Benefits im Unternehmen: Wie hältst du‘s mit dem Weihnachtsgeld?

Für viele Beschäftigte kommt zu Weihnachten der 13. Geldsegen: Rund jede:r zweite Arbeitnehmer:in hierzulande erhält eine Sonderzahlung zum Ende des Jahres. Einen gesetzlichen Anspruch auf die Sondervergütung gibt es nicht, es sei denn, sie ist vertraglich vereinbart oder fällt unter den Begriff der „betrieblichen Übung“.

Das bedeutet, dass die Arbeitnehmer:innen durch die regelmäßige Wiederholung darauf vertrauen können, dass sie eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer erhalten, wie eben die Zahlung eines Weihnachtsgelds. Erfolgt dies mindestens drei Jahre nacheinander und wird der Leistung keine weitere Erklärung seitens des Unternehmens beigefügt, ist für die Rechtsprechung eine Betriebsübung entstanden. Arbeitgeber können dies verhindern, indem sie eben nicht drei Jahre infolge ein Weihnachtsgeld zahlen. Schwankt hingegen lediglich die Höhe, gilt die Zahlung trotzdem als betriebliche Übung.

Abseits davon zeigen die Daten, dass es bestimmte Kriterien gibt, die die Chance auf ein Weihnachtsgeld erhöhen.

Weihnachtsgeld Infografik - Wer erhält Weihnachtsgeld

Laut jährlicher Umfrage des WSI der Hans Böckler Stiftung können vor allem tarifbeschäftigte westdeutsche Männer in unbefristeter Festanstellung mit dem 13. Geldsegen rechnen. Viele andere gehen leer aus.

Weihnachtsgeld: Wer kriegt am meisten? Und was wird damit gemacht?

Wenn es um die Höhe geht, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes für Tarifbeschäftigte, dass die Zahlungen in der Energieversorgung besonders hoch ausfallen. Auch Beschäftigte in der Erbringung von Finanzdienstleistungen können sich glücklich schätzen, genauso wie Angestellte von Unternehmen in Information und Kommunikation. Gering fallen dagegen die Zahlungen im Gastgewerbe aus.

Weihnachtsgeld Infografik: Durchschnittliches Brutto-Weihnachtsgeld

Tatsächlich steht das Weihnachtsgeld bei den Adventswünschen der Erwerbstätigen hoch im Kurs, Unternehmen können also bei ihren Angestellten damit punkten. Allerdings wünschen sie sich auch Anderes, wie eine Umfrage der ManPowerGroup aus dem Jahr 2016 zeigt. Demnach begeistern sich Beschäftigte auch für Urlaub zwischen Weihnachten und Neujahr und eine Weihnachtsfeier.
Gibt es eine weihnachtliche Sonderzahlung, geben Beschäftigte diese vor allem für Geschenke und Konsumgüter aus, gefolgt vom Sparen und der Begleichung von Rechnungen und Schulden, wie eine Umfrage der Onlineplattform Gehalt.de zeigt.

Aber auch Unternehmen, die wegen Steuerpflicht oder Sozialabgaben kein Weihnachtsgeld zahlen wollen, gibt es Möglichkeiten: So lassen sich Belohnungen für Mitarbeiter:innen auch in Sachleistungen ausdrücken, die steuerfrei sind. Aber auch abseits von Geld- oder Sachleistungen können Arbeitgeber ihre Beschäftigten honorieren – und das ist manchmal sogar viel mehr das, was diese sich wünschen. Denn laut verschiedener Theorien ist Geld eben nicht alles bei der Bindung von Mitarbeiter:innen.

Wie man Talente ködert

Ein gutes Anreizsystem setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, die die Motivation der Mitarbeiter:innen dauerhaft fördern. Dazu gehören neben monetären Anreizen eben auch nicht-monetäre.
Vor allem vor dem Hintergrund des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels setzen Unternehmen auf verschiedene Anreize, um Engpass-Talente zu gewinnen. Laut einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) setzen sie dabei vor allem auf Benefits, die in den Bereich Work-Life-Balance fallen – und das noch vor finanziellen.

Weihnachtsgeld Infografik: So werden Talente gelockt

Welche Benefits wünschen sich Mitarbeiter:innen?

Damit treffen die Unternehmen die Bedürfnisse der Beschäftigten, wie eine Studie der Universität Pforzheim zeigt. Demnach wünschen sich Mitarbeiter:innen flexible Arbeitszeitmodelle, Weiterbildungsangebote und eine gute Arbeitsatmosphäre.

Weihnachtsgeld Infografik - Was Mitarbeiter wollen

Corona hat den Arbeitnehmer:innen und Unternehmen hierzulande einiges abverlangt. Gerade in punkto Home Office und den damit verbundenen flexiblen Arbeitszeiten ist aber auch viel passiert, was vielen Beschäftigten entgegen gekommen sein dürfte, wie die Grafik zeigt.

Seit 2001 befragt das Meinungsforschungsinstitut Gallup Beschäftigte in Deutschland nach ihrer Zufriedenheit und der Bindung an ihren Arbeitgeber. Im Jahr 2020 lag die Zahl derjenigen mit hoher Verbundenheit bei 17 Prozent und damit so hoch wie noch nie seit Beginn der Erhebung.

Weihnachtsgeld -Verbundenheit der Mitarbeiter zum Unternehmen

Zwar sind die Schwankungen gering, aber verglichen mit der Finanzkrise im Jahr 2008, die zum Abgleich mit Corona immer wieder herangezogen wird, ist die Zahl doch deutlich höher. Und vor allem sind es mehr Beschäftigte mit hoher als mit gar keiner Bindung. Natürlich lässt sich über die Gründe hierfür nur mutmaßen, aber eine naheliegende Interpretation ist eben, dass Beschäftigte von ihren Arbeitgebern endlich bekommen haben, was sie wollten – mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitsort- und zeit.

Was bieten Unternehmen?

Die Wünsche der Beschäftigten sind also klar – das Leben soll mehr Platz haben und flexibler gestaltet werden können, die eigene Weiterentwicklung gefördert werden und das menschliche Miteinander darf nicht zu kurz kommen. Zahlen die Maßnahmen der Unternehmen darauf ein?
Eine Umfrage der Unternehmensberatung Pension Capital zeigt: Geht so. Nahezu alle befragten Unternehmen bieten eine betriebliche Altersvorsorge. Hinzu kommen Firmenwagen, -handy oder Tablet und Snacks und Getränke.

Weinachtsgeld Infografik: Was Unternehmen bieten

So richtig glücklich sind viele der befragten Recruiter:innen nicht mit den angebotenen Benefits. So hat sich laut der Studie vor allem die Beliebtheit des Firmenfahrrades gesteigert. Am ehesten verzichten würden die Recruiter:innen dafür auf Snacks und Obst für die Mitarbeitenden.

Geld und Flexibilität?

Die Studien zeigen also: Ja, Geld macht Mitarbeiter:innen glücklich. Aber eben nicht nur. Für Unternehmen kann die Zahlung von Weihnachtsgeld ein Benefit sein, das von der Konkurrenz abhebt, denn die Sonderzahlung erhalten nur etwa die Hälfte der Berufstätigen hierzulande. Viel wichtiger, nicht nur in Coronazeiten, sind aber Vertrauen und Freiheit bei der Gestaltung des Arbeitsalltags und die Berücksichtigung des Privatlebens der Angestellten. Dann klappt`s auch mit der Mitarbeiterbindung und -gewinnung.

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Auftragsstau am Bau: Wenn Material und Fachkräfte fehlen

Firmen in der Baubranche haben so volle Auftragsbücher wie lange nicht mehr. Der Umsatz im Bauhauptgewerbe stieg im August 2021 um 8,5 Prozent gemessen am Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Zahlen mitteilte – und das trotz des anhaltenden Materialmangels.

In der Baubranche erschweren gleich zwei Mängel gleichzeitig den Arbeitsalltag: der Material- sowie der Fachkräftemangel. Vor allem im Hochbau verschärft sich die Lage immer weiter. Laut Umfrage des ifo-Instituts im Oktober 2021 klagten 34 Prozent der Unternehmen über einen ausgeprägten Fachkräftemangel. Mehr als jedes dritte Unternehmen findet nicht genügend Personal, während die Nachfrage weiterhin steigt. Im Tiefbau haben die Auftragsbestände eine Reichweite von 3,8 Monaten – im Hochbau sind es sogar 5,2 Monate. So lange dauert es im Schnitt, bis neue Aufträge bearbeitet werden können. Doch woran liegt das?

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Überalterte Belegschaft und schrumpfende Bevölkerung

Der Fachkräftemangel im Baugewerbe hat vielerlei Gründe. Die Bauwirtschaft ist geprägt von körperlicher Betätigung und Arbeitnehmer:innen stehen nicht selten unter einer hohen Arbeitsbelastung. Daher kommt es nicht selten vor, dass Arbeitnehmer:innen ihren Job auf dem Bau nicht bis zum offiziellen Renteneintritt ausüben können und gesundheitsbedingt bereits früher ausscheiden.

Schaut man in die Daten des Statistischen Bundesamtes, erkennt man schnell, dass insgesamt der Teil der erwerbstätigen Beschäftigten ab 2025 stetig sinken wird. Während im Jahr 2021 noch 64 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen der erwerbsfähigen Bevölkerung angehören, besteht laut jetziger Prognose die Bevölkerung im Jahr 2060 nur noch aus 56 Prozent potenziell Erwerbstätigen.

Lebenserwartung und Altersstruktur Fachkräftemangel Bau

Im Jahr 2008 waren bereits mehr als 33 Prozent der Arbeitnehmer:innen und Selbstständigen im Baugewerbe mindestens 50 Jahre alt. Das bedeutet, dass seitdem fast eine Million Erwerbstätige durch jüngere Nachwuchskräfte ersetzt werden mussten. Doch auch das ist nicht so einfach.

Azubimangel und fehlender Nachwuchs

Nach Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung konnten Betriebe im vergangenen Jahr 30 Prozent ihrer Ausbildungsplätze für Betonbauer:innen, Bodenleger:innen und Gerüstbauer:innen nicht besetzen. Laut der IG Bau blieben in Hamburg dieses Jahr sogar 70 Prozent aller Hamburger Ausbildungsplätze auf dem Bau, die am 1. August 2021 starteten, zu diesem Stichtag noch unbesetzt.

Doch Nachwuchskräfte fehlen in fast allen Regionen – dabei ist die Bezahlung vergleichsweise gut. Im ersten Lehrjahr liegt die Vergütung bei 850 Euro, im vierten sogar bei 1.580 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Frisör:innen bekommen im ersten Lehrjahr im Durchschnitt 524 Euro im Monat.

Das mangelnde Interesse an Jobs auf dem Bau erklärt Andre Grundmann, Regionalleiter der Gewerkschaft im Norden, vor allem mit den unattraktiven Arbeitsbedingungen. Die körperlich anstrengende Arbeit an der frischen Luft bei egal welchem Wetter wirkt auf viele junge Menschen abschreckend. Etwa die Hälfte der Fachkräfte verlassen binnen fünf Jahren nach der Ausbildung die Branche und wechseln in andere Berufe, so die IG Bau.

