Wird Microsoft Word zu einer intelligenten Jobbörse?

Eindeutig. Es rappelt in der Recruiting-Kiste dieses Jahr. Erst sorgt Google mit Jobs API, Google Hire und Google for Jobs für Aufregung und Fragezeichen. Nun legt Microsoft nach.

Ihr könnt Euch sicher erinnern, dass Microsoft vor nicht allzu langer Zeit LinkedIn übernommen hat. LinkedIn ist ein Karrierenetzwerk. Die Datenbasis besteht aus recht ausführlichen beruflichen Profilen. Davon gibt es inzwischen weltweit knapp 500 Mio. Dazu findet man bei LinkedIn Jobs. Nach einer kurzen Recherche komme ich auf weltweit über 3 Mio. von Google indexierte LinkedIn-Jobs.  Daraus muss sich doch was machen lassen, hat sich Microsoft gedacht.

Das Ergebnis ist eine Integration von Microsoft Word und LinkedIn, die seit Anfang November ausgerollt wird. Die Idee dahinter ist einfach. Wenn ein Word-Dokument Hinweise auf die Erstellung eines Lebenslaufes enthält, kommt LinkedIn ins Spiel.

Konkret bekommt der Autor des Lebenslaufs Unterstützung bei Formulierungen. Hier gleicht LinkedIn die Daten des Autors mit ähnlichen Profilen von “successful professionals in your desired role and industry” ab und macht Verbesserungsvorschläge.

Dazu gibt es auch Entwicklungsstipps. Schau mal, was die “successful professionals in your desired role and industry” für Skills haben und mach es ihnen nach.

Vorgeschlagene Skills von Word für den Lebenslauf

Zu guter Letzt werden dem Autor des Lebenslaufs passende Stellenangebote vorgeschlagen.

Im Grunde ein sinnvoller Schritt und ein interessantes Feature für die Word-Nutzer. Ganz nebenbei will Microsoft offenbar an der bis dato unumstößlichen Realität, “die (aktive) Jobsuche fängt bei Google an”, rütteln. Ist es denkbar, dass man als Jobsuchender in Zukunft erst seinen verstaubten Lebenslauf öffnet und nicht irgendwelche Keywords in die Google Suchmaske eingibt? Möglich. Sicher erscheint mir, dass der Schritt von Microsoft wirklich nicht dumm ist. Es ist sehr gut vorstellbar, dass sie Google bzw. Google for Jobs so einen Teil der potentiellen Nutzer abjagen.

Stellt Euch vor, in 2016 wurde die Zahl der MS-Office Nutzer auf 1.2 Mrd. geschätzt. Alles potentielle Jobsuchende. Und es geht weiter. Zieht man die 500 Mio. LinkedIn Nutzer davon ab (als wenn sie alle bereits MS-Office Nutzer wären), verbleiben 700 Mio. weitere, die man über Tipps und Hilfestellung wiederum zu einer Anmeldung bei LinkedIn gewinnen könnte. Noch mehr Daten, noch mehr Lock-In.

###promotional-banner###

Und es geht noch weiter. Lebenslauf-Assistent für Jobsuchende ist schon mal gut. Warum nicht gleich auch einen active Sourcing-Assistenten auf den Weg bringen?  Wo legt Ihr normalerweise Eure Stellenangebote an? Ich schätze, die Mehrheit nutz Microsoft Word dafür. Die Rechtschreibprüfung ist unverzichtbar. Was würde also Microsoft daran hindern, das eingetippte Stellenangebot zu interpretieren und in ähnlicher Art und Weise, wie bei dem aktuellen Lebenslauf-Assistenten, Vorschläge bzgl. besserer Formulierungen und vor allem bzgl. passender Kandidaten aus dem LinkedIn-Netzwerk zu unterbereiten. Ich bin mir fast sicher, dass Microsoft auch schon drüber nachgedacht hat.

Gerade dieses Modell kann Google schwerlich kopieren. Jobangebote in Google Docs – ja. Kandidaten-Profile in Google Docs – never ever. Hier müsste sich Google mit Facebook oder zumindest mit GitHub oder Stack Overflow zusammentun, um mithalten zu können. Wahrscheinlich? Höchstens bei den letzteren beiden.

Ich denke nicht, dass viele von uns Microsoft als echtes Recruiting-Schwergewicht auf dem Schirm haben. Womöglich ist der Zeitpunkt gekommen umzudenken. Meinungen?

