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Corona, Kurzarbeit, Schließungen, demografischer Wandel, Krieg, Lieferengpässe und jetzt auch noch eine Kündigungswelle – ganz schön viel, was der Arbeitsmarkt da zu verkraften hat. Was wir und viele andere Expert:innen die letzten Jahre vor allem als bevorstehenden Fachkräftemangel angekündigt haben, hat sich in rasantem Tempo in einen allgemeinen Arbeitskräftemangel auf allen Ebenen verwandelt.
Vor allem Branchen, die zu Hochzeiten der Corona-Pandemie von Schließungen und Kurzarbeit betroffen waren, suchen händeringend nach geeignetem Personal. Doch neben Corona-Pandemie und demografischem Wandel gibt es angeblich auch noch einen weiteren Grund für das Verschwinden zahlreicher Arbeitskräfte: Die sogenannte „Great Resignation“. Die große „freiwillige“ Kündigungswelle, die in den USA bereits Anfang 2021 begann und in den Medien Wellen geschlagen hat. Doch gab es diesen “Big Quit” überhaupt und droht Deutschland ebenfalls eine Kündigungswelle?
1. “Great Resignation” in den USA: Woher kam die Kündigungswelle?
2. Unsicherheit in der Krise bringt Mitarbeiter:innen zum Umdenken
3. Woran erkenne ich, ob eine Kündigungswelle auf das Unternehmen zukommt?
4. Was kann ich als Arbeitgeber gegen eine Kündigungswelle tun?
“Great Resignation” in den USA: Woher kam die Kündigungswelle?
In Amerika führten verschiedene Gründe dazu, dass zwischen Januar 2021 und Februar 2022 insgesamt 57 Millionen Menschen ihren Job gekündigt haben. Das ist ein Anstieg von +25 Prozent im Vergleich zu einer ähnlichen Zeitspanne vor der Pandemie. Diese Zahlen und vor allem der Peak im November zeigen, dass es tatsächlich eine höhere Anzahl an freiwilligen Kündigungen gab.
Trotzdem sollten diese Zahlen immer im Zusammenhang betrachtet werden: Wie man in der Grafik erkennen kann, stieg die durchschnittliche monatliche Kündigungsrate von 2010 bis 2019 kontinuierlich an. Dies ist ein längerfristiges Phänomen, das vermutlich viele aus ihrer eigenen Erfahrung heraus bestätigen: Während die Eltern und Großeltern ihrem Job und ihrem Unternehmen jahrzehntelang die Treue hielten, sind die nachfolgenden Generationen X, Y und Z wesentlich wechselwilliger. Und das ist mit Blick auf die Motivation, Entwicklung und Ideen ganz sicher nicht immer negativ zu betrachten.
Vor allem im Gastrogewerbe, aber auch in Positionen im Tourismus oder am Flughafen herrscht seit jeher eine hohe Arbeitnehmer-Fluktuation. Durch Schließungen, Kündigungen und Zeitarbeit verließen im Jahr 2020 zusätzlich viele Beschäftigte ihre Position oder sogar ihre Branche. Im Gegensatz zu den Jahren davor wurde allerdings diese Fluktuation während der Corona-Pandemie nicht mit Neueinstellungen aufgefangen. Dies führte in vielen Branchen zu einem erheblich größeren Defizit und dazu, dass wir an Flughäfen besonders lange warten müssen und in Hotels und Restaurants das Personal fehlt.
In den meisten Firmen sank 2020 die freiwillige Kündigungsrate allerdings aufgrund von Unsicherheiten und Corona-Stillstand – mehr Menschen hielten an ihrem Job fest und weniger Leute kündigten freiwillig. Als sich 2021 die Situation wieder etwas stabilisierte, kündigten nicht nur diejenigen, die sowieso gekündigt hätten, sondern gleichzeitig auch die, die es im Jahr 2020 nicht getan haben.