Doch laut der Gewerkschaft gibt es auch noch einen anderen Grund für mangelnde Bewerbungen und hohe Abbruchquoten: Die langen und unbezahlten Fahrtwege zur Baustelle. Durch tägliches Pendeln kann eine nicht unerheblich hohe Anzahl an unbezahlten Fahrtstunden auf Arbeitnehmer:innen zukommen. Im Schnitt kommen auf jeden Mitarbeitenden etwa 400 unbezahlte Stunden pro Jahr. Die Gewerkschaft spricht sich dafür aus, Wegezeit zusätzlich zur Arbeitszeit dazuzurechnen, um die Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen und noch mehr (jüngere) Bewerber:innen anzusprechen.

Zu wenig Frauen im Baugewerbe

Die Hagedorn Unternehmensgruppe hat sich ebenfalls hohe Ziele gesteckt. Der Fullservice-Dienstleister mit Sitz in Gütersloh hat den Schwerpunkt seiner aktuellen Recruiting-Kampagne auf Frauen gelegt. Mit ihrer Aktion „Frau am Bau“ soll vor allem der weibliche Nachwuchs für die (vermeintlich) männliche Branche begeistert werden.

Bis in die 90er Jahre war es Frauen in Westdeutschland nicht einmal erlaubt, auf dem Bau zu arbeiten – diese Berufe seien zu hart und zu dreckig für das weibliche Geschlecht. Genau dieser Ruf eilt der Branche immer noch voraus und sorgt dafür, dass Frauen Berufe in der Baubranche gar nicht erst auf dem Schirm haben. Die Hagedorn Unternehmensgruppe zeigt anschaulich, dass es tolle Frauen da draußen gibt, die Bock auf Bau und große Maschinen haben.

In unserem Interview, das wir im Mai 2021 geführt haben, hat uns Personalreferentin Luisa Paehler drei Tipps gegeben, die dabei helfen können, auch Frauen auf offene Stellen am Bau aufmerksam zu machen, sie dafür zu begeistern und im besten Fall zu rekrutieren:

  1. Weibliche Vorbilder zeigen, die mit der Öffentlichkeit und den Medien stärker in den Dialog treten
  2. Aufhören, in Klischees zu denken und diese Geschlechterklischees nicht für das Recruiting nutzen
  3. Klar machen, dass es aufs Köpfchen ankommt sowie Leidenschaft, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein – unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder dem Alter

Mehr Informationen rund um den Arbeitsmarkt und den Status Quo der Online Candidate Journey findest Du in unserer aktuellen Branchenstudie mit Schwerpunkt Bau.

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Muster in der Organisationsstruktur: aufdecken, auswerten und strategisch nutzen

Die Wollmilchsau wächst und als neuer Mitarbeiter bekomme ich das zu spüren: Es gibt viele Kolleg:innen mit diversen Tätigkeiten. Hand aufs Herz, ich bin froh, wenn ich die Verstrickungen auch nur ansatzweise verstehe. Dass die meisten im Homeoffice sind und in konstanten Schüben frisches Blut hinterherkommt, ist beim Verständnis der gesamten Organisation nicht gerade förderlich; trotz formellem Organigramm. Der Witz ist: vielen anderen geht es vermutlich genauso.

Dass man sich fragt, was diese oder jener den ganzen Tag machen ist eine Sache – etwas befremdlich, wenn man sich oft genug begegnet, um es eigentlich wissen zu müssen – aber hinnehmbar. Dass man Zeit in Aufgaben und Probleme investiert, die jemand aus einer anderen Abteilung schon bearbeitet hat, ist eine andere Baustelle: Dieser Mehraufwand ist unnötig! Schlimmer wäre es bloß, auf die Idee zu kommen, eine neue Stelle für diese Aufgabe auszuschreiben. Das sollte unter allen Umständen vermieden werden.

Denn in wachsenden Unternehmen müssen Organisationsstrukturen überdacht und Engpässe im teamübergreifenden Austausch identifiziert werden. Ist die Neueinstellung begründet? Oder kann die intelligente Vernetzung der richtigen Mitarbeiter:innen die (vermeintliche) Personallücke bereits füllen? Klar ist, dass für eine erfolgreiche Unternehmensführung Investitionen in die Mitarbeiterentwicklung, den Wissensausbau und den Wissenstransfer getätigt werden müssen. Aber wo genau?

Dieser Beitrag ist aus unseren eigenen Wachstumsschmerzen heraus entstanden. Wir zeigen euch, wie wir mit einfachen Methoden Daten zur Zusammenarbeit und zum Wissensaustausch in der Wollmilchsau erhoben haben. Anschließend gehen wir darauf ein, wie wir unser soziales Netzwerk visualisiert und ausgewertet haben.

Netzwerke finden: Alice, Bob, Charlie und David

Netzwerke helfen uns dabei, Strukturen zu erkennen. Die Idee ist die Folgende: Betrachten wir das Arbeitsverhältnis von den vier fiktiven Beschäftigten Alice, Bob, Charlie und David. Nehmen wir außerdem an, dass Alice, Bob und Charlie im selben Team arbeiten (Team Rot) und David einem anderen Team (Team Blau) zugeordnet ist. Auf die Frage, mit wem Alice am meisten zusammenarbeitet und den meisten fachlichen Austausch hat, gibt sie Bob und David an. Piktografisch kann das so visualisiert werden:

Netzwerk von Mitarbeitern

Unsere Kolleg:innen werden durch Knotenpunkte dargestellt. Farblich wird die Teamzugehörigkeit repräsentiert und Alices wichtigste Kontakte sind durch gerichtete Kanten (Pfeile, die von Alice zu Bob bzw. zu David zeigen) mit ihr verbunden. Bob ist an der Reihe und gibt lediglich Alice an.

Netzwerk von Mitarbeitern

Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Alice und Bob wird durch den Doppelpfeil gekennzeichnet. Charlie kommt nun ins Spiel und nennt sowohl Alice als auch Bob.

Netzwerk von Mitarbeitern

Abschließend gibt David an, sich nur mit Alice auszutauschen.

Netzwerk von Mitarbeitern

Zählt man zusammen, wie viele eingehende Pfeile auf jeden Knotenpunkt zeigen, ergibt sich folgendes Bild: Drei Kolleg:innen geben Alice als wichtigen Kontakt an. Bei Bob sind es zwei, bei David eine und Charlie geht leer aus. Man spricht hierbei auch vom Eingangsgrad. Skalieren wir die Knotenpunkte um ihren jeweiligen Eingangsgrad, schaut das ganze so aus:

Netzwerk von Mitarbeitern

 

Die Mitarbeiterposition im Kontext

Was sagt diese Struktur aus? Ohne den richtigen Kontext erstmal nichts, also vergeben wir an dieser Stelle gedachte Rollen.
Im Unternehmenskontext kann es sich bei Alice um eine Teamleiterin handeln, die in ihrem Team eine zentrale Rolle einnimmt und in unserem Beispiel als Schnittstelle zu anderen Teams (David) fungiert. Bob ist Mitarbeiter und Charlie nimmt die Rolle eines Werkstudenten ein, der seinem Team zuarbeitet. Beide sind Alice unterstellt.

Sagen wir, das rote Team ist auf die Arbeit von David angewiesen, primär allerdings Bob. Muss der Austausch zwingend über Alice passieren? Oder wäre es nicht sinnvoller, wenn sich Bob als Intermediär aufstellt und Alice entlastet wird?

Wie ändert sich die Bewertung, wenn wir andere Rollen vergeben? Bob kann Teamleiter sein und Alice Mitarbeiterin. Der hohe Eingangsgrad bzw. die Größe ihres Knotenpunktes macht die wichtige Position von Alice deutlich. Bob sollte darüber nachdenken, sie zukünftig weiter zu fördern.

Fassen wir zusammen. Ein Netzwerk sollte immer vor dem Hintergrund der formellen Organisationsstruktur bewertet werden. Decken sich Rolle und tatsächliche Arbeit meiner Mitarbeiter:innen? Reale Arbeitsstrukturen werden ersichtlich und Engpässe im Zweifel identifiziert.

Die Datenerhebung ist ein Handwerk, …

Die Theorie mit Alice, Bob und Co. ist schön und gut, aber wie kommen wir an echte Daten unserer Organisation heran? Und was für Daten wollen wir überhaupt erheben?

Der klassische Weg ist die Umfrage: Man macht sich vorab Gedanken über die Metriken, die man erheben will, und wählt einen Kanal, über den die Antworten gesammelt werden. Umfragen sind natürlich anfällig für subjektive Fehleinschätzung durch die Teilnehmenden. Um das zu vermeiden, ist auch eine automatisierte Datenerhebung möglich. Getreu dem Ansatz “Data First”, erlauben Plattformen wie MS Teams die Auswertung von Chats. Das Problem der Fehleinschätzung kann mit dieser Methode umgangen werden, da gesammelte Textnachrichten aller Mitarbeitenden die Datengrundlage bilden. Angefangen mit der durchschnittlichen Länge und Häufigkeit der Nachrichten, hin zur inhaltlichen Auswertung mittels Methoden der linguistischen Datenverarbeitung; dem maschinellen Informationsgewinn sind keine Grenzen gesetzt, der menschlichen Deutung und Relevanz hingegen schon. Vom rechtlichen Rahmen ganz zu schweigen.

Man müsste sicherstellen, Chatnachrichten in aggregierter Form auszuwerten um nicht in die Privatsphäre einzelner Mitarbeiter:innen einzudringen. Wie garantiert man dann eine unverzerrte Analyse? Schließlich sind wir am fachlichen Austausch interessiert und nicht an Alices und Bobs Meinungen zum fallenden/steigenden Bitcoin Kurs. Damit bahnt sich eine Reihe technischer Hindernisse an.

Wir haben uns intern für die Umfrage entschieden. Warum? Eine Umfrage ist innerhalb kürzester Zeit aufgesetzt und damit kaum vergleichbar mit dem Aufwand einer Chatauswertung. Software wie MS Forms erledigt den Job. Bleibt noch die Frage offen, was genau wir erheben wollen.

Bei der Frage, wer mit wem zusammenarbeitet und sich fachlich austauscht, kann man pro Mitarbeiter:in eine Liste mit Namen sammeln. Okay, und wie viele Namen? Je nach Größe des Unternehmens mag die Antwort unterschiedlich ausfallen. Wir raten euch, im Feedback mit euren Kolleg:innen eine sinnvolle Zahl festzulegen. Fürs Protokoll: Eine maximale Angabe von fünf Personen hat den einen oder die andere bei uns schon ins Schwitzen gebracht. Also lieber vorher absprechen und keine Sinnkrise auslösen.

Angefangen bei der Priorisierung der Kontaktpersonen (erst Alice, dann Bob, dann Charlie), bis hin zur gewichteten Punktevergabe (Wie viel Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich mit Alice, wieviel mit Bob?) kann man die Umfrage beliebig komplex gestalten. An der Stelle haben wir für uns aufgehört. Zusätzliche Informationen können hilfreich sein, erhöhen allerdings auch den Aufwand bei den Teilnehmenden.