10 Dinge, die Bewerber an Deiner Karriereseite hassen

Stell Dir vor, Du bist im Supermarkt und willst eine Fertigpizza kaufen. Doch leider kannst Du beim Reinkommen nicht erkennen, wo sich die Tiefkühlprodukte befinden, denn die Schilder sind viel zu klein geschrieben, sodass Du sie erst lesen kannst, wenn Du schon genau davorstehst. Du kämpfst Dich also von einem Regal zum nächsten. Nachdem Du endlich die richtige Abteilung gefunden und die Tiefkühltruhe geöffnet hast, stellst Du fest, dass die Produkte nicht sortiert sind. Du wühlst Dich durch das gesamte Sortiment, bis Du schließlich die richtige Pizza in der Hand hältst. Jetzt bloß noch die Kasse finden. Nach einigen Irrwegen durch das schlecht beschilderte Labyrinth von Regalreihen hast Du es endlich geschafft und stehst in der Schlange.

Als Du schließlich drankommst, fängt der Kassierer an zu fragen: „Würden Sie mir bitte Ihre Postleitzahl nennen?“ „Darf es zu der Tiefkühlpizza noch ein Kaltgetränk sein?“ „Möchten Sie einen Pfandbon einlösen?“ „Besitzen Sie schon eine Bonuscard?“  „Sammeln Sie Treuepunkte?“ Nein, Du möchtest einfach nur bezahlen. Doch leider gibt es an dieser Kasse gerade kein Kartenlesegerät und Du hast kein Bargeld dabei. Also sollst Du dich an der Kasse nebenan nochmal anstellen. Da wird es Dir zu bunt. Du lässt die Tiefkühlpizza an der Kasse liegen und machst Dich aus dem Staub. Doch keiner nimmt Notiz von Deiner Odyssee. Alle machen einfach so weiter wie bisher. Würdest Du in diesem Supermarkt freiwillig nochmal einkaufen?

###promotional-banner###

Genauso ergeht es zahlreichen Bewerbern auf deutschen Karriereseiten tagtäglich. Ihr Geduldsfaden wird durch eine schlechte Lesbarkeit der Inhalte, benutzerunfreundliche Strukturen und die Langwierigkeit der Bewerbungsprozesse auf eine harte Zerreißprobe gestellt. Wer in Zeiten des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels nicht riskieren möchte, wertvolle Kandidaten noch vor dem erfolgreichen Bewerbungseingang zu verlieren, sollte ein paar grundlegende Regeln beachten. Nutz die Gelegenheit und nimm Deine Karriereseite genau unter die Lupe, denn diese 10 Dinge, hassen potenzielle Bewerber:

#1: Gar nichts, denn sie wissen nicht einmal, dass Deine Karriereseite existiert

Traurig, aber wahr. Da geben sich Unternehmen (zumindest manchmal) so viel Mühe, eine ansprechend gestaltete und informative Karriereseite auf die Beine zu stellen. Nach zahllosen Agenturgesprächen, Feedbackschleifen und Korrekturrunden ist er dann endlich da: der liebevoll durchdachte Karrierebereich. Bloß leider nimmt niemand davon Notiz. Denn die Webseite kann sich in der Online-Suche nicht gegen die großen Jobbörsen durchsetzen und die dort teuer geschalteten Anzeigen lotsen die potenziellen Bewerber an der Karriereseite vorbei direkt ins – oftmals auch noch extern verwaltete – Bewerbermanagementsystem.

Das Resultat sind nach Ergebnissen unserer aktuellen Online Recruiting Studie im Schnitt schlappe 78 Besucher pro Stellenanzeige. Das heißt: auf nimmer Wiedersehen Return on Investment! Tschüss Employer Brand und goodbye Cultural Fit!

#2: Das Mobilgerät zeigt eine verkleinerte Version der Desktop-Ansicht

Wie lange ist „Mobilegeddon“ nun schon her? Der sagenumwobene und von Panik begleitete Tag, an dem Google ein Algorithmus-Update durchführte, das nicht mobiloptimierte Webseiten in der organischen Suche zukünftig abstrafen würde. Das war der 21. April 2015. Sechs Jahre später hat scheinbar jedes vierte DAX-Unternehmen darin noch immer keinen Handlungsbedarf für die eigene Karriereseite erkannt. Anstelle einer vertikal ausgerichteten und gut lesbaren Mobilansicht des Karriereangebots bekommt der potenzielle Bewerber (wenn überhaupt) eine verkleinerte Desktop-Version vorgesetzt.

