Spotify Ads: Personalmarketing mit dem beliebten Streamingdienst

Streamingdienste sind aus der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Streaming bedeutet nichts anderes, als dass Inhalte nicht heruntergeladen, sondern über eine Online-Datenbank abgerufen werden. Was Netflix für Filme und Serien ist, ist Spotify für Audioinhalte wie Musik und Podcasts. Die Werbe- und Targeting-Möglichkeiten beim schwedischen Audio-Streaminganbieter sind mittlerweile so vielseitig, dass Spotify Ads sogar für das Personalmarketing funktionieren.

Wir erklären Dir, wie Spotify Dich beim Recruiting unterstützen kann.

Vor 25 Jahren habe ich noch Kassetten in den Kassettenrekorder gesteckt und so lange gewartet, bis mein Lieblingslied im Radio lief, um es später in Dauerschleife hören zu können. Für die Jüngeren zur Erklärung: Hat man rechtzeitig auf „Aufnahme“ gedrückt, wurde der Song auf Band aufgenommen. Mit einem Walkman konnte die Kassette dann sogar von unterwegs gehört werden – locker lässig am Gürtel befestigt.

Heute begleiten uns Audioformate in jeden Winkel unseres Alltags. Egal, ob es die Musik im Auto ist, das Hörbuch beim Spazierengehen oder der Podcast beim Sport. Das Smartphone und die Streaminganbieter haben das Konsumieren von Audioinhalten revolutioniert und ermöglichen, dass wir an jedem Ort der Welt mit Mobildatennetz das hören können, was wir gerade hören möchten.

Der größte Anbieter unter den Streaming-Diensten für Audioinhalte ist Spotify. Im Jahr 2019 nutzten insgesamt 4,41 Millionen Deutsche die schwedische Streamingplattform – das sind mehr als doppelt so viele Nutzer:innen als beispielsweise bei iTunes.

Das können sich Unternehmen auch für ihr Personalmarketing zu Nutzen machen: Mit Spotify Ads oder auch Podcast-Werbung gelangen Personaler:innen direkt über die Kopfhörer in die Köpfe ihrer Zielgruppe. Wir möchten im folgenden Artikel erklären, wo die Vorteile liegen, was es für Möglichkeiten gibt und ob es sich für Dein Unternehmen lohnt, sich Spotify Advertising als Personalmarketing-Instrument genauer anzuschauen. ###promotional-banner###

1. Audio Ads

2. Podcast Ads

3. Einfache Display-Werbung

4. Overlay

5. Video Takeover

6. Sponsored Sessions

7. Branded Playlist (Sponsored Playlist)

8. Zielgruppe Spotify Ads

Spotify Ads im Personalmarketing: Diese Formate gibt es

Audio Ads

Die Spotify Audio-Ads kommen der Radiowerbung am nächsten. 55 Prozent der „Freemium“-Nutzer:innen, also diejenigen, die das Basisprodukt nutzen, hören nach drei Songs einen Werbespot. Dass immer noch ein so hoher Anteil der Hörer:innen Werbung in Kauf nehmen zeigt, dass Unterbrechungen zwischen den Songs durch die Werbe-Erfahrungen im Radio nicht als unangenehm wahrgenommen werden.

Zusätzlich zum Audioclip erscheinen eine Werbeabbildung und ein klickbarer Kampagnenname der Firma, die mit einem Link auf das Unternehmen oder direkt der Karriereseite hinterlegt werden kann. Über das Targeting können die Zielgruppe, der Standort, das Interesse und Alter eingegrenzt werden.

Sandra Schoof von der Online Marketing Agentur AdStrat GmbH, die bereits in der frühen Beta-Phase des Spotify Ad-Studios Anzeigen für verschiedene Kunden schalten konnten, betont, dass die Werbeschaltung gar nicht so kompliziert ist, wie man vielleicht denkt: Um loszulegen brauchen wir nicht viel: Einen Audio-Spot mit maximal 30 Sekunden, ein begleitendes, quadratisches JPEG und eine Ziel-URL. Dazu eine Info, welche Alterszielgruppe und welches Regionalgebiet gewünscht ist.” Das Mindesbuchungsvolumen beginnt zudem bereits bei 250 €

Podcast Ads

Podcasts sprießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden. Die Zahl der Podcasts in deutscher Sprache ist zwischen 2018 und Anfang 2020 von 2.000 auf 22.000 gestiegen und die Vermutung liegt nahe, dass die Pandemie noch weitere Podcasts hervorgebracht hat.

Bei der Podcast-Werbung werden kurze Werbeblöcke zwischengeschaltet. Ein Vorteil dieser Werbung ist, dass Du Deine Inhalte in themenspezifischen Podcast-Content einbetten kannst und somit Spotify Ads auch fürs Personalmarketing spezifizieren kannst. Im Gegensatz zu den anderen Spotify Ads, werden Podcasts Ads auch den Premium-Hörer:innen vorgespielt.

Einfache Display-Werbung

Unter einer einfachen Display-Werbung versteht man die 30-sekündige grafische Einblendung einer Display-Anzeige, wenn Spotify in der Desktop-Version im Blickfeld ist. Diese Grafik kann ebenfalls mit einem Link hinterlegt werden. Als Beispiel dient hier eine Display-Anzeige vom Technischen Hilfswerk, das gerade auf der Suche nach Bewerber:innen für den Bundesfreiwilligendienst ist.

Spotify Ads Personalmarketing Podcast
Beispielanzeige vom Technischen Hilfswerk

Overlay

Als Vollbild erscheint diese Werbeform, wenn Spotify minimiert und später erneut aufgerufen wird. Nach wenigen Sekunden wird in der Desktopversion die Vollbild-Werbung automatisch zu einer einfachen Display-Werbung (s.o.). Auf mobilen Endgeräten muss das Overlay allerdings vom User händisch minimiert werden. Das kann sich positiv auf die Wahrnehmung auswirken, weil Nutzer:innen gezwungen sind, mit dieser Werbeform zu interagieren – jedoch kann dieser „Zwang“ auch negativ wahrgenommen werden.

Spotify Ads Personalmarketing THW
Beispielanzeige des Technischen Hilfswerks

Video Takeover

Statt eines Audioclips zwischen den einzelnen Songs erscheint bei dieser Werbeform ein kurzer Videoclip. Perfekt für eine Videokampagne über das Produkt, das Unternehmen oder sogar Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

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Sponsored Sessions

In der Sponsored Session wird dem User angeboten, sich einen max. 30-sekündigen Video-Werbeclip anzuschauen, um im Gegenzug 30 Minuten Spotify ohne Werbeunterbrechung hören zu können. Nach dem Video erscheint eine klickbare Display-Ad, bevor anschließend 30 Minuten werbefreies Hörvergnügen folgen.

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Branded Playlist (Sponsored Playlist)

Für Personalmarketing-Zwecke schießt diese Art der Werbung etwas übers Ziel hinaus. Spotify bietet die Möglichkeit, durch exklusives Sponsoring beliebte Spotify-Playlists zu sponsern. Realistischer und umsetzbarer sind für das Recruiting eher eigene Playlists zu Themen Deiner Wahl. Die Kreativagentur deepblue aus Hamburg erstellte zum Beispiel eine Spotify-Playlist basierend auf den Lieblingssongs ihrer Mitarbeiter:innen. Das Motto lautet “So klingt deepblue” und zielt mit der individuellen Songauswahl darauf ab, den neuen “Song” des neuen Mitarbeitenden zu finden: “Der Musikgeschmack unserer Kollegen ist so vielfältig und einzigartig wie sie selbst. Aber irgendwas fehlt noch in der deepblue-Spotify-Playlist. Richtig: Dein Song!” Bei so einer kreativen Idee sei sogar verziehen, dass auch ein Karnevalslied auf der Liste zu finden ist.