… die Visualisierung eine Kunst

Wir sitzen nun also auf dem Berg unserer Wer-mit-Wem-Daten und stehen vor der Aufgabe der Visualisierung. Wie also stellen wir Netzwerke her und wonach müssen wir überhaupt suchen?

Das Schlüsselwort lautet Force-Directed-Graph. Gemeint ist damit eine Klasse von Gestaltungsmustern zur “ästhetisch ansprechenden“ Darstellung von Netzwerken. Ästhetisch ansprechend? Genau. Stellt euch vor, ihr versucht ein soziales Netzwerk mit mehreren tausend Personen und hunderttausendenden von Verknüpfungen zu visualisieren. Um überhaupt etwas erkennen zu können ist es ratsam, so wenig überschneidende und so viele ähnlich lange Verbindungen zwischen den Knotenpunkten zu erzeugen wie nur möglich. Klingt kompliziert? Ist es auch. Hinter den Visualisierungsalgorithmen stecken physikalische Simulationen.

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Was die Software angeht, so ist für jeden etwas dabei. Eine schnelle Umsetzung ist mit PowerBI oder Tableau möglich, mit dem Vorteil der direkten Einbettung in bestehende grafische Benutzeroberflächen. Diese Programme geraten allerdings schnell an ihre Grenzen. Besonders bei größeren Netzwerken wird ersichtlich, dass Knoten und Kanten nicht immer übersichtlich dargestellt werden. Wer JavaScript beherrscht, wird sich über die Umsetzungsmöglichkeiten in d3.js freuen. Für den Rest von uns empfiehlt sich speziell entwickelte Software zur Netzwerkanalyse wie Gephi. Das Ganze schaut dann in etwa so aus.

Organisationsstruktur

Tragende Säulen bei der Wollmilchsau

Knotenpunkte repräsentieren alle Mitarbeiter:innen der Wollmilchsau und sind unterschiedlich eingefärbt, um die Teamzugehörigkeit nachzuvollziehen. Liegen mehrere beieinander, bilden diese ein Cluster. (Gerichtete) Kanten zeigen von einem Knotenpunkt zum anderen, und weisen auf die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch hin, wie in unserem Beispiel mit Alice, Bob und Co. Je mehr Kanten auf einen Knotenpunkt zeigen, desto stärker hängen Kolleg:innen von dieser Person ab. Und umso größer ist dieser Knoten dargestellt.

Trotz einer Unternehmensgröße von “nur” 56 Mitarbeiter:innen (Stand Ende September 2021), gibt es einiges in der Grafik zu entdecken. Allen voran sieht man, dass die Wollmilchsau ein paar wenige zentrale Akteure hat – tragende Säulen – um die herum die Organisation aufgebaut zu sein scheint.

Schauen wir dafür auf das hellblaue und das violette Team: Beide Abteilungen (in der Grafik als entgegengesetzte Pole bezeichnet) sind durch das zentrale Cluster getrennt. Letzterer dient als indirekte Schnittstelle zwischen den Teams, über den viel Kommunikation abläuft. Die Menge solcher Abteilungen um die Hauptakteure des Unternehmens deutet auf Engpässe hin, da Teams nicht in direkter Kommunikation zueinander stehen. Folglich entsteht ein Mehraufwand beim zentralen Cluster. Diese Problematik bietet aber auch Chancen, die ergriffen werden können, um den direkten Wissensaustausch in Zukunft zu verbessern.

Teamaufspaltung, Intermediäre und Wissensinseln

Eine Möglichkeit dies zu erreichen besteht darin, vorhandene Strukturen zu überdenken. Ist es sinnvoll ein Team aufzuteilen? Betrachtet man z.B. das schwarze Team, werden zwei kleinere Cluster deutlich, die darauf schließen lassen, dass eine klare Aufgabentrennung bereits stattgefunden hat. Und wie sieht es mit Schnittstellen in den Abteilungen aus? Das rote Team weist einen Knotenpunkt auf, der zum einen nahe am violetten Team liegt und zum anderen einen hohen Eingangsgrad (Anzahl gerichteter Kanten, die auf ihn zeigen) besitzt. Man könnte überlegen – je nach Kontext und Arbeitsumfang – diese Person in ihrer intermediären Rolle weiter zu stärken oder zu entlasten.

Kritisch für Organisationen ist die Bildung von Wissensinseln in Form von Mitarbeiter:innen mit spezialisiertem Fachwissen. Sie sind nicht oder nur in geringem Maße in Abteilungsprozesse integriert und tauschen sich kaum mit Kolleg:innen aus. Bei kleinen Unternehmen mag das nicht weiter tragisch klingen. Doch wachsende Unternehmen gewinnen schnell an Unübersichtlichkeit und Komplexität. Wo gibt es noch freie Kapazitäten in den Teams?

Wissensinseln sind leicht zu übersehen und werden meist zu spät aufgedeckt. Auch darauf können Netzwerkanalysen hinweisen. Die Wollmilchsau besitzt einige in verschiedenen Formen. Eine Extremform bildet der blaue Knotenpunkt, der keinerlei Verbindungen aufweist. Das deutet auf inaktive Mitarbeiter:innen hin und sollte im Einzelfall evaluiert werden.

Auch ganze Abteilungen klassifizieren sich als Wissensinseln. In unserer Grafik ist das orangefarbene komplett im grünen Team eingebettet. Hier wird dem größeren Team zugearbeitet. Die Position des orangenen Teams am oberen Eck der Darstellung verrät allerdings auch, dass sonst kaum Kommunikation nach Außen stattfindet.

Es ist Aufgabe der Teamleiter:innen und der Geschäftsführung zu hinterfragen, ob isoliertes Know-how gerechtfertigt ist oder nicht. Denn Wissensinseln können die Resilienz und Stabilität einer Organisation gefährden.

Fazit: Von der Bestandsaufnahme zum Wandel

Wir halten fest: Daten über die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch einer Organisation lassen sich recht einfach und schnell erfassen. Ausgewertet weisen sie dabei einen hohen Grad an Komplexität auf. Unternehmen im Wachstum und in der Umstrukturierung sollten dabei vor allem nach den folgenden Merkmalen Ausschau halten:

  1. Gibt es zentrale Akteur:innen, die in meiner Organisation von vielen Mitarbeiter:innen als wichtige Bezugspersonen gesehen werden?
  2. Welche Teams haben keine direkte Interaktion und wer sind meine Intermediäre?
  3. Kommt es zur Clusterbildung innerhalb von bestehenden Teams? Passiert das ganze organisch und teamübergreifend?
  4. Bilden sich Wissensinseln?

Auswertungen von Netzwerken werden immer prominenter. Im Zentrum steht dabei die Organisationsstruktur. Vor allem in Branchen mit einem hohen Grad an Innovation kommt vermehrt die Frage auf, ob hierarchische Unternehmensstrukturen noch angemessen sind. Ansätze wie das Field of Stars Modell setzten dabei vermehrt auf die Förderung einzelner Mitarbeiter:innen, die Selbstorganisation und einen Wandel der Unternehmenskultur: höhere Eigenverantwortung und größerer Gestaltungsspielraum. Am Anfang steht dabei die Bestandsaufnahme, denn: Wo wir stehen, ist essenziell, um strategische Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Anmerkungen zur Auswertung

Die Daten wurden in MS Forms gesammelt, als csv-Datei exportiert, in der Programmiersprache Python weiterverarbeitet und mit Informationen zur Team- und Abteilungszugehörigkeit angereichert. Anschließend fand die Auswertung in Gephi statt. Es wurde das Force Atlas 2 Layout verwendet, welches durch Parameter wie den LinLog Modus straffere Cluster erzeugt als beispielsweise Force Atlas. Die Feinjustierung des Netzwerkes beschränkte sich dabei auf den Abstoßungsparameter.

Ergänzende Metriken und alternative Darstellungsformen

Neben dem Layout und seiner Parametrisierung können wir Einfluss auf die Darstellung von Knoten und Kanten nehmen. In diesem Abschnitt werden wir weitere Statistiken über unser Netzwerk auflisten und auf alternative Darstellungsformen aufmerksam machen, die Gephi bietet. Ein großer Teil der Erklärungen ist direkt aus der Dokumentation des Programmes übernommen.

Metriken zum Netzwerk allgemein

Bisher haben wir den Eingangsgrad als Metrik genommen, um die Kantengrößen zu skalieren und die Farbe über die Teamzugehörigkeit festgelegt. Ähnlich zum Eingangsgrad, welcher bei unserem gerichteten Netzwerk die Abhängigkeit einzelner Knotenpunkte untereinander widerspiegelt, ist die Zentralität. Gemeint ist damit ein Maß, dass die Position eines Knotens im Gesamtkontext des Netzwerkes betrachtet. Wichtig ist hierbei die Anzahl der kürzesten Pfade (von einem Knotenpunkt zum anderen) in denen sich ein bestimmter Knoten befindet. Ähnlich interessant ist die Exzentrizität, welche pro Punkt im Graphen die Distanz zum entferntesten Knoten betrachtet. Diese Metriken erlauben es einflussreiche Personen in Netzwerken zu identifizieren.

Was ist der durchschnittliche Abstand zwischen allen Knotenpaaren? Ähnlich zur Zentralität, allerdings auf das gesamte Netzwerk angewendet, gibt der Netzwerkdurchmesser diesen Wert an. Direkt miteinander verbundene Knoten bekommen den Wert 1 zugeschrieben. Für die Wollmilchsau ergibt sich ein Durchmesser von 8. Je kleiner der Durchmesser ist, desto vernetzter ist die Organisation. Vergleiche sind dabei nur zwischen Organisationen mit ähnlicher Mitarbeiterzahl möglich.

Vergleichbar mit dem Durchmesser ist die Kantendichte. Die Kantendichte misst das Verhältnis von tatsächlichen Verbindungen zwischen allen Knoten und den potentiell Möglichen. Ein vollständig verbundener Graph würde den Wert 1 zugeschrieben bekommen. Die Wollmilchsau erzielt einen Wert von 0,076. Halten wir allerdings fest: Ein großer Wert war von Anfang an nicht zu erreichen, da wir das Design unserer Umfrage so gewählt haben, dass maximal 5 Verbindungen von einem Knoten ausgehen können.

Wäre es nicht schön, wenn man Mitarbeiter:innen auf organische Art und Weise Abteilungen zuordnen könnte? Das Stichwort lautet Modularität. Diese Kennzahl erlaubt die Community-Erkennung. Interessant wird die Modularität für größere Netzwerke ab mehreren hundert Knotenpunkten.

Metriken zur Knotenübersicht

Die wichtigste Metrik ist hier der Clusterkoeffizient pro Knotenpunkt. Er erlaubt die automatische Identifikation von Wissensinseln – auch “Small-World”-Effekt genannt – indem er angibt, wie stark Knoten in ihrer Nachbarschaft eingebunden sind.