Jetzt mal ehrlich: Wer zoomt auf dem Handy gerne ständig rein und raus, klickt unbeholfen immer wieder die falschen Links und scrollt zum Lesen unentwegt von links nach rechts? Niemand! Bei durchschnittlich einem Drittel mobiler Zugriffe auf die Karriereseite, tut eine versäumte Mobiloptimierung nicht nur der Personalabteilung mächtig weh.

Desktop vs Mobilversion einer Karriereseite

#3: Die Jobbörse auf der Karriereseite ist schlecht oder gar nicht filterbar

So ein Flohmarkt-Bummel ist was Feines – wenn man gerade nichts Bestimmtes sucht. Denn man muss sich oft durch Unmengen von Krams wühlen, bis man in all dem Trödel etwas Brauchbares gefunden hat. Eine Jobsuche ist jedoch kein Flohmarktbummel. Die meisten wissen bereits, was sie suchen und haben keine Lust, sich durch die gesamte Jobbörse zu quälen, nur um vielleicht dieses eine passende Jobangebot zu finden. Darum ist eine Kategorisierung der Jobbörse unumgänglich. Dabei kann man sich zunächst mal an den typischen W-Fragen orientieren. Was (z.B. Tätigkeitsfeld)? Wo (z.B. Standort)? Wie (z.B. Karrierelevel)? Wann (z.B. Einstiegstermin)? Natürlich sollten die Filter auch auf dem mobilen Gerät gut bedienbar sein.

#4: Die Stellenanzeige wird automatisch als PDF runtergeladen

Da stöbert man am Montagmorgen in der Bahn auf dem Smartphone gerade nach einer vielversprechenden Stellenausschreibung, klickt nichtsahnend auf einen wohlklingenden Jobtitel und plötzlich – bäääm – der Download wurde gestartet. Wieso, weshalb, warum? Da stand doch „Junior Manager Logistik (m/w)“ und nicht „Jetzt die Stellenbeschreibung herunterladen“.

Das mobile Internetvolumen wird strapaziert, Speicherplatz wird in Anspruch genommen und viel schlimmer noch – niemand weiß, was jetzt mit der Stellenanzeige überhaupt passiert. Wird sie geöffnet und angeschaut oder ist der potenzielle Bewerber schon jetzt einfach nur maximal genervt? Wie oft wird die Anzeige aus dem Speicher aufgerufen? Entschließt sich der Kandidat schlussendlich zur Bewerbung? Das wird für immer sein Geheimnis bleiben. Denn PDF-Dateien lassen keine Nutzerdatenanalyse zu.

#5: In der Stellenanzeige gibt es keinen „Bewerben“-Button oder er funktioniert nicht

Großartig, die Stellenausschreibung klingt spannend. Der Kandidat ist überzeugt. Jetzt nur noch die Bewerbungsunterlagen einreichen. Aber wie? Diese Frage darf sich der Besucher der Anzeige auf keinen Fall stellen müssen. Im besten Fall weist ein auffällig gestalteter und gut sichtbar platzierter Button den direkten Weg ins Bewerbungsformular. Der nächste Schritt im Prozess muss jederzeit ersichtlich und nie mehr als einen Mausklick entfernt sein. Das gehört zur guten Nutzerführung auf der Karriereseite. Fehlende, versteckte oder nicht funktionierende Klickflächen lassen die Absprungrate an dieser kritischen Stelle der Candidate Journey unvermittelt in die Höhe schießen und sorgen für schlechte Bewerbungsquoten.

Aufmerksamkeitsstarker Call-to-Action
Der Handlungsaufruf zur Bewerbung sollte auffällig formatiert und prominent platziert sein und muss natürlich auch funktionieren.

#6: Nach „Jetzt Bewerben“ folgt ein umständlicher Login-Prozess

Nun geht es endlich ans Eingemachte, denkt der Bewerber. Pustekuchen. Jetzt muss erstmal ein Bewerber-Account erstellt werden. Unendlich scheinende Datenschutzerklärungen, unzählige Formularfelder und undurchsichtige Passwortvorgaben erwarten den in Schockstarre verfallenen Kandidaten hier. Natürlich müssen alle wichtigen Daten zur Sicherheit zweimal eingegeben werden. Und vielleicht gibt es oben drauf sogar noch eine dieser lustigen Captcha-Abfragen.

