Erfolgreiches Recruiting mit TikTok: Die Polizei NRW im Interview

Ohne Sichtbarkeit von Stellenanzeigen keine Aufmerksamkeit. Ohne Aufmerksamkeit keine Bewerber. Ohne Bewerber keine besetzten Stellen. Wer erfolgreich online rekrutieren möchte, muss in erster Linie im Internet sichtbar sein und sollte auf einen effizienten Personalmarketing-Mix setzen.

Um Passiv-Wechselwillige zu erreichen, bietet sich für einige Unternehmen auch Social Media Recruiting an. Das am meisten gehypte Netzwerk ist aktuell TikTok. In unserem aktuellen Whitepaper stellen wir Dir die Funktionen vor, wie Du sie am besten für Dich nutzen kannst und was Du für erfolgreiches Online-Recruiting mit TikTok beachten solltest.

Die Polizei NRW nutzt TikTok bereits erfolgreich als Employer Branding und Recruiting Tool. Julian Kösters, Polizeihauptkommissar und Projektverantwortlicher für Social Media, Bewegtbild und Podcasts, stand uns im Interview Rede und Antwort und erklärt uns, wie der Kanal sinnvoll für die Nachwuchsgewinnung eingesetzt werden kann.

Julian Kösters

1. Ihr nutzt TikTok aktuell als Employer Branding Tool. Warum habt Ihr Euch für diesen Kanal entschieden?

Zwar liegen Employer-Branding und Recruiting oft nah beieinander, aber der Schwerpunkt bei dem Profil und der Idee liegt klar im Recruiting-Bereich. Wenn man sich die in den letzten Jahren gestiegene Relevanz von TikTok bei der Zielgruppe anschaut, kommt man für die Nachwuchsgewinnung streng genommen nicht mehr an der Plattform vorbei und darauf stellen wir uns selbstverständlich ein. Zusätzlich wollten wir gerade auch mit Blick auf die Pandemie mit unseren Botschaften, Verhaltensregeln und Motivationen noch mehr Menschen erreichen.

Und insbesondere die Zielgruppe der Jugendlichen spielte hierbei eine große Rolle, da bot sich TikTok zwangsläufig an. Personalwerbung ändert sich fortlaufend: Was gestern funktioniert hat, kann morgen bereits veraltet sein. Es geht dabei nicht um „Hauptsache dabei“ oder „wir nehmen alles mit“, sondern vielmehr um die Beantwortung der Frage: Wo können wir uns als Polizei NRW gezielt vorstellen und sowohl seriös als auch angemessen Aufmerksamkeit schaffen und das auch noch mit einer höchstmöglichen Schnittmenge von Zielgruppe und passendem Medium?

TikTok Recruiting Zitat: Zielgruppe

Durch den vielfältigen Werbemix begleiten wir somit den potenziellen Bewerbenden auf lange Zeit, bis er sich im Optimalfall bei uns bewirbt. Wer im professionellen Recruiting erfolgreich sein will, muss sich regelmäßig konzeptionell weiterentwickeln. Das gilt natürlich auch für uns. Die Polizei oder allgemein Unternehmen bei TikTok waren zu Beginn neu, anders und somit interessant für die überwiegend junge Community. Das hat sich auch bei dem rasanten Anstieg der Followerzahlen insbesondere am Anfang gezeigt.

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2. Habt Ihr auch bereits über TikTok Recruiting Videos verbreitet? Konntet Ihr mit TikTok bereits messbare (Recruiting-)Erfolge erzielen?

Der Großteil der veröffentlichten Videos hat die Zielrichtung der Nachwuchsgewinnung. Wir differenzieren da nicht fortwährend, welches Video mehr dem Employer Branding, der Aufklärung oder dem Recruiting entspricht, da unser Ziel immer der Nachwuchsgewinnung gilt.

Eine Zahl, die uns einen konkreten Hinweis auf Bewerbungen allein aufgrund unseres TikTok-Kanals gibt, existiert so nicht. Wir verstehen TikTok als eine von vielen Werbemaßnahmen innerhalb unserer gesamten Werbekonzeption. Dennoch lässt sich ja anhand der Insights von TikTok erkennen, dass die Videos gut angenommen und viel angeschaut werden. Das freut uns.