Zielgruppe von Streamingdiensten: Die Audio-Revolution einer ganzen Generation

Das Hörverhalten und die Nutzungshäufigkeit von Musik-Streaming zeigen den Wandel des Musikkonsums: 32 Prozent der befragten Nutzer:innen geben an, den ganzen Tag durchgängig den Musikstream als Hintergrundmusik laufen zu haben.

43 Prozent nutzen das Angebot zumindest täglich. Was bisher für viele das Radio war und für die ältere Generation immer noch ist, ist für die jüngere das Streaming – diese Art des Musikkonsums ist für sie mittlerweile alternativlos.

87 Prozent der 15 bis 25-Jährigen in Deutschland streamen wöchentlich Musik. Bei den 26 bis 35-Jährigen sind es 60 Prozent und bei den 36 bis 45-Jährigen immerhin noch knapp über die Hälfte der Befragten.

Dass Spotify so beliebt bei jungen Hörer:innen ist, könnte unter anderem daran liegen, dass die Funktionen auch kostenlos zur Verfügung stehen. Weltweit nutzen nur 45 Prozent das Premium-Abo, in dem keine Werbung eingespielt wird.

Zielgruppe Spotify Ads: Für welche Berufsgruppen ist die Werbung besonders geeignet?

1. Azubis, Student:innen, Young Professionals

19,7 Prozent der Spotify-Nutzer:innen sind zwischen 14 und 19 Jahren. Schaut man sich zusätzlich die Einkommensverteilung der Nutzer:innen genauer an, fällt auf, dass Spotify-Nutzer:innen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mit 12,4 Prozent wesentlich seltener ein eigenes Einkommen haben. Bei einem Großteil dürfte es sich hierbei um Schüler:innen und Student:innen handeln, die auf ihrer beruflichen Reise noch ganz am Anfang stehen. Für Ausbildungs- oder Berufseinsteigermarketing also genau die richtige Zielgruppe.

In einem unserer letzten Artikel haben wir die einzelnen Social Media Kanäle für Recruitingmaßnahmen genauer untersucht und die Vor- und Nachteile aufgezeigt. Bei Kanälen wie Instagram oder TikTok besteht weiterhin die Gefahr, dass die jüngere Zielgruppe die Arbeitgeber nicht in „ihrer“ privaten App sehen wollen und hier auch nicht von ihnen angesprochen werden möchte.

Spotify-Werbung wird hingegen anders wahrgenommen, weil die Werbebotschaften ganz klar als solche gekennzeichnet sind und sich in das Hörerlebnis einfügen. Die kurzen Ads gehören wie bei einem Radiosender zum Programm und fügen sich mittlerweile recht natürlich in die Playlist ein.

Was viele Unternehmen vielleicht nicht wissen: Spotify Recruiting ist nicht nur was für die Big Player. “Durch die regionalen Aussteuerungsmöglichkeiten kann die Anzeige direkt im jeweiligen Einzugsgebiet ausgesteuert werden. Und hier punkten Wohnortnähe, örtliche Bekanntheit und der Faktor des heimischen Unternehmens gegebenenfalls sogar mehr”, so Sandra Schoof.

Für mehrere Sparkassen steuerte die Agentur bereits Azubi-Kampagnen in den jeweiligen Regionalgebieten aus und sprach so den Nachwuchs in ihrer Umgebung gezielt an. Allerdings sollte das Regionalgebiet auch nicht zu eng gefasst sein, wie Sandra Schoof erklärt: Bei einem zu kleinen Radius wird auch die Zielgruppe entsprechend (zu) klein.

2. Informatik und ITK-Berufe: Spotify Ads für ITler:innen

Aber auch für allgemeine Mangelprofile (wie die in der IT) kann Spotify genutzt werden. 42,5 Prozent der Spotify Nutzer:innen haben die Allgemeine Hochschulreife abgeschlossen, was ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau bestätigt. Die Reichweite ist groß und die Targeting-Möglichkeiten präzise.

Durch das Hörverhalten der Streaming-User erkennt Spotify Verhaltensmuster und kann, basierend auf Alter, Geschlecht und Wohnort, das Targeting richtig einsetzen. Durch Targeting kann zusätzlich festgestellt werden, welche Interessen (z.B. Tech, Travel, Fitness) die User verfolgen. Da es aktuell noch vergleichsweise wenig Werbung auf Spotify gibt, weil viele Unternehmen diesen Kanal noch nicht für sich entdeckt haben, können Unternehmen jetzt noch von dem Early Adopter-Bonus profitieren. Recruiting für die ITK Branche hat dabei leichtes Spiel.

3. Recruiting im Krankenhaus: Spotify Ads für Pflegefachkräfte

Auch Gesundheitsbranche und Krankenhauswirtschaft stellt das Recruiting vor einige Herausforderungen, wie unsere Krankenhaus-Studie bestätigt. Während einige Krankenhäuser die Digitalisierung verschlafen haben und beim Rekrutieren von neuem Personal immer noch auf Printanzeigen in Fachmagazinen setzen, probieren sich andere Häuser bereits an Recruiting-Kampagnen auf Social Media oder Streaming Kanälen.

Die Agentur AdStrat konnte bereits Erfolge mit zwei Kunden aus der Krankenhauswirtschaft verzeichnen. Auf der Suche nach Pflegepersonal hat AdStrat mit dem Karriereportal www.traumjobamsee.de der Benedictus Krankenhäuser Tutzing und Feldafing in aufeinanderfolgenden Kampagnen Azubis und Pflegekräfte in Bayern und angrenzenden Bundesländern über Spotify angesprochen. Wie sich eine an Pflegekräfte adressierte Spotify Audio-Ad anhören kann, hörst Du hier:

 

Spotify Ads Personalmarketing Pflegekräfte TraumjobamSee
Good Practice: Audio und dazugehörige Grafik des Benedictus Krankenhauses in Feldafing

Fazit

Wer sein Recruiting mit Spotify ergänzen möchte, muss gar nicht so tief in die Tasche greifen. Das Mindestbudget für eine Spotify Recruiting Kampagne liegt aktuell bei 250 Euro. Für eine erfolgreiche Kampagne werden allerdings 750 Euro empfohlen, damit sich der Aufwand der Audio- und Grafik-Ads lohnt und möglichst viel aus diesen Maßnahmen herausgeholt werden kann.

Grundsätzlich solltest Du darauf achten, dass nicht zu viel Content und Text in der Anzeige landen: “Lieber kurz, knackig, sympathisch und mit einem USP wie zum Beispiel die direkte Bewerbung ohne Unterlagen.” 

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Die Karriereseiten- oder Landingpage-URL, die in der Audio Ad genutzt wird, sollte möglichst kurz und prägnant sein und im besten Falls mehrmals genannt werden. “Man sollte außerdem einen klickstarken Begleitbanner verwenden und auf eine auffällige Gestaltung durch zum Beispiel Gesichter und Farben achten.” 

Bevor Du jetzt direkt startest und eine Audio Anzeige einsprichst, solltest Du allerdings erstmal den Status Quo Deiner Online Candidate Journey kontrollieren.
– Wie sieht Deine Karriereseite aus?
– Können Bewerber:innen, wenn sie die Anzeige über Spotify gehört haben, problemlos darauf zugreifen und sich vielleicht sogar direkt mobil bewerben?

Im Jahr 2019 nutzten 76 Prozent der Nutzer:innen Spotify über ihr Smartphone – ein deutliches Zeichen dafür, dass Du auf jeden Fall vorher einmal Deine Online und Mobile Candidate Journey auf Vordermann bringen solltest. So sicherst Du Dir nicht nur Spotify-Nutzer:innen als potenzielle Bewerber:innen, sondern machst auch Deine restlichen Kandidat:innen glücklich. Für Unternehmen, die in ihrem Recruiting Prozess breiter aufgestellt sind, eine mobil gut nutzbare Karriereseite vorweisen können und dennoch Schwierigkeiten, haben ihre Stellen zu besetzen, ist Spotify Recruiting definitiv ein Test wert.