Ob Ihr alle richtig steht, seht ihr wenn’s nicht weitergeht. Mehr als ein Viertel der DAX-Unternehmen erzwingt von seinen potenziellen Bewerbern einen der Bewerbung vorgeschalteten Login. Das ist zeitaufwendig, frustrierend und unnötig. Wer sich unbedingt registrieren will, kann das auf freiwilliger Basis tun und eine Einwilligung zur Poolspeicherung ist auch ohne Login möglich. Am Ende zählt die eingegangene Bewerbung und der Weg dahin sollte dem Kandidaten so einfach wie möglich gemacht werden.

#7: Im Bewerbungsformular werden unnötig viele Daten abgefragt

„Lieber Freund, entschuldige meinen langen Brief, für einen kurzen hatte ich keine Zeit.“ Ob Goethe, Voltaire oder Marc Twain, von wem auch immer das Zitat sein mag – Fakt ist, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Bewerbungsformulare sind oftmals ein gutes Beispiel für dieses überaus lästige Phänomen. Man kann sich nicht entscheiden, was wirklich wichtig ist, also fragt man einfach alles ab. Frei nach dem Motto: Haben ist besser als brauchen.

Ähm, ja, aber wer hinterher auch lieber Bewerber hat, als braucht, der sollte sich hier kurzfassen und nicht die wertvolle Zeit der Kandidaten verplempern. Wird die Postanschrift des Bewerbers wirklich als Pflichtfeld benötigt? Ist das der richtige Zeitpunkt, mögliche Einsatzorte abzufragen? Und die Pflichtfrage danach, wie der Bewerber auf das Stellenangebot aufmerksam geworden ist, legt nahe, dass die Personalmarketing-Maßnahmen nicht ausreichend durchdacht und messbar gemacht wurden. Sonst könnte sich die Personalabteilung diese Frage in vielen Fällen selbst beantworten.

#8: Die Labels und Fehlermeldungen sind unverständlich oder unvollständig

Gehaltsvorstellung ist ein breiter Begriff. Netto oder brutto? Monatsgehalt oder Jahresgehalt? Auch das Feld „Frühestmöglicher Eintrittstermin bzw. Kündigungsfrist“ wirft Fragen auf. Soll jetzt ein Datum oder ein Zeitraum eingegeben werden? Oder beides? Unvollständige oder unklare Bezeichnungen der Formularfelder können zu Missverständnissen führen und den Bewerbungsfortschritt behindern.

Dasselbe gilt für kryptische oder gänzlich ausbleibende Fehlermeldungen des Systems. Auch der unspezifizierte Hinweis „Fehler“ ist nicht wirklich hilfreich. Es sollte klar formuliert werden, wo der Fehler liegt und wie er schnellstmöglich behoben werden kann. Außerdem sollten Pflichtfelder von Vornherein als solche gekennzeichnet werden, damit es beim Absenden der Bewerbung nicht zu bösen Überraschungen kommt.

Labels und Fehlermeldungen im Bewerbungsformular
Eine klare Fehlermeldung vermeidet Missverständnisse und erleichert den Bewerbungsprozess.

#9: Die Dateneingabe auf der Karriereseite konnte nicht richtig gespeichert werden

Hoppla, ein Fehler ist aufgetreten. Ihre Daten konnten leider nicht korrekt gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal – wohl kaum. Wer seine Bewerber beim Klick auf den „Absenden“-Button mit einer derartigen Fehlermeldung begrüßt, sagt seinem Kandidaten damit in den meisten Fällen Lebewohl. Schonmal ein Dokument verfasst, das kurz vorm Abspeichern abgestürzt ist, sodass die Datei irreversibel verschwunden war?

Time-Outs bei der Dateneingabe und Fehler in der Prozessverarbeitung sind ein ebenso großes Fiasko. Und machen ebenso gute Laune wie das zuvor beschriebene Szenario. Wer sich nach ausgiebigen Flüchen, Verwünschungen und Wutausbrüchen tatsächlich zu einem zweiten Anlauf durchringen kann, wird sich mindestens bei Freunden und Familie über den unprofessionellen Auftritt des Unternehmens auslassen.

#10: Trotz klarer Nutzersignale wird der Recruiting-Prozess einfach nicht besser

Leider hat die Geschichte meist kein Happy End. Obwohl zahlreiche Bewerber ihre Tiefkühlpizza an der Kasse liegen lassen aka. den Bewerbungsprozess mittendrin abbrechen, führt das nur selten zu Verbesserungen. Das liegt häufig vor allem daran, dass die Recruiter es schlichtweg nicht mitbekommen. Zwar klagen sie über die ausbleibenden Bewerbungen, doch die Mehrheit kann nicht vollständig nachvollziehen, wo und woran es im Bewerbungsprozess scheitert.

