Was ist eigentlich Data Driven Recruiting?

Data Driven Recruiting ist ein wichtiges Instrument, um die besten Talente zu erreichen. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt immer weiter ab und viele Unternehmen können gar nicht schnell genug neue Mitarbeiter:innen einstellen, um mit ihrem Personalbedarf Schritt zu halten. Der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter:innen ist hoch und der Bedarf an automatisierten Recruiting-Lösungen somit auch.

1. Was ist Data Driven Recruiting?

2. Der Unterschied zwischen Data Driven Recruiting und Robot Recruiting

3. Warum Recruiting Kennzahlen erheben?

4. Die wichtigsten KPIs: Grundlagen des Data Driven Recruitings

5. Automatisiertes Data Driven Recruiting

6. Was kann ich mit all den Daten außerdem herausfinden?

7. Data Driven Recruiting: Nicht so kompliziert, wie viele glauben

Was ist Data Driven Recruiting?

Data Driven Recruitment meint im Großen und Ganzen die Arbeit mit Daten im Recruiting und die daraus entstehenden Ableitungen von Handlungen. In vielen Fällen kommen hier Analyse- und Tracking-Tools für den gesamten Recruiting Prozess zum Einsatz. Das Erfassen, Auswerten und Analysieren von Daten erleichtert das zielgerichtete und effiziente Anwerben der besten Talente.

Mit Hilfe der wichtigsten Kennzahlen können aktuelle und zukünftige Strategien besser verstanden und eventuell korrigiert werden. In vielen Fällen führt das nicht nur dazu, dass die Einstellungen verbessert, sondern gleichzeitig auch die Kosten gesenkt werden können. Was wie Magie klingt, ist eigentlich recht einfach zu verstehen: Man wählt Fakten statt Bauchgefühl!

Meme zur Datenflut in Data Driven Recruiting

Im gesamten Recruiting Prozess schlummern Unmengen an Zahlen und Daten. Googelt man nach „Data Driven Recruiting“ wird häufig direkt von Künstlichen Intelligenzen und automatisierten Datenauswertungen gesprochen. Deswegen werden häufig auch die Begriffe Big Data und Robot Recruiting mit Data Driven Recruiting in einen Topf geworfen.

Diese ganzen Buzzwords können Personalverantwortliche aber auch verwirren und damit genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie sollen: Nämlich den Recruiting-Prozess vereinfachen. Um das eigene Recruiting zu pushen, die Reichweite zu erhöhen und Abläufe mit Hilfe von Daten effizienter zu gestalten, muss man kein Mr. Robot sein. Im ersten Schritt reicht es, wenn man wichtige Fragen mit Zahlen beantworten kann:

– Lohnt sich eine Schaltung auf einer Stellenbörse?
– Wo kommen meine Bewerber:innen überhaupt her?
– Welche Kanäle funktionieren am besten?
– Wo hapert es im Auswahlprozess?
– Verliere ich Bewerber:innen irgendwo in der Candidate Journey?

Der Unterschied zwischen Data Driven Recruiting und Robot Recruiting

In einem unserer Artikel haben wir uns bereits ausführlich mit dem Thema Robot Recruiting auseinandergesetzt. Auch hier gibt es verschiedene Ausprägungen und Entwicklungen. Unter Robot Recruiting versteht man grundsätzlich die Automatisierung von Recruitingprozessen sowie die Beurteilung und Auswahl von Bewerber:innen mithilfe von lernenden und von Menschenhand programmierten Algorithmen – gerne auch „Künstliche Intelligenz“ (KI-Recruiting) genannt.

Robot Recruiting ist also ein Teil von Data Driven Recruiting. Für einen effektiven Einstellungsprozess braucht es aber nicht immer direkt Big Data, Künstliche Intelligenzen oder etwas anderes mit einem fancy Namen. Es reicht im ersten Schritt, die Zahlen und Daten zu kennen und zu wissen, dass das reine Bauchgefühl im Recruiting schon lange nicht mehr ausreicht.