Global Talent Trends 2019 – Soft Skills und Flexibilität

Eine Studie von Linkedin bietet erneut Einblicke in die Trends, die Talent Professionals weltweilt dieses Jahr auf dem Vormarsch sehen. Dieses Mal Trend-Thema Nr. 1: die Soft Skills. Befragt wurden über 5.000 Personaler in 35 Ländern, zudem sind weitere Daten von Linkedin eingeflossen.

Wir fassen für Euch zusammen, was die Studie über zwei der vier Top-Trends zu sagen hat.

Die Top Trends: Soft Skills und Flexibilität bei der Arbeit

Die folgende Grafik zeigt, wie viel Prozent der Teilnehmer zustimmten, dass die benannten Trends sehr wichtig für die Zukunft des Recruitings und der HR-Branche im Allgemeinen sind:

Global_Talent_Trends_2019_Soft_Skills_Grafik_1 über die vier Top Trends, Soft Skills, Work Flexibility, Anti-harassment, pay transparency

Angeführt wird die Liste von den berühmten Soft Skills, mit 91% Zustimmung der Befragten. Auf dem zweiten Platz findet sich das Thema flexibles Arbeiten, das für 72% der Teilnehmer sehr wichtig ist. Fast ebenso wichtig (71%) ist für sie aber auch die Thematik der Belästigungen am Arbeitsplatz, beziehungsweise die Verhinderung solcher. Den vierten Platz belegt mit 53% Zustimmung das Thema der Gehaltstransparenz.

Da wir hier nicht weiter auf den Aspekte der Belästigung am Arbeitsplatz und die Gehaltstransparenz eingehen, nur am Rande ein kleiner Fun Fact: Ratet mal, welche Befragten diese beiden Themen am wenigsten wichtig für die Zukunft des Recruiting/HR von allen Nationen finden? Jap, die Deutschend sind’s. Das ist jetzt schon irgendwie bezeichnend…

 

 

 

Zwischenüberschrift 2 Soft Skills und Messbarkeit

 

Zwischenüberschrift 3: flexible Arbeit

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Webinar: Recruiting für Informations- und Kommunikationstechnik (Aufzeichnung vom 20.04.2021)

Webinar vom 20. April 2021 mit Jan Kirchner

      • Wie sieht der Arbeitsmarkt im Recruiting für Informations- und Kommunikationstechnik aus?
      • Wie stellen sich Unternehmen aus der ITK-Beratung online auf, um erfolgreich zu rekrutieren?
      • Wo liegen die besonderen Herausforderungen im Recruiting von IT-Beratern?

     

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Wo sind die Frauen in der IT-Branche?

In der Tech-Branche herrscht Mangel: Qualifizierte Arbeitskräfte werden händeringend gesucht, wie unsere Branchenstudien der vergangenen Monate zeigen. Und der Bedarf wird weiter steigen, denn die Digitalisierung ist in vollem Gange und „dieses Internet“ und die damit verbundenen Technologien werden wohl entgegen einiger Meinungen übermorgen nicht wieder verschwunden sein. Auffällig an der Branche ist nicht nur der Mangel an Arbeitskräften generell, sondern vor allem an weiblichen. Wo sind die Frauen in der IT-Branche?

Infografik: Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der IT

Der Anteil an IT-Spezialistinnen liegt hierzulande seit Jahren unverändert bei etwa 16 Prozent – 2020 waren es laut Bundesagentur für Arbeit 16,8. Diese geringe Zahl kann sich in Anbetracht des Bedarfs eigentlich niemand leisten. Trotzdem haben Unternehmen Schwierigkeiten, Frauen für ihre Jobs zu finden.

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FRAUEN SIND IN MINT-FÄCHERN UNTERREPRÄSENTIERT

Das Problem beginnt bereits vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt: Im Jahr 1990 gab es in Deutschland gut 136.400 Studierende in den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). 22,8 Prozent davon waren Frauen. 2019 hat sich die Zahl der Studierenden fast verdreifacht – der Frauenanteil stieg im selben Zeitraum um etwa 12 Prozentpunkte auf rund 34 Prozent – eine magere Steigerung in Anbetracht des Bedarfs.

Infografik: Männer- und Frauenanteil an den MINT-Studierenden in Deutschland

Dabei sind die MINT-Fächer noch einmal breit gefächert. Das Statistische Bundesamt zählt insgesamt 19 Studiengänge in den MINT-Bereich, sie reichen von Fächern wie Pharmazie, das bei Frauen sogar beliebter ist als bei Männern, bis hin zu Verkehrstechnik/Nautik, in dem die Frauen am stärksten in der Unterzahl sind.
Im Wintersemester 2019/20 sahen die Top und Flop 5 der MINT-Studiengänge bei Frauen wie folgt aus:

Infografik: Top und Flop 5 der MINT-Studiengänge bei Frauen

SO (UN)WEIBLICH IST DIE INFORMATIK-AUSBILDUNG

Die Informatik-Studiengänge gehören also zu denen im MINT-Bereich, die den größten Frauenmangel verzeichnen. Lediglich 21,8 Prozent der Erstsemester-Studierenden im Wintersemester 2019/20 waren weiblich.

Auch innerhalb der Informatik-Studiengänge zeigen sich noch einmal deutliche Differenzen. So liegt der Anteil der Frauen laut Daten des Statistischen Bundesamtes in Bioinformatik und Medizinischer Informatik bei über 40 Prozent. Am geringsten ist der Anteil in Ingenieursinformatik. Auch hier zeigt sich, dass es bestimmte Bereiche sind, die Frauen offenbar meiden: Je technischer, desto geringer ihr Anteil.

Infografik: Frauenanteil in Informatik-Studiengängen und -Ausbildungen in Deutschland

Noch deutlicher wird der geringe Frauenanteil bei den dualen Informatik-Ausbildungen, wie die Grafik zeigt. Hier ging die Zahl laut Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung in den vergangenen 20 Jahren sogar deutlich zurück. Im Jahr 2019 lag der Frauenanteil an allen neu unterschriebenen IT-Ausbildungsverträgen bei gerade einmal 8,6 Prozent.

WENIG FRAUEN IN DER AUSBILDUNG – WENIG FRAUEN AUF DEM ARBEITSMARKT

Entsprechend wenig Frauen kommen im IT-Bereich überhaupt auf dem Arbeitsmarkt an. Die Verteilung innerhalb der Informatik-Studiengänge setzt sich im Berufsleben fort und reicht laut Bundesagentur für Arbeit von 36,7 Prozent Frauenanteil in Bio- und Medizininformatikjobs bis hin zu 10,5 Prozent in der IT-Systemadministration. Hinzu kommt, dass es sich bei den Berufen mit hohem Frauenanteil auch um diejenigen handelt, in denen die Beschäftigtenzahlen geringer sind. So waren 2020 in der Softwareentwicklung knapp 230.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, in der Bio- und Medizininformatik lediglich knapp 1.500.

Infografik: Frauenanteil in Informatik- und anderen ITK-Berufen in Deutschland 2020

Genauso gering ist der Anteil von Frauen in Informatik und anderen IKT-Führungspositionen.

Infografik: Frauenanteil in IT-Führungspositionen in Deutschland in 2020

Es ist also kein Wunder, dass Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Stellen mit Frauen zu besetzen – weibliche Fachkräfte sind schlicht nicht da.
Doch woran liegt das?