Metriken zur Kantenübersicht

Die letzte Metrik, die wir vorstellen möchten, ist die mittlere Kantenlänge. Sie gibt den durchschnittlichen Abstand zwischen allen möglichen Knotenpaaren an (wir nehmen an, dass verbundene Knoten einen Abstand der Länge 1 haben). In unserem Kontext sagt sie aus, wie “weit” zwei zufällig ausgewählte Mitarbeiter:innen voneinander entfernt sind, also über wie viele Ecken eine Kommunikation zwischen den beiden zustande kommen würde. Die mittlere Kantenlänge für die Wollmilchsau beträgt 3,256.

Fehlende Teilnehmer:innen

Lasst uns abschließend noch auf eine Besonderheit dieses Projektes eingehen, die erst in der Auswertung ersichtlich wurde. Einige Kolleg:innen haben an der Umfrage nicht teilgenommen bzw. nicht teilnehmen können. Das ist soweit nicht unüblich. Je größer die Organisation ist, desto wahrscheinlicher ist mit einem gewissen Prozentsatz an Enthaltungen zu rechnen.

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Die spannende Beobachtung: Die Rolle von Personen, die sich bei der Umfrage enthalten hatten, war durch die Teilnahme aller anderen Kolleg:innen präzise einzuordnen. Damit zeigt die Netzwerkanalyse, wie sie in diesem Artikel präsentiert wurde, eine gewisse Robustheit gegenüber fehlenden Teilnehmer:innen.

 

Energiewende ohne Fachkräfte? Die Energiewirtschaft in der Recruiting-Krise

Fridays for Future, Klimastreik, E-Autos – alles nur Stichworte der Energiewirtschaft, die letztendlich aber auf einen gemeinsamen Nenner kommen: Die Energiewende. Das von der Bundesregierung erklärte Ziel der Energiewende ist es, die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen – beim Stromsektor, aber auch bei Wärme und Verkehr. Ein solches Vorhaben fordert die beteiligten Unternehmen in sehr hohem Maße, allen voran die Energiewirtschaft.

Bundesregierung sieht „Anzeichen von Fachkräftemangel in der Energiewirtschaft”

Es liegt auf der Hand, dass eine solche Transformation nicht allein deshalb geschieht, weil man sie festlegt. Zur Umsetzung werden Menschen benötigt, die in der Lage sind, die nötigen Schritte dafür zu vollziehen. Die große Frage: Kann der Arbeits- und Ausbildungsmarkt dafür in den kommenden zehn Jahren die notwendigen Fachkräfte liefern?

Im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs, des Netzumbaus und der Sicherung der Energieversorgung gibt es in der Politik kaum Aufschluss über den steigenden Bedarf an Fachkräften. Das geht laut Tagesspiegel aus der Antwort auf eine Kleinen Anfrage der Grünen im Bundestag hervor: „Eine energiewendebezogene Angabe kann nicht gemacht werden“, heißt es. Eine Studie von 2018 enthalte zwar „Anzeichen für einen Fachkräftemangel“, insgesamt seien Berufsgruppen mit Energiewendebezug und der jeweilige Energiewendeanteil ihrer Tätigkeiten aber schwer vollständig zu erfassen.

Das ist insbesondere deshalb so gravierend, da die Beschäftigtenstruktur im Energiesektor aus auffallend vielen Fachkräften besteht. Insgesamt sind es rund 90 Prozent – zum Vergleich, sind es im Bereich Versicherungs- und Finanzdienstleistungen nur knapp über 50 Prozent. Bei einer Umfrage im Jahr 2019 zu Fachkräftemangel und –Recruiting lag eine Schätzung der Unternehmen bei insgesamt etwa 6.000 neu zu besetzenden bzw. frei werdenden Stellen im Jahr. Diese wird sich bis zum Jahr 2025 auf jährlich insgesamt rund 10.000 Stellen erhöhen – nur in der Versorgungswirtschaft! Die Fachkräftesituation ist bereits heute bei 40 Prozent der Unternehmen angespannt, bis 2025 erwarten zwei Drittel der Unternehmen einen akuten Fachkräftemangel, der die technische Leistungsfähigkeit gefährdet.

Wollmilchsau sieht bestehenden Fachkräftemangel in der Energiewirtschaft

Mit unserer Studie 2021 zum Energiesektor können wir nun auch in Zahlen klar sagen: Die Anzeichen für einen Fachkräftemangel haben sich mehr als bewahrheitet. Elektroniker:innen mit der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik beispielsweise wiesen im Jahr 2020 in der Berechnung der BA eine Arbeitslosen-Stellen-Relation von 0,77 auf. Eine aktuelle Bestandsaufnahme aus dem Jobspreader Marktdatenchecker malt ein noch schwärzeres Bild: Hier kommen auf eine offene Stelle nur noch 0,3 Arbeitslose.

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Eine weitere Baustelle ist – wie so häufig – die Digitalisierung. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) nennt die Digitalisierung der Energiewirtschaft „größtes nationales IT-Projekt aller Zeiten“. Daraus ergibt sich neben Fachkräften und Ingenieursberufen ein weiterer Bereich, der personell abgedeckt werden muss: Laut Verband gibt es einen sehr großen Bedarf an IT-wissenschaftlichen Studiengängen für die Energiewirtschaft, bislang aber kaum Angebote.

Insgesamt hat die Branche ein Nachwuchsproblem. Denn nicht nur die fehlenden Studiengänge, sondern auch fehlende Auszubildende machen den Unternehmen zu schaffen. Die Branche ist klar darauf angewiesen aus- und fortzubilden. Vorteil hier: Energie- und Wasserwirtschaft können grundsätzlich punkten und sich gut von anderen Branchen abheben, denn sie sind systemrelevant und somit recht krisensichere Arbeitgeber. Allerdings fehlt es hier vielen Unternehmen an Bewusstsein, dass dafür ein zielführendes Azubimarketing notwendig ist. Auch eine ganzheitliche Ausbildungsstrategie mit realistischem Blick auf den Bewerber:innenmarkt kann im War for young talents nur nützlich sein und dazu beitragen, die Lücken in vielen Fachbereichen zu stopfen.

Hilf dir selbst, dann hilft dir… zum Beispiel der Jobspreader

Fazit: Die Energiepolitik in Deutschland bewegt sich langsam in die richtige Richtung. Das von politischer Seite ein Ausweg aus dem Fachkräftemangel geboten wird, scheint zum aktuellen Zeitpunkt jedoch eher unwahrscheinlich. Deshalb sind es nun die Unternehmen selbst, die Maßnahmen ergreifen müssen, damit dieses wichtige Thema weiter vorangetrieben werden kann und am Ende nicht daran scheitert, dass man zwar höhere Ziele hatte, aber leider niemand da war, der sie umsetzen konnte.

Digitalisierung im Arbeitsleben: Neue Studie gibt Aufschluss über die Ängste der Deutschen

Neue Technologien können eine große Erleichterung sein, wenn es darum geht, unliebsame Tätigkeiten zu übernehmen und den Arbeitsalltag für alle Beteiligten zu erleichtern. Auch in Hochzeiten von Corona waren Unternehmen dankbar, wenn die eigene Digitalisierung im Arbeitsalltag sowie im Recruiting schnell vonstatten ging und Prozesse trotz Abwesenheit der Mitarbeiter:innen ermöglicht wurden. Gleichzeitig sorgen die modernsten Entwicklungen bei Arbeitnehmer:innen für Besorgnis und schüren die Angst, dass viele Positionen über kurz oder lang durch die neusten Technologien ersetzt werden.

In der aktuellen EY-Jobstudie, für die mehr als 1.550 Arbeitnehmer:innen in Deutschland befragt wurden, gab ein Viertel an, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung (vor allem seit Corona) gestiegen sei. Nur 7 Prozent sehen eine Verringerung der eigenen Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung.

EY Digitalisierung Recruiting Arbeitsbelastung

Bei diesem Digitalisierungstrend handelt es sich vor allem um Informations- und Kommunikationstechnologien, die sich im Homeoffice, dem Einsatz neuer IT-Anwendungen und verstärktem Arbeiten in virtuellen Teams zeigen. 35 Prozent der Befragten geben an, dass sich die Arbeitsprozesse hierdurch komplexer gestalten als zuvor. 29 Prozent sind hingegen der Ansicht, sie seien einfacher geworden.

Erfreulicherweise konnten 29 Prozent aufgrund der zunehmenden Digitalisierung sogar eine Steigerung der Kommunikation in ihrem Team feststellen.

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Digitalisierung: Mehrheit der Beschäftigten bildet sich regelmäßig fort

Um mit den Digitalisierungs-Trends Schritt zu halten, und ihre Mitarbeiter:innen auf die veränderten Arbeitsbedingungen vorzubereiten, bieten mindestens 45 Prozent der Unternehmen bereits Fortbildungsmaßnahmen an. Die Mehrheit der Beschäftigten scheint dies auch dankend anzunehmen. Die Studienergebnisse zeigen, dass sich 57 Prozent der Befragten regelmäßig fortbilden, um diese Veränderungen nicht zu verpassen und besser vorbereitet zu sein. Am weitesten verbreitet sind Fortbildungen in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen. Dieses Ergebnis dürfte nicht überraschen, da es in dieser Altersgruppe häufiger Nachholbedarf gibt als bei den jüngeren Arbeitnehmer:innen, die bereits mit Digitalisierung groß geworden und in den Arbeitsalltag gestartet sind.

Daraus resultiert auch, dass jüngere Beschäftigte wesentlich häufiger angeben, mit den Veränderungen Schritt halten zu können als ältere. Vor allem die unter 24-Jährigen geben an, dass sie sich der Digitalisierung zu 43 Prozent immer und zu 47 Prozent meistens gewachsen fühlen.

Neue Technologien ersetzen Arbeit bei jedem dritten Beschäftigten

Doch wie steht es um die Substitution von Arbeitsinhalten? Ganze 36 Prozent geben an, dass neue Technologien bereits heute Teile ihrer Arbeit entweder in erheblichem Umfang oder geringfügig ersetzt haben. Das ist mehr als jede:r dritte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin. Davon betroffen ist vor allem die Telekommunikations- und IT-Branche. In diesem Bereich sind es ganze 42 Prozent. Beschäftigte der Gesundheitsbranche hingegen spüren keinerlei Auswirkungen.

Diese Veränderungen gehen natürlich vor allem in den stark betroffenen Branchen nicht spurlos an den Arbeitnehmer:innen vorbei. Insgesamt 12 Prozent der Beschäftigten sehen aufgrund der eben genannten Entwicklung sogar ihren Arbeitsplatz in Gefahr. Das bedeutet, dass jeder achte Beschäftigte in Deutschland fürchtet, aufgrund von Digitalisierung seinen Job zu verlieren. Auch hier ist die Immobilien-, Banken-, und Versicherungsbranche auf Platz 1 – dicht gefolgt von der Automobilindustrie. Telekommunikation und IT hingegen befindet sich hier nur auf dem sechsten Platz.

ey Studie Digitalisierung Recruiting Arbeitsleben

 

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Pendlerströme – ungenutztes Potential fürs HR?

