717.000).
Bei jungen Menschen ist die Pflege ebenfalls beliebt. So steigt die Zahl der Pflege-Auszubildenden laut Statistischem Bundesamt kontinuierlich.

Vorurteile in der Pflege: Zahl der Pflege-Azubis steigt

Eine Umfrage der Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg aus dem Jahr 2016 zeigt, was die Beschäftigten an ihrem Beruf schätzen. So ist es vor allem die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, die die Pflegekräfte für den Berufsalltag motiviert.

Pflegeberuf gibt den Beschäftigten Sinn – Infografik

Ebenfalls zu den Top-Gründen für die Motivation zählen die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen und das eigenverantwortliche Arbeiten. Auf die Frage, warum sie sich ursprünglich für den Beruf entschieden haben, gaben 98 Prozent der Befragten an, dass sie mit Menschen arbeiten wollten. 96 Prozent sagten, sie wollten etwas Sinnvolles mit ihrer Tätigkeit tun.

Mythos 3: In der Pflege arbeiten nur Frauen

Ja, Frauen sind in Pflegeberufen deutlich in der Überzahl. Der gesamte Arbeitsmarkt ist nahezu paritätisch zwischen den Geschlechtern aufgeteilt, doch sowohl in der Kranken- als auch in der Altenpflege liegt der Anteil männlicher Beschäftigter bei nur 16 und 17 Prozent. Zählt man in der Krankenpflege auch den Rettungsdienst (und Hebammen) dazu, liegt der Anteil der Männer bei 20 Prozent.

Vorurteile in der Pflege: Kaum Männer in der Pflege

Wer also den Pflegekräfteengpass in den Griff kriegen will, muss mehr Männer für Pflegeberufe begeistern. Dafür bedarf es einer Aufwertung der Tätigkeit, nicht nur finanziell, sondern eben auch im Ansehen der Gesellschaft. Fürsorgliche Tätigkeiten dürfen nicht als „unmännlich“ gelten.
Immerhin: Unter den Absolvent:innen, die ihre Pflegeberufe-Ausbildung 2019 erfolgreich abgeschlossen haben, lag der Männeranteil bei 23 Prozent – also etwas über dem Anteil, den Männer aktuell am Arbeitsmarkt ausmachen.

Vorurteile in der Pflege: Geschlechterverteilung der Absolventen

Mythos 4: Pflegekräfte sind schlecht bezahlt

Jein. Vergleicht man etwa die Bezahlung in der Krankenpflege mit der im gesamten Arbeitsmarkt, zeigt sich, dass das mittlere Entgelt sogar ganz leicht über dem gesamten Mittel liegt. Beschäftigte in der Altenpflege liegen aber deutlich darunter.

Vorurteile in der Pflege: Verdienst von Pflegekräften

Beschäftigte in der Krankenpflege verdienten 2019 in Vollzeit laut Bundesagentur für Arbeit im Mittel rund 3.500 Euro. Beschäftigte in der Altenpflege lagen bei 2.800 Euro.

Wenn man beachtet, wieviel Verantwortung die Pflegerinnen und Pfleger für andere Menschen tragen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten und dass sie einen Beruf mit einem absoluten Mangelprofil besetzen, müssten die Zahlen, vor allem in der Altenpflege, allerdings höher sein. Zudem sind in der Pflege viele Menschen teilzeitbeschäftigt, sodass allein deshalb schon lediglich etwa die Hälfte der Beschäftigten überhaupt auf die genannte Summe kommen dürfte.

Die geringe Bezahlung, vor allem in der Altenpflege liegt allerdings auch in der Beschäftigtenstruktur: Insgesamt arbeiten laut Definition der Arbeitsagentur in den Pflegeberufen wenig Spezialist:innen und Expert:innen. In der Altenpflege ist gar jede:r zweite Beschäftigte auf Helfer:innenniveau tätig, in der Krankenpflege arbeitet die überwiegende Mehrheit als Fachkraft – und das Anforderungsniveau hat Auswirkungen auf die Bezahlung.

Infografik: Anforderungsniveaus in der Pflege

Zum anderen erfolgt die Finanzierung im Gesundheitswesen nicht durch die freie Wirtschaft, sondern vor allem über die gesetzliche und die private Krankenversicherung und die Pflegeversicherung. Das heißt auch, dass die Gesellschaft zumindest anteilig für höhere Gehälter von Pflegekräften aufkommen müsste.

Zwei weitere Aspekte haben auf die Bezahlung von Pflegekräften noch heute Auswirkung: Zum einen entstammt die Pflege von Kranken und Alten in der westlichen Welt einer christlichen Tradition der Nächstenliebe, und wurde oft ehrenamtlich ausgeübt.

Und zum anderen sind in den Pflegeberufen überwiegend Frauen tätig. Bis heute werden diese auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, wenn es um Gehälter geht, was sich auch an der Bezahlung im Pflegebereich bemerkbar macht.

Vorurteile in der Pflege: Gender Pay Gap

Im gesamten Arbeitsmarkt zeigt sich der geringere Verdienst von Frauen in einem bereinigten Gender-Pay-Gap, also der Bezahlung auf derselben Karrierestufe und Stelle wie Männer, von sechs Prozent im Jahr 2018. Unbereinigt, also über alle Branchen oder Karrierestufen hinweg, verdienen Frauen hierzulande 19 Prozent oder 4,37 Euro brutto je geleisteter Arbeitsstunde weniger als Männer. Damit liegt der unbereinigte Gender-Pay-Gap deutlich höher als im EU-Durchschnitt (15 Prozent).