Unsicherheit in der Krise bringt Mitarbeiter:innen zum Umdenken
Auch wenn die Einordnung der Zahlen den Aufschrei der “Great Resignation” etwas relativieren, ist nicht von der Hand zu weisen, dass dennoch viele Menschen bereits gekündigt haben oder es zumindest planen. Kann man diese Fluktuation nicht rechtzeitig mit Einstellungen ausgleichen, werden diese Kündigungen zu einem Problem. Laut einer Befragung, die im Juni 2021 von Robert Half, einem Anbieter für Personalvermittlung und Talentlösungen, durchgeführt wurde, sind auch die Kündigungen in Deutschland gestiegen. Hierfür wurden 300 Manager:innen mit Personalverantwortung befragt. 21 Prozent der Unternehmen gaben an, dass es bei ihnen im Jahr 2021 mehr freiwillige Kündigungen gab als vor der Pandemie.
Eine noch höhere Anzahl an Mitarbeiter:innen spielten mit dem Gedanken, ihre aktuelle Stelle aufzugeben: 2021 war laut einer Umfrage des Gallup Engagement Index jede:r vierte Beschäftigte aufgrund von Unzufriedenheit im Job wechselwillig und auf dem Absprung. Insgesamt haben 42 Prozent der Befragten Wechselabsichten, allerdings erst in den nächsten drei Jahren.
Die Corona-Pandemie brachte zahlreiche Arbeitnehmer:innen in eine berufliche Krise. In erster Linie natürlich die Arbeitnehmer:innen, die ihren Job ungewollt verloren haben und dadurch in existenzielle Not geraten sind. Viele gingen auch in Kurzarbeit und spürten, wie unsicher ihr Job oder ihre Branche in Krisenzeiten ist.
Andere wiederum zweifelten an ihrem Arbeitgeber, weil sie trotz des Infektionsgeschehens kein Homeoffice machen durften oder insgesamt von mangelnden Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz und der Reaktion ihres Unternehmens enttäuscht waren. Markt-Beobachter:innen vermuten außerdem, dass die vielen Todesfälle, Erkrankungen und die Rückbesinnung auf das Privatleben während der Pandemie viele Menschen dazu veranlasst haben, die Rolle der Arbeit in ihrem Leben zu überdenken und den Job ggf. zu wechseln.
All das führt zu latenter Wechselwilligkeit, die weniger emotionale Bindung und weniger Motivation im aktuellen Job mit sich bringt. Unternehmen werden so auf gefährliche Art und Weise anfällig für Störungen, ohne dass Mitarbeiter:innen bereits gegangen sind. Nach Schätzungen von Gallup kosten alleine die aktiv unmotivierten Arbeitnehmer:innen die deutsche Wirtschaft jährlich zwischen 96,1 und 113,0 Milliarden Euro.
Woran erkenne ich, ob eine Kündigungswelle auf das Unternehmen zukommt?
Es gibt Warnsignale, die es rechtzeitig zu bemerken gilt, denn eine Kündigung oder sogar eine Kündigungswelle kommt in den meisten Fällen nicht überraschend. Mit ein wenig Gespür und Aufmerksamkeit lassen sich einige Verhaltensweisen und Anzeichen, die auf eine Kündigung hindeuten, in der Belegschaft oder von einzelnen Mitarbeiter:innen, entdecken.
Das erste Aufbäumen und steigende Negativität
Die Diskussionen in der Belegschaft nehmen zu, Dinge werden wesentlich häufiger infrage gestellt und Sorgen oder Missmut geäußert. Wenn Fragen und Anliegen der Mitarbeiter:innen nicht ernst genommen werden und die Kommunikationskultur an diesem Punkt nicht gepflegt wird, werden Mitarbeitende sehr schnell unzufrieden. Nörgeleien und Negativität im Arbeitsumfeld sind nicht nur wegen der unzufriedenen Person ein Problem, sondern können sich auf die restlichen Kolleg:innen übertragen. Ist erst einmal schlechte Stimmung in einer Abteilung oder im Unternehmen angekommen, kann diese sehr schnell um sich greifen.