Winter 2017, ich auf dem Weg zu meinem ersten Job nach fünf Jahren Studium. Der Drill war wie folgt: Aufstehen 4:30 Uhr und fertig machen, 5 Uhr das Haus verlassen und Richtung S-Bahn Haltestelle. 5:15 Uhr Richtung Ulm Hauptbahnhof, 6:00 Uhr in den IC nach Stuttgart und beten um Pünktlichkeit. Ankunft um 7:05 Uhr. Warten und letzte Weiterfahrt um 7:18 Uhr. Beginn des Arbeitstages um 7:30 Uhr. Am frühen Abend das ganze Spiel nochmal für die Rückfahrt. Pendelzeit für den Hinweg 2,5 Stunden; Hin- und Rückweg 5 Stunden. Wahrlich eine hohe Pendelbereitschaft.

Damit gehörte ich zu rund 12,5 Millionen Menschen in Deutschland die täglich zur Arbeit pendeln. Das sind etwa 38 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Wohn- und Arbeitsort in unterschiedlichen Gemeinden liegen.

Bei einem so großen Anteil lohnt es sich genauer hinzuschauen, denn für das Recruiting tun sich hier relevante Fragen auf: Bietet der lokale Arbeitsmarkt genug Bewerber:innen? Was sind mögliche Anreize, um Kandidat:innen aus anderen Gemeinden an den gewünschten Standort zu ziehen? Wie ist die zu erwartende Pendelbereitschaft? Und am wichtigsten für uns: Wo ergibt es am meisten Sinn, Stellenanzeigen auszuspielen?

Wir haben uns für euch die täglichen Pendlerverflechtungsdaten der Bundesagentur für Arbeit für alle deutschen Landkreise und kreisfreien Städte angeschaut, um Entscheidungshilfen für genau solche Fragen zu geben.

Große Stadt = Mehr Pendler? Pendlerströme im Vergleich

Dass Menschen vom Land in die Stadt pendeln, ist kein Geheimnis. Man könnte deshalb meinen, dass große, also bevölkerungsreiche, Städte mehr Pendelnde anziehen als kleine. Oder? Betrachten wir dafür zuerst die Zahl an Ein- und Auspendelnden pro Gemeinde im Streudiagram.

Für einen besseren Überblick sind Kreise entsprechend ihrem Pendlersaldo, also der Differenz aus Ein- und Auspendelnden im Verhältnis zur Bevölkerung, eingefärbt und skaliert um die Größe der Tagesbevölkerung. Wir sehen zum Beispiel, dass im Rhein-Sieg-Kreis doppelt so viele Beschäftigte aus- wie einpendeln.

München hat ein 2 zu 1-Verhältnis, Duisburg ein 1 zu 1-Verhältnis von Ein- zu Auspendelnden und nach Schweinfurt pendeln, trotz einer Tagesbevölkerung von nur 53.000 Menschen, 5-mal so viele Menschen rein wie raus. Im Fall Wolfsburg, mit einer Tagesbevölkerung von 192.000, sind es sogar 8-mal so viele!

Wir schlussfolgern: Die Größe einer Stadt ist nicht zwingend ein Indiz für hohe Pendlerströme. Aber was dann? Schließlich haben nur 30 Prozent der Kreise ein positives Pendlersaldo. Anders ausgedrückt: aus 70 Prozent der deutschen Landkreise (278 an der Zahl) wird vorwiegend hinausgependelt, wie folgende Choroplethenkarte verdeutlicht.

Wenn es nicht auf die Größe ankommt, worauf dann?

Der Arbeitsmarkt für Data Scientisten sah 2017 eher mau aus in Ulm. Das Berufsfeld selbst war noch dabei sich zu etablieren und als Einsteiger, mit dem akademischen Knowhow des praxisfernen Elfenbeinturms, hatte ich generell schlechte Karten. Außerhalb zu arbeiten, um eine Karriere in diesem Gebiet einzuschlagen, war eine Notwendigkeit. Nicht umziehen wollen und folglich zu pendeln, eine Wahl: Die richtigen Anreize sind hier entscheidend.

Betrachten wir obige Choroplethenkarte erneut, wird ersichtlich,  warum Menschen tendenziell eher vom Land in die (kreisfreie) Stadt pendeln: Der Arbeitsort muss wirtschaftlich lukrativ sein, um Beschäftigte anzulocken. Deutlich wird das bei den beiden Extremen: Die kreisfreie Stadt Schweinfurt, mit einem relativen Pendlerzufluss von 60 Prozent hat ein pro Kopf BIP von 99.000 Euro und ist damit deutschlandweit auf Platz 6.

Das mag überraschen, aber Schweinfurt ist ein nennenswerter Standort der Großindustrie: Die zwei größten Wälzlagerhersteller der Welt sind hier ansässig, Svenska Kullagerfabriken und die ZF Friedrichshafen. Mit von der Partie ist der Automobilzulieferer Schaeffler, der hier seinen weltweit größten Konzern-Standort hat. Dem Ganzen steht der Rhein-Pfalz-Kreis mit einem Pendlerabfluss von -23 Prozent und einem Pro-Kopf-BIP von 20.000 Euro gegenüber (das entspricht dem drittletzten Platz).

Der Zusammenhang scheint umso ersichtlicher, stellt man das BIP pro Kopf ins Verhältnis zum relativen Pendlersaldo.

Wir schließen daraus: Hohe Pendlerströme gehen einher mit einer hohen Wirtschaftlichkeit, nicht mit der Größe einer Stadt.

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Deutschland, ein Pendlernetzwerk

Betrachten wir folgende Situation: Wir sehen uns mit der Aufgabe konfrontiert, Stellenausschreibungen für unseren Standort auszustellen. Wir haben uns die Pendlerströme angeschaut und können unseren Standort im deutschlandweiten Vergleich einordnen. Dabei stellen wir fest, dass wir in einer (wirtschaftlich schwachen) Gegend angesiedelt sind, in der mehr Menschen aus- als einpendeln.

Wie gehen wir also am besten vor? Reine Pendlerströme helfen uns hier nicht weiter, denn wir wissen nicht von wo einzelne Pendelnde kommen und wohin sie gehen. Wir müssten die Pendleranzahl für jede mögliche Strecke zwischen allen Wohnorten und Arbeitsstätten analysieren und – in Anbetracht der schieren Masse an Daten – intelligent visualisieren. Kommen wir damit zum Pendlernetzwerk.

pendler statistik für deutschland

Jeder Kreis Deutschlands wird durch einen Knotenpunkt repräsentiert, Pendelströme zwischen den Kreisen durch gerichtete Kanten (Pfeile, die vom Wohn- zum Arbeitsort zeigen). Je kürzer und dicker die Kanten sind, desto mehr Menschen pendeln diese Route und umso näher liegen die jeweiligen Kreise (in dieser Darstellung) beisammen. Zugegeben, abstrakt ist dieses Netzwerk, aber somit zeigt es Bereiche auf, die aus miteinander vernetzten Knotenpunkten bestehen – mit geografisch korrekter Darstellung weniger ersichtlich. Effektiv haben wir damit Regionen mit hohen wechselseitigen Pendlerströmen identifiziert.

Schön und gut – dass zwischen Dresden und Leipzig viel gependelt wird und sich hier ein Cluster ergibt, wird die wenigsten überraschen. Ebenso wenig verwunderlich, dass NRW, das bevölkerungsreichste Bundesland, als Ganzes Pendlerverflechtungen aufweist. Was hingegen überrascht ist die Anordnung der Cluster relativ zueinander; das gibt Aufschluss über Langstreckenpendelnde. So ist z.B. die Bereitschaft aus NRW nach Berlin, Dresden oder Hamburg zu pendeln größer als nach Stuttgart oder München, denn in unserer Darstellung ist der NRW-Cluster von letzteren weiter entfernt.

Wer wissen möchte, wie gut sein Standort angebunden ist, kann sich hier ein Bild vom Netzwerk im Detail machen.

Wie weit würdest du pendeln?

Jede:r hat seinen Preis und sind die Anreize gut genug, fährt man auch entsprechend weit zur Arbeitsstätte. Allgemein lassen sich aber klare Tendenzen erkennen: die Pendelbereitschaft nimmt mit der Distanz ab. Sind dabei kürzere Strecken immer zu bevorzugen? Werfen wir einen Blick auf die Daten und versuchen wir eine Faustregel abzuleiten.

Wir haben uns für alle Verbindungsstrecken die Distanz (als Luftlinie, also die kürzeste Verbindungsstrecke) zwischen den Kreisen berechnet und ins Verhältnis gesetzt zur Anzahl an Beschäftigten, die diese Route pendeln. Normiert um die Gesamtzahl aller Pendelnden erhalten wir die Pendelbereitschaft als Wahrscheinlichkeitswert. Diese Messgröße gibt an, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand gewillt ist, von seiner Gemeinde in eine andere zu fahren, um zur Arbeit zu gelangen; abhängig davon wie weit diese vom Wohnort entfernt ist.

Pendlerstrecke in km

Was bei der Grafik überrascht, ist die hohe Bereitschaft zwischen 10 und 40 Kilometern zu pendeln. Wir würden erwarten, dass die Bereitschaft konsequent mit der Distanz zum Wohnort abnimmt und damit am höchsten für 0 bis 10 Kilometer ist. Wir merken an: Der Sprung nach oben bei 100 Kilometern ist künstlich. Der Übersicht halber haben wir ab einer Distanz von 100 km die Intervalle von 10 auf 50 Kilometer erhöht.

Wie sich unser Pendlernetzwerk ändert, wenn man nur die Verbindungen mit der höchsten Bereitschaft übriglässt, könnt ihr hier erkunden. Ob und wie sich die Pendelbereitschaft zwischen Männern und Frauen unterscheidet, erfahrt ihr im nächsten Abschnitt. An dieser Stelle halten wir fest: Die höchste Pendelbereitschaft erzielt man zwischen 10 und 40 km.

Unterschiedliches Pendelverhalten zwischen Mann und Frau?

Zum Abschluss ein kurzer Blick auf Geschlechterverteilungen. 54 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland sind Männer, 46 Prozent Frauen. Bei den Pendlerzahlen ist das Verhältnis etwas ungleicher: 58 Prozent Männer, 42 Prozent Frauen. Schaut man sich den Anteil von Pendlern an den Beschäftigten an, sieht man gleichermaßen, dass von den 38 Prozent Pendelnden 22 Prozent Männer und 16 Prozent Frauen ausmachen. Können wir folgern, dass die Bereitschaft von Männern, zu Pendeln, höher ist als bei Frauen?

Schauen wir dafür auf die Geschlechterverteilung pro gependelter Strecke, bei der die Anzahl an pendelnden Männern ins Verhältnis gesetzt wird zur Gesamtzahl. Die Folge: eine Geschlechterverteilung von über 50 Prozent spricht dafür, dass eine Strecke vorwiegend von Männern gefahren wird, eine Verteilung von unter 50 Prozent vorwiegend von Frauen. Im Histogramm über alle Strecken wird klar, dass im Schnitt 67 Prozent aller Pendlerstrecken von Männern befahren werden.

Anteil an männlichen Berufspendlern

Interessant ist der Ausschlag bei 100 Prozent, also Strecken die ausschließlich von Männern gependelt werden. Schaut man sich diese genauer an, fällt auf, dass es sich um schwach befahrene Routen handelt (mit maximal 40 Pendlern pro Strecke) und sie einen Anteil von lediglich 4 Prozent am gesamten Pendelvolumen ausmachen. Filtern wir diese Strecken, so sind es im Mittel immer noch 64 Prozent aller Strecken, die von Männern gependelt werden.