Datenbasiertes Recruiting ist ein fortlaufender Optimierungsprozess und bedeutet das stetige Sammeln und Auswerten relevanter Daten, um die eigenen Recruiting-Strategien fortlaufend verbessern zu können. Das kann bei einer geringen Anzahl an Stellen händisch gemacht werden, solange Analytics Tools installiert sind und die Daten ausgewertet, verstanden und analysiert werden können. Bei einer regelmäßig höheren Anzahl an offenen Stellen (ab 10 Stellen pro Monat) ist es für Personaler:innen und Recruiter:innen sinnvoll, all diese Auswertungen und Analysen einem Algorithmus zu überlassen.

data driven recruiting google analytics
Über ein Analytics-Tool lassen sich die wichtigsten Zahlen und Daten für den Recruiting Prozess messen. © Justin Morgan / Unsplash

Warum Recruiting-Kennzahlen erheben?

In Zeiten des Fachkräftemangels sollten Recruiter:innen durch Daten und Fakten sicherstellen können, dass sie ihre Ressourcen bestmöglich einsetzen. Das führt zum einen zu einer besseren Budget-Kontrolle und zum anderen zur bestmöglichen Einteilung der internen Kapazitäten.

Hierfür ist es wichtig, die Informationen aus Tracking und Analyse fürs Data Driven Recruiting erfolgreich zu nutzen und die relevantesten Kennzahlen zu erheben. Diese müssen anschließend ausgewertet werden, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen abzuleiten. Das Recruiting wird transparenter und effizienter.

Stellen können schneller besetzt und Stakeholder mit Zahlen überzeugt werden. Wäre es nicht super, wenn du deinen Stakeholdern präzise Schätzungen über die Einstellungsdauer geben und voraussagen könntest, auf welchem Weg du sie am ehesten und schnellsten erreichst? Aber welche Zahlen sind dafür wichtig?

Die wichtigsten KPIs: Grundlagen des Data Driven Recruitings

Impressions und Klicks:

Die Impressions geben an, wie viele potenzielle Kandidat:innen die Anzeige für die Stellenausschreibung gesehen haben. Das ist nett zu wissen. Richtig interessant wird es allerdings erst, wenn wir wissen, wie viele von diesen Kandidat:innen auch wirklich auf die Anzeige geklickt haben.

Conversion-Rate:

Die Conversion Rate ist eine Kennzahl, um die Performance der Stellenanzeigen zu kontrollieren und so ihren Erfolg zu messen. In unserem Fall gibt die Conversion-Rate also an, wie viele dieser Klicks auch zu einer Bewerbung geführt haben. Gleichzeitig kann je nach Datenlage genauer analysiert werden, ob das Employer Branding stimmt, ob die Stellenanzeigen attraktiv sind oder ob die Candidate Journey des gesamten Bewerbungsprozesses geräteübergreifend nutzerfreundlich gestaltet ist.

Cost-Per-Click (CPC) und Cost-Per-Application (CPA):

Cost-Per-Click gibt die Kosten für die performancebasierte Anzeigenschaltung an.
Mit einem Klick auf die Anzeige gelangen Besucher:innen direkt zur Webseite bzw. zur Stellenanzeige. Bei laufzeitbasierter Ausspielung, wie zum Beispiel bei Jobbörsen, entstehen Kosten unabhängig vom Erfolg der Kampagne.

Aus dem klassischen Modell hat sich schnell das Performance Marketing entwickelt. Hier zahlt der Werbende nicht mehr nur dafür, dass seine Anzeige im Internet zu sehen ist (Impression), sondern gibt ausschließlich dann Geld aus, wenn eine Person auf die Anzeige klickt und auf die Webseite des Werbenden gelangt, auch Cost-per-Click (CPC) genannt. Durch diese KPIs kann man messen, wie gut eine Anzeige performt und wie teuer dir ein Klick bzw. eine Bewerbung zu stehen kommt.

Cost-Per-Application verrät dir die durchschnittlichen Kosten einer Bewerbung.

Anzahl Bewerbungen nach Quellen:

Um dein Recruiting zu optimieren und das Budget richtig einzusetzen, musst du wissen, aus welchen Quellen die Webseiten-Besucher:innen stammen. Woher kommt deine Reichweite, welche Recruiting-Maßnahme performt am besten? Über ein Analytics-Tool oder ein entsprechendes Bewerbermanagementsystem lässt sich die Anzahl eingehender Bewerbungen durch die verschiedenen Kanäle anzeigen.