Fast die Hälfte aller DAX-Unternehmen macht die Messbarkeit und damit die datenbasierte Identifikation von Handlungsbedarf durch iframes, Popups, PDF-Dateien und externe Bewerbermanagementsysteme zunichte. Die Konsequenz: Unglückliche Bewerber und unglückliche Recruiter.

###promotional-banner###

Robot Vera – der erste Recruiting-Roboter?

Auf der diesjährigen HR Tech World in Amsterdam hat sich ein russisches HR-Tech Unternehmen den Sieg in dem Start-Up Wettbewerb gesichert. Das Produkt der Firma Stafery Ltd. heißt “Robot Vera”. Die Lösung soll Recruitern viel Zeit sparen.

Konkret macht Vera zwei Sachen. Anhand einer Stellenausschreibung werden potentielle passive Kandidaten aus angeschlossenen Profil-Datenbanken herausgesucht. Anschließend werden telefonische Vorauswahlgespräche vorgenommen. Angeblich können auch Video-Interviews geführt werden.

Soweit so gut. Eine nette Idee. Herangetragen wurde sie an mich aus der Szene etwas überschwänglich als “ein wirklich vollautomatischer, AI-basierter Recruiting Roboter”. Auch die öffentliche Darstellung von Robot Vera bedient sich gerne der Begriffe aus dem Kontext der künstlichen Intelligenz. Robot Vera –  der  erste echte Recruiting Roboter?! Natürlich wollte ich sofort wissen, was Vera wirklich kann, und was einfach nur Marketing ist. Das Ergebnis – der Teufel steckt auch bei Vera im Detail.

###promotional-banner###

Wie funktioniert Robot Vera?

Vera funktioniert (aktuell) nur in Kombination mit externen Profil-Datenbanken. Die für den US-Markt vorgesehene Version hat aktuell z. B. Career Builder angebunden. Zum Anfang einer Kampagne muss der Recruiter natürlich einen Stellentitel definieren. Und hier liegt unser erster großer Hase im Pfeffer. Schlechter Titel bedeutet hierbei logischerweise ein schlechteres Ergebnis. Künstliche Intelligenz kann bei diesem entscheidenden Schritt nicht wirklich helfen, außer dass bei der Eingabe eine Vorschlagsliste, wie z. B. bei der BA, eingeblendet wird.

Ist die Stelle angelegt, gelangt man zu den Basiseinstellungen des Roboters. Vera wird anhand des Stellentitels die passenden Profile aus den angeschlossenen Datenbank vorfiltern und soll dann die Kandidaten anrufen. Für das erste Interview sind zwei ja/nein Fragen vorgesehen. Die Fragen sind vorformuliert, können aber angepasst werden.

Recruiting Roboter: Im Telefonat Qualifikationen checken

Es geht in diesem Schritt um eine ganz simple Vorauswahl. Besteht grundsätzliches Interesse seitens der Kandidaten? Im Kontext veralteter Profil-Leichen macht das sicherlich Sinn. Die Frage ist allerdings, bei welchen Jobs diese sehr oberflächlichen Informationen für eine fundierte Absichtserklärung durch den Kandidaten ausreichen?

Nach diesem Schritt kann man festlegen, ob Kandidaten, die mit “yes,yes” antworten, automatisch per Mail zu einem ausführlichen Interview eingeladen werden. Und Schon kann die Kampagne gestartet werden.

Recruiting Roboter: Auswertung, ob die Stelle interessant ist

Im weiteren Verlauf werden die vorausgewählten Kandidaten in der aktuellen auf ein sehr einfaches Online-Interview geleitet. Es werden drei Fragen gestellt:

1) In this connection, are you looking for work?
2) What was part of your job duties at your last job?
3) Why do you want to work in this company?

Bei meiner Recherche habe ich in einem Video-Tutorial die Option entdeckt, Gesprächsleitfäden anzulegen, konnte diese in meinem eigenen Account allerdings nicht finden. Sagen wir mal, es ist möglich, komplexere Gespräche (ob Anruf oder Video) zu entwerfen.