Die Grafik sagt jedoch nichts über die zurückgelegten Distanzen aus. Kurze Strecken mit wenigen Pendlern erscheinen genauso relevant wie längere Strecken mit vergleichsweise vielen Pendlern. Es lohnt sich deshalb einen Blick auf die Pendelbereitschaft, berechnet für beide Geschlechter, zu werfen.

Pendlerstrecke nach Geschlecht

Männer sind eher bereit, längere Strecke zu pendeln. Das zeigt die Pendelbereitschaft, die ab einem Grenzwert von 30 km für Männer höher ist als für Frauen. Der Effekt ist allerdings marginal. So pendeln 48 Prozent aller beschäftigten Männer bis zu 30 km und 52 Prozent mehr. Bei den beschäftigten Frauen sind es 54 Prozent die bis zu 30km und 46 Prozent, die mehr pendeln.

Was nehmen wir mit?

Halten wir abschließend fest, welchen Einblick uns unsere Daten geben konnten:

  1. Die Größe eines Landkreises/einer kreisfreien Stadt ist nicht ausschlaggebend für Pendlerströme.
  2. Ein positives Pendlersaldo geht einher mit hoher wirtschaftlicher Aktivität.
  3. Wir haben Pendlerverflechtungen im Netzwerk visualisiert und dabei Clusterbildungen beobachtet.
  4. Die Pendelbereitschaft ist zwischen 10 und 40 km am höchsten.
  5. Die Bereitschaft von Männern, längere Strecken zu pendeln, ist geringfügig höher als die von Frauen.

Menschen werden auch in Zukunft weiterhin pendeln. Bereits 2016 errechnete das Institut für Wirtschaftsforschung die pro Tag von Pendelnden gefahrene Strecke auf etwa 701 Millionen Kilometer. Ebenso nahm die mittlere Pendeldistanz zwischen 2000 und 2014 um 21 Prozent zu, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Ob mit weiterem Zuwachs zu rechnen ist, bleibt abzuwarten, denn neben Faktoren wie den steigenden Immobilen- und Wohnpreisen, steigt auch die Akzeptanz des mobilen Arbeitens durch die gegenwärtige Pandemie in vielen Unternehmen.

Persönlich ist für mich klar: Langstreckenpendeln, nein danke. Inzwischen ist mein Arbeitsweg deutlich kürzer und ich darf mich zu den 62 Prozent der Beschäftigten zählen, die ihre Gemeinde nicht verlassen müssen für den täglichen Weg zur Arbeit.

Anmerkungen zur Auswertung

Alle Daten liegen bei der Statistik BA und dem Statistikportal des Bundes vor (Schlagwort Pendleratlas). Genutzt wurden tägliche Pendlerverflechtungsdaten, Beschäftigungszahlen und Daten aus dem Gemeindeverzeichnis zum Stichtag 30 Juni 2020. Pendlerdaten für das Jahr 2021 lagen zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht vor, um es einheitlich zu halten wurden alle Quellen für 2020 ausgewertet. Weiterhin in die Analyse aufgenommen wurden Zahlen zum BIP pro Kopf auf Kreisebene (letzter Stand 2019).

Anschließend wurden die verschiedenen Datentöpfe über die fünfstellige Kennziffer der Gemeinden, dem Kreisschlüssel, zusammengeführt. Zum einen wurden Kenngrößen für alle Gemeinden, wie der Summe aller Ein- und Auspendelnden, der Bevölkerung und Beschäftigungszahlen erhoben. Zum anderen wurde die Anzahl an Pendelnden pro Tag, für jede der 43.000 Pendlerstrecken (in beide Richtungen) aus den Daten errechnet.

Die Aufbereitung und Auswertung der Daten fanden in der Programmiersprache Python statt. Interaktive Grafiken wurden mit Datawrapper, statische Grafiken in Python erstellt. Die Pendlernetzwerke wurden im Softwarepaket Gephi modelliert.

Anmerkungen zum Pendlernetzwerk

Das Pendlernetzwerk ist die visuelle Darstellung eines Knoten-Kanten-Netzwerkes. Hier werden Landkreise und kreisfreie Städte durch Knotenpunkte dargestellt und Pendelnde durch gerichtete Kanten (einseitige Verbindungspfeile, deren Pfeilspitzen die Richtung der Pendlerströme aufzeigen). Doch wir haben mehr Gestaltungsspielraum.

  1. Wir können die Größe der Knotenpunkte anpassen, entsprechend der Tagesbevölkerung. Wir wissen, dass es sich bei kreisfreien Städten um Orte großer Bevölkerung handelt; mit dieser Wahl legen wir einen Fokus auf kreisfreie Städte statt auf Landkreise.
  2. Wir können die Farbe der Knotenpunkte wie in unserer Choroplethenkarte wählen, um Gemeinden mit positiven/negativen Pendlersaldos zu kennzeichnen.
  3. Wir können die gerichteten Kanten entsprechend der Pendlerzahlen anpassen: Je kürzer und je dicker eine Kante ist, desto mehr Pendler gibt es zwischen Wohn- und Arbeitsort. Damit wird es zur Clusterbildung kommen und wir werden Pendlerverflechtungen sehen.

Anmerkungen zur Pendelbereitschaft

Zur Bestimmung der Pendeldistanz haben wir einen simplen Ansatz gewählt: über das Gemeindeverzeichnis des statistischen Bundeamtes kommt man an die geografischen Mittelpunktkoordinaten für jede Gemeinde. Darüber lässt sich für jede Pendlerstrecke, für die wir Pendlerzahlen haben, die kürzeste Verbindungsstrecke, die Luftlinie, errechnen.

Ist das nicht eine starke Vereinfachung? Ist es, denn zum einen nehmen wir an, dass alle Pendelnden von Gemeindemittelpunkt zu Gemeindemittelpunkt fahren. Zum anderen orientieren sich Fahrtstrecken an der vorhandenen Infrastruktur. Reale Distanzen sind somit immer länger als Luftlinien und nicht eindeutig. Das Problem mit den Distanzen lässt sich z.B. über die Google Maps Distance Matrix API lösen, erfordert jedoch eine Lizenz und ist damit kostenpflichtig. Unser Ansatz ist simpel, aber Luftlinien und Mittelpunktkoordinaten genügen beim Verständnis allgemeiner Zusammenhänge.

Testen wir den Ansatz auf Plausibilität: Für 2016 errechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die pro Tag von Pendelnden gefahrene Strecke auf etwa 701 Millionen Kilometer. Mit unserer Schätzung von 699 Millionen Kilometern sind wir überraschend präzise. Die offizielle Rechnung ist allerdings für 2016. Außerdem sollten wir höhere Zahlen erhalten, da wir mit Luftlinien gerechnet haben welche Distanzen deutlich unterschätzen.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichte 2018 eine Studie, in der ein Zuwachs in der mittleren Pendlerdistanz von 21 Prozent verzeichnet wurde (im Zeitraum 2000 bis 2014). Ausgehend von einer Fortführung des Trends ist das ein weiteres Argument für unsere Schätzung.

Wie schaut der Zusammenhang zwischen Pendlern und zurückgelegter Strecke aus?

Länge der Pendlerstrecke in Deutschland

Im Streudiaramm sehen wir deutlich: Je größer die Entfernung zum Arbeitsort ist, desto weniger Pendelnde finden sich dafür. Den beigefügten Histogrammen entnehmen wir weiterhin:

  1. Die meisten Kombinationen aus Wohn- und Arbeitsort werden von wenigen Leuten gependelt. Das erklärt den hohen Ausschlag in der Verteilung über die Anzahl an Pendelnden. Darunter finden sich Raritäten wie die Pendlerstrecke vom Ostallgäu nach Flensburg. Mit einer Pendlerzahl von 18 Personen. Und einer Strecke von über 900 km.
  2. Die meisten Pendlerstrecken haben eine Luftlinie von 100 km. Aber Vorsicht: Es wird nichts darüber gesagt, von wie vielen Menschen diese Strecke befahren wird (siehe Ostallgäu-Flensburg). Warum bei 100 km und nicht geringer? Man erwartet doch, dass die meisten Beschäftigten (62 Prozent genaugenommen) innerhalb derselben Gemeinde wohnen und arbeiten. Dabei handelt es sich allerdings um Binnenpendler, die in unseren Daten nicht erfasst werden. Wir sollten genauer sein und unsere Aussagen immer vor dem Hintergrund treffen, dass von einer Gemeinde in eine andere gependelt wird.

Die eigentliche Frage lautet aber doch: Wie stark nimmt die Pendelbereitschaft mit der Distanz ab? Machen wir den Begriff greifbar.

Jeder Strecke ist inzwischen neben der Anzahl an Pendlern eine Distanz zugeordnet. Lasst uns nun jeder Distanz die gesamte Anzahl an Pendlern zuordnen. Beispiel: Von Lübeck nach Neumünster pendeln 167 Beschäftigte, von Braunschweig nach Celle sind es 210. Beide Strecken betragen 50 km. Damit erhöht sich die Anzahl an Beschäftigten, die bereit sind 50 km zu pendeln, um 377. Spielt man diese Logik für alle Strecken durch und normiert um die Summe aller Pendelnden, erhält man die Pendelbereitschaft, wie sie im Text aufgeführt ist.

Grenzen der Auswertung

  1. Wir haben Pendlerströme aus dem und in das Ausland unterschlagen und uns bewusst auf Pendelnde fokussiert, die in Deutschland arbeiten.
  2. Die Pendlerdefinition der BA berücksichtigt nicht mobiles Arbeiten und Homeoffice. Allgemein kann keine Aussage über die Art des Transportmittels (Zug, Auto, Fahrrad,…) getroffen werden.
  3. Die Analyse fand für das Jahr 2020 statt. Bei einer Betrachtung zum Stichtag werden keine Veränderungen über die Zeit erfasst. Die Auswirkungen der Pandemie können erst im kommenden Datensatz für das Jahr 2021 ausgewertet werden.

Verkehr und Logistik: Zwischen Massenarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel

Großbritannien kämpft mit einem Mangel an LKW-Fahrer:innen, in Deutschland bekommt jede:r Bundesbürger:in im Durchschnitt 50 Pakete pro Jahr und die hiesigen Lokführer:innen verdienen künftig zwei Prozent mehr Gehalt. Drei Nachrichten aus der vergangenen Woche, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Auf den zweiten Blick aber schon: Sie zeigen, mit welchen Problemen die Verkehrs- und Logistikbranche kämpft.

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Die Mangelberufe in Verkehr und Logistik

Auf der einen Seite herrscht in einigen Berufen extremer Fachkräftemangel und der Nachwuchs fehlt, auf der anderen Seite stehen viele Arbeitslose Stellen gegenüber, die sich mit ihnen wegen mangelnder Qualifikation nicht besetzen lassen. Im Bereich Verkehr und Logistik (ohne Führung von Fahrzeugen) kommen auf eine ausgeschriebene Stelle ganze 14,75 Arbeitslose. Bei den Führer:innen von Fahrzeug- und Transportgeräten sind es über alle Jobs hinweg 6,75. Und trotzdem gibt es in der Branche einen starken Fachkräftemangel, der sich zeigt, wenn man die einzelnen Jobs genauer unter die Lupe nimmt.