Time-To-Hire:

Dauer bis zur tatsächlichen erfolgreichen Besetzung einer offenen Position. Wie lange brauchst du, um eine bestimmte Stelle zu besetzen und stehst du mit deiner Time-To-Hire im Vergleich zur Konkurrenz gut da? Auch diese Zahl sollte gemessen werden.

Cost-Per-Hire:

Wie hoch sind die Kosten für die erfolgreiche Besetzung einer offenen Position? Dieser KPI zeigt die Kosten an, die pro Stellenbesetzung im Unternehmen anfallen. Diese umfassen sowohl Marketing- als auch Personalkosten. Mit dem Cost-Per-Hire wird das Verhältnis zwischen finanziellen Investitionen, die bei der Einstellung von Kandidat:innen anfallen, und für die zu besetzenden Stellen errechnet.

Wer einen richtigen Zahlen-Deep-Dive machen möchte, sollte sich unsere Artikel „Grundlagen des Recruitings“ mit dem Schwerpunkt Kennzahlen bei Google Analytics anschauen.

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Automatisiertes Data Driven Recruiting

Ab einer gewissen Anzahl an offenen Positionen hat niemand die Kapazitäten geschweige denn Lust, Daten händisch zu sammeln, auszuwerten und die Prozesse dementsprechend anzupassen. Daher meinen viele, wenn sie von Data Driven Recruiting sprechen, Recruiting-Automatisierung. Dabei werden alle Daten systematisch und automatisiert erfasst, analysiert und in die Gestaltung der Recruiting-Prozesse eingebunden.
Welche Tools du für die datengesteuerte Personalbeschaffung einsetzen kannst, hängt vor allem von der Größe deines Unternehmens und dem jährlichen Personalbedarf ab.

Große Unternehmen entscheiden sich in vielen Fällen für mehrere HR-Systeme, Datenbanken und zusätzliche Multiposting-Anbieter. Das kann natürlich dazu führen, viele einzelne Datensilos zu haben und leicht den Überblick über den Erfolg und die Kosten zu verlieren. Zeit- und kostensparendere Tools vereinen die verschiedenen Einsatzbereiche des Data Driven Recruitings. Hierzu zählt zum Beispiel bereits das Finden und Nutzen der richtigen Jobtitel.

Was kann ich mit all den Daten außerdem herausfinden?

Den richtigen Stellentitel finden

Damit offene Positionen im Internet gefunden werden und eine hohe Reichweite erzielen, müssen das Suchvolumen und die Popularität stimmen. Hierfür solltest du die richtigen Keywords und das Suchvolumen deiner Keywords kennen. Die Bewertungskriterien, die für den Erfolg und die Auffindbarkeit von Stellentiteln maßgeblich entscheidend sind, können händisch nur mit großem Aufwand regelmäßig kontrolliert und angewandt werden. Mit Hilfe eines Algorithmus ist es allerdings möglich, das Suchvolumen und die Popularität jedes einzelnen Stellentitels festzustellen und die Struktur des Titels zu bewerten.

Durch die Automatisierung, zum Beispiel durch Tools wie den Jobspreader, ist eine punktuelle Analyse beliebig vieler Titel möglich. So kann zum Beispiel die Qualität von Stellentiteln insbesondere für Mangelprofile genauer untersucht werden, um diese anschließend als zusätzlichen Performance-Indikator zu nutzen. Der Jobspreader bietet dafür als Feature zum Beispiel  den Jobtitel Quality Index an. Dieser prüft automatisiert die Qualität deiner Stellenanzeigen, gibt genaue Anweisungen zur Verbesserung und zeigt somit deutlich, wo Jobtitel ihr volles Potenzial bisher nicht ausschöpfen konnten.