DAS GENDER EQUALITY PARADOX

Eine Studie der Leeds Becket University aus dem Jahr 2018 prägte mit ihren Ergebnissen einen Begriff zum Frauenanteil in MINT-Berufen: Das Gender Equality Paradox.
Eigentlich sollte man meinen, dass in Ländern, in denen das Geschlechterverhältnis gesellschaftlich gleichberechtigter ist, auch ein höherer Anteil an Frauen „typische Männerberufe“ ausübt. Die Studie konnte diesen Zusammenhang nicht bestätigen, sondern fand sogar eher das Gegenteil heraus: In Ländern, die weniger gleichberechtigt sind, ist der Anteil von Frauen in der IT zum Teil deutlich höher. Verglichen wurden dabei PISA-Ergebnisse von Ländern weltweit mit dem Global Gender Gap Index des World Economic Forum, also einem Gradmesser für die Geschlechtergleichstellung in den Ländern.

Eine These der Autor*innen der Studie lautete daraufhin, dass in wirtschaftlich schlechter gestellten Ländern ein IT-Job größere Aufstiegschancen biete und Frauen darum weniger geschlechterstereotype Berufe wählten als in Ländern, in denen auch die weniger gut bezahlten „frauentypischen“ Berufe einen gewissen Lebensstandard ermöglichen. Diese These untermauert das Stereotyp, dass Frauen, wenn sie die Wahl haben, nicht in techniklastigen Berufen arbeiten – und genau dieses Vorurteil ist viel eher das Problem, wie auch Folgestudien kritisierten.

GENDER EQUALITY HUI, FRAUEN IN DER IT PFUI?

Zunächst einmal bleibt es bei der Feststellung, dass die Anzahl der Frauen in der Informatik und anderen MINT-Fächern nicht automatisch steigt, wenn die Rahmenbedingungen in Ländern gleichberechtigter werden. Auf die EU übertragen bestätigt sich diese Erkenntnis, wenn man den Frauenanteil in IKT-Jobs mit dem jeweiligen Gender Equality Index der Europäischen Union vergleicht. Der Gender Equality Index misst, wie es um die Gleichstellung in einem Land steht. Mit einbezogen werden etwa die Verteilung der politischen Macht, Gesundheit, aber auch Finanzen oder Bildung und die Verteilung von Care-Arbeit.

Infografik: Anteil der Frauen in ITK-Jobs in 2020 und Gender Equality Index in der EU

Es zeigt sich, dass nicht jene Länder mit ausgeprägter Geschlechtergleichstellung auch die höchste Anzahl an Frauen in IT-Berufen haben. Schweden kommt im Jahr 2020 mit 83,8 Punkten EU-weit auf den höchsten Gleichstellungswert. Beim Frauenanteil in der IT liegt das Land mit 20,1 Prozent allerdings nicht in der Spitzengruppe. Diese setzt sich zusammen aus Bulgarien, Litauen und Lettland, gefolgt von Rumänien und Estland. Alle fünf Länder schneiden beim Gender Equality Index unterdurchschnittlich ab.

Die nicht vorhandene Korrelation zeigt sich in der Grafik in dem leeren weißen Feld rechts oben und der Häufung von Ländern mit hohem Equality Index im mittleren oberen Bereich und der Verteilung von Ländern mit geringem Equality Index im unteren Bereich.

YOU CAN’T BE WHAT YOU CAN’T SEE

Die bereits genannten Folgestudien machen soziale Faktoren für das Paradox verantwortlich: Fehlende Vorbilder und vermittelte Stereotype, nach denen Frauen im Feld der Mathematik schlechter seien, werden für die Geschlechterlücke im MINT- und damit IT-Bereich verantwortlich gemacht. Bei der Informatik kommt erschwerend hinzu, dass es an Schulen kein Pflichtfach ist, im Gegensatz zu Mathematik oder Naturwissenschaften. Die Tech-Branche ist stattdessen stark geprägt vom Stereotyp des männlichen Nerds, das Apple und Microsoft in den 80er-Jahren prägten.

Doch auch historische Gründe spielen eine Rolle beim Geschlechterunterschied: In den Ländern mit verhältnismäßig hohem IT-Frauenanteil wurde zur Zeit der Entstehung der Branche ein anderes politisches und wirtschaftliches System gelebt. Während hierzulande die so genannte Versorgerehe üblich war, waren berufstätige Mütter und Frauen in vielen osteuropäischen Ländern der Normalfall. Sie entwickelten die Tech-Branche mit und sind dadurch Vorbilder für die nachfolgenden Generationen geworden, so die These der amerikanischen Wissenschaftlerin Kristen R. Ghodsee, die an der University of Pennsylvania Russische und Osteuropäische Studien lehrt.

Diese These lässt sich auch am Beispiel Deutschlands belegen, das bis vor 30 Jahren politisch geteilt war. Bis 2011 wurden Beschäftigte im IT-Bereich unter der Kategorie „Datenverarbeitungsfachleute“ zusammengefasst. Darunter fielen etwa Computerfachmann oder -fachfrau, Datenverarbeiter*innen oder EDV-Fachkräfte. Der Anteil an Frauen in der IT war in den ostdeutschen Bundesländern deutlich höher als in den westdeutschen.

Infografik: Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich "Datenverarbeitungsfachleute"

Seit 2013 fasst die Bundesagentur für Arbeit IT-Jobs im Bereich „Informatik und andere IKT-Berufe“, zusammen. Darunter fallen etwa Fachinformatiker*innen, Programmierer*innen oder System-Administrator*innen. Die Daten zeigen, dass der Anteil an Frauen in IT-Jobs in Ostdeutschland seit der Wiedervereinigung deutlich zurückgegangen ist, aber, trotz der Annäherung, bis heute leicht über dem Wert von Westdeutschland liegt. Durch die Umstellung bei der Klassifizierung der Berufe lassen sich die beiden Zahlenreihen nur bedingt vergleichen. Ein Trend wird aber dennoch deutlich.

Infografik: Anteil der Frauen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich "Informatik und andere ITK-Berufe" in Ost und West

 

WENN DIE VORBILDER FEHLEN

Auch aktuelle Umfrageergebnissen zeigen, dass sich die Abneigung von Frauen gegenüber MINT-Studiengängen im Laufe der Schulzeit herausbildet: Die Wirtschaftsprüfung PwC befragte 2018 für ihren „Women in Tech“-Report Schüler*innen und Student*innen nach ihren Einstellungen zu MINT-Fächern. Wenn es um Vorbilder im Bereich Technologien und Wissenschaft geht, können nur elf Prozent der Befragten Frauen nennen, dagegen fällt 25 Prozent ein berühmter Mann aus dem Bereich ein.

Umfrage: Bekanntheit von weiblichen und männlichen Berühmtheiten der MINT-Branche
Quelle: PwC-Report: Women in Tech

Auch bei den Beispielen zeigen sich Unterschiede. So fallen unter den einflussreichen Männern die Namen von Mark Zuckerberg oder Elon Musk – Persönlichkeiten, die heute in dem Bereich tätig sind und als Unternehmer in Erscheinung treten. Unter den Frauen werden Ada Lovelace, Marie Curie und Lise Meitner genannt. Angela Merkel ist die einzige lebende Person und den meisten wohl eher als Bundeskanzlerin mit einem Doktor in Physik bekannt, denn als Wissenschaftlerin.

DIE EINSTELLUNG ZU MINT VERÄNDERT SICH WÄHREND DER SCHULLAUFBAHN

Interessant ist auch der Unterschied bei den Schüler*innen und Student*innen, wenn es um die Einschätzung der eigenen Neigung in Bezug auf MINT-Fächer geht: Die befragten Schülerinnen haben keinen Spaß an MINT-Fächern, sehen aber seltener eine mangelnde Neigung bei sich und halten die Fächer noch seltener für zu schwierig als die befragten Jungs.