3. Welche Vorteile hat TikTok gegenüber anderen Plattformen wie Facebook oder Twitter?

Zunächst ist es vorteilhaft, dass der Kanal (noch) nicht so viel von Unternehmen frequentiert wird und wir als Polizei NRW noch eine Art “Alleinstellungsmerkmal” innehaben. Alles, was wir dort in Uniform präsentieren, gab es in der Regel noch nicht. Ausgewählte Trends lassen sich so in einer anderen, neuen Perspektive präsentieren.

Recruiting mit TikTok Zitat: Wenig frequentiert

Zum anderen kann ein TikTok-Kanal mit verhältnismäßig geringem Aufwand mit Content gepflegt werden. TikTok selbst gibt Video- und Hashtag-Trends vor und verhilft dem Profilinhaber so mehr Reichweite zu erhalten.
Es ist darüber hinaus ein sehr schnelllebiges Medium, was exakt die Bedürfnisse der Zielgruppe wiederspiegelt.

4. Wie stellt Ihr sicher, dass Ihr die richtige Zielgruppe erreicht?

Dieses Ziel versuchen wir gemeinsam mit unseren Agenturen an unserer Seite und den gesammelten Erfahrungen über alle Kanäle, digital wie analog, zu erreichen. Eine 100%ige Sicherstellung dafür gibt es nie, aber wir wissen ja anhand von Analysen, Insights und Statistiken, wo sich unsere Primärzielgruppe aufhält. Und dort versuchen wir dann natürlich auch stattzufinden.

Authentizität ist uns sehr wichtig und unverzichtbar! Unser Handeln muss natürlich immer uneingeschränkt zu unseren Werten bei der Polizei NRW passen. Ansonsten macht man sich ohnehin nicht nur unglaubwürdig, wir würden ein falsches Bild vermitteln.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich unsere fortentwickelten Werbekonzeptionen erfreulicherweise Jahr für Jahr aufs Neue bewähren. Die positiven Bewerbungszahlen der letzten Jahre bestätigen uns das.

5. Für welche Unternehmen ist TikTok Eurer Meinung nach interessant?

Im Prinzip für alle Unternehmen, die Recruitment, Employer Branding oder aber auch einfaches Product-Selling betreiben möchten. Die Frage ist vielmehr, wie kann ich das Unternehmen dort darstellen und schaffe ich es dort den “Nerv” des Kanals zu treffen. Durch TikTok hat man das Potenzial, sehr schnell sehr bekannt zu werden. Gefühlt sind bei TikTok die Reichweiten und Interaktionen weitaus größer, als in anderen Netzwerken wie Facebook und Instagram, bei denen der jeweilige Algorithmus möglicherweise mehr Einfluss zu nehmen scheint, aber das lässt sich von außen schwer einschätzen.

Recruiting mit TikTok Zitat: Potenzial

Hinzu kommt der Vorteil, dass man aus TikTok heraus schneller die Inhalte direkt als Video auf WhatsApp o.a. Messenger Diensten teilen kann. Das führt zu einer noch größeren Reichweite und macht es auch so attraktiv.

6. Habt Ihr Tipps für die Erstellung von TikTok-Content? Was gilt es definitiv zu beachten?

Es ist unerlässlich, sich im TikTok Universum auszukennen. Insbesondere, wenn man völlig unbedarft ist, sollte man sich 1-2 Monate mit der App beschäftigen. Wie funktioniert das? Wie ist die Sprache? Die Stimmung, das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer, alles spielt für das Aufbauen eines eigenen Kanals eine wichtige Rolle.

Dazu gehört es auch die Trends einigermaßen zu kennen und für sich zu nutzen. Was passt zu meinem Unternehmen? Wobei kann ich ggf. mitmachen und dadurch Reichweite generieren?
Ein weiterer Punkt wäre die Betreuung der Community. Interaktion ist nicht nur gewünscht, sondern wird erwartet.

Nach unseren Erfahrungen sollte man mit Blick auf das eigene Unternehmen die Mitarbeiterschaft unbedingt informatorisch “mitnehmen”. Eine fehlende interne Kommunikation kann zu Irritationen führen, die durch eine begleitende Aufklärung frühzeitig vermieden werden kann. Diese Vorgehensweise hat sich ebenso bei uns bewährt.

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Nur schlechtes Image? 3 Gründe, warum es in Versicherungen und Finanzen an Bewerbungen mangelt

Nüchterne Zahlen, windige Geschäftsmodelle, lange Bürotage in Verwaltungsgebäuden und spießige Kleidung – die Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche hat bei vielen nicht den besten Ruf.

Und das macht sich bemerkbar auf dem Arbeitsmarkt: Im Jahr 2020 waren bei der Bundesagentur für Arbeit mehr als 11.000 unbesetzte Stellen gemeldet, gleichzeitig waren knapp 27.000 Beschäftigte arbeitslos, macht eine Arbeitslosen-Stellen-Relation von 2,37. In diesem Jahr verschärfte sich die Situation sogar noch einmal, sodass die Zahl im Mai bei nur noch 1,55 lag. Wo liegen die Schwierigkeiten der Branche?

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1. DIE BRANCHE HAT EIN SCHLECHTES IMAGE

In der Bevölkerung genießen Berufsbilder aus dem Bereich kein gutes Ansehen, wie aus einer jährlichen Umfrage des dbb Beamtenbundes hervorgeht. Vor allem Versicherungsvertreter:innen haben einen schlechten Stand und landen im Ranking von 2021 im Ansehen der Befragten mit nur acht Prozent auf dem letzten Rang.

Bewerbermangel Finanzbranche: Infografik - Berufe und ihr Ansehen

Bankangestellte kommen lediglich auf 23 Prozent, Steuerberater:innen landen bei 36 Prozent. Zum Vergleich: Die am besten angesehenen Berufsgruppen sind Feuerwehrleute mit 93 Prozent und Ärzte und Ärztinnen mit 87 Prozent.

Zudem hat das Ansehen des Finanzsektors durch die Finanzkrise im Jahr 2008 gelitten, was sich bis heute im Vertrauen der Bevölkerung in die Branche niederschlägt. Das Edelman Trust Barometer untersucht jährlich, wie groß das Vertrauen der Menschen weltweit in verschiedene Industriesektoren ist. Die Finanzdienstleistungen schneiden am schlechtesten ab, wie die Grafik zeigt.

Finanzen und Versicherungen - Infografik zum Vertrauen in die Branche

Hinzu kommen auch jüngste Entwicklungen im digitalen Bankenbereich, etwa rund um Finanzdienstleister Wirecard, die für den Ruf der Branche und das entgegengebrachte Vertrauen nicht förderlich sein dürften.

2. DER BRANCHE RENNT DER NACHWUCHS WEG

Der Branche fehlt der Nachwuchs: Der Anteil der unter 25-Jährigen ist in der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche geringer als im gesamten Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu 2016 hat er sich sogar noch einmal verringert (-0,5 Prozentpunkte), während er im gesamten Arbeitsmarkt stabil geblieben ist. Auch der Anteil der 25- bis unter 35-Jährigen fällt geringer aus als im gesamten Arbeitsmarkt, wie die Grafik mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigt.

Versicherungen und Finanzen: Infografik - Absolvent:innen der Branche

Insgesamt fehlen vor allem Fachkräfte, also Beschäftigte mit Berufsausbildung. Doch die Zahl der Auszubildenden in der Branche ist in den vergangenen Jahren deutlich zurück gegangen, wie Daten des Bundesinstituts für Berufsausbildungen zeigen. So gab es im Jahr 2000 noch 31.000 Absolvent:innen in Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung, im Jahr 2019 waren es nur mehr knapp 18.000.

Versicherungen und Finanzen: Infografik: Immer weniger Azubis

3. DIE DIGITALISIERUNG VERÄNDERT DIE BRANCHE

Einerseits schließen immer mehr Menschen online Versicherungen ab, andererseits bietet die Digitalisierung auch neue Versicherungsmöglichkeiten im Bereich Cyberschutz. Die Tätigkeiten werden dadurch komplexer, vielen Beschäftigten fehlen aber die IT-Kenntnisse.

Dasselbe zeigt sich bei den Finanzdienstleistungen. So gab es im Jahr 2019 laut einer Studie des Ifo-Instituts hierzulande 694 FinTechs – ein Anstieg von 60 Prozent im Vergleich zum Jahr 2015. Als FinTech definiert werden in dem Zusammenhang Unternehmen, die „technologiegetriebene Finanzinnovationen verfolgen, die zu neuen Geschäftsmodellen, Anwendungen, Prozessen oder Produkten führen können, die wiederum wesentliche Auswirkungen auf Finanzmärkte und Finanzinstitute sowie die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen haben“.

Mit 147 boten die meisten der untersuchten Unternehmen Dienstleistungen rund um Zahlungsverkehr an. 59 wurden dem Bereich Versicherungen zugeordnet (InsurTechs).
Zeitgleich zu diesen Entwicklungen schließen immer mehr Banken Filialstandorte. Im Jahr 2004 gab es hierzulande noch knapp 48.000 Bankfilialen. 2019 lag die Zahl nur noch bei gut 28.000. Laut Schätzung der Unternehmensberatung Oliver Wyman wird die Zahl der Filialen in Deutschland weiter bis auf 15.800 im Jahr 2030 schrumpfen.

Versicherungen und Finanzen: Infografik - Filialsterben in Deutschland

Damit fällt den Berufen der direkte Kundenkontakt weg, was ihren trockenen Ruf verstärken könnte. Außerdem werden die Berufe dadurch digitaler, was wiederum mehr technologische Skills bei Bewerber:innen erfordert.
Diese digitalen Geschäftsmodelle sind nötig, um die Branche zu modernisieren, gleichzeitig verschärfen sie den Fachkräftemangel, denn IT-Personal wird hierzulande ebenfalls händeringend gesucht, wie unsere Branchenstudien der vergangenen Monate und unser Branchenschwerpunkt zeigen.

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WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN?

Insgesamt hängen die drei aufgezeigten Probleme in Versicherungen und Finanzdienstleistungen zusammen und bedingen sich: Ein schlechtes Image hält den Nachwuchs fern, der wiederum die dringend benötigten technischen Fähigkeiten mitbringen würde, um die Branche weiterzuentwickeln und so das angestaubte Image zu überwinden, um wiederum mehr Nachwuchs anzulocken.

Eine Umfrage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherer zeigt allerdings auch: So abgeneigt sind diese jungen Leute Jobs in Versicherungen und Co. gar nicht. So gaben acht Prozent der Befragten zwischen 18 und 30 Jahren im Februar dieses Jahres an, sich eine Versicherungskarriere vorstellen zu können, für 33 Prozent wäre es prinzipiell denkbar, aber nicht die erste Wahl – potenziell ließen sie sich also überzeugen, was die Wichtigkeit einer guten Arbeitgeberpositionierung unterstreicht.

Eine verbesserte Ansprache und Zusammenführung von Unternehmen und künftigen Azubis könnte also Abhilfe schaffen. Außerdem müssen die Ausbildungen und Studiengänge digitaler werden und so die Technologisierung der Branche abbilden.

Wo ohnehin ein Mangel herrscht, sollten interessierte Bewerber:innen außerdem nicht auch noch von einer wenig überzeugenden Unternehmenspräsentation abgeschreckt werden. Vor allem in der Versicherungs- und Finanzbranche gilt es, die richtige Mischung aus seriös und nahbar zu finden und die Vorteile der Jobs herauszustellen.

Am Ende geht es aber auch darum, den Bewerbungsprozess möglichst schlank und unkompliziert zu halten und die richtigen Kandidat:innen auf den richtigen Kanälen anzusprechen. Wie unsere aktuelle Studie zum Recruiting in Versicherungen- und Finanzdienstleitungen zeigt, klappt das aktuell eher durchwachsen.

Nur 63 Prozent der Unternehmen haben ihre Karrierewebseite gut sichtbar auf der Startseite verlinkt. 51 Prozent verfügen nicht über ein mobiloptimiertes Bewerbungsformular und das, wo im Grunde kaum noch über Desktops gesurft wird. Außerdem ist bei rund jedem dritten Unternehmen eine Bewerbung nur mit Login-Zwang möglich.