Marktdaten analysieren und den Arbeitsmarkt verstehen

Die am deutschen Arbeitsmarkt herrschenden Spannungen und Fachkräfteengpässe sind die Kehrseite des Arbeitsmarkt-Booms. Um einen realistischen Blick auf Einstellungsdauer und -kosten zu bekommen, lohnt sich ein Blick auf das Marktpotenzial, also etwa wie viele Arbeitssuchende für bestimmte Positionen überhaupt zur Verfügung stehen. Basierend auf diesen Informationen kann die weitere Strategie gewählt werden: Personalmarketing, Sourcing oder Headhunting? Mit Hilfe des Jobspreaders bekommt man einen Überblick über all seine ausgeschriebenen Positonen: Wie viele Mangelprofile gibt es in meinem Unternehmen und welche Stellen brauchen besondere Aufmerksamkeit? Jede einzelne Stellenausschreibung wird analysiert und ins Verhältnis gesetzt. Über eine Wettbewerbsanalyse ist es sogar möglich, ähnliche offene Positionen auf dem Markt angezeigt zu bekommen.

Mit Blick auf diese Daten können Vakanzzeit-Entwicklungen besser im Blick behalten werden. Bei überdurchschnittlich langer Ausschreibungsdauer sollten Recruiting-Methoden und -Prozesse hinterfragt werden.

Stellen ausschreiben und Reichweite optimieren

Kaum ein Unternehmen rekrutiert heute effizient genug, um Stellen erfolgreich in einem angemessenen Zeitrahmen zu besetzen. Das Schalten von Stellenanzeigen auf Jobbörsen ist immer noch eine beliebte Vorgehensweise bei der Akquise von Kandidat:innen. Meist wird hier allerdings unabhängig von den erzielten Ergebnissen ein Pauschalpreis für einen klar definierten Zeitraum (z.B. 30 Tage oder drei Monate) gezahlt, der nach Ablauf manuell verlängert werden muss. Insbesondere bei einer hohen Anzahl an offenen Positionen macht diese Art des Recruitings nicht immer Sinn. Denn: Zahlen, Daten und Fakten sind ergiebiger als das bloße Bauchgefühl. Hier kommt wieder Data Driven Recruiting ins Spiel, welches sich am besten mit Software umsetzen lässt.

Data Driven Recruiting: Nicht so kompliziert, wie viele glauben

Es geht nicht immer um Big Data und auch nicht um Robot Recruiting oder irgendwelche anderen Trends. Data Driven Recruiting meint in erster Linie das Messen und Analysieren des gesamten Recruiting-Prozesses mit Hilfe von Daten. Hier sollte sich jedes Unternehmen erst einmal selbst hinterfragen und sicherstellen, dass die Basics stimmen.

Den darauf folgenden Messungen sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Jedoch sollten sich Personalverantwortliche und Recruiter:innen hier nicht verunsichern lassen. Wenn du jeden Monat eine hohe Anzahl an Stellen zu besetzen hast und Unterstützung bei der Messung und Nutzung all der Daten benötigst, vereinbare doch einfach eine kostenlose Demo und lass dir erklären, was der Jobspreader alles für dich tun kann.

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Mitarbeiterbenefits-Studie 2022: Diese Benefits werden im Recruiting wichtiger

Wie lassen sich Mitarbeiter:innen belohnen und an ein Unternehmen binden, welche Mitarbeiterbenefits nutzen Unternehmen hierzulande? Mit dieser Frage setzt sich seit 2015 die Belohnungsstudie von BONAGO auseinander, die gemeinsam mit der Hochschule Fresenius entwickelt und in diesem Jahr von uns unterstützt wurde. Gut 1.690 Personalverantwortliche und Geschäftsführer:innen in Deutschland gaben für die aktuelle Ausgabe zwischen November 2021 und März 2022 Antwort auf Fragen rund um ihre Benefit-Strategien.

Insgesamt 62 Prozent der Befragten finden demnach Zusatzleistungen zum Gehalt sinnvoll – 2017 waren es noch zehn Prozentpunkte weniger. Im Mittelpunkt stehen dabei Mitarbeiterbindung und -motivation.

Ziele von Mitarbeiterbenefits Umfrage
Quelle: Bonago Belohnungsstudie 2022

 

Benefits als Bestandteil von Employer Branding

Immer wichtiger werden Benefits aber auch als Bestandteil von Employer Branding und Recruiting. Ersteres nahm im Gegensatz zum Vorjahr um neun Prozent zu, die Mitarbeitergewinnung stieg gar um 28 Prozent. In Anbetracht von Fachkräftemangel und einem War for Talents in vielen Bereichen gewinnt das Thema an Bedeutung, denn Unternehmen müssen sich im Konkurrenzkampf um Beschäftigte von anderen Arbeitgebern abheben.

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Allerdings tun sich die Unternehmen noch schwer, die gewährten Benefits auch als Recruiting-Instrument zu nutzen. So gibt nicht einmal jede:r Zweite an, die Benefits über die Karriereseite zu kommunizieren. In Stellenanzeigen platzieren 58 Prozent der Befragten die gewährten Vorteile. So wird Potenzial verschenkt, mögliche Bewerber:innen vom Unternehmen zu überzeugen. Fünf Prozent der Unternehmen kommunizieren ihre Vorteile schlicht gar nicht, wie die Grafik zeigt.

 

Kommunikation von Mitarbeiterbenefits Umfrage
Quelle: Bonago Belohnungsstudie 2022

Bei den Anlässen, zu denen Unternehmen die Zusatzleistungen gewähren, handelt es sich oftmals um betriebliche oder persönliche: Das Mitarbeiterjubiläum liegt dabei auf Rang 1, gefolgt von der Geburt eines Kindes und der Hochzeit. Auf dem vierten Rang liegt wie im vergangenen Jahr die Zielerreichung. Zuwachs verbuchen konnten Programme, in denen Mitarbeiter:innen neue Mitarbeiter:innen werben.

Ebenfalls verändert haben sich einige Einzelmaßnahmen innerhalb der Benefit-Strategien. Durch die Coronapandemie ist das Homeoffice vom Benefit fast zur Normalität geworden, gleichzeitig hat das Dienstauto an Beliebtheit verloren, während Dienstfahrräder gefragter sind.

Budget für Mitarbeiterbenefits steigt

Insgesamt werden Benefits für Mitarbeiter:innen beliebter. So stieg der investierte Wert in den vergangenen Jahren kontinuierlich, wie aus der Mitarbeiterbenefits-Studie hervorgeht. Wurden 2018 im Schnitt 76 Euro pro Monat und Mitarbeiter:in investiert, waren es im vergangenen Jahr bereits 93 Euro.

 

Investition in Benefits pro Mitarbeiter und Monat
Quelle: Bonago Belohnungsstudie 2022

Dabei sollten Unternehmen ihr Augenmerk auf individuelle Angebote legen. Wer gerade ins Berufsleben einsteigt, findet andere Benefits spannender als jemand, der oder die nur noch wenige Jahre arbeiten muss. Und nachfolgende Generationen legen insgesamt mehr Wert auf persönliche Freiheit, was Ort und Zeit der Arbeit angeht als etwa Prämien zum Jubiläum. Unternehmen können mit Benefits punkten, wenn sie wissen wie.

Persönlichkeitstests im Recruiting: Die Vermessung des Charakters

Persönlichkeitstests in der Personalauswahl versprechen als eignungsdiagnostisches Verfahren, Licht ins Dunkel zu bringen, was für einen Menschen Recruiter:innen im Bewerbungsverfahren vor sich haben. Denn Bewerber:innen bringen auf dem Papier oft eine Menge mit: Abschluss, Berufserfahrung, Arbeitsproben – ob es letztendlich passt, entscheidet aber auch der Charakter.  Aber wie genau funktionieren die Tests? Welche gibt es und vor allem: Lassen sich Menschen überhaupt vermessen?

In vielen Ländern sind Persönlichkeitstests zur Personalauswahl gang und gäbe. Hierzulande tut man sich da noch schwerer. Und das zum Teil zurecht, denn viele Verfahren genügen den wissenschaftlichen Kriterien nicht, sind also nicht ausreichend objektiv, reliabel und valide. Aber was heißt das?

1. Was macht einen Persönlichkeitstest fundiert?

2. Unterschiedliche Ansätze bei Persönlichkeitstests: Typologisch oder dimensional

3. Das bessere Horoskop: Typenbasierte Persönlichkeitstests profitieren vom Barnum-Effekt

4. Die beliebtesten Persönlichkeitstests

5. Wunsch und Wirklichkeit von Persönlichkeitstest: Die Research-Practice-Gap

6. Soziale Erwünschtheit und Manipulation von Persönlichkeitstests

7. Fazit: Persönlichkeitstests können eine Orientierung sein, sind aber mit Vorsicht zu genießen

Was macht einen Persönlichkeitstest fundiert?

Grundsätzlich fallen Persönlichkeitstests in die psychologischen Testverfahren und müssen damit wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Das bedeutet, dass ein Test objektiv sein muss, das Ergebnis ist also nicht durch die Durchführenden beeinflusst und auch andere Forscher:innen würden zu dem Schluss kommen. Reliabel ist ein Test, wenn er bei wiederholter Durchführung zuverlässige Ergebnisse liefert und valide, wenn er wirklich das misst, was er messen soll. Im Rahmen von Bewerbungsverfahren wurde für Persönlichkeitstests im deutschsprachigen Raum die DIN-Norm 33430 eingeführt, die auf die Initiative des Berufsverbandes deutscher Psychologinnen und Psychologen zurückgeht. Diese regelt, welche Anforderungen berufsbezogene Eignungsdiagnostik erfüllen muss, worunter auch Persönlichkeitstest fallen. So soll garantiert werden, dass angebotene Tests qualitätsgesichert, transparent und vergleichbar angewendet werden können. Viele verbreitete Tests genügen den DIN-Kriterien nicht, werden aber trotzdem eingesetzt, wozu wir später noch kommen.

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Unterschiedliche Ansätze bei Persönlichkeitstests: Typologisch oder dimensional

Grundsätzlich kann man bei Persönlichkeitstests zwei Ansätze unterscheiden: den typologischen und den dimensionalen. Beim typologischen werden Menschen in relativ wenige feste Kategorien, also in unterschiedliche Persönlichkeitstypen eingeordnet, etwa emotional oder rational, introvertiert oder extrovertiert.

Beim dimensionalen Modell werden die Eigenschaften von Menschen in Skalen gemessen und umfassen mehr Kategorien, sodass sich deutlich mehr Ergebnis-Möglichkeiten ergeben. Sie sind meist empirisch entwickelt und fußen nicht auf einer speziellen Persönlichkeitstheorie, wie es die typologischen Tests in der Regel tun.

Die meisten typologischen Tests basieren ursprünglich auf den Arbeiten des Freud-Schülers Carl Gustav Jung oder des Psychologen William Moulton Marston – beide entwickelten ihre Modelle in den 1920er-Jahren. Diese Art von Test ist einfach und auch für Laien verständlich, aber eben auch ungenau, veraltet und wissenschaftlich oft nicht ausreichend belegt. Trotzdem erfreuen sich typenbasierte Persönlichkeitstests großer Beliebtheit, weil sie eine direkte Einordnung der Ergebnisse geben und sich gemessen an der Bekanntheit der Tests, offenbar viele Menschen darin wiederfinden.

Das bessere Horoskop: Typenbasierte Persönlichkeitstests profitieren vom Barnum-Effekt

Das hängt mit verschiedenen psychologischen Effekten zusammen. Zum einen spielt die selektive Wahrnehmung eine Rolle: Man sieht, was man sehen will. Stimmen in einem Text oder in Aussagen bestimmte Punkte mit der eigenen Sicht auf die Persönlichkeit überein, werden diese besonders wahrgenommen. Das, was nicht zutrifft wird mehr oder weniger überlesen. Ein weiterer Effekt ist der Bestätigungsfehler. Das heißt, wir interpretieren Informationen so, dass sie zur eigenen Sicht passen.

Beide Effekte spielen eine Rolle beim so genannten Barnum-Effekt. Den kennt man auch von Horoskopen: Die Aussagen sind so vage und allgemein verfasst, dass für jede:n was dabei ist.  Der Barnum- bzw. Forer-Effekt besagt, dass wir solche Aussagen über uns selbst glauben, weil wir sie so interpretieren, dass sie genau auf uns zugeschnitten scheinen. Wie beim Horoskop sind diese aber einfach nur so allgemein verfasst, dass sie auf nahezu jeden passen. Wir täuschen uns also selbst, weil wir daran glauben wollen, was ein Persönlichkeitstest über uns sagt.

Die beliebtesten Persönlichkeitstests

Eine Studie der Uni Bochum aus dem Jahr 2015 kommt zu dem Schluss, dass Persönlichkeitstests vor allem zur Selbstexploration von Mitarbeiter:innen zum Einsatz kommen. Werden sie im Bewerbungsverfahren genutzt, dann meist im Rahmen von Assessment Centern. Insgesamt 80 von 120 befragten Unternehmen gaben an, Tests zu nutzen.

In Unternehmen eingesetzte Persönlichkeitstests aus einer Umfrage der Uni Bochum
Quelle: Forschungsbericht der Ruhr-Universität Bochum (Dr. R. Hossiep)

Einer Dissertation an der Uni Saarland zufolge, setzen 15 Prozent von 166 befragten Unternehmen Persönlichkeitstests im Bewerbungsprozess ein.

In Unternehmen eingesetzte Persönlichkeitstests aus einer Dissertation der Uni Saarland
Quelle: Dissertation Janina Diekmann, Uni Saarland

Wie die Grafiken zeigen, kommen laut beiden Studien zufolge verschiedene Verfahren zum Einsatz, wir werfen einen Blick auf die meist genutzten:

Big Five

Bei den Big Five oder dem OCEAN-Modell geht es um fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit: Offenheit, Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Das Modell ist wissenschaftlich gut erforscht, anerkannt und weit verbreitet. Es gehört zu den dimensionalen Modellen und ordnet Menschen dementsprechend keinen Typen zu, sondern ermittelt, wie stark oder schwach sich der oder die Getestete in den genannten Dimensionen von der Normstichprobe unterscheidet. Die Entwicklung des Modells begann in den 1930er-Jahren, es gilt als Standardmodell in der Psychologie und wird als Grundlage vieler Tests verwendet.

BIP, BIP-6F

BIP steht für Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung und ist damit einer der wenigen Tests, der sich bereits im Namen auf den Anwendungsbereich, nämlich die berufliche Persönlichkeit, bezieht. Er misst die sechs Faktoren Engagement, Disziplin, Sozialkompetenz, Kooperation, Dominanz und Stabilität und gehört zu den dimensionalen Tests. Die erste Fassung stammt aus den 1990er-Jahren und wurde immer wieder aktualisiert. Entwickelt wurde er an der Bochumer Ruhr-Universität, von der auch die weiter oben genannte Erhebung stammt.

16PF

Bei dem 16 Personality Factor Questionnaire handelt es sich ebenfalls um einen dimensional angelegten Persönlichkeitstest, der seit mehreren Jahrzehnten entwickelt wird. Er geht zurück auf die empirische Forschung des Psychologen Raymond B. Catell und misst 16 Faktoren der Persönlichkeit, die sich wiederum in das Big-Five-Modell einordnen lassen.

MBTI

MBTI steht für Myers-Briggs-Typenindikator und fällt unter die typologischen Tests. Entwickelt wurde das Verfahren in den 1940er Jahren von Isabel Myers und Katherine Cook Briggs auf Basis der psychologischen Typenlehre von Carl Gustav Jung. Die Erfinderinnen sind Mutter und Tochter und verfügen über keine klassische psychologische Bildung, trotzdem setzte sich der Test weltweit durch und kommt bis heute zum Einsatz. Er unterschiedet zwischen vier Persönlichkeitsdimensionen (Extraversion oder Introversion, Sensing oder Intuition, Thinking oder Feeling, Judging oder Perceiving). Aus den jeweiligen Anfangsbuchstaben setzen sich dann die 16 möglichen Persönlichkeitstypen zusammen (z.B. ENFP, INFJ usw.). Das Verfahren ist umstritten, in einem offiziellen Gutachten des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen zu einem ähnlich funktionierenden Test wird die Lehre Jungs als “antiquiertes Modell ohne empirische Belege” zitiert.

DISG

DISG ist ein Akronym und steht für ein Testverfahren, das auf den vier Dimensionen Dominanz, Initiative, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit beruht. Je nach dem wie Teilnehmer:innen die Fragen beantworten, erhalten sie einen Wert in den vier Kategorien, aus denen sich wiederum ein Persönlichkeitstyp ergibt. Das Verfahren stammt aus den 1920er-Jahren und geht zurück auf den Psychologen William Moulton Marston. Im bereits genannten Gutachten wird die auf ihn zurückgehende Persönlichkeitseinordnung als “typologischer Ansatz ohne empirische Forschung” zitiert.

Wunsch und Wirklichkeit von Persönlichkeitstest: Die Research-Practice-Gap

Die Studien zeigen, dass in der Praxis oft Persönlichkeitstests zum Einsatz kommen, die aus wissenschaftlicher Sicht im Grunde nicht haltbar sind. Trotzdem sind sie beliebt, weil sie eindeutig und einfach sind, weil sich viele Menschen darin wiederfinden und von jedem oder jeder durchgeführt werden können. Aus diesem Zwiespalt ergibt sich die Research-Practise-Gap: Die Wissenschaft sagt so, die Praxis macht das Gegenteil. Hier gilt es für Unternehmen, das richtige Instrument zu finden, welches die richtigen Kriterien abfragt, aber auch von wissenschaftlichen Laien gut einsetzbar ist. Im Zweifel bedeutet das das Aus für den Persönlichkeitstests, dafür aber den Einsatz eines anderen eignungsdiagnostischen Instruments, etwa eines Intelligenztests.

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Soziale Erwünschtheit und Manipulation von Persönlichkeitstests

Im Internet finden sich auch Tipps, wie man die Tests „richtig“ ausfüllen kann. Wie man also der möglichst richtige Charakter wird: wettbewerbsorientiert, aber teamfähig. Ehrgeizig, aber sympathisch. Aber wie sinnvoll ist das, wenn sich Mitarbeitende am Ende wohlfühlen wollen in einem Unternehmen und einem Job, der zu ihnen passt?

Trotzdem gibt es natürlich Tipps für Persönlichkeitstests, etwa wenn diese im Assessment Center zum Einsatz kommen und viele Antworten lassen sich mit etwas gesundem Menschenverstand natürlich ohnehin herleiten. Wer sich für einen Job im Sales-Bereich bewirbt, sollte wohl eher nicht angeben, ein Problem damit zu haben, auf Menschen zuzugehen (und ist dann eventuell ohnehin falsch in dem Beruf). Wer künftig Führungskraft sein möchte, sollte keine Antworten ankreuzen, die darauf schließen lassen, dass er oder sie keine Verantwortung übernehmen will (und sich fragen, ob die Beförderung wirklich der richtige Schritt ist).

Aber: Die Arbeitswelt ist im Wandel, stereotype Persönlichkeiten und Lebensläufe weniger gefragt. Insofern lautet der beste Tipp im Umgang mit Persönlichkeitstests: Ehrlichkeit. Wer es nicht ist, wird vermutlich nicht am richtigen Ort landen. Und für Unternehmen: Bleibt offen für verschiedene Persönlichkeiten, auch wenn diese nicht der stereotypen Vorstellung der Stellenanzeige entsprechen.

Fazit: Persönlichkeitstests können eine Orientierung sein, sind aber mit Vorsicht zu genießen

Persönlichkeitstests können im Personalbereich ein Instrument sein, um Menschen in den relativ kurzen Zeiträumen, die zur Verfügung stehen, besser kennenzulernen und einzuschätzen. Aber sie sollten eben nur ein Teil des Verfahrens sein. Dabei ist wichtig, dass sie möglichst speziell auf berufliche Eigenschaften zugeschnitten und wissenschaftlich fundiert sind und die Eigenschaften abfragen, auf die es einem wirklich ankommt, auch um die Privatsphäre von Bewerber:innen zu schützen. Dabei ist aus wissenschaftlicher Sicht die Darstellung in Dimensionen der Einordnung in vereinfachte Persönlichkeitstypen vorzuziehen (auch wenn die Eindeutigkeit verlockend ist). Insgesamt gilt es zu prüfen: Wer hat den Test entwickelt, wie wird er durchgeführt, wie wissenschaftlich fundiert ist er und was ist am Ende die Erkenntnis für die zu besetzende Stelle? Geht es um die Selbstexploration von Mitarbeiter:innen und hängen von den Tests keine eindeutigen Entscheidungen ab, können Typentests auch interessant sein. Aber eben immer mit dem Wissen um die weiter oben genannten psychologischen Effekte im Hinterkopf.