Ich halte an dieser Stelle fest, der Roboter arbeitet nach Vorgabe der Recruiters. Die Logik des Gesprächs muss vom Menschen kommen. Der Roboter kann nur  ja/nein Fragen verstehen und Antworten auf offen gestellte Fragen aufnehmen. Die Eigenständigkeit des Roboters besteht in seiner Fähigkeit, mehrere Hunderte und Tausende Anrufe gleichzeitig zu führen. Darin besteht auch das Potenzial der erheblichen Zeitersparnis, mit dem das Unternehmen hinter Vera wirbt.

Eine besondere Innovation in Sachen künstliche Intelligenz im Recruiting konnte ich nicht feststellen. Vera versteht nicht, was man tatsächlich sagt, sie nimmt es lediglich wahr und reagiert auf Signalwörter. Vergleichbar mit dem, was wir seit Jahren von den klassischen Service-Hotlines kennen. Mit dem Unterscheid, dass diese Hotline Menschen eigenständig anruft. Eine Einschätzung der Qualifikation der Kandidaten kann Vera meiner Ansicht nach, nicht vornehmen. Auch wenn in der Präsentation suggeriert wird (min 7:11), Vera könne sogar Emotionen erkennen. Aus meiner Sicht ist das reines Marketing.

Ich will kein Spielverderber sein. Das Projekt steht sicherlich noch am Anfang. Vielleicht kommt da noch was. Aber im Augenblick erschöpft sich der Mehrwert in dem automatisierten Anruf-Multitasking. Vielleicht reicht das aber auch zum jetzigen Zeitpunkt. Angeblich konnte man in Russland bereits große Arbeitgeber als Kunden gewinnen und für sie über 500.000 Anrufe führen.

Praktische Relevanz von Recruiting Robotern

Wenn ich an die Gegenwart und die Zukunft von Vera und ähnlichen Lösungen denke, fällt mir folgendes ein:

Ich bin heute überzeugt, dass man nach dem heutigen Stand der Technik kein echtes, in die Tiefe gehendes Bewerbungsgespräch von einem Roboter führen lassen kann. Alleine schon die Grenzen der Spracherkennung, gerade mündlich, sind ein echtes Problem. Versucht mal mit Siri zu sächseln. Die Frage ist allerdings, ob ein in die Tiefe gehendes Gespräch tatsächlich notwendig ist?

Der Vorstoß von Robot Vera ist aus meiner Sicht interessant. Ein “vollautomatischer, AI-basierter Headhunter” ist Vera allerdings nicht. Auf den werden wir lange warten müssen. Vera kann einen kleinen, aber unter Umständen sehr zeitaufwendigen, Teil-Prozesses im Recruiting übernehmen. Sortieren, Anschreiben, Anrufen, Frage stellen, Ja, Nein, Aufnehmen, Absage schreiben wenn Y, Einladung wenn X.

Es gibt Berufe und Einsatzszenarien, bei denen ein Roboter, von mir aus tatsächlich telefonisch, eine simple qualitative Vorauswahl machen kann. Man denke z. B. an Szenarien wie Sourcing von großen Bewerber-Datenbanken großer Unternehmen. Wenn da ein Roboter hin und wieder alte Bewerber anhand eindeutiger Kriterien im Bezug auf neue Stellen eigenständig kontaktieren würde, wäre das sicherlich eine Zeitersparnis. Abstimmung von Terminen für Telefonate oder Gespräche, Anfordern von fehlenden Unterlagen. Wird noch alles kommen, davon bin ich überzeugt. Und Vera ist da auch sehr sehr sehr ambitioniert.

Aber…, stellen wir uns nun vor, Veras sind eines Tages wirklich allgegenwärtig. Jedes Unternehmen hat eine Vera im Einsatz. Wie viele automatische Anrufe wird ein Kandidat pro Tag erhalten? Hunderte? Ist das wirklich gewollt? Ist das die Zukunft des automatisierten Recruitings – Menschen gnadenlos auf die Nerven zu gehen? Paradox, aber in so einer Welt würde der Wert eines menschlichen Anrufs deutlich steigen und womöglich zum einzigen Erfolgsgarant werden.

Und so lautet meine abschließende Frage, ist Robot Vera wirklich eine Innovation, die wir (im Recruiting) dringend brauchen? Oder ist sie einfach eine logische Konsequenz des allgegenwärtigen Artificial Intelligence (AI), Machine learning, Big-Data, Matching, Chatbot Hypes, der gerade die dankbaren Personaler für sich entdeckt? Vielleicht etwas von beidem.

Würdet Ihr Robot Vera einsetzen? Ja? Nein? Warum? Was haltet Ihr grundsätzlich von der Lösung?