Bei den Studierenden verändert sich das Bild: Zwar haben noch mehr Frauen keinen Spaß an MINT-Fächern, allerdings nimmt die Zahl derer zu, die keine Neigung bei sich sehen, während diese Zahl bei den Männern abnimmt. Auch halten deutlich mehr Studentinnen MINT-Fächer für zu schwierig als noch bei den Schülerinnen. Bei den Studenten nimmt der Anteil im Gegensatz zu den Schülern ab. Im Laufe der Schulzeit verändert sich also die Einstellung von Männern und Frauen zu MINT-Fächern, vor allem was Schwierigkeitsgrad und persönliche Neigungen angeht. Frauen wenden sich ab, Männer hin.

Infografik: Gründe, weshalb Schüler und Studierende kein MINT-Fach gewählt haben
Quelle: PwC-Report: Women in Tech

Allerdings kann man an der Umfrage bemängeln, dass vor allem die Fallzahlen für die Schüler*innen gering sind. Eine Studie des Internetgiganten Microsoft aus dem Jahr 2018 bestätigt allerdings, dass „ein entscheidender Faktor für die spätere Berufswahl, aber auch grundsätzlich für den Werdegang“ ist, ob Mädchen Vorbilder haben. Demnach ist das Interesse von Mädchen an MINT-Fächern zwischen 11 und 15 Jahren am höchsten, danach nimmt es ab. Befragt wurden 11.500 Mädchen in 12 europäischen Ländern. 60 Prozent gaben an, sie würden eine Karriere im MINT-Bereich verfolgen, wenn sie wüssten, dass zu gleichen Teilen Männer und Frauen darin beschäftigt wären. 56 Prozent sagen, sie könnten sich eine Karriere vorstellen, wenn sie ein Vorbild hätten.

WAS BEDEUTET DAS FÜR UNTERNEHMEN?

Wer weiblichen IT-Nachwuchs fördern will, sollte früh anfangen: Mädchen interessieren sich sehr wohl für MINT-Fächer, kommen aber mit fortschreitender Schullaufbahn zu der Überzeugung, weniger für einen Beruf in der IT geeignet zu sein. Außerdem fehlen ihnen die Vorbilder. Es reicht für Unternehmen nicht, sich auf politische Maßnahmen und gesellschaftlichen Wandel zu verlassen. Das zeigt das Gender Equality Paradox. Natürlich muss die Gleichstellung in allen Bereichen gefördert werden, aber vor allem müssen stereotype Zuschreibungen gleichzeitig abgebaut werden, nur dann trauen sich mehr Mädchen und Frauen eine MINT-Karriere zu.

Für Unternehmen bedeutet das: Macht eure Mitarbeiterinnen sichtbar, schafft Repräsentanz und sprecht Mädchen und Frauen möglichst früh an. Schafft Mentorinnenprogramme, arbeitet mit Schulen zusammen, engagiert euch in Initiativen, die sich an Schülerinnen richten. Zeigt Mädchen und Frauen, dass MINT weiblich ist und Mädchen rechnen, programmieren, forschen und konstruieren können.

Und fangt bei euch selbst an: Welche Zuschreibungen habt ihr in Bezug auf Geschlecht? Wem traut ihr was zu und wem eher nicht? Welche Vorurteile habt ihr und was lebt ihr Mädchen und jungen Frauen vor?

Und schlussendlich: Schafft Arbeitsbedingungen, die Karriere und Familienleben vereinbaren, davon profitieren nämlich alle Geschlechter.

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5 Gründe, wieso Stellen in der IT schwer zu besetzen sind

Nerds, Geeks und Freaks – so stereotyp die Vorurteile über die Menschen in der ITK-Branche sind, so vielfältig sind die Jobprofile am Ende tatsächlich – und die entsprechenden Spezialist*innen und Expert*innen werden händeringend gesucht. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit waren im vergangenen Jahr gut 14.000 Stellen unbesetzt. Und das sind nur die offiziellen Zahlen der Behörde, denn längst nicht jeder Job wird überhaupt gemeldet. Der Branchenverband Bitkom hat rund 850 Unternehmen über alle Branchen hinweg befragt und schätzte die Zahl der unbesetzten Stellen für IT-Expert*innen Ende 2020 gar auf 86.000. Aber warum ist die Suche nach Bewerber*innen in den Informatik- und ITK-Berufen so schwierig? Ein Blick in die Arbeitsmarkt-Daten gibt Aufschluss.  [promotional-banner id=”56702″]

1. IT JOBS: VIELE STELLEN, WENIG ARBEITSLOSE

In den Informatik- und ITK-Berufen waren hierzulande im Jahr 2020 fast 900.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt – ein Plus von 4,8 Prozent im Gegensatz zum Vorjahr und das trotz Corona. Der Bedarf steigt also. Das wird vor allem deutlich im Vergleich zum gesamten Arbeitsmarkt.  

Infografik zur Beschäftigenzahl und Arbeitslosenquote

Die Zahl der Beschäftigten sank über alle Branchen hinweg um 0,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote im Gesamtmarkt lag 2020 bei 5,9 Prozent – die der IT lediglich bei 3,2 Prozent. Der Bedarf in der Branche ist also groß und wächst weiter, während die Zahl der Arbeitslosen unterdurchschnittlich ist.  Es gibt in den Informatik- und ITK-Berufen also wenige qualifizierte Arbeitskräfte und viele freie Stellen. Das schlägt sich auch in den Vakanzzeiten der Jobs und in der Arbeitslosen-Stellen-Relation nieder. Ein Job auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleibt durchschnittlich 131 Tage unbesetzt, in der IT sind es durchschnittlich 137 Tage.

Vakanzzeit (in Tagen) und Arbeitslosen-Stellen-Relation

Das klingt erst einmal nach keinem allzu großen Unterschied, allerdings reichen die Vakanzen im IT-Bereich bis zu durchschnittlich 196 Tagen für Expert*innen in der Softwareentwicklung  und Programmierung – länger als ein halbes Jahr also. Noch deutlicher werden die Unterschiede bei der Arbeitslosen-Stellen-Relation: Auf eine freie Stelle im gesamten Arbeitsmarkt kommen 6,32 Arbeitslose – die Zahl der potenziellen Bewerber*innen ist also relativ hoch. Bei den Berufen in der Informatik- und ITK-Branche sind es lediglich 2,11 Arbeitslose je Stelle. Die Zahl der potenziellen Bewerber*innen ist deutlich niedriger als im Durchschnitt aller Branchen und die Zahl kann noch als zuversichtlich betrachtet werden, denn die Arbeitslosenzahlen werden der Arbeitsagentur in jedem Fall gemeldet – die freien IT Stellen aber eben nichtQualifizierte Arbeitskräfte müssen also aus bestehenden Arbeitsverhältnissen abgeworben werden, was den Recruitingprozess schwieriger macht. 

2. DAS ANFORDERUNGSNIVEAU IST HOCH 

Der Gesamtarbeitsmarkt in Deutschland setzt sich zusammen aus gut 15 Prozent Helferstellen, den Löwenanteil machen mit knapp 58 Prozent die Fachkräfte aus. Die restlichen gut 25 Prozent sind Spezialist*innen und Expert*innen.  

Struktur des Anforderungsniveaus in der IT

Ganz anders sieht der Markt für Informatik- und andere ITK-Berufe aus: Es gibt keinerlei Helferjobs und mit 17 Prozent auch vergleichsweise sehr wenig Fachkräfte, wie die Grafik zeigt. Der größte Teil der Beschäftigten arbeitet mit 43 Prozent als Spezialist*in, weitere knapp 40 Prozent sind gar Expert*innen. Das heißt, Unternehmen suchen sehr gut ausgebildete Bewerber*innen und können nicht auf Helfer*innen und kaum auf Fachkräfte zurückgreifen. Das zeigt sich auch beim Anteil der Zeitarbeitsstellen. Diese werden bei der Arbeitsagentur gesondert erfasst. Durch Zeitarbeit können Recruiting-Prozesse ausgelagert werden und Arbeitskräfte auch kurzfristig oder projektbezogen angeworben werden. 