Fachkräftemangel in Verkehr & Logistik

So zeigt sich etwa bei den Lokführer:innen, dass rein rechnerisch nicht einmal jede zweite Stelle besetzt werden kann. Ebenfalls große Mängel zeigen sich bei den Kaufleuten und LKW-Fahrer:innen.

Das Anforderungsniveau steigt

Digitalisierung sei Dank lassen sich viele Bereiche in Verkehr und Logistik mittlerweile automatisieren. Heute hat die Branche noch einen hohen Anteil an Hilfskräften. Dieser sinkt allerdings kontinuierlich und sorgt für hohe Arbeitslosenzahlen, denn die Jobs für Geringqualifizierte werden weniger.

Verkehr und Logistik Infografik: Weniger Hilfskräfte

In nur drei Jahren hat die Zahl der Beschäftigten auf Helfer:innenniveau um 2,7 Prozent in Verkehr und Logistik abgenommen, während alle anderen Anforderungsniveaus deutlich zunahmen. Im Bereich Führung von Fahrzeug- und Transportgeräten sank der Helfer:innenanteil gar um 6,5 Prozent. Allerdings nahm hier auch der Anteil der Expert:innenstellen deutlich ab.

Was die Beschäftigten wollen

Die geringe Zahl an verfügbaren Fachkräften führt zu einem großen passiven Arbeitsmarkt, Fachkräfte werden also aus bestehenden Arbeitsverhältnissen abgeworben. Arbeitgeber, die da mithalten wollen, müssen ihren Mitarbeiter:innen deshalb die gewünschten Bedingungen bieten, um sie zu halten.
Der Fachkräftereport der Onlineplattform meinestadt.de ergab in diesem Jahr, dass die Beschäftigten in Verkehr und Logistik von ihren Arbeitgebern gar keine weltbewegenden Dinge wollen: 77,5 Prozent der 373 Befragten in der Logistik gaben an, dass ihnen ein sicherer Arbeitsplatz wichtig ist. Mit 79,1 Prozent wünschen sich noch etwas mehr eine pünktliche Gehaltszahlung. Außerdem wichtig ist eine gute Unternehmenskultur mit der Anerkennung der eigenen Leistung durch Vorgesetzte (51,7 Prozent) und einem guten Verhältnis zu den Kolleg:innen (54,2 Prozent).

Wie sich Arbeitgeber positionieren

Wenn es darum geht, herauszufinden, ob es sich bei einem potenziellen Arbeitgeber um ein gutes Unternehmen handelt, sagen knapp 70 Prozent der Befragten, sie würden dessen Karriere-Webseite checken. Wir haben darum untersucht, wie es um das Arbeitgeber-Branding von knapp 140 Unternehmen aus der Branche steht. Finden potenzielle Bewerber:innen leicht, was sie suchen? Wie können Sie sich bewerben? Sind die Seiten mobil optimiert? Unsere Branchenstudie zum Recruiting in Verkehr und Logistik gibt Auskunft.

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Arbeitsmarktstudie 2021: Arbeitsmarkt in Deutschland erholt sich weiter

Der Arbeitsmarkt in Deutschland bleibt stabil. Auch wenn diese Nachricht für viele Menschen, die aufgrund der Corona-Krise ihre Beschäftigung verloren haben, immer noch in Kurzarbeit oder erfolglos auf Jobsuche sind, sehr höhnisch klingen mag. Es ist aber vor allem erstmal eins: eine gute Neuigkeit.

Die Arbeitslosigkeit befindet sich trotz der Pandemie weiterhin auf einem so niedrigen Niveau, wie es zuletzt vor 40 Jahren der Fall war. Auch die Pandemie-Jahre 2020 und 2021 werden an diesem Abwärtstrend nichts ändern.

Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen auch im September erneut eine Erholung gegenüber dem Vormonat: Die Zahl der Arbeitslosen sank um 114.000 auf 2.465.000. Im Juli und August lag die Arbeitslosenquote bei 5,6 Prozent und sank im September um 0,2 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent. Das sind 0,8 Prozentpunkte niedriger als noch im September 2020.

Der Fachkräftemangel sorgt in zahlreichen Branchen für eine verlängerte Suche nach geeignetem Personal. Doch Mangelberufe sind schon lange nicht mehr ausschließlich auf Expert:innen- oder Spezialist:innenniveau zu finden: Auch Arbeitskräfte wie Berufskraftfahrer:innen, Verkäufer:innen oder Reinigungskräfte sind nicht in ausreichender Menge vorhanden.

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Zahl der Erwerbstätigen sinkt ab 2021

Detlef Scheel, Chef der Bundesagentur für Arbeit, prophezeite im August diesen Jahres, dass Deutschland eine Zuwanderung von 400.000 Arbeitskräften im Jahr benötige, um die Lücken am Arbeitsmarkt schließen zu können. Die Hürden für eine Zuwanderung aus Ländern außerhalb der EU sind aber sehr hoch und es werden auch in Zukunft nicht ausreichend Menschen aus dem Ausland nach Deutschland kommen, um unseren zunehmenden Arbeitskräftemangel halbwegs eingrenzen zu können.

Erschwerend hinzu kommt, dass die Zahl der Erwerbstätigen spätestens ab 2025, mit Renteneintritt der Babyboomer-Generation, stetig sinkt.

Lebenserwartung und Altersstruktur 2021 bis 2020

Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass in diesem Jahr 64 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen der erwerbstätigen Bevölkerung angehören.
Im Jahr 2060 besteht laut jetziger Prognose bei einer moderaten Zuwanderung die Bevölkerung nur noch aus 56 Prozent Erwerbstätigen. Das sind ganze 12 Millionen Menschen weniger, als noch in diesem Jahr. 12 Millionen Menschen weniger, die für die Besetzung von Stellen zur Verfügung stehen.

Die Befürchtungen vieler Unternehmen, sie würden in Zukunft wichtige Positionen nicht mehr besetzen können, ist also nicht unbegründet. Viele Firmen kämpfen bereits heute gegen die sinkende Anzahl an Bewerber:innen oder resignieren und gefährden dadurch nicht selten ihre Konkurrenzfähigkeit.

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Zahl der Auszubildenden im Rekordtief

Die sinkende Anzahl an Azubis sorgt bei vielen Unternehmen ebenfalls für Kopfzerbrechen, da immer weniger Schulabgänger:innen die berufliche Ausbildung dem Studium vorziehen. Aber Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: Einige Ausbildungsberufe sind ungemein beliebt bei jungen Leuten, wie zum Beispiel Kosmetiker:innen, Mediengestalter:innen oder Tierpfleger:innen. Hier gingen bis zu 50 Prozent der Bewerber:innen leer aus.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Studie Akademisierung

Beim Lesen des Berufsausbildungsberichts 2021 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird allerdings schnell klar, dass zahlreiche andere Berufe durchaus größere Probleme beim Besetzen ihrer Ausbildungsplätze haben.

Weniger beliebte Berufe wie Klempner:in oder Traditionsberufe wie Fleischer:in kämpfen mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Ausbildungsplätzen. 47 Prozent der in diesen Bereichen zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze konnten im Jahr 2020 nicht besetzt werden. Die Corona-Pandemie sorgte dafür, dass auch die Anzahl an zu besetzenden Stellen im Bereich Kurier-, Express-, und Postdienstleistungen explodierten und nicht mehr besetzt werden konnten. Dazu zählen auch die Ausbildungsplätze – hier blieben ganze 46 Prozent der verfügbaren Anstellungen unbesetzt.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Ausbildungsstellen

Der Corona-Arbeitsmarkt in Deutschland

Im Grunde ist der gesamte Arbeitsmarkt aktuell noch ein Corona-Arbeitsmarkt. Der befürchtete Wirtschafts-Einbruch im letzten Jahr blieb weitestgehend aus – der massive Einsatz von Kurzarbeit konnte stärkere Anstiege bei der Arbeitslosigkeit verhindern. Auch wenn die Wirtschaft sich dieses Jahr vermutlich nicht ganz so stark erholen wird, wie anfangs prognostiziert, wird der Arbeitsmarkt vor allem 2022 kräftig angeschoben werden. Laut Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) kann Deutschland 2022 mit einem Wachstum von fast 5% rechnen – das größte seit der Wiedervereinigung.

Für den Arbeitsmarkt heißt das: Die Zahl der Arbeitslosen könnte nach einer diesjährigen Stagnation in 2022 um 270.000 Menschen fallen. Die Zahl der Erwerbstätigen würde um gut 500.000 Menschen steigen. Bei den Zahlen für 2021 und 2022 handelt es sich lediglich um eine Prognose – die genauen Zahlen können erst im darauf folgenden Jahr erfasst werden.

Wollmilchsau Arbeitsmarkt Deutschland Arbeitslosenquote

Auswertungen der Arbeitsmarktstudie 2021

In unserer Studie haben wir uns alle zum Zeitpunkt der Auswertung aktuellen Zahlen, Daten und Fakten zu den vier Eckpfeilern des deutschen Arbeitsmarktes 2021 angeschaut:

  • Demografischer Wandel
  • Berufsausbildungsmarkt
  • Stellenmarkt und Arbeitslosigkeit
  • Corona-Arbeitsmarkt

Neben Arbeitslosenzahlen, der Bevölkerungsentwicklung und dem Akademisierungstrend berichten wir unter anderem über die Betroffenheit der Betriebe, die Einstellungen und Entlassungen in den vergangenen Wochen sowie die allgemeine Fachkräftenachfrage.

Wenn Du außerdem wissen möchtest, wie sich der Arbeitsmarkt im Vergleich zum Vorjahr gewandelt hat und wie optimistisch Du sein kannst, lad’ Dir doch kostenlos die Arbeitsmarktstudie 2021 herunter. Auch die neueste Arbeitsmarktstudie 2022 findest Du bei uns.

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Wiedervereinigung: So steht es um den Arbeitsmarkt in Ost und West

„Blühende Landschaften“ versprach der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1990 durch die Wiedervereinigung für die ostdeutschen Bundesländer. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen sollte es sich „zu leben und zu arbeiten lohnen“.
Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall, unterscheiden sich die Bundesländer in ihrer Wirtschaftsleistung und Lebensrealität noch immer, werden immer noch unterschieden in „alt“ und „neu“, stehen sowohl politisch als auch sozial unterschiedlich da.
Wie hat sich der Arbeitsmarkt entwickelt in Ost und West? Wo gleichen sich die Bundesländer an, wo zeigen sich bis heute die Differenzen? Und was können Ost und West bis heute voneinander lernen?