Das Statistische Bundesamt schreibt dazu: „71 % des Verdienstunterschieds sind strukturbedingt, also unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen in schlechter bezahlten Branchen und Berufen arbeiten und seltener Führungspositionen erreichen.“

Klingt also nach einem Problem, an dem die Frauen auch ein bisschen selber schuld sind. Oder danach, dass da, wo viele Frauen arbeiten der Verdienst gering ist. Denn Strukturen sind kein Naturgesetz, sondern menschengemacht und wir als Gesellschaft sollten uns fragen, warum es Berufe und Branchen gibt, die für uns alle lebensnotwendig sind und trotzdem weniger gut bezahlt werden. Und selbst in der „Frauendomäne“ Pflege verdienen Frauen schlechter als Männer, wie die Grafik weiter oben zeigt.

Will man künftig mehr Menschen für die Pflege gewinnen, diese attraktiv machen für den Nachwuchs und anerkennen, welch hohe Verantwortung die Beschäftigten für das Wohlergehen und die Gesundheit anderer Menschen tragen, müssten die Gehälter angehoben werden.

Die Soziologin Ute Klammer von der Uni Duisburg hat gemeinsam mit Kolleginnen untersucht, was eine „faire Bezahlung“ wäre und den „Comparable Worth“-Index entwickelt, der die beruflichen Anforderungen und Belastungen von Berufen vergleicht. Ihrer Untersuchung zufolge liegen die Belastungen von Pflegekräften etwa gleichauf mit beispielsweise Ingenieur:innen. Allerdings verdienen Ingenieur:innen im Mittel ein Einstiegsgehalt von 51.000 Euro, also gut 4.000 Euro brutto monatlich. Davon sind Pflegekräfte weit entfernt.

Mythos 5: Als Pflegekraft findet man immer einen Job

Im Großen und Ganzen schon, es herrscht Pflegekräftemangel. Die Arbeitslosen-Stellen-Relation bewegt sich seit Jahren unterhalb von drei, das heißt, statistisch gesehen kommen weniger als drei Arbeitslose auf eine Stelle.

Vorurteile in der Pflege: Pflegestellen sind schwer zu besetzen

In der Krankenpflege lag die Zahl im Jahr 2019 gar bei unter eins, wodurch klar wird: Die Stellen können gar nicht besetzt werden, denn es gibt nicht mal auf dem Papier für jede Vakanz eine arbeitslose Person, die sie besetzen könnte.
2020 lag die Arbeitslosen-Stellen-Relation für Krankenpflegekräfte zwischen 0,6 in Bayern und 2,43 in Hamburg. Vor allem der Süden der Republik hat also mit einem Pflegekräfteengpass zu kämpfen, wie die Grafik zeigt.

Pflegemythen: Arbeitslosenstellenrelation je Bundesland

Etwas anders sieht es in der Altenpflege aus, wo vor allem Hilfskräfte arbeitslos sind, die ausgeschriebenen Stellen aber eine höhere Qualifikation benötigen. Im vergangenen Jahr lag die Arbeitslosen-Stellen-Relation zwischen 1,08 in Bayern und 7,11 in Bremen.

Pflegemythen: Altenpflege Arbeitslosenstellenrelation

Insgesamt kann man sagen: In der Krankenpflege herrscht in allen Bundesländern ein Fachkräftemangel. In der Altenpflege sieht es etwas anders aus. Vor allem in den Stadtstaaten gibt es deutlich mehr Arbeitslose als ausgeschriebene Stellen.

VORURTEILE IN DER PFLEGE: FAZIT

Pflegekräfte machen ihren Job gern, vor allem, weil er gesellschaftlich dringend benötigt wird und sinnvoll ist. Und Pflegeberufe sind sichere Berufe, sie werden immer gebraucht – Tendenz steigend. Auch finden Pflegekräfte in der Regel landesweit einen Job.

Aber die Bedingungen stimmen nicht. In einer Welt, in der Menschenleben das höchste Gut wären, würden Pflegekräfte zu den Bestverdiener:innen im Arbeitsmarkt gehören. In dieser Welt leben wir aber nicht. Stattdessen leben wir mit einem Gesundheitssystem, das immer profitorientierter geworden ist und seit über einem Jahr in einer Welt mit einer globalen Pandemie, die wie ein Brennglas zeigt, was in der Pflege schiefläuft.

Was wir von Corona lernen müssen (und eigentlich schon vorher längst hätten wissen müssen): Mit Menschenleben und Fürsorge sollte kein Profit gemacht werden, aber Pflege als Beruf sollte angemessen bezahlt und gute Arbeitsbedingungen möglich gemacht werden. Der Pflegeberuf muss angemessen finanziert werden als das, was er ist: Systemrelevant, lebensnotwendig, unverzichtbar für Menschen. Damit unterscheidet er sich von hochdotierten Berufen, die vor allem dem Geldbeutel einiger weniger nützen.

Menschen, die in der Pflege arbeiten, haben eine hohe intrinsische Motivation für ihre Arbeit, sie schätzen den Kontakt mit den Menschen, die sie pflegen und können ihrem Job großen Sinn abgewinnen, was zu einer hohen Arbeitszufriedenheit führt. Diese wird allerdings durch Stress, Unterbesetzung und mangelnde Anerkennung, auch in Form von Bezahlung, deutlich geschmälert.

Pflegekräfte sind systemrelevant. Ohne sie geht nichts. Es ist Zeit, das auch in den Strukturen rund um diese Berufe abzubilden.

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