Anteil Zeitarbeit in ITK-Berufen

Im gesamten Arbeitsmarkt lag der Anteil der Zeitarbeitsstellen an allen ausgeschriebenen Stellen 2020 bei knapp 30 Prozent. In den Informatik- und ITK-Berufen ist der Anteil mit 11,8 Prozent deutlich geringer. Das liegt am beschriebenen Spezialisierungslevel: Während es sich bei den meisten Zeitarbeiter*innen um Hilfs- oder Fachkräfte handelt (90 Prozent)sind die meisten Beschäftigten in der IT höher qualifiziert (87 Prozent)sodass wenig Einsatzgebiete für Zeitüberlassung entstehen. Zum Vergleich: In Gesundheits- und Krankenpflegeberufen, in denen ebenfalls ein großer Arbeitskräftemangel herrschtlag der Anteil 2020 bei 25,6 Prozent. In den ebenfalls technischen Berufen der Maschinen- und Fahrzeugtechnik machte Zeitarbeit gar die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen aus. 

3. Die Altersstruktur der Beschäftigten: Die Jungen und Alten sind unterrepräsentiert 

Aktuell liegt der Anteil der unter 25-Jährigen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf dem gesamten Arbeitsmarkt bei 9,8 Prozent. Gut jede*r Fünfte ist zwischen 25 und 34 Jahre alt. Die größte Altersgruppe sind die 35- bis 54-Jährigen mit 46,1 Prozent. Die Beschäftigten über 55 Jahren machen 21,9 Prozent aus, wie die Grafik zeigt 

Altersstruktur in der IT

Unter den Beschäftigten in der IT ist sowohl der Anteil der ganz Jungen, vor allem aber der Anteil der Beschäftigten über 55 Jahren geringer. Eine hohe Spezialisierung fordert eine hohe Bildung – und die ist zeitaufwändig:  Sehr junge Mitarbeiter*innen befinden sich also noch in Ausbildung und Studium und steigen erst später ein, ältere Mitarbeiter haben häufig nicht die passende Aus– und Weiterbildung, weil es viele digitale Bereiche erst seit kurzem gibt. Somit ballt sich der IT-Arbeitsmarkt im Alter von 25 bis 54 Jahren. Das mag erst einmal nicht besonders problematisch klingen. Betrachtet man allerdings die Bevölkerungspyramide des Statistischen Bundesamtes, wird deutlich, warum durch diese Altersstruktur ein Engpass entsteht 

Im Jahr 2019 waren 38 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 25 und 53 Jahren alt. Die über 54-Jährigen machten ebenfalls 38 Prozent aus. Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenzahl und Lebenserwartung und einem niedrigen Wanderungssaldo werden sich die Anteile so verschieben, dass im Jahr 2030 die 25- bis 53-Jährigen nur noch einen Anteil von 36 Prozent der Bevölkerung darstellen, der Anteil der über 54-Jährigen wird dann bei 41 Prozent liegen. Im Jahr 2040 liegen die Anteile dann bei 34 und 43 Prozent. Das heißt, aktuell schöpft der IT-Markt das Potenzial der Älteren nicht aus und wenn er es künftig weiterhin nicht tut, weil die digitale Entwicklung rasanter verläuft als die Weiterbildung der Beschäftigten, wird der Kreis der potenziell qualifizierten Arbeitskräfte immer kleiner.    

4. Hohe Nachfrage führt zu hohen Gehältern 

Auch in der IT-Branche gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wenige qualifizierte Arbeitskräfte kommen auf viele Stellen, was die Gehälter nach oben treibt. Das Median-Bruttogehalt der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland lag im Jahr 2020 bei 3.401 Euro. Beschäftigte in Informatik- oder anderen ITK-Berufen verdienten im Mittel 5.144 Euro und damit deutlich mehr 

Infografik: Median monatliches Bruttoentgeld 2019

Nicht jedes Unternehmen bleibt da wettbewerbsfähig. Vor allem Unternehmen mit Tarifbindung oder sehr kleine Unternehmen können im Zweifelsfall nicht mithalten. In einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom gaben die befragten Unternehmen an, dass die Gehaltsvorstellungen der Bewerber*innen die häufigste Schwierigkeit bei der Besetzung von IT Stellen sind.  Eine Gehaltsauswertung der Vergütungsdatenbank Compensation Partner zeigt, dass die Spitzenverdiener*innen der Branche in der Beratung, Analyse und Konzeption arbeiten. Sie verdienen durchschnittlich knapp 79.000 Euro pro Jahr. IT-Führungskräfte liegen gar im sechsstelligen BereichDie „Geringverdiener*innen“ der Branche sind Webdesigner*innen mit rund 53.500 Euro pro Jahr.   

5. Die IT hat ein Geschlechterproblem 

Im vergangenen Jahr waren hierzulande über alle Branchen hinweg 46,3 Prozent der Beschäftigten Frauen und 53,7 Prozent Männer. Der deutsche Arbeitsmarkt ist also nahezu paritätisch zwischen den Geschlechtern aufgeteilt.  

Infografik: Geschlechterverteilung in der IT

Unter den Beschäftigten in Informatik- oder anderen ITK-Berufen lag der Frauenanteil dagegen bei gerade einmal 16,8 Prozent. Warum das so ist, haben wir in unserem Beitrag zu Frauen in der IT genauer beleuchtet. Für Unternehmen schränkt diese Geschlechterverteilung die Auswahl an potenziellen Bewerber*innen deutlich einWenn sie Fachkräfte suchen, ist der durchschnittliche Bewerber mittelalt und männlich. Zudem zeigt sich auch in der IT der so genannte Gender Pay Gap, also eine schlechtere Bezahlung von Frauen.  

Infografik: Gender Pay Gap IT

Die aktuellsten verfügbaren Daten für das Jahr 2019 zeigen: Während das monatliche Medianentgelt der Männer bei 5.237 Euro pro Monat lag, verdienten Frauen nur 4.614 Euro. Der Gender Pay Gap in der IT liegt also bei knapp 12 Prozent. 

Fazit 

Wenig Arbeitslose, viele unbesetzte Stellen, hohe Spezialisierung, wenig Jüngere und Ältere, kaum Frauen und hohe Gehälter – die Strukturen in der IT-Branche machen es Unternehmen schwer, geeignetes Personal zu finden. An welchen Stellschrauben können sie also selbst drehen?

Beim Gehalt müssen Unternehmen wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und akzeptieren, dass Arbeitskräfte mit Mangelprofil am längeren Hebel sitzen und sich ihren Job aussuchen können – das heißt, die Konditionen müssen stimmenAllerdings fallen unter die Konditionen eben nicht nur die Gehälter, auch das Unternehmensimage kann ausschlaggebend sein, genauso wie die angebotenen Benefits. Vor allem jüngeren Arbeitnehmer*innen sind zunehmend andere Dinge wichtig als den Älteren, dazu gehören flexible Arbeitszeiten, Selbstverwirklichung und eine sinnvolle Tätigkeit. Bei diesen Themen können sich Unternehmen durch gute Kommunikation nach außen positionieren und potenzielle Bewerber*innen anziehen.

Auch der Bereich Aus- und Weiterbildung, den Unternehmen selbst in der Hand haben, fällt in den Bereich der Konditionen. Jüngere Arbeitskräfte früh anzuwerben und in Ausbildung und Schulung zu investieren, kann sich ebenso lohnen, wie älteres Personal weiterzubilden. Außerdem birgt der geringe Frauenanteil ein Potenzial, das Unternehmen bisher nicht ausschöpfen können.

Schlussendlich sollten Unternehmen bei der Suche nach Mangelprofilen den Bewerbungsprozess möglichst einfach halten. Beim Thema Bewerbungsmanagement und Recruiting gibt unsere aktuelle Branchenstudie Aufschluss, wie der Prozess ablaufen muss, damit Interessierte nicht schon verloren gehen, bevor der Lebenslauf überhaupt auf den Schreibtischen von Recruitern landet – denn das darf bei einem Arbeitskräftemangel wie in den Informatikberufen schlicht nicht passieren.

Wir haben daher untersucht, wie die Candidate Journey bei über 100 Unternehmen der ITK-Branche aussieht: Sind die Anzeigen mobiloptimiert, gibt es einen Login-Zwang, kann man sich auch per Mail bewerben und umfasst die Bewerbung endlose Pflichtfelder, bevor die Bewerbung überhaupt abgeschickt werden kann?

Jetzt die Studie kostenlos herunterladen:

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Open Hiring: Job ohne Vorstellungsgespräch?

Der Recruiting-Prozess dürfte in den allermeisten Unternehmen ziemlich ähnlich aussehen. Im Fachbereich wird ein Bedarf erkannt, nach dem Briefing schreibt das Recruiting eine Stellenanzeige. Zu den Maßnahmen im Personalmarketing zählen vor allem die Schaltung der Anzeige und häufig noch ein wenig Werbung auf den gängigen Social-Media-Kanälen. Nach dem Eintreffen der Bewerbungen durchlaufen Kandidatinnen und Kandidaten dann einen mehrstufigen Auswahlprozess, am Ende bekommt jemand ein Angebot und etwas später beginnt das Onboarding.

Klingt vertraut?

In diesem klassischen Prozess tun sich allerdings zwei Probleme auf: Zum einen der enorme Aufwand, der vom Recruiting sowie den Fachbereichen aufgebracht werden muss und zum anderen ein Auswahlprozess, der von Bias und invaliden Methoden durchzogen ist. Besonders schlimm ist es, wenn sich nach einer aufwändigen Suche herausstellt, dass die falsche Wahl getroffen wurde und der Prozess von vorne starten muss. Für diese Probleme gibt es eine interessante Lösung, die in Deutschland bisher noch keine Anwendung findet: Open Hiring.

Was ist Open Hiring?

5 Gründe für Open Hiring

Open Hiring, anonyme Bewerbungen und Diskriminierung

Wann ist Open Hiring anwendbar?

          High Volume Recruiting bietet perfekte Voraussetzungen

          Können White-Collar-Positionen per Open Hiring besetzt werden?

          Arbeitsmarkt und Open Hiring

Was muss Du bei Open Hiring beachten?

          Stellenanzeigen beim Open Hiring

          Bewerbungsformular mit Knock-Out-Fragen

          Indikatoren für beruflichen Erfolg

Wer nutzt Open Hiring schon?

Was ist Open Hiring?

Beim Open Hiring wird das Potential und die Motivation des Menschen in den Vordergrund gestellt. Wenn eine Stelle ausgeschrieben wird, gibt es keinen Auswahlprozess. Vielmehr wird der Job nach dem Prinzip “First Come, First Serve” an den ersten gegeben, der ihn haben will (oder auf der Warteliste ganz oben steht). Wer arbeiten will, der tut es einfach. Ohne Vorstellungsgespräch oder Lebenslauf, unabhängig von Ausbildung und Erfahrungen.

Mindestkriterien gibt es nur für Berufe, in denen rechtliche Anforderungen gestellt werden. Wer Auto fahren will, braucht einen Führerschein. Wer Gabelstapler fährt, braucht einen Staplerschein. Der Fokus bei Neueinstellungen liegt also beim Onboarding und Training.

Weil so auch gesellschaftlich marginalisierte Menschen eingestellt werden, die Arbeit nicht gewohnt sind, bieten Unternehmen nicht nur eine fachliche Einarbeitung und Weiterbildung, sondern teilweise auch ein persönliches Coaching von Life Coaches an. Das Konzept kommt aus den USA und wurde dort 1982 von der Greyston Bakery entwickelt. Open Hiring entstand dort nicht aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen, sondern mit einem sozialen Gedanken im Hinterkopf.

Menschen haben aus verschiedensten Gründen keine Chance auf dem Arbeitsmarkt: Wegen einer fehlenden Ausbildung, einer kriminellen Vergangenheit, einer Behinderung oder Obdachlosigkeit. Der Gründer Bernie Glassman glaubte aber, dass diese Menschen eine Chance verdienen und stellte sie einfach ein. Unternehmen haben so einen messbaren positiven Einfluss auf die Nachbarschaft und Gesellschaft, sorgen für Chancengerechtigkeit, Respekt und Wachstum – und profitieren auch selbst von Open Hiring.

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5 Gründe, die für Open Hiring sprechen

Geringere Kosten: Personalmarketing kostet Geld, Auswahlprozesse kosten Ressourcen. Durch Open Hiring kann der Cost-per-Hire dramatisch gesenkt werden. Diese Einsparungen können stattdessen ins Learning & Development investiert werden.

Schnellere Prozesse: Der Auswahlprozess bei The Body Shop hat vor der Einführung von Open Hiring etwa 30 Tage für die Kandidat*innen gedauert. Dank Open Hiring wurde der Prozess zwischen Bewerbung und Einstellung auf fünf bis zehn Tage verkürzt.

Höhere Retention: The Body Shop berichtet davon, dass der Turnover um 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesenkt werden konnte. Dadurch sei sogar die Produktivität im Lager um 13% gestiegen.

DEI: Open Hiring ermöglicht es, Bias aus dem Recruiting zu entfernen. Sehr schnell wird die Belegschaft diverser. Gruppen, die bisher strukturell benachteiligt waren, bekommen durch Open Hiring eine echte Chance.

Sozialer Impact: Die Greyston Bakery ist im Grunde ein soziales Unternehmen. Sie backen keine Brownies, um Profite zu erzielen. Sie backen Brownies, um Leute zu beschäftigen. Insofern freut sich die Geschäftsführung zwar auch über grüne Zahlen, noch mehr aber über die vielen individuellen Geschichten ihrer Angestellten und den positiven Impact, den eine Beschäftigung bei der Firma hat.

Open Hiring, anonyme Bewerbungen und Diskriminierung

Unternehmen, die Menschen ohne Vorstellungsgespräch und Auswahlprozess einstellen, laufen keine Gefahr, unbewusste Biases anzuwenden oder (ungewollt) Gruppen zu diskriminieren. Beim Open Hiring spielt es keine Rolle, welches Geschlecht Interessierte haben, wo sie herkommen, welchen Bildungsgrad sie haben oder ob der Lebenslauf Lücken enthält.

Anonymisierte Bewerbungen sind daher anfangs vergleichbar. Bei solchen Bewerbungen wird das Alter, Name, Adresse, Foto und alle anderen Angaben, die Aufschluss über persönliche Merkmale geben könnten, geheim gehalten. Nur die fachlichen Skills und Erfahrungen können bewertet werden. Häufig werden diese Erfahrungen dann in einem ausführlichen Bewerbungsformular eingegeben und nicht in einem CV präsentiert. Denn auch die Frage, ob ein Lebenslauf schön designed ist oder nicht kann schon zu Vorverurteilungen führen.

Erst in späteren Stufen des Auswahlprozesses, bei einem telefonischen oder persönlichen Interview, wird die Anonymität gelüftet. Open Hiring geht im Vergleich zu anonymen Bewerbungen also noch ein Stück weiter, ist aber nicht in allen Fällen anwendbar.

Wann ist Open Hiring anwendbar?

High Volume Recruiting bietet perfekte Voraussetzungen

In den Sinn kommen zuerst einfache Tätigkeiten, vor allem im High Volume Recruiting: Lieferfahrer, Lagerarbeiterinnen, Einzelhandel, Kundenservice, Call Center Mitarbeiter. Jobs, bei denen fachliche Skills und Erfahrungen nur eine untergeordnete Rolle spielen oder schnell erlernt werden können.

Natürlich gibt es auch Berufe, bei denen Open Hiring nicht in Frage kommt. Dass Chirurginnen eine langjährige Ausbildung durchlaufen, ist schon in Ordnung. Auch Entwicklerinnen, Piloten und Lehrer dürfen fachlich fit sein. Und wenn ich mein Auto zur Werkstatt bringe, erwarte ich ebenfalls ein gewisses Maß an Ausbildung und Qualität.

Können White-Collar-Positionen per Open Hiring besetzt werden?

Es ist natürlich denkbar, auch andere Business-Funktionen per Open Hiring zu besetzen. Denn der Gedanke bleibt hier gleich: Wenn jemand motiviert ist und glaubt, dass er die Stelle gut ausfüllen kann, bekommt er eine Chance und extensives On-the-Job-Training. Dafür spricht zudem, dass es sowieso immer eine Onboarding-Phase gibt. Marketing-Stellen können in zwei Unternehmen grundverschieden sein, Prozesse und Strukturen müssen gelernt werden, Ton und Ansprache der Zielgruppe sind immer anders.

Arbeitsmarkt und Open Hiring

In welcher Arbeitsmarktlage macht Open Hiring überhaupt Sinn? Gibt es ein Überangebot an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, bekommt ein Unternehmen auf ausgeschriebene Stellen üblicherweise sehr viele Bewerbungen, die gesichtet und beantwortet werden müssen. Der Auswahlprozess wird so für das Recruiting und den Fachbereich sehr aufwändig. Open Hiring könnte hier helfen, um diesen Prozess abzukürzen. Das Recruiting würde sich in diesem Fall eher um die Pflege des Talentpools oder einer Warteliste kümmern und hätte für neue Positionen dann immer sofort einen Kandidaten parat.

Herrscht Fachkräftemangel, müssen Unternehmen um jeden Bewerber kämpfen. Im Auswahlprozess stehen sie dann vor der Entscheidung, die Stelle mit einer Kandidatin zu besetzen, die eventuell nicht perfekt auf die Anforderungen passt – oder noch weitere Wochen auf die perfekte Bewerberin zu warten. Open Hiring könnte hier zwei Dinge für das Unternehmen tun: Die Stelle wird schnell besetzt (dafür dauert das Onboarding u.U. länger), und das Unternehmen wird sicherlich im Employer Branding davon profitieren.

Es gibt immer wieder Unternehmen, die durch ihr ungewöhnliches Recruiting oder Personalmarketing auf sich aufmerksam machen. Sei es die Deutsche Familienversicherung, die Bewerbern Geld schenkt, die Glaserei Sterz mit ihrem berühmten Glas-kaputt-Video oder die Deutsche Bahn, die mit ihrem Verzicht auf Anschreiben für gute Presse sorgen konnte. Open Hiring wird – richtig beworben – sicherlich zu einiger Aufmerksamkeit führen.

Was musst Du dabei beachten?

Vielleicht findest Du das Konzept spannend, hast regelmäßig Positionen, die sich gut per Open Hiring besetzen lassen und kannst interne Stakeholder von Open Hiring begeistern. Was musst Du dabei jetzt beachten? Wo gibt es Unterschiede zum herkömmlichen Bewerbungsprozess und Auswahlverfahren?

Stellenanzeigen beim Open Hiring

Stellenanzeigen müssen wohl deutlich ausführlicher formuliert werden, sowohl Unternehmen, Produkte, Aufgaben und Anforderungen genauer beschrieben werden. Die Anzeige dient nicht mehr nur als Marketinginstrument, das potentielle Bewerberinnen und Bewerber begeistern soll. Vielmehr muss die Stellenanzeige genau beschreiben, welche Aufgaben genau im Job anfallen werden. Bewerber müssen einschätzen können, ob sie die Stelle gut ausfüllen können.

Die Anforderungen dürfen dann auch wieder etwas ausführlicher sein: Was sind Ausschlusskriterien? Was muss die Kandidatin auf jeden Fall mitbringen? Gibt es Anforderungen hinsichtlich körperlicher Fitness, Arbeitszeiten, Arbeitsort, Sprachen?

Bewerbungsformular mit Knock-Out-Fragen

Das Bewerbungsformular darf im herkömmlichen Recruiting-Prozess keine Hürde darstellen, die One-Click-Bewerbung wird deswegen immer beliebter. Beim Open Hiring ist es denkbar, dass diese Entwicklung rückgängig gemacht wird. Der Kandidat darf hier gerne etwas Aufwand aufbringen und seine Motivation zeigen – immerhin steht am Ende ein sicherer Job. Im Bewerbungsformular sollten im Übrigen die Must-Have-Kriterien abgefragt werden. Muss die Kandidatin einen Führerschein haben und fließend Deutsch sprechen? Hier wäre der richtige Zeitpunkt, um tatsächlich unpassende Bewerber auszusortieren.

Indikatoren für beruflichen Erfolg

Führt das nicht zu totalen Katastrophen? Es ist doch so: In Personalauswahlverfahren ist der beste Indikator vom späteren Berufserfolg die Intelligenz des Kandidaten. Interessen des Kandidaten können den beruflichen Erfolg übrigens fast so gut vorhersagen wie Telefoninterviews und genauso gut wie Arbeitsproben (Bitte bei Jo Diercks mehr lesen!).

Im Open-Hiring-Bewerbungsprozess könnten also mit Intelligenz- und Interessenstests zusätzliche Hürden eingebaut werden, die ein Bewerber bestehen muss, um für Positionen in Frage zu kommen. Statt eines klassischen Auswahlverfahrens könnten Bewerberinnen also einfach einen Online-Test ihrer kognitiven Fähigkeiten absolvieren – bestehen sie diesen, könnten sie direkt eingestellt oder auf die Warteliste gesetzt werden. Im Ergebnis wirst Du im Zweifel sogar bessere Kandidaten bekommen als durch einen klassischen Auswahlprozess.

Job ohne Vorstellungsgespräch – Wer macht das 2023 schon?

In den USA ist der Vorreiter die Greyston Bakery, auch The Body Shop hat Anfang 2020 Open Hiring eingeführt. Seit 2023 nutzt auch IKEA Open Hiring. In den Niederlanden gibt es schon viele Unternehmen, die einige oder alle Position via Open Hiring besetzen. Hier findest Du eine Übersicht und Hintergrundinformationen zu diesem besonderen Verfahren in der Personalauswahl. In Deutschland ist dieses Verfahren noch nicht so präsent.

Allerdings gibt es einige Unternehmen oder Jobs, bei denen das Auswahlverfahren dem Open Hiring schon ähnelt. Lieferfahrer:innen für Lieferando, Gorillas, Flink & Co. durchlaufen kein extensives Auswahlverfahren. Wer im Call Center arbeiten möchte, wird eher “eingewiesen” als ausgewählt. Und Lagerarbeiter:innen bei Amazon und Flaschenpost werden ebenfalls keine hohen Anforderungen gestellt. Auch wenn über diesen Verfahren nicht offiziell “Open Hiring” steht, so gibt es doch auffällige Überschneidungen.

Im März 2023 hat Deutschlandfunk Nova hörenswert über Open Hiring bei der Greyston Bakery berichtet.

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