Steigende Fehlzeiten
Häufige oder längere Krankmeldungen, angepasste, verkürzte Arbeitszeiten können (natürlich nur, wenn keine ernste Krankheit oder persönliche Umstände dahinterstecken) darauf hindeuten, dass Mitarbeitende Motivationsschwierigkeiten haben, unzufrieden sind oder sich in der Zeit sogar schon Freiräume für Bewerbungen und Vorstellungsgespräche nehmen. Egal, um was es sich handelt: Kommunikation hilft auch hier. Fallen dir als Arbeitgeber Verhaltensveränderungen auf, solltest du in jedem Fall einen Blick drauf werfen und gegebenenfalls sogar anbieten, zu unterstützen.
Resignation und Stille
Ist an diesem Punkt noch nichts passiert, tritt in vielen Fällen erst einmal Resignation und Stille ein. Die Stimmung kippt und unmotivierte Arbeitnehmer:innen können nicht nur wirtschaftlich zu einem Problem werden. Möglicherweise befinden sich Kolleg:innen bereits kurz vorm Absprung. Findet auch diese Warnung kein Gehör bei den Verantwortlichen, kann der Frust nur noch schwer abgebaut werden.
Im schlimmsten Fall sehen Mitarbeiter:innen an diesem Punkt keinerlei Möglichkeiten, die aufgestauten Probleme durch Aussprache und Kommunikation aus der Welt zu schaffen und kündigen aus Frustration heraus.
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Was kann ich als Arbeitgeber gegen eine Kündigungswelle tun?
Ein großes Thema ist auch weiterhin das Homeoffice. Nur fünf Prozent der Menschen in Deutschland, die aktuell bereits im Homeoffice arbeiten, wollen wieder täglich ins Büro fahren. 35 Prozent der Deutschen gab an, sie wollten vollständig remote arbeiten, 23 Prozent der Befragten überwiegend. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter:innen Vollzeit ins Büro zurückholen wollen, werden langfristig auf dem angespannten Arbeitsmarkt nicht konkurrenzfähig bleiben. Talentierte Bewerber:innen können heutzutage mehrere Angebote einholen und werden zu dem Arbeitgeber wechseln, der ihre Vorstellungen von Arbeit teilt.
Das aktive Fördern von Mitarbeitenden ist ebenfalls ein Punkt, der Motivation im Arbeitsalltag fördert. Kolleg:innen mit Zielen sind dankbar für kooperative Mitarbeiterentwicklung und fühlen sich wahrgenommen und unterstützt.
Doch kommen wir zum ältesten Grund gegen eine Kündigung: Das Gehalt. Hohe Kündigungsraten sind vor allem in Niedriglohnbranchen ein großes Thema. Zu Zeiten der Inflation und Unsicherheiten wird ein höheres Gehalt nicht nur wichtiger, sondern zum Teil auch lebensnotwendig. Für einen Markt-Benchmark in Deutschland lohnt sich ein Blick in die Gehaltsdatenbank der Bundesagentur für Arbeit. Liegen die internen Gehälter ungefähr im Rahmen oder sollte man hier nochmal nachjustieren? Und kann es sich das Unternehmen vielleicht sogar leisten, noch eine Schippe drauf zu legen?
Die wirtschaftliche Lage, Inflation und Zukunftsängste mögen dafür sorgen, dass sich viele eigentlich unzufriedene Mitarbeiter:innen nicht für eine Kündigung entscheiden, sondern den sichereren Weg gehen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Kolleg:innen motiviert und zufrieden den Arbeitsalltag bestreiten. Trotz der aktuellen Lage müssen Arbeitgeber für die Zufriedenheit sorgen und sollten sich im Unternehmen mal umhören, wo es gerade Bedarf gibt und welche Unsicherheiten es eventuell gibt.
Gute Fachkräfte zu finden ist in der aktuellen Zeit besonders schwer. Die genannten Investitionen werden nicht nur die Mitarbeiterbindung verbessern und für weniger Unzufriedenheit sorgen, sondern auch neue Arbeitskräfte anziehen.