1. Demographie – Der Osten ist älter

2. Arbeitslosigkeit in Ost und West nähert sich an

3. Ökonomische Situation – Weniger Einkommensreiche im Osten

4. Gleichstellung – Vor allem Mütter sind im Osten häufiger erwerbstätig

5. Atypische Beschäftigung ist in Ostdeutschland seltener

6. Weniger gering qualifizierte in Ostdeutschland

7. Fazit: Wieviel Wende braucht es noch?

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1. Demographie – Der Osten ist älter

Demografisch ging es lange bergab – die Ostdeutschen wurden immer älter, weil die Jüngeren ihre Zukunft woanders sahen. Jährlich zogen deutlich mehr Menschen aus dem Osten fort als hinzogen. Im Jahr 2017 kam dann die Wende nach der Wende: Mehr Menschen zogen nach Ostdeutschland, das Wanderungssaldo war erstmals seit der Wiedervereinigung positiv (Ein großartiges Datenjournalismus-Stück gibt es dazu bei der Zeit).

Die Auswirkungen dieser Veränderung sind allerdings noch nicht spürbar. Mit einem durchschnittlichen Alter von 47,9 Jahren war Sachsen-Anhalt im Jahr 2019 das älteste der 16 deutschen Bundesländer. Stadtstaat Hamburg ist durchschnittlich fast sechs Jahre jünger. Auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 66 Jahren kommen hier 25 Menschen über 67 Jahre. In Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es jeweils 41.

Ost und West Infografik: Durschnittsalter der Bevölkerung nach Bundesland

Diese Zahlen machen sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar: Die Zahl der Erwerbstätigen in den ostdeutschen Bundesländern ist seit der Wende deutlich gesunken, wie die Grafik zeigt. Im Jahr 1991 waren hierzulande 38,9 Millionen Menschen erwerbstätig. Bis zum Jahr 2020 stieg die Zahl auf 44,8 Millionen. Doch in den ostdeutschen Bundesländern sanken die Zahlen zum Teil deutlich: Spitzenreiter im negativen Sinne ist Sachsen-Anhalt, wo im Gegensatz zu 1991 knapp 33 Prozent weniger Menschen Erwerbsarbeit leisten.

Ost und West Infografik: Erwerbstätige in Ostdeutschland

In den anderen neuen Bundesländern sieht der Trend nicht anders aus. Hier zeigen sich die beiden Effekte deutlich: Die einen werden älter und scheiden aus dem Arbeitsmarkt aus, die anderen wandern ab, um ihr Arbeitsglück woanders zu suchen. Den deutlichsten Zuwachs an Erwerbstätigen verzeichneten über den gewählten Zeitraum Bayern mit 9,6 Prozent und Hamburg mit 9,1 Prozent.

Bezogen auf den gesamten Arbeitsmarkt sind die meisten im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen tätig: Jede:r fünfte Erwerbstätige hierzulande arbeitet in NRW. Bayern folgt mit gut 17 Prozent, Baden-Württemberg mit rund 14 Prozent. Auf dem sechsten Rang folgt Sachsen mit 4,6 Prozent.

2. Arbeitslosigkeit in Ost und West nähert sich an

Im Westen der Bundesrepublik sind insgesamt 5,6 Prozent der Erwerbsbevölkerung arbeitslos. Im Osten sind es 7,3 Prozent. Damit schließt sich die Lücke allmählich. Nach der Wende wurden in den ostdeutschen Bundesländern viele Betriebe geschlossen oder von der Treuhand abgewickelt und Mensch und Wirtschaft mussten den Umstieg von der Plan- auf die Marktwirtschaft schaffen – viele wurden dadurch arbeitslos. Bis zum Jahr 2005 stieg die Zahl auf 18,7 Prozent, wie die Grafik zeigt. Davon hat sich der Arbeitsmarkt mittlerweile erholt. Bis 2019 sank in Ost und West die Arbeitslosenquote stetig, einzig Corona führte zu einem Anstieg im vergangenen Jahr.

Ost und West Infografik: Arbeitslosigkeit in Ost und West

3. Ökonomische Situation – Weniger Einkommensreiche im Osten

Zwar ist der Lebensstandard in Ostdeutschland in den vergangenen dreißig Jahren deutlich gestiegen, aber er liegt bis heute unter dem in Westdeutschland.

Auch die wirtschaftliche Leistung liegt unter der der alten Länder: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde belegen die ostdeutschen Bundesländer im Vergleich die hintersten Ränge. Spitzenreiter Hamburg liegt bei gut 67 Euro, Schlusslicht Thüringen kommt lediglich auf rund 43 Euro. Der bundesweite Durchschnitt lag im Jahr 2020 bei knapp 56 Euro.

Ost und West Infografik: BIP je Bundesland

Auch im Gehalt unterscheiden sich die alten und die neuen Bundesländer bis heute. Im Jahr 2005 verdienten Erwerbstätige im Osten 80 Prozent des Gehalts westdeutscher Erwerbstätiger. Die Lücke schloss sich bis 2020 etwas weiter und liegt heute bei 86 Prozent, wie aus einem Bericht des Wirtschaftsministeriums hervorgeht. Laut Bundesagentur für Arbeit lag das Mediangehalt im Westen im vergangenen Jahr bei gut 3.500 Euro, im Westen waren es rund 2.800 Euro.

Ost und West Infografik: Monatsverdienste im Osten

Doch nicht nur das Gehalt unterscheidet sich, auch die Zahl der Gutverdiener:innen ist im Westen deutlich höher. Als Anteil der Bevölkerung sehen die Zahlen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wie folgt aus: Galten im Jahr 1991 noch 3,6 Prozent der Bevölkerung in den ostdeutschen Bundesländern als einkommensreich (hatten also ein verfügbares Einkommen von mehr als 200 Prozent des Medians aller Erwerbstätigen), waren es in den westdeutschen Ländern 5,3 Prozent. Die beiden Zahlen stiegen bis 2016 auf 4,8 und 7,8 Prozent.

Ost und West Infografik: Wo die Gutverdienenden Wohnen

Wie ungleich die Verteilung aber ist, zeigt sich, wenn man die Gesamtheit der Armen und Reichen betrachtet. Die bundesdeutsche Bevölkerung verteilt sich zu 17,2 Prozent auf die ostdeutschen Bundesländer und zu 82,8 Prozent auf die westdeutschen.

Von den als arm definierten Bürger:innen leben allerdings 23,4 Prozent im Osten und 76,6 im Westen. Bei den Reichen ist die Verteilung noch deutlicher: 93,5 Prozent der reichen Deutschen lebten 2017 im Westen und nur 6,5 im Osten des Landes.

Ost und West Infografik: Verteilung von Armut und Reichtum in Ost und West

4. Gleichstellung – Vor allem Mütter sind im Osten häufiger erwerbstätig

Was die Geschlechtergleichstellung angeht, kann sich der Westen beim Osten eine Scheibe abschneiden. Auf alle Frauen bezogen zeigt sich bei der Erwerbstätigkeit für das Jahr 2019 laut Daten des Statistischen Bundesamts zwar erst einmal nur ein geringer Unterschied von 2,3 Prozentpunkten zwischen Frauen auf dem ostdeutschen (73,9 Prozent) und dem westdeutschen Arbeitsmarkt (71,6 Prozent). Sehr viel deutlicher fällt allerdings der Unterschied bei der Erwerbstätigkeit von Müttern aus.

Ost und West Infografik: Erwerbstätigkeit von Müttern im Osten

In den ostdeutschen Bundesländern sind Mütter mit Kindern unter 18 Jahren häufiger und umfangreicher erwerbstätig als in den westdeutschen. So arbeiteten im Westen der Republik im Jahr 2018 laut Bundesfamilienministerium nur 28 Prozent der Mütter mehr als 28 Stunden, im Osten waren es 59 Prozent, wie die Grafik zeigt. Dass Mütter häufiger und mehr arbeiten, liegt an einer generell höheren Betreuungsquote. So gingen im Osten laut einer Studie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) knapp 85 Prozent der Kleinkinder zwischen 2 und 3 Jahren in Krippe oder Kindergarten, im Westen waren es lediglich gut 58 Prozent.

Ost und West Infografik: Kinderbetreuung in Ost und West

Außerdem fällt der Gender Pay Gap in Ostdeutschland deutlich geringer aus, was aber auch an einem generell geringeren Gehaltsniveau liegt. Das hängt unter anderem mit den vertretenen Branchen zusammen: Während Bundesländer mit besonders hohem Verdienst eine starke Industrie vorweisen (traditionell Männerberufe), ist in den ostdeutschen Bundesländern der Dienstleistungssektor stärker vertreten – traditionell eher Frauenberufe.

Ost und West Infografik: Gender Pay Gap im Osten deutlich geringer

5. Atypische Beschäftigung ist in Ostdeutschland seltener

Zwar ist im Osten des Landes die Arbeitslosigkeit noch immer höher als im Westen, aber diejenigen, die Arbeit haben, stehen von den Rahmenbedingungen oft besser da – es gibt deutlich weniger befristete Arbeitsverträge, weniger Minijobs und geringfügige Beschäftigung als im Westen.

Ost und West Infografik: Weniger atypische Beschäftigung im Osten

Damit ist ein unbefristeter Vollzeitjob im Osten eher zu haben als im Westen. In Brandenburg macht die atypische Beschäftigung nur 14 Prozent aller Jobs aus. In Bremen sind es mit 26,2 Prozent fast doppelt so viele. Wie weiter oben ausgeführt, liegt die hohe Quote im Westen auch an der geringeren Erwerbstätigkeit der Frauen, die häufig geringfügig oder in geringer Teilzeit tätig sind, wenn sie Kinder haben. Ebenfalls häufiger von atypischer Beschäftigung betroffen sind Erwerbstätige mit geringem Bildungsabschluss.

6. Weniger gering Qualifizierte in Ostdeutschland

Was eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Studienberechtigung angeht, stehen ostdeutsche Bundesländer besser da als westdeutsche. Laut Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die anlässlich der jährlichen OECD-Vergleichsstudie „Bildung auf einen Blick“ veröffentlicht wurden, gibt es im Osten des Landes deutlich weniger Menschen zwischen 25 und 64 Jahren, die keinen Abschluss im sekundären Bildungsbereich haben.

Ost und West Infografik: Bildungsstand der 25- bis 64-Jährigen nach Bundesland

7. Fazit: Wieviel Wende braucht es noch?

Bis heute unterscheiden sich die ostdeutschen und die westdeutschen Bundesländer voneinander. Einiges resultiert aus gemachten Fehlern bei der Einführung der Marktwirtschaft im Osten. Anderes ist einfach eine Konsequenz dieser Umstellung oder bedingt durch unterschiedliche Bevölkerungsstrukturen und wieder anderes durch kulturelle Unterschiede.

Allerdings wächst die Bundesrepublik weiter zusammen, das zeigen nicht zuletzt die Wanderungsbewegungen innerhalb des Landes. Es gilt noch immer, den Wohlstand im Land besser zu verteilen und die ökonomische Situation in den neuen Bundesländern zu verbessern. Die demographische Entwicklung zeigt sich heute im Osten deutlicher – die Überalterung trifft aber früher oder später das ganze Land. Und was die Beteiligung von Frauen im Erwerbsleben und die Jobsicherheit angeht, kann der Westen möglicherweise sogar noch vom Osten